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Titel der englischen Originalausgabe:

DIVINE – BALANCE

2. Auflage

Veröffentlicht durch den

MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Frankfurt am Main 2016

www.mantikore-verlag.de

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe

MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

Text © M.R. Forbes

Deutschsprachige Übersetzung: Andrea Blendl

Lektorat: Julian Köck, Nora-Marie Borrusch

Satz: Karl-Heinz Zapf

Cover- und Umschlaggestaltung: Konstantinos Lagos und Matthias Lück

VP: 196-132-01-06-0418

Printed in the EU

eISBN: 978-3-945493-69-4

M. R. Forbes

AUFERSTEHUNG

– THE DIVINE CHRONICLES

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M. R. Forbes

AUFERSTEHUNG

– THE DIVINE CHRONICLES

Roman

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Für meinen Engel,
weil du immer an mich glaubst.

Danke.

EINS

Es war etwas in der Art, wie sie sich bewegte; in der katzenhaften Eleganz ihres Körpers, der Geschmeidigkeit ihrer Schritte. In der Art, wie ihre Arme träge vor und zurück schwangen, als sie an mir vorbeischlenderte. Sie hatte schwarzes Haar, das in einer einzigen seidigen Welle auf ihre Hüften fiel, blaue Augen, olivfarbene Haut, Leggins, einen engen roten Pulli und ein gewisses Etwas, das sie auf der Skala „Nicht in meiner Liga“ ganz nach oben brachte. Außerdem war sie in einem Museum! Ganz alleine! Ja, ich starrte sie an. Nein, sie bemerkte es nicht.

Es war meine zweite Woche im Job im Museum für Naturgeschichte, meinem ersten Job nach dem Gefängnis. Das war eine lange Geschichte, aber die kurze, einfache Version hatte etwas mit einem zu sozial eingestellten Computerfreak und den Kreditkarten fremder Leute zu tun. Ich hatte Glück, dass ich so eine angenehme Arbeit erwischt hatte. Normalerweise stellte das Museum keine Ex-Knackis ein, aber sie hatten eine spezielle Ausstellung mit uralten katholischen Reliquien importiert, „Erstes Mal außerhalb des Vatikans, nur für begrenzte Zeit“, so dass sie das Personal aufstocken mussten. Mein Verbrechen war ja auf keinerlei Art und Weise gewalttätig oder physischer Natur gewesen, weshalb sie willens waren, darüber hinwegzusehen. Meine Arbeit war einfach, herumstehen und aufpassen, dass niemand auch nur versuchte, komisch auf die Artefakte zu pusten.

Heute bewachte ich Tassen. Verzeihung, Kelche. Einen ganz besonders, einen einfachen hölzernen, der am Ende der Ausstellungshalle auf einem speziellen Podest stand. Er war von einem Absperrseil umgeben, drei Metern Luft, einbruchs- und kugelsicherem Glas, und wurde von jeder Art an Technologie, die man sich nur vorstellen konnte, überwacht. Es hieß, das sei die Tasse, aus der Jesus beim Letzten Abendmahl getrunken hatte, der Heilige Gral. Es sah aus, als käme es direkt aus „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. Lucas war nicht weit danebengelegen.

Bisher war der Job genauso fad, wie ich vermutet hatte. Jeden Tag musste ich von neun bis zwölf und von eins bis zum Schließen des Museums am Eingang zur Ausstellungshalle stehen, die Leute beobachten, wie sie hinein- und hinausgingen, und gelegentlich die Gänge hinauf- und hinunterwandern, um sicherzustellen, dass niemand Fingerabdrücke auf den Glaskästen hinterließ. Meine größten Gegenspieler bei dieser neuen Karriere waren Kinder. Sie fassten die Dinge gerne an.

Ein besonders ehrgeiziger Missetäter erschien in meinem Augenwinkel und ich war gezwungen, damit aufzuhören, das Mädchen anzustarren, das sich gerade dem hölzernen Kelch am anderen Ende der Halle näherte. Sie schien wirklich daran interessiert zu sein. Sehr sexy.

Sauer über die Unterbrechung meines leicht gruseligen Stalkings marschierte ich dort hinüber, wo der kleine Junge gerade stand und seine Hände und sein Gesicht gegen das Glas drückte. Ich lugte auf die Beschriftung hinunter, Diamantkelch, 771 AD. Da stand noch mehr, aber ich musste es nicht lesen, ich hatte das schon über hundert Mal gesehen. Es war ein beeindruckendes Stück Handwerkskunst, das dem Papst von Karl dem Großen geschenkt worden war. Es tendierte dazu, der Favorit der Frauen zu sein, und noch mehr bei Kindern. Meine Vermutung war, dass der „Oh, es glänzt“-Teil seines unterentwickelten Gehirns die Kontrolle über sein Tun übernommen hatte.

„Entschuldige, junger Mann“, sagte ich und kniete mich hin, so dass mein Gesicht auf gleicher Höhe mit seinem war. „Die Regeln sagen eindeutig, dass man das Glas nicht berühren darf.“

Er sah mich an und ich deutete mit dem Finger auf das Schild, auf dem „NICHT BERÜHREN“ stand. Er lachte und rannte weg, um seine Mutter zu suchen, die mit wenig Sorge um ihre Brut weitergegangen war. Ich sah zu, wie er weglief, sich durch eine Reihe von Erwachsenen drängte und sich an ihre Hand hängte. Sie schaute zu ihm hinunter und er deutete zurück, wo ich immer noch hockte. Sie schenkte mir einen Blick wie eine Medusa und schob die kleine Petze vorwärts. Was hatten die Eltern eigentlich heutzutage? Gott bewahre, dass ihre Kinder tatsächlich die Regeln befolgten. Moment … habe ich das gerade wirklich gesagt?

Ich dachte über den menschlichen Alterungsprozess und das seltsame Phänomen nach, das auftritt, wenn wir irgendwie anfangen, uns in unsere Eltern zu verwandeln, als ein kollektives Raunen meine Aufmerksamkeit verlangte. Ich stand da und suchte nach der Quelle. Verdammt!

Die Süße mit dem schwarzen Haar stand innerhalb der Seilabsperrung! Nicht wirklich so beeindruckend, ich weiß, aber das war ein bedeutendes Vergehen im Handbuch für Museumswärter. Zumindest würde es mir einen Vorwand schenken, um sie anzusprechen. Ich fing an, mir meinen Weg durch die versammelte Menge zu bahnen, die sich natürlich beschwerte, dass sie ihr den Blick versperrte.

„Entschuldigen Sie, Fräulein“, sagte ich zu ihrem Rücken.

Sie hatte das einbruchs- und kugelsichere Glas erreicht und stand gerade in einer sehr gedankenverlorenen Haltung da, ihre linke Hand unter ihrem Kinn, während die rechte an ihrer Hüfte lag. Sie ignorierte mich, was auch ziemlich genau das war, was ich von jemandem wie ihr erwartete. Ich nahm mein Funkgerät und rief nach Verstärkung. Ich hatte nicht die Autorität, sie wegzubewegen. Nur die höherrangigen Aufseher durften das.

„Hey Jimmy“, sagte ich, „ich habe hier drüben in der Kelch-Ausstellung eine kleine Krise. Hier ist eine junge Frau, die glaubt, sie hätte die exklusiven Betrachtungsrechte für die Tasse vom Letzten Abendmahl.“ Es gab eine kurze Stille vor der Antwort.

„Kelch, Landon. Es ist ein Kelch. Ich bin gleich da.“ Er klang, als hätte ich ihn geweckt. Das hatte ich wahrscheinlich auch.

Ich nahm die Seilabsperrung weg und näherte mich dem Mädchen. Sie bewegte sich immer noch nicht. „Fräulein, geht es Ihnen gut?“, fragte ich.

Besser gefühlvoll an die Sache herangehen. Sie reagierte überhaupt nicht auf den Klang meiner Stimme. Ich erwartete nicht viel Aufmerksamkeit von jemandem wie ihr, aber mich behandeln, als wäre ich gar nicht da? Das war ein bisschen viel. Ich warf einen kurzen Blick zurück Richtung Eingang. Jimmy sollte nur eine Minute brauchen, um vom Büro hier rüberzukommen. Als ich zurück auf das Mädchen blickte, schnitt sie gerade mit ihrer Fingerspitze durch das Glas.

„Äh …“ Meine Gedanken machten einen Sprung, stolperten über sich selbst und ließen den Rest meines Körpers verkrampfen. Passte nicht zusammen. Ich nahm wieder das Funkgerät.

„Jimmy, wo zur Hölle bleibst du“, brüllte ich, wobei meine Stimme um eine Oktave höher wurde. Ich blickte wieder auf. Ihr Finger wirkte jetzt eher wie eine Klaue, und er schnitt wirklich gerade durch das Glas – das einbruchs- und kugelsichere Glas. Der Alarm begann zu schrillen.

Jimmy trudelte endlich in der Ausstellungshalle ein, sein Atem schwer, als er neben mir anhielt. Alt … Check. Übergewicht … Check. Außer Form … Irgendwelche Zweifel? Er war der typische Museumswärter.

„Oh Mann, Landon“, sagte er. „Du hast mir nicht gesagt, dass sie heiß ist.“ Er streckte seine Hand aus und legte sie auf ihre Schulter. „Es tut mir leid, Fräulein, aber Sie werden zurück hinter die Seilabsperrung gehen müssen.“

Es gab einen roten Blitz, und das nächste, was ich weiß, ist, dass Jimmy ohne Extremitäten auf dem Boden lag. Chaos brach im Gebäude aus.

Die Menge, die sich versammelt hatte, um sich die Show anzusehen, fing an zu schreien. Ich fing auch an zu schreien und wich zurück, als sich das Mädchen umdrehte und mich ansah. Ihre Augen waren gelb; ihre Zähne waren zu Reißzähnen verlängert. Es war direkt wie aus einer Ausgabe von Fangoria. Sie knurrte, zerschmetterte mit ihrer Faust den Rest des einbruchs- und kugelsicheren Glases zu Staub, schnappte sich den Gral und rannte auf die Zuschauer zu – alles innerhalb von nur drei Sekunden.

Während ich immer noch zurückwich, trafen meine Beine auf das Seil und ich stürzte nach hinten. Das Letzte, was ich sah, war, wie dieses teuflische Mädchen ein Päckchen wegwarf, das mir aus einer Anzahl von Actionfilmen nur zu vertraut vorkam. Es gab einen lauten Knall und einen Haufen Hitze. Als ich spürte, wie mein Leben aus mir wich, konnte ich die Schreie hören und das brennende Fleisch riechen. Ich war nicht der Einzige, der an jenem Tag sterben musste.

ZWEI

Ich kam wieder zu mir, wenn man das so nennen kann, wobei mein Gesicht buchstäblich im Sand begraben lag. Mein Kopf dröhnte und mein Herz hämmerte. Sollte ich nicht tot sein? Ich konnte mich deutlich an das weiße Licht erinnern, daran, wie meine Sinne verblassten, und an ein überwältigendes Gefühl von Freiheit.

Ich hob meinen Kopf und sah mich um durch den Sand, der an meinen Wimpern klebte. Ich lag an einem Strand und trug Badeshorts. Ich war allein. Falls das der Himmel war, würde es eine einsame Ewigkeit werden.

Wer war sie, fragte ich mich, und vergaß für einen Augenblick meine missliche Lage. Das Mädchen hatte mich getötet, aber ich dachte immer noch über sie nach. Hieß das, dass ich verrückt war? Ich erhob mich auf meine Füße und fing an, die gröberen Sandkörner abzuklopfen, dann holte ich tief Luft und versuchte nachzudenken. Okay, ich war also gerade bei einer Explosion gestorben, ich stand jetzt komplett alleine an einem Strand und aus irgendeinem Grund hatte ich keine Angst. Tatsächlich fühlte ich mich sogar, abgesehen von meinem Kopfweh, verdammt gut.

„Landon Hamilton.“ Die Stimme war alt, tief und weich wie Samt. Sie erschreckte mich zu Tode. Ich wirbelte herum.

Der Mann war aus dem Nirgendwo erschienen. Er war gute sechs Zentimeter kleiner als ich, mittleren Alters, mager, aber muskulös, und hatte eine Glatze. Er hatte einen kurzen weißen Ziegenbart und hellblaue Augen. Er trug einen schwarzen Maßanzug.

„Sind Sie Gott?“, fragte ich.

Er schenkte mir ein „Du bist ein Idiot“-Lächeln. „Zum Glück nicht. Du kannst mich Mister Ross nennen. Ich bin der Sammler.“

Oh. „Ich bin tot, richtig?“, fragte ich.

Er nickte.

„Ein Strand?“

„Sieh dich um, Junge“, sagte er. „Erde, Wasser, Luft, Feuer; das Gefühl von Sand zwischen deinen Zehen, sich im Wasser von der Hitze der Sonne abzukühlen. Die frische, salzige Seeluft … Wo sonst vermischt sich die Menschheit so perfekt mit den Grundelementen der Natur?“

Es ergab Sinn, auf eine Nichts-ergibt-überhaupt-noch-Sinn-Art. „Okay. Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht die Hölle ist, außer Sie betrügen mich, so dass ich glaube, das ist nicht die Hölle, und dann stellt sich heraus, dass sie es doch ist. Wenn das der Himmel ist, also ich weiß nicht … Nehmen Sie es nicht persönlich, aber das wäre irgendwie enttäuschend.“

Mr. Ross seufzte. „Jetzt höre bitte damit auf, dich zum Narren zu machen. Lass uns gehen.“

Er fing an zu gehen. Ich folgte ihm.

„Warten Sie einen Moment. Wohin gehen wir?“ Er antwortete nicht. „Mr. Ross!“ Nichts.

Was erwartete er? Zwei Minuten zuvor hatte ich gesehen, wie sich eine wunderschöne Frau in eine Art Monster verwandelte, direkt bevor sie mich in Stücke sprengte. Ich war tot, aber ich stand gerade mit einem von den Blues Brothers an einem Strand. Es hatte mich etwas orientierungslos, verwirrt und schwindlig gemacht. Ich fand es gerade schwierig, mich zu beruhigen, also benahm ich mich etwas dämlich.

Wir marschierten, aber ich konnte nicht sehen, wohin wir gerade gingen. Vor uns lag eine große Sanddüne, darüber der klare blaue Horizont. Es war immer noch keine andere Menschenseele in der Nähe und Mr. Ross wollte nichts sagen. Er ging voran. Ich folgte, bis er ohne ersichtlichen Grund anhielt.

„Es wird in Ordnung gehen, Junge“, sagte er. „Es passiert allen. Lass es einfach geschehen.“

„Was passiert?“, fragte ich.

Dann passierte es. Die Realität. Das bedrückende Gewicht dessen, was sich tatsächlich ereignet hatte, die kalte Erkenntnis, dass ich nicht länger Teil der Welt der Lebenden war. Dass meine Mutter bald von der Polizei hören würde, dass ihr Sohn das Opfer irgendeiner Terrorattacke eines vergrämten Angestellten oder ziemlich Wahnsinnigen geworden war. Dass ich nie heiraten, Kinder haben, das College abschließen oder Europa bereisen würde. Ob Himmel oder Hölle, ich war aus dem Spiel.

Das ist die einfache Beschreibung. Der Schmerz, der folgte, war hundertmal schlimmer. Reue, Schuld, Zorn, Neid, ich glaube, ich durchlebte im Lauf von ein paar Minuten jede einzelne menschliche Emotion. Ich rollte mich am Strand ein und heulte mir die Augen aus, als der Mahlstrom an Gefühlen meine Sinne überwältigte und mich dort verharren ließ, für zehn Minuten, eine Stunde, einen Monat? Es gab keine Möglichkeit, das zu messen, außer durch Schmerz. Es fühlte sich an, als würde es ein weiteres Leben lang dauern. Mr. Ross stand einfach nur da, während es geschah, und wartete, bis es verging, wobei ich mir sicher war, dass er das schon viele Male zuvor getan hatte.

Als es vergangen war, fühlte ich mich freier und geläutert. Immerhin hatte ich noch etwas. Etwas, worauf ich bauen konnte, wonach ich trachten konnte, womit ich mich herausfordern konnte. Ich hatte vielleicht meinen Körper verloren, aber meine Seele war immer noch ein fühlendes Wesen. Ich stand wieder auf, wischte mir mit der Hand die Augen ab und sah Mr. Ross an.

„Ich bin bereit“, sagte ich. Er sagte nichts, wirkte aber zufrieden, ganz so, als hätte ich eine Art Test bestanden.

Als wir den Gipfel der Sanddüne erreichten, wurden wir von nichts als weißem, leerem Raum empfangen. Wer hätte gedacht, dass Nichts so verblüffend sein könnte? Ich gaffte.

„Ich habe das mindestens eine Million Mal gesehen“, sagte Mr. Ross. Ich glaubte es ihm. „Ich bin trotzdem jedes Mal wieder erstaunt.“

„Was ist es?“, fragte ich.

„Stell dir den Strand als Landezone vor. Ich bin der Sammler. Ich hole dich dort ab. Nach der Ankunft kannst du zu einer Anzahl an Orten kommen, was davon abhängt, wie du zugewiesen wirst. Die meisten Leute werden in eine zweite Wartezone weitergeleitet, wo sie einen Bekannten treffen, wenn wir einen verfügbar haben. Wir versuchen, jemanden zu finden, der schon gelernt hat, wie es hier läuft, und ihnen mit dem Übergang hilft. Wenn sie niemanden kennen, oder sie vielleicht nie jemand leiden konnte, werden sie in die Orientierungszone weitergeleitet, die nach religiösen Ansichten aufgeteilt ist. Einige werden nach oben oder unten gestuft, normalerweise wegen eines ‚Schreibfehlers‘.“ Er machte wirklich die Anführungszeichen in der Luft. „Du bist ein Sonderfall. Du darfst den Boss treffen.“

Sonderfall? Oben oder unten? Boss? Zu viele Fragen, aber ich kam nicht dazu, sie zu stellen. Er legte seine Hand auf meinen Rücken und schubste mich ins Nichts.

Als wir auf der anderen Seite herauskamen, standen wir auf einer belebten Straße, die mich an New York erinnerte. Es war eine schnelle Sache, ein weicher Übergang. Rechter Fuß nach vorne auf den Gehsteig, linker Fuß noch im Sand steckend. Zum Glück passte meine Kleidung zur Umgebung, eine Jeans, ein schwarzes T-Shirt und eine Lederjacke. Ich wette, ich sah cool aus.

„New York?“, fragte ich.

„Sag du es mir“, antwortete Mr. Ross. „Du hast es gemacht.“

„Was meinen Sie damit?“

„Ich werde dir das vom Boss erklären lassen.“ Er zog mich auf das Gebäude zu, vor dem wir gerade standen. Ich sah zu der gewaltigen Masse an Glas und Stahl hinauf, die sich so weit in den Himmel erstreckte, wie ich mein Genick verrenken konnte. Mindestens hundert Stockwerke. Als wir durch die gläserne Drehtür glitten, bemerkte ich ein kleines Schild, das in schnörkelhafter Schrift ins Glas geritzt war:

Alighieri Corp.

Das Innere des Gebäudes war unglaublich. Ein riesiger Empfangsbereich mit einer Decke, die locker hundert Meter weiter oben war, eine solide Glaswand links und rechts und ein massiver Wandteppich, der hinter einem halbrunden Empfangstresen hing, wo eine junge Brünette gerade etwas in einen Computer tippte. Auf jeder Seite des Tresens waren zwei Aufzugpaare. Mr. Ross bog nach links und drückte auf den „Nach oben“-Knopf. Ich warf einen genaueren Blick auf den Wandteppich, während wir warteten.

Er sah vertraut aus. Ein Mann im Vordergrund, der eine rote Robe und einen seltsamen Hut trug, hielt gerade ein Buch auf. Zur Linken tanzte ein Haufen nackter Leute ihren Weg nach unten auf eine Feuergrube und den Teufel zu. Zur Rechten lag eine ummauerte Stadt, und im Hintergrund führte ein aufragender Berg auf einen bewölkten Himmel zu.

Ich wandte mich an Ross. „Ist das …?“ Ich kam nicht dazu, es zu beenden. Die Aufzugtüren öffneten sich und er schob mich hinein.

„Der Boss“, murmelte er und befahl mir, ruhig zu bleiben und mir meine Fragen aufzuheben. Die Aufzugtüren schlugen zu und wir begannen, nach oben zu fahren, erst langsam, aber ich konnte spüren, wie wir Geschwindigkeit aufnahmen. Ich versuchte, meine Fragen in eine logische Reihenfolge zu ordnen, aber mein logisches Vermögen versagte und außerdem war die Fahrt zu kurz. Ich spürte, wie sich mein Magen hob, als wir viel zu schnell abbremsten. Können sich tote Menschen übergeben?

Die Aufzugtüren öffneten sich und ich trat hinaus, wo ich einen dicken, weichen Teppich unter meinen Lederstiefeln spürte. Das war nichts verglichen mit dem Ausblick. Die ganze Etage war von etwas umgeben, das wie eine solide Platte aus komplett unsichtbarem Glas wirkte, aber ich konnte jetzt sehen, dass uns hohe Berge mit schneebedeckten Hängen und vielen zerklüfteten Gipfeln umringten. Am Fuß der Berge war ein dichter Wald und davor die Ausläufer der Stadt gelegen, genauso dicht besiedelt, wie ich es für das Gebiet um das Hochhaus erwartet hatte. Es führten keine Straßen aus der Stadt, zumindest keine, die ich hätte sehen können.

Ungefähr zwanzig Meter vor mir, direkt vor dem Aufzug, war ein verzierter Mahagonischreibtisch. Hinter dem Schreibtisch saß auf einem ebenso verzierten Stuhl ein großer, dünner Mann mit kurzem, weißem Haar. Er war zur Seite gedreht, so dass ich nur sein Profil sehen konnte, aber ich konnte sogar von hier aus erkennen, dass er einen feinen, maßgeschneiderten Anzug trug und eine schwere, goldene Rolex an seinem knochigen Handgelenk baumelte. Mr. Ross führte mich zu ihm hin.

Der Mann drehte sich auf dem Stuhl, um uns anzusehen, als wir näherkamen. Seine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln, dann lehnte er sich auf den Schreibtisch, um sich auf die Füße zu schieben. Er war kleiner, als ich gedacht hatte, einen ganzen Kopf kleiner als ich. Er streckte seine Hand aus.

„Buongiorno, Signore“, sagte er. Ich nahm seine Hand in meine eigene und gab mir Mühe, sie kräftig zu schütteln, aber nichts zu zerbrechen. Er fühlte sich an, als würde er beim leichtesten Druck zersplittern. „Mein Name ist Dante.“

Er hatte einen leichten italienischen Akzent, der aber anders klang, als ich es aus Filmen wie dem „Paten“ gewöhnt war. „Landon Hamilton“, sagte ich. Ich war mir sicher, dass er das schon wusste, aber ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte.

„Natürlich“, sagte er mit einem Lachen. Er ließ meine Hand fallen und winkte mich zu einem Stuhl, der eine Sekunde zuvor noch nicht dagewesen war. „Bitte, setz dich.“ Er sah zu Mr. Ross. „Vielen Dank, Mr. Ross. Sie dürfen gehen. Ich glaube, Sie haben noch eine Abholung.“

Mr. Ross blickte auf seine Uhr. „Ja“, sagte er. Er ging nicht zum Aufzug. Stattdessen verschwand er einfach.

Dante ließ sich wieder auf den Stuhl hinunter. „Also, wo waren wir? Ah ja, du fragst dich bestimmt, was hier vorgeht? Wäre das eine gute Einschätzung?“

„Todrichtig“, sagte ich. Er unterdrückte ein Grinsen.

„Ich bin sicher, du hast bereits vermutet, dass du den ontologischen Status, der oft als ‚lebendig‘ bezeichnet wird, hinter dir gelassen hast. Das hast du sogar auf eine ziemlich gewalttätige Weise getan, von einer gewissen ‚heißen Tussi‘ in Stücke gesprengt.“ Er unterdrückte ein weiteres Grinsen. Wenigstens er amüsierte sich. „Glaube mir, wenn ich es dir sage: Du solltest froh über die Tatsache sein, dass es schnell ging. Besser kommt man zu einem plötzlichen Ende, als dass man leidet.“

Das mochte wohl wahr sein, aber ich war dreiundzwanzig Jahre alt. „Besser noch, ich weiß nicht, fünfzig, sechzig Jahre leben“, sagte ich.

„Das glaubst du“, antwortete er. Sein jovialer Gesichtsausdruck verblasste etwas. „Die Dinge sind nicht so einfach, wie sie von deiner Seite der Medaille aus scheinen mögen, Landon. Überhaupt nicht einfach.“

„Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon du gerade sprichst“, sagte ich.

„Nein, woher auch. Bist du mit der katholischen Kirche vertraut?“, fragte er.

Vertraut? Meine Mutter zerrte mich für den Großteil meiner Kindheit jeden Sonntag in die Kirche. Ich hatte mein Erwachsenenleben damit verbracht, zwischen einer gesunden Gottesfurcht und dem kompletten Fehlen von Glauben an irgendetwas Spezielles zu pendeln. Wenn man bedachte, dass der zweite Teil davon sich schon als falsch herausgestellt hatte, sollte ich wohl noch einmal über Ersteres nachdenken.

„Ich war ein Jahr lang Ministrant“, antwortete ich.

Dante stand wieder auf und begann, im Raum auf und ab zu laufen. Nach einigen Trips um den Schreibtisch herum sprach er wieder.

„Es ist eine Lüge“, sagte er.

„Was?“ Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte.

Er holte tief Luft und seufzte. „Es ist eine Lüge, Landon. Keine totale Erfindung, natürlich, es gibt einen Gott und, wie du wohl schon festgestellt hast, Himmel und Hölle sind real. Genauso wie der Raum dazwischen.“

Damit war eine Frage beantwortet. „Also bin ich im Fegefeuer?“, fragte ich.

„Du bist im Fegefeuer“, bestätigte er. „Aber es ist nicht das, was du denkst. Nichts davon ist das.“

Ich hatte schon eine Ahnung gehabt, dass er das sagen würde. Wer hätte gewusst, dass es die ewige Ruhe brauchte, um wachgerüttelt zu werden? „Könntest du das bitte genauer erklären?“

Dante ging wieder auf und ab. „Es ist schwierig zu erklären, Signore. Wir reden hier von tausenden Jahren an Geschichte. Ich werde mit der einfachsten Beschreibung anfangen.“ Er pausierte und versuchte wohl, sich auszudenken, wie er das, was er sagen wollte, so sagen konnte, dass ich es verstehen würde.

„In allen Dingen herrscht ein Gleichgewicht“, sagt er. „Es ist das allerwichtigste Gesetz des Universums. Wenn sich etwas ausbreitet, muss es sich wieder zusammenziehen, wenn es nach oben geht, muss es wieder herunterkommen. Sogar Gott muss sich an dieses Gesetz halten, weil es sogar über Ihm steht. Das ist der Grund für das Fegefeuer. Es ist notwendig für das Gleichgewicht aus Gut und Böse. Als Gott die Menschheit schuf und sie gut machte, versuchte Er, dieses Gleichgewicht in seine Richtung zu verschieben. Solche Dinge dürfen nicht sein.“

Ich kannte einige Geschichten aus der Bibel. „Die Schlange.“

„Ja“, rief er, lächelte und klatschte seine Hände zusammen. „Natürlich keine echte Schlange. Das ist nur eine Geschichte in einem Buch, eine Schilderung einer Wahrheit, eine Vereinfachung, genau wie das, was ich gerade versuche. Die Menschheit konnte nie von Grund auf gut oder von Grund auf böse sein, weil die Gesetze des Gleichgewichts das nicht zulassen würden. Um eine Analogie nutzen, die du vielleicht verstehst, umso mehr Er diese Grenzen verschob, umso mehr Gegendruck bekam Er. Er erschuf die Seraphim, die Engel, um zu versuchen, uns zurück auf den rechten Weg zu bringen, und sie begannen zu fallen.“

„Der Teufel?“, riet ich.

„So wird er in gewissen Kreisen genannt“, sagte Dante. „Er war einst ein Engel, aber er wurde von der Versuchung verdorben. Er streute Zwietracht unter den Rängen der Engel, machte falsche Versprechungen und füllte ihre Ohren mit glaubhaften Lügen. Er erlangte unermessliche Macht, ehe Gott Seinen einen und einzigen Fehler bemerkte, den einzigen, den Er je machen sollte. Gott stellte das Gleichgewicht wieder her, indem Er dem Teufel die Hölle zur Domäne gab. Dann erschuf Er das Fegefeuer, um einen Puffer zwischen die beiden zu legen, so dass Er den Schaden klein halten konnte, den die wechselnden Trends verursachen konnten. So blieb es für viele tausend Jahre.“

„Aber …“ Ich wusste, dass es eines geben musste. Ein Aber gab es doch immer, oder?

Dante seufzte erneut. Er ging zum Fenster hinüber und starrte auf die Berge hinaus. „Der Teufel und seine Lakaien laben sich am Chaos. Er hat nichts vom Gleichgewicht und trachtet nur nach Macht. Er verdirbt die Menschheit nach seinem Willen, wenn er kann, und hofft ständig, dass er das Pendel in seine Richtung ausschlagen lassen kann. Für viele Jahre lief alles wie erwartet und das Gleichgewicht blieb bestehen. Vor zweitausend Jahren trat ein Problem auf. Gott beschloss, sich wieder ins Spiel einzumischen. Er war unglücklich über den Status Quo, unglücklich, dass Er mit etwas gescheitert war. Der Krieg begann erneut – mit der Geburt Seines Sohnes.“

Ich erhob mich auf meine Füße, ging hinüber und stellte mich zu Dante ans Fenster. Seine Augen zuckten herüber, sahen mich an und ein überraschter Ausdruck zog über sein Gesicht und verschwand dann.

„Jesus wurde gekreuzigt“, sagte ich. „Hätte das die Gleichung nicht wieder ausgeglichen?“

„Gekreuzigt ja, aber auch zum Märtyrer gemacht. Sein Tod schuf die Grundlage der katholischen Kirche, der mächtigsten von Gottes Armeen. Ich war einst ein treuer Anhänger der Kirche. Ich verliebte mich in einen Engel und erhielt die seltene Gelegenheit, alle drei Reiche zu besuchen. Der Himmel ist ein wundervoller und unglaublich schöner Ort und die Hölle ist genau das Gegenteil.“

Jetzt war ich wirklich verwirrt. „Also warum nicht im Himmel bleiben?“

„Es herrscht Krieg, Signore. Es mag scheinen, dass es nur zwei Seiten gibt, aber es gibt noch eine dritte, und sie hat sehr wenige Soldaten. Wenn der Teufel seinen Willen bekommt, wird die Welt der Menschen in Chaos und Verderben fallen. Sie wird von Gewalt, Tod und Hunger regiert werden. Die gesamte Menschheit wird bis zu ihrer Vernichtung von den Kreaturen der Unterwelt bedrängt werden.“

„Also kämpfen wir für die Guten, richtig?“, fragte ich.

Er schüttelte seinen Kopf. „Es ist sicher verlockend, das zu tun, aber wenn die Welt vom Guten überflutet wird, dann hat Gott die Möglichkeit, das zu tun, was Er will. Hast du von der Entrückung gehört?“ Ich nickte. „Er wird nur seine treuesten Diener in den Himmel auffahren lassen und Er wird alles andere zerstören, um Seinen Fehler zu beseitigen. Denke deshalb nicht schlecht über Ihn, Landon, es ist nicht, weil Er böswillig gegen uns eingestellt wäre, sondern es liegt an Seiner Natur. Er kann nicht verstehen, dass es etwas Größeres als Ihn gibt, und deshalb wird Er dieses universelle Gesetz herausfordern. Er kann nicht einsehen, dass Er nur scheitern kann. Jedenfalls muss es deshalb eine dritte Seite geben, und dafür kämpfen wir. Wenn entweder Gut oder Böse gewinnt, wird die Welt, die du kennst, aufhören zu existieren.“

Es war ein beängstigender Gedanke und schwer zu akzeptieren. Meine Mutter hatte mein ganzes Leben damit verbracht, mir beizubringen, gut zu sein, dem Wort Gottes zu gehorchen und mich moralisch im Recht zu fühlen. Okay, ich hatte das nicht unbedingt beherrscht, aber ich versuchte, im Großen und Ganzen eine anständige Person zu sein. Meine Inhaftierung erfolgte wegen eines Identitätsdiebstahls und Betrugs. Ich hatte versucht, das System zu betrügen, und niemanden verletzt. Trotzdem wurde mir jetzt erklärt, dass ich, wenn ich Gutes tat, die gesamte Menschheit bedrohte?

„Wie kann es falsch sein, auf der Welt Gutes zu tun?“, fragte ich.

„Es ist nicht falsch, weil das Gleichgewicht aufrechterhalten werden muss. Für jede alte Dame, der du mit ihrem Einkauf hilfst, wird jemand für sein Aussehen geneckt. Für jedes Gebet, das du an Gott richtest, wird ein Fluch ausgesprochen. Solche Dinge sind von äußerster Wichtigkeit und nur so geht der unendliche Kreislauf weiter.“

Es ergab auf eine Weise, die ich nicht komplett verstand, aber akzeptieren konnte, einen Sinn. Umso mehr ich darüber nachdachte, wie die Welt funktionierte – Krieg, humanitäre Hilfe, Gier, Menschenliebe, Stehlen und Wohlfahrt, umso mehr verstand ich das Muster. Ich stellte mich direkt vor Dante, so dass ich ihm in die Augen blicken konnte.

„Okay, also ist alles im Gleichgewicht, und Gott und Beelzebub fechten es untereinander aus, um zu sehen, wer den ganzen Kuchen mit nach Hause nehmen darf. Also dann, hier stehst du, versuchst dazwischenzugehen und einen eindeutigen Sieger zu verhindern?“

Die körperliche Nähe schien ihm unangenehm zu sein. Er wich einige Schritte zurück. „Ja. Genau.“

Irgendetwas stimmte mit dieser Geschichte nicht. „Aber wenn das Universum alle Dinge in ein Gleichgewicht zwingt, sollte es dann nicht auch fähig sein, sich selbst um deren Versuche zu kümmern, das Pendel in ihre Richtung ausschlagen zu lassen?“

Dante lächelte müde.

„Das Universum arbeitet in seiner eigenen Zeit, nicht in unserer. Ein Sieg von irgendeiner Seite wird es aus dem Gleichgewicht bringen und das Universum wird es wieder einrichten. Wann? Wie? Das können wir nicht wissen und es kann uns auch egal sein, weil wir bis dahin alle weg sein werden.“

Es war Zeit für die Eine-Million-Dollar-Frage. „Wie viele Leute wissen etwas davon?“

Er wusste, dass die Frage kommen würde. Er wollte sie nicht beantworten. Er wusste, dass mir die Antwort nicht gefallen würde.

Er machte noch einen von diesen großen Seufzern, ehe er antwortete. „Abgesehen von den Engeln und Dämonen?“, fragte er. Ich nickte. „Zählen du und ich? Vier.“

Mr. Ross hatte gesagt, dass ich etwas Besonderes war. Was machte mich so besonders, dass ich das hier wissen durfte? „Warum so wenige?“

„Bitte, Landon, setzen wir uns wieder.“ Er winkte mich zum Stuhl hinüber und kehrte an den Schreibtisch zurück. Ich zögerte, ihm zu folgen, aber ich brauchte Antworten. Es war wie ein Jucken, das an meinen Füßen begann, meine Beine hinauflief und tief in meiner Seele verschwand. Sobald ich mich auf den Stuhl gepflanzt hatte, hob er eine Fernbedienung auf und zielte damit auf das Fenster vor mir. Es wurde zu einem gigantischen Bildschirm. Darauf zu sehen war Dante, der ziemlich genau so aussah wie heute.

„Für mich war es ein Zufall. Ich sollte nie an diesem Ort bleiben. Der Verwalter zu dieser Zeit war des Kämpfens müde und wollte damit aufhören. Er konnte natürlich nie das Fegefeuer verlassen, aber er konnte seiner Erinnerung an alles, was geschehen war, entkommen. Als ich durch sein Reich reiste, hob er die Hand und berührte meinen Arm, und indem er das tat, gab er mir sein komplettes Wissen weiter. Sobald ich die Wahrheit wusste, konnte ich die sterbliche Welt nicht dem Ende überlassen, welches sonst zweifellos kommen würde.“

Die Szene im Video änderte sich. Es zeigte Mr. Ross, der nackt an einem Strand lag. Am selben Strand, an dem ich angekommen war.

„Mr. Ross ist der nächste“, sagte er. „Er erklärte mir, dass er ein Steuereintreiber für König Henry II. war. Damals mussten neue Seelen selbst ihren Weg vom Strand weg finden, aber er kam direkt zu meiner Vordertür. Er wusste, wer ich war, ich weiß nicht woher. Er fing an, mir Fragen über den Himmel und die Hölle zu stellen. Niemand sonst hatte mir diese Fragen gestellt. Alle anderen landen am Strand, erleiden ihre Reue und ziehen weiter, um die Ewigkeit ziemlich genau so zu verbringen, wie sie ihre Leben gelebt haben. Ich war so dankbar dafür, dass ich jemanden hatte, mit dem ich diese Bürde teilen konnte, dass ich ihm alles erzählte, was ich wusste. Ganz der Sammler, der er ist, hatte er eine Ahnung, dass es da draußen mehr Informationen geben musste, etwas, von dem ich nichts wusste.“

Jetzt wechselte die Szene erneut und zeigte, wie Mr. Ross einen gebräunten Mann mit goldenem Haar folterte. Es war verstörend und ich konnte nicht ertragen, es anzusehen. „Er wusste, wie man Informationen bekam. Als Sammler konnte er alles sammeln, auch Informationen. Er fand heraus, dass wir in diesem Krieg nicht auf die Rolle der Zuschauer beschränkt bleiben mussten, dass es andere gab, die die Wahrheit akzeptieren konnten. Dass es andere gab, die möglicherweise sogar die totale Vernichtung verhindern konnten.“ Er pausierte und nahm einen Schluck Wasser aus einer Tasse, die gerade auf seinem Schreibtisch erschienen war.

„Durstig?“, fragte er. Ich schüttelte meinen Kopf, also fuhr er fort.

„Wir warteten über hundert Jahre darauf, dass die Erste ankam“, sagte er. „Mr. Ross sammelte jede einzelne Seele auf, damit er sie ja nicht verpasste. Als sie ankam, wussten wir es sofort, weil sie nicht nackt war.“

Nicht nackt, natürlich. „Was?“

Dante gestattete sich diesmal ein Grinsen. „Fast jeder, der stirbt, kommt unbekleidet ins nächste Leben. Für mich, Mr. Ross, sie und auch dich trifft das nicht zu.“ Er machte eine dramatische Pause, oder vielleicht auch, damit ich den Zusammenhang herstellen konnte. Besonders. Ich. Richtig.

„Was es bedeutete, war, dass sie gewahr war. Nicht auf einer bewussten Ebene zu Anfang, aber trotzdem gewahr. Sie konnte dem Fegefeuer selbst ihren Willen aufzwingen und es beugte sich als Antwort. Sie wollte nicht nackt sein, deshalb war sie es nicht.“

Ich blickte auf die Kleidung, die ich gerade trug, hinunter. „Mr. Ross sagte, ich habe das gemacht“, sagte ich zu ihm und winkte mit meiner Hand über den Raum.

„Das ist gewissermaßen wahr“, sagte er. „Aber nicht vollständig. Jeder, der stirbt, erlebt das Fegefeuer auf eine unterschiedliche Art. Es hat keine spezifische Form oder Gestalt, sondern wird stattdessen von jedem Individuum entsprechend seinen Vorstellungen angepasst. Für mich ist dieser Ort typisch für das Italien des 14. Jahrhunderts. Die anderen hier sind Landarbeiter, Händler und Bauern. In meinem Kopf wärest du normalerweise ein Ritter. Allerdings hat dein Wille diesen Ort in etwas verwandelt, mit dem du vertrauter bist. Solange du hier bist, bin ich ein Manager, der im Penthouse eines modernen Wolkenkratzers sitzt. Du hast das zu meiner Realität gemacht. Wenn du hinausgehen würdest, würden sich die Leute um dich herum auf einen Schlag in dieser Stadt wiederfinden, die du geschaffen hast, und viele würden an einer gewissen Desorientierung leiden, ehe sie fähig wären, sich an die Veränderung anzupassen.“

Ich blickte mit neuen Augen wieder auf die Stadt hinaus. Das sollte alles ein Produkt meiner Fantasie sein? „Wie weit reicht das?“

Er schüttelte seinen Kopf. „Es gibt wirklich keine Möglichkeit, das festzustellen. Es könnte sein, dass sich das komplette Fegefeuer verwandelt hat, weil du hier bist. Die meisten der Bewohner werden sich an die Verwandlung nicht erinnern, sobald du weg bist.“

Ich wollte das überprüfen. Ich wollte irgendeinen Beweis, dass das, was ich gerade hörte, wahr war, wollte sehen, was Dante sah. Ich wollte in seiner Welt sein. Ich versuchte, mir eine mittelalterliche Burg, einen Thron und einen großen Holztisch vorzustellen. Nichts passierte.

„Du hast es nicht unter Kontrolle“, sagte Dante, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Noch nicht. Dein Verstand hat das erschaffen, weil es dir vertraut war. Er wird sich daran klammern, bis du ihn überzeugen kannst, dass er das nicht muss.“

„Ich komme mir wie Neo vor“, sagte ich.

„Wohl kaum“, antwortete Dante.

Etwas nagte an mir. Etwas, das er gesagt hatte, ehe ich versuchte, diesen Ort in Camelot zu verwandeln. „Sobald ich weg bin? Ist das Fegefeuer nicht, du weißt schon … für immer?“

„Nein“, sagte Dante. „Das Fegefeuer ist nie für immer, außer man wählt, dass es so ist. Es ist der Ort, wo die Seelen, die keine Seite gewählt haben oder sich keinen Platz im Himmel oder in der Hölle verdient haben, hingeschickt werden, bis zu dem Zeitpunkt, wo sie es tun. Die Zeit funktioniert hier nicht auf dieselbe Weise, darum können solche Unternehmungen viele hunderte, wenn nicht tausende Erdenjahre benötigen. Und ja, du wirst diesen Ort verlassen, falls du dich entscheidest, zu akzeptieren, wer und was du bist.“

Da war es wieder. „Wer und was bin ich?“

„Du bist ein Diuscrucis, eine Kreuzung aus Engel und Dämon. Natürlich nicht direkt, aber irgendwo in deiner Abstammung, tief in deinen Wurzeln begraben. Das Blut der Kreaturen der Dunkelheit und das der Kreaturen des Lichts fließt in deinen Venen. Außerdem ist das Gleichgewicht in dieser Mischung präzise, ansonsten wärst du jetzt nicht hier. Fast alle Diuscrucis sind von Natur aus gut oder böse, je nachdem, welche Seite dominanter ist. Aber du … in dir herrscht das perfekte Gleichgewicht aller in der Gleichung befindlichen Variablen. Die Chancen sind so unendlich gering, dass das zweimal in einem Millennium passiert, dass man sie gar nicht in Worte fassen kann.“

Ich erwartete etwas Grandioses. Immerhin hatte Dante gesagt, es gäbe nur einen wie mich, den er je getroffen hatte. Das allerdings ging über grandios hinaus. Das ging tief ins Unmögliche. Man würde meinen, ein Kerl wüsste, wenn seine Oma das Dienstmädchen von Satan gewesen war. Wenn mein Tag irgendwie anders verlaufen wäre, hätte ich es niemals geglaubt. Ich tat es aber. Es gab etwas, das mir sagte, dass ich das lieber sollte.

Dante hatte meine Miene gelesen und beobachtete mich neugierig, als ich mich zur Akzeptanz meines Stammbaums vorarbeitete. „Du würdest es merken, wenn ich lügen würden, Landon“, sagte er. „Das ist einer der Züge, die du von deiner guten Seite geerbt hast. Das ist es, was mir erlaubt, dir all das zu sagen und zu wissen, dass du es akzeptieren und glauben wirst.“

Ich wusste wirklich, dass er mir die Wahrheit erzählte. „Wenn diese Seite mir dabei hilft, Lügen zu erkennen, macht mich die andere dann besser darin, solche zu erzählen?“

Es war ein Teil des Gleichgewichts. Diese Doppelzüngigkeit hatte mich zum Hacken und zum Stehlen gebracht und schließlich zu meiner Verhaftung geführt. Der Gedanke machte mir zu schaffen.

„Warte einen Moment“, sagte ich. „Du sprichst von Gleichgewicht, Gut und Böse, als hätten wir keine Wahl in dieser Angelegenheit. Willst du damit sagen, dass jede Entscheidung, die ich treffe, vorherbestimmt ist, so dass ich genau in der Mitte bleibe?“

Als ich die Frage stellte, zuckte Dante zusammen, als wäre er geschlagen worden. Seine breiten Augen verengten und verfinsterten sich. „Jeder hat die Freiheit, seinen eigenen Pfad zu wählen. Charis tat das.“

„Charis?“ Sie war die andere wie ich. Ich erkannte das an seiner Reaktion. „Was ist mit ihr passiert?“

Er hielt inne, ehe er antwortete. „Sie traf eine Wahl. Sie ist nicht mehr bei uns.“

Ich konnte an der Weise, wie er es sagte, erkennen, dass das alles war, was er dazu sagen wollte. Es gab keinen Grund, ihn zu bedrängen. Ich hatte bekommen, was ich wollte.

„Dann, schätze ich, ist die brennende Frage, was genau ich hier mache?“, sagte ich.

Dantes Haltung änderte sich wieder und verwandelte ihn zurück in den energischen und fröhlichen Mann, der mich begrüßt hatte.

„Du bist in einer einzigartigen Position, aber wie ich gesagt habe, ist es deine Wahl. Die Schlacht zwischen Gut und Böse wütet weiter; die Engel wollen die Perfektion, die Gott im Sinn hatte, und die Dämonen trachten danach, die Welt zu zerfleischen, um ihre Begierde nach Chaos und Zerstörung zu befriedigen. Die Menschheit ist in der Mitte gefangen und sie hat niemanden, der auf ihrer Seite kämpft. Niemanden, der sicherstellt, dass das Gleichgewicht erhalten bleibt, so dass sie weiterhin Kontrolle über ihre eigene Zukunft hat.“

„Also glaubst du, dass ich der Menschheit irgendwie helfen kann, damit fertigzuwerden?“ Ich hatte Zweifel. Vielleicht konnte ich eine Lüge erkennen und mich selbst in coole Kleidung stecken, aber ich hatte das Gefühl, dass das gegen Satan oder Sankt Michael nicht viel helfen würde.

„Ich weiß, dass du es kannst, Signore“, sagte er. „Du bist stärker, als du glaubst. Dass du deine sterbliche Hülle abgeworfen hast, hat dein Wesen für all die Macht geöffnet, die einem Diuscrucis zusteht.“ Er lehnte sich über den Schreibtisch und sah mir direkt in die Augen, ein Blick, der tief in mich eindrang. „ALL die Macht.“ Er wirkte sehr zufrieden.

Ich würde es tun. Ich musste das tun. Dieses Bedürfnis hatte einen unverwüstlichen Griff um meine Seele. Das war es, wofür ich geboren und wofür ich gestorben war. Es war erschreckend, aufregend und unwiderstehlich. Es ging nicht um die Macht, von der Dante glaubte, dass ich sie hatte. Es ging um mein Wesen, meine Natur. Wie viele Leute finden schon je heraus, wo sie stehen, und fühlen sich dem so völlig verbunden? Ging es nach Dante, wurde sogar Gott selbst von Seiner primitivsten Natur getrieben. Ich hatte nach Wahlmöglichkeiten gefragt, entdeckt, dass ich keine hatte, und bemerkt, dass das in Ordnung war, weil es mich nicht kümmerte.

„Also was geschieht als Nächstes?“, fragte ich.

Dante lächelte. „Wenn jemand, der zum Guten tendiert, das Fegefeuer verlässt, geht er direkt in den Himmel. Jemand, der zum Bösen tendiert, geht in die Hölle. Jemand, der überhaupt nirgendwohin tendiert, der geht …“

Er beendete das nicht. Er hatte nicht die Gelegenheit dazu. Das solide Glasfenster, aus dem ich vorher den Ausblick genossen hatte, zerbarst nach innen und übersäte uns beide mit Glassplittern. Ich wich zurück und hob meine Arme, um meinen Kopf zu schützen. Dante bewegte sich überhaupt nicht, er drehte nur seinen Kopf, um zu beobachten, wie die Eindringlinge hereinkamen. Das Glas schien an ihm abzuprallen. Ich brauchte einen Moment, bis mir bewusst wurde, dass es mich auch nicht verletzt hatte.

Die Eindringlinge sahen wie Engel aus, aber ich wusste durch meinen neu gewonnenen Instinkt, dass sie keine waren. Vielleicht vor langer Zeit, ehe die gierigen Versprechen ihre Herzen verdorben hatten, aber jetzt nicht mehr. Sie hätten Brüder sein können, beide mit langem, silberweißem Haar, ebenholzfarbener Haut und stechenden roten Augen. Sie trugen Ledermäntel mit schwarzen Lederwesten über lila Shirts und dunklen Jeans. Beide hatten Klingen in den Händen, die mich an Samuraischwerter erinnerten. Sie starrten Dante angeekelt an und schauten zu mir, als wäre ich nichts als eine Ameise, die man einfach so zertreten könnte.

„Ihr habt hier keine Rechte“, sagte Dante zu ihnen. Er kam herüber, um sich zwischen sie und mich zu stellen.

„Wenn mir etwas geschieht, brecht ihr damit den Vertrag.“

Die zwei dunklen Engel traten vor wie ein Mann. „Wir haben nicht die Absicht, dir etwas anzuhaben, Alighieri“, sagte der linke Engel. „Wir wollen nur ihn.“

Ich spürte, wie mein Herz bis in meinen Hals schlug. Was sollte dieser gebrechliche alte Mann tun, um diese Schwerter davon abzuhalten, meinen Kopf abzuschlagen? Das entwickelte sich alles ziemlich schnell ziemlich schlimm.

Dante wandte ihnen den Rücken zu und lehnte sich nahe zu mir. „Ich weiß nicht, wie sie schon von dir erfahren konnten“, sagte er. „Nimm das.“ Er gab mir ein … Handy? „Mr. Ross wird dich hier rausholen.“

„Warte … was soll ich denn tun?“

Dante flüsterte etwas und legte seine Hand an meine Stirn. Der ganze Raum begann herumzuwirbeln. Einer der dunklen Engel schob Dante aus dem Weg. Der andere hob sein Schwert und lächelte, weil ihm sein tödlicher Hieb Freude bereitete. Ich schloss meine Augen, damit ich mir nicht zum zweiten Mal an einem Tag beim Sterben zusehen musste. Ich fragte mich, wie das überhaupt möglich war, aber sicherlich würde ich das gleich herausfinden.

Ich spürte, wie sich ein Paar Arme um mich schlang. Ich roch etwas Verbranntes. Der Hieb kam nicht. Ich öffnete meine Augen. Ich stand auf der Fackel der Freiheitsstatue.

DREI

Ich stand für einige Minuten dort und versuchte, einen Sinn in all dem zu erkennen, was in einer Zeitspanne geschehen war, die sich nur wie ein paar Stunden angefühlt hatte. Irgendwie war ich zurück ins Leben gelangt. Erst machte ich mir Sorgen, dass ich einer von diesen Untoten sei, ein Zombie oder so etwas, aber ich konnte in meinen Fingern meinen Puls spüren und ich fror in der Nachtluft. Ich trug immer noch dieselbe Kleidung, wofür ich dankbar war, weil es WIRKLICH kalt war. War ich nicht im Sommer gestorben? Wie viel Zeit war vergangen? Was sollte ich jetzt tun? Wo sollte ich anfangen?

Ich schaute auf das Handy, das mir Dante gegeben hatte. Es war ein neueres Modell, ein Smartphone. Ich hob es hoch und schaltete es ein. Neben der Standardauswahl an Apps gab es eine namens „Landon“.

Ich dachte darüber nach, ob ich diese hier probieren sollte, aber ich war am Erfrieren. Ich tastete mir meinen Weg um die Fackel zu der kleinen Tür, die ins Haupttreppenhaus hinunterführte. Bitte sei offen. Sie war es. Ich schlich mich hinein und schloss die Tür, froh, dem bitterkalten Wintersturm zu entkommen. Nicht dass es drinnen wesentlich wärmer gewesen wäre, aber zumindest war ich nicht mehr den Elementen ausgesetzt. Ich stieg die Leiter hinunter und bahnte mir meinen Weg ins Treppenhaus, dann setzte ich mich auf eine Stufe und rief die App auf.

Buongiorno Landon,

es tut mir leid, dass du alles auf diese Weise lernen musst. Es bedeutet, dass wir an Mephistopheles verraten wurden und dass seine Sammler gekommen sind, um dich zu schnappen. Sei dankbar, dass ich schon den Verdacht hatte, dass sich ein Verräter in unserer Mitte befindet, und diesen Führer vorbereitet habe, der dir auf deiner Reise helfen wird, dein volles Potenzial zu erschließen und dein Versprechen einzuhalten. Ich werde wieder mit dir sprechen, sobald ich mir sicher sein kann, dass sie das nicht zu dir führen wird. In der Zwischenzeit, und wenn du auch sonst nichts tust, lies den Eintrag namens „Regeln“. Diese Regeln zu befolgen, wird dich am Leben erhalten. Ja, du bist „am Leben“, wenn auch nicht auf die Weise, die du gewöhnt bist. Du bist erwacht und ein volles Mitglied der Göttlichen, mit all den Rechten, den Privilegien und der Macht, die damit einhergehen. Du wirst bald herausfinden, was das bedeutet. Sei vorsichtig, mein Freund.

Ciao,

Dante

Weiter unten gab es einen Menüpunkt, der „Regeln“ hieß. Ich drückte ihn und las sie.

1. Sieh in die Innentasche deiner Jacke.

2. Finde einen sicheren Ort, um den Rest dieses Führers zu lesen.

3. Reise niemals in der Nacht.

4. Bleib dir deiner Umgebung bewusst. Du wirst fähig sein, die Göttlichen zu erkennen. Die meisten der Göttlichen werden auch dich erkennen können. Nur die Schwächsten werden von Tricks getäuscht.

5. Im Zweifelsfall versteck dich. Sie werden wissen, was du bist, und sie werden versuchen, dich zu töten. Du hast keine Verbündeten.

6. Beide Seiten haben menschliche Verbündete. Die Agenten des Guten werden die Berührten genannt. Die Agenten des Bösen heißen die Verdorbenen. Sie haben etwas Macht, die ihnen von den Göttlichen übertragen wurde, aber sie sind immer noch Sterbliche. Sie werden versuchen, dich zu töten, aber sie werden dich nicht so leicht erkennen können.

7. Du kannst einen Engel mit allem, was verflucht wurde, töten.

8. Du kannst einen Dämon mit allem, was gesegnet wurde, töten.

9. Du kannst einen Göttlichen mit nichts töten, was nicht göttlich ist.

10. Verlier nicht die Hoffnung und gib nicht auf. Du bist besonders.

Das war alles. Ein paar Ratschläge, die sich eher wie Anweisungen lasen, und wenige hilfreiche Tipps, die mich vielleicht am Leben halten konnten oder auch nicht. Zwar konnte ich mir gerade kaum vorstellen, einen Dämon oder Engel zu töten, doch sollten diese mich tatsächlich töten wollen, hätte ich wohl keine andere Wahl, als mich zu wehren.

Ich fasste in die Jackentasche und griff ein großes Päckchen aus Papier, das sich vertraut anfühlte. Ich entfaltete es und ein Stück blankes Plastik von der Größe und Form einer Kreditkarte fiel heraus. Was sollte ich mit einer blanken Karte anfangen? Ich steckte sie zurück in die Tasche und breitete das Bargeld aus. Es waren hauptsächlich Zwanziger und Hunderter; viertausend Dollar. Das würde mir nicht allzu lange reichen, zumindest nicht im Big Apple, aber es war besser als nichts.

Island