Jack Bredaux
Kommissar Valderon &
Die Speisenkarte des Fabien le Trec
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Prolog
Valet de Coeur
Anno 1804
Abbe` Cremon und Jean-Baptiste
Junge Liebe
Restaurant Le Trec
Kommissar Valderon
Ein unerwartetes Wiedersehen
Fehlende Erkenntnis
Verdachtsmomente
Gutes Essen, aber kein Mörder in Sicht
Zwei Eisen im Feuer
Emile im Glück
Das Plädoyer
Ein neuer Fall
Impressum neobooks
Joseph-Ignace Guillotine litt sehr darunter, dass sein Name für ein Fallbeil stand, welches zahlreiche Köpfe zum Rollen brachte. Schließlich war er nicht der Erfinder dieser Konstruktion, sondern hatte deren Einführung und Gebrauch lediglich aus humanitären Gründen empfohlen. Ungeachtet dieser Tatsache kam die Guillotine während der großen Revolution in Frankreich recht häufig zum Einsatz und das humanitäre Köpfen diente bisweilen gar der Volksbelustigung.
So ist das nun einmal, wenn große Revolutionen nicht minder große Veränderungen versprechen.
Allerdings galt für den kleinen Mann zunächst weiterhin dafür Sorge zu tragen, die Familie überhaupt satt zu bekommen. Nur hin und wieder mal ein ordentliches Stück Fleisch auf den Teller zu bringen, schien auch nach den großen Verheißungen nicht jedem Geldbeutel möglich zu sein. Dazu bedurfte es schon einer guten Idee und einer gehörigen Portion Glück, damit ein gutes Gericht günstig auf den Tisch zu bringen ist. Hatte jemand eine Idee, dann konnte er vielleicht den Aufstieg schaffen, womöglich, indem er dem Glück ein wenig nachhalf.
Wahrscheinlich wird man sich auch in späteren Zeiten noch fragen müssen, was da zu einem vermeintlich guten Preis eigentlich auf dem Teller landet. Dazu bedarf es jedoch nicht unbedingt einer großen Revolution. Zumal diese bisweilen ihre eigenen Kinder verschlingt. Robespierre könnte ein Lied davon pfeifen, sofern sich sein Haupt noch auf seinen Schultern befände.
Sicher, die große Revolution brachte für Frankreich durchaus einiges an Veränderungen mit sich. Der selbstgefällige Hofstaat hörte auf zu existieren; Adelige und andere Feinde des Bürgertums suchten ihr Heil in der Flucht, sofern sie nicht zuvor der Guillotine zum Opfer fielen. Zahlreiche Köpfe rollten auf diese Weise und veränderten auf zunächst grausame Art das Land.
Doch nicht überall gingen die Veränderungen so rasch voran, wie in den großen Städten. Vielerorts dauerte es, die neuen Gedanken in die Tat umzusetzen. Doch die bis dahin Gutbetuchten blieben natürlich weiterhin gut betucht und verhielten sich nur selten anders, als es zuvor eine Comtesse oder ein Marquis von Nöten hielten.
Wohlstand, so einfach aus dem Nichts heraus, den konnte auch die neue Zeit nicht liefern. Wie bisher bedurfte es dazu einer großen Portion Glück, des Fleißes, sowie dem Ideenreichtum des Individuums.
Also ging das Leben in Valet de Coeur, im tiefen Süden Frankreichs gelegen, weiterhin seinen stets gewohnten Gang. Kaum ein Bewohner der größeren Städte dürfte den Namen dieses Ortes je vernommen haben, obwohl, eigentlich führte der Weg unweigerlich dorthin, wollte man von der Mittelmeerküste Marseilles nach Biarritz, zum Atlantik gelangen oder die umgekehrte Richtung befahren; eigentlich. Denn schließlich gab es noch weitaus größere und bekanntere Orte, die ebenfalls auf der Strecke lagen.
Wie dieses Dorf, diese Ortschaft, wenn man sie denn so nennen wollte, nun zu ihrem Namen kam, wusste selbst keiner der Alteingesessenen zu berichten. Keine Chronik gab Aufschluss darüber, wann dieser Landstrich mit seinen wenigen großen und mehreren kleinen Bauernhöfen, noch kleineren Handwerksbetrieben oder winziger Krämerläden, sich so benannte. Es gab einen Müller und folglich einen Bäcker, der aus den gemahlenen Feldfrüchten gutes Brot buk. Selbstverständlich fehlte auch der Barbier nicht, welcher sich ebenso auf die Behandlung kleinerer Verletzungen verstand. Zudem ging der Hutmacher wie auch der Schneider den Geschäften nach, nicht anders der Schmied, der sich am Ortsrand niedergelassen hatte. Wann dessen Arbeitstag begann oder endete, war weithin gut zu vernehmen.
Nach getaner Arbeit zog es den einen oder anderen der Männer gerne in das kleine Geschäft von Rosalie und Bertrand le Trec. Neben Brot, Käse und verschiedenen Früchten, die täglich über die Theke gingen, bot ein kleiner Gastraum Platz für ein Schwätzchen bei einem Glas Wein, einem Becher Bier oder einem scharfen Pastis.
Somit erschien Valet de Coeur als ein durchaus idyllischer Ort, welcher alles bot, was man zum täglichen Leben benötigte. Dennoch gab es eigentlich nichts, was einen wirklich hierher zu ziehen vermochte. Auf einer Karte dieser ach so großen Nation, dürfte Valet de Coeur, mehr ein großes Dorf denn eine kleine Stadt, kaum zu finden sein. Fern der großen Städte gab es hier keine gepflasterten Straßen. Staubige Feldwege trennten die Gehöfte voneinander oder verbanden die Häuser miteinander. Als markant konnte man lediglich die beiden überdimensionierten Wege bezeichnen, die so breit daherkamen, dass zwei Kutschen gleichzeitig sie befahren konnten. Wobei dieser Umstand eher selten eintraf. Diese, für das Gebiet ungewöhnlichen Prachtstraßen, durchtrennten die wiesen- und waldreiche Gegend. Der eine Weg führte irgendwo von Osten her mitten durch den Ort und fand womöglich in Biarritz, am Atlantik gelegen, sein Ende. Der andere kam vom nahegelegenen Spanien, das geradeeinmal etwas mehr als einen scharfen Tagesritt entfernt lag und führte nach Norden. Vielleicht endete dieser in Paris. Es gab niemanden im Ort, der sich den wochenlangen Strapazen einer Reise unterziehen wollte, um das herauszufinden.
Dort, genau dort, wo diese beiden Straßen aufeinandertreffen, liegt wohl das Herz von Valet de Coeur und genau an dieser Kreuzung befindet sich das Haus von Rosalie le Trec. Hier unterhält sie ihren Gemischtwarenladen und den kleinen Schankbetrieb. Sie ist sehr dankbar, dass ihr siebzehnjähriger Sohn Fabien ihr dabei so gut zur Hand gehen kann. Früher, das liegt nun mittlerweile elf Jahre zurück, da sprach sie Fabien noch häufiger mit Louisdor an, wenn sie ihn mit scherzhafter Umschreibung als ihr Goldstück darstellen wollte. Doch das war früher, als ihr Mann Bertrand noch lebte.
Wie sehr hatte sie ihn geliebt, diesen stattlichen Mann mit den dichten blauschwarzen Haaren, dem sein ebenso schwarzer Schnauzbart ein verwegenes Aussehen verlieh. Aber nicht nur sein schutzversprechender stattlicher Körper zog sie geradezu magisch an. Sein gütiges Wesen und sein klarer Verstand gaben letztendlich den Ausschlag, die dauerhafte Verbindung mit ihm einzugehen. Nicht wie die Priesterschaft oder Leute, die zuvor bei Hofe tätig waren, aber doch weitaus mehr, als die meisten einfachen Leute, konnte er lesen, schreiben und rechnen. Eigenhändig baute er das Haus mit dem kleinen Geschäft und dem Schankraum, um als fortan freier Mann sein Auskommen zu erwirtschaften.
Das Glück schien vollkommen, als Fabien das Licht der Welt erblickte. Einen treusorgenderen Vater konnte sich Rosalie nicht vorstellen. Die Worte, die er schon früh und eindringlich an seinen Sohn richtete wird sie nie vergessen: „Das Wort ist schärfer, als jedes Schwert. Drum lerne, mein Junge, als könntest du es nie erreichen.“
Wie sehr hatte sie ihn in diesem Moment verflucht, diesen Mann, den sie doch über alles liebte, als er entgegen ihrem Rat fortzog und sich selbst und den geliebten Sohn in das Verderben führte. Doch das war früher.
„Vater, darf ich mit dir gehen?“, quengelt der kleine Fabien, und zieht dabei ungeduldig, und so kräftig wie er es vermag, an Bertrands Rock.
„Es ist weit, mein Sohn und je nachdem welcher Fang in der Falle ist, bin ich außerstande diesen und dich gleichzeitig auf meinen Schultern zu tragen.“
„Bitte, bitte Vater, ich verspreche, dir nicht zur Last zu fallen.“
„Louisdor“, nutzt Rosalie le Trec den Kosenamen, um auf ihren Buben einzuwirken, „hör auf mit dem Gezeter. Es wird bald dunkel und dein Vater ist umso schneller zurück, desto rascher er laufen kann. Wenn du älter bist, kannst du immer noch mit ihm hinaus gehen“, versucht Rosalie, den Knaben von seinem Vorhaben abzubringen. „Ich fände es überhaupt besser, wenn auch du, mein Liebster, daheim bleiben würdest“, bemüht sie sich weiter, ihren Ehemann ebenfalls von seinem Plan abzuhalten.
„Um dann den Fang den Wildtieren zu überlassen? Nein-nein, meine Liebe, ein Braten auf dem Tisch wird uns nicht schaden und vielleicht können wir sogar etwas von dem Fleisch verkaufen, wenn es denn mehr als nur ein Hase ist.“
„Bertrand, ich habe Schüsse gehört; womöglich sind noch andere auf der Jagd. Außerdem weiß ich nicht, ob man dich wegen der Wilderei anklagen kann.“
„Rosalie, ich bin ein freier Bürger und als solcher habe ich das Recht dafür zu sorgen, dass meine Familie ein Stück Fleisch auf den Tisch bekommt. Der Wald gehört uns allen, also auch das Viehzeug, welches sich darin breit macht. Nun, nicht direkt, doch das spielt keine Rolle.“
„Genau, Mama, und auch ich bin ein freier Bürger und möchte, dass Fleisch auf den Tisch kommt“, pflichtet Fabien seinem Vater frohgelaunt bei.
„Wohlan, junger Mann, dann sollten wir uns jetzt rasch auf den Weg machen“, gibt Bertrand mit einem Lachen im Gesicht dem Drängen des Sohnes nach. „Pass auf, mein Junge, wenn wir schon gemeinsam auf die Jagd gehen, dann wollen wir uns natürlich auch die Arbeit teilen. Du trägst zunächst den großen Leinensack, in dem wir hoffentlich unsere ebenso große Beute packen werden, und ich trage dich auf meinen Schultern.“
Nur das große und überaus scharfe Jagdmesser steckt sich Bertrand noch in den Gürtel, um einer eventuellen Beute in der Falle, den erlösenden Tod beibringen zu können. Dann ergreift er rasch Fabien und setzte sich diesen in den Nacken. Mit seinen kräftigen Händen umfasst er die kurzen Beine des Buben, damit dieser einen sicheren Halt findet. Mit großen Schritten macht sich Bertrand dann auf den Weg zum Wald. Fabien genießt den erhöhten Platz und das schnelle Vorankommen sichtlich und meint seinen Vater dennoch einwenig anspornen zu müssen.
„Vater, du kannst ruhig noch etwas schneller gehen, mir macht´s nichts aus und Mutter würde es sicherlich freuen, wenn wir vor Anbruch der Dunkelheit wieder zurück sind.“
Mit einem Lächeln um den Mund folgt Bertrand den Anweisungen des Sohnes und seine Schritte werden noch ausladender. So geht es schweigsam mitten durch die blühenden Wiesen, denn Bertrand braucht seinen Atem, um den raschen Schritt beibehalten zu können. Fabien indes schaukelt hoch auf den Schultern des Vaters, so, als würde er auf einem galoppierenden Pferd sitzen. Etwa eine halbe Stunde mag vergangen sein, da sehen sie den dichten Waldrand vor sich liegen, in dessem Inneren Bertrand seine Falle aufgestellt hat. Nun hebt Bertrand den Knaben von seinen Schultern und lässt ihn auf den weichen Boden herab.
„Wenn wir jetzt in den Wald gehen, Fabien, dann bleibst du dicht hinter mir. Laufe nicht neben mir her, sondern versuche in meine Fußstapfen zu treten; nicht, dass du noch selbst in die Falle gerätst. Ist das klar?“
„Ja, natürlich, Vater“, gibt Fabien mit strahlenden Augen zurück und streckt sich mächtig, um die großen Schritte des Vaters nachmachen zu können.
Während sich Bertrand seine Mütze gerade rückt, ja, er trägt noch eine dieser Mützen, wie sie Robespierre und seine Gesellen während der Revolution auf dem Kopf hatten, fragt der Sohn neugierig nach:
„Vater, wie können Worte schärfer sein als ein Schwert oder gar dein Messer?“
„Ach, mein Junge“, antwortet Bertrand, den Blick dabei suchend nach vorne gerichtet, „das wirst du verstehen, wenn du etwas älter bist. Aber es ist eben so, dass du mit Worten weit mehr Menschen erreichen kannst, als mit einem Schwerthieb. Doch, wenn du schon so wissbegierig bist, mein junger Freund, dann habe ich ein kleines Rätsel für dich auf Lager. Daran wirst du erkennen, wie genau man auf die Worte achten muss. Wir haben jetzt den Waldrand erreicht. Was meinst du, wie weit können wir nun in den Wald hineingehen?“
Voller Stolz folgt die Antwort des Buben: „Soweit wir wollen, Vater, schließlich sind wir freie Bürger.“
„Ja, damit liegst du schon sehr richtig, doch achte genauer auf meine Worte, ich fragte, wie weit wir hineingehen können.“
„Ich weiß jetzt wirklich nicht was du meinst, Vater.“
„Bis zur Mitte Fabien, genau bis zur Mitte können wir in den Wald hineingehen.“
„Und wenn wir als freie Bürger einen Schritt darüber hinaus machen, Vater?“
„Dann, mein Junge, gehen wir nicht mehr in den Wald hinein, sondern sind dabei, den Wald wieder zu verlassen.“
„Ach so, Vater“, kommt es kleinlaut von Fabien zurück, doch es ist nicht auszumachen, ob er den Sinn der Worte richtig verstanden hat.
„Nun sei leise und bleibe dicht hinter mir“; flüstert Bertrand.
Natürlich weiß der erfahrene Mann, wo genau er seine Falle aufgestellte, doch im dichter werdenden Unterholz muss auch er sich bisweilen orientieren.
„Mist“, entfährt es Bertrand, nachdem er die leere Falle entdeckt. Für weitere Worte bleibt indes keine Zeit. Denn im gleichen Moment, als der Fluch über seine Lippen kommt, knallt es von irgendwo her und Bertrand hält abrupt in seiner Bewegung inne. Dann kommt ein schmerzerfülltes Stöhnen über seine Lippen, er beginnt zu taumeln und stürzt schließlich auf das Unterholz. Ein Ast fliegt daraufhin hoch und schlägt im gleichen Moment auf die Falle, als Fabien sich erschrocken daran macht, zu seinem gestürzten Vater zu eilen. Kaum, dass der Ast den Auslöser der Falle berührt, schnappt diese mit ihren scharfkantigen Krallen wie ein gefräßiges Raubtier zu. Genau in dem Moment, als Fabien den Schritt nach vorne macht.
Mit weit aufgerissenen Augen und den Mund zum Schrei geöffnet, aber ohne zunächst auch nur einen Laut von sich zu geben, sieht Fabien einen Teil seines Fußes in der Falle stecken. Dann endlich schreit er von Schmerz geplagt laut auf und sein weiteres Schreien erfüllt den Wald.
Der Schrei seines Sohnes bringt Bertrand wieder das Bewusstsein zurück und selbst von unsäglichen Schmerzen gepeinigt, versucht er die Falle zu öffnen, die seinem geliebten Sohn den Fuß zerschmetterte. Er müht sich und müht sich, doch seine Kräfte schwinden rasch dahin, der rote Fleck auf seinem Rücken wird zusehends größer. Bertrand schafft es nicht mehr, die beiden gewaltigen Backen der Falle auseinander zu drücken. Die Schmerzensschreie seines Sohnes bleiben das Letzte, was er auf seiner Reise vom Diesseits ins Jenseits mitnimmt.
Nachdem die Dunkelheit dem Streben und Werken in Valet de Coeur ein Ende setzt, doch weder Bertrand noch Fabien sich daheim einstellen, begibt sich Rosalie zu den Nachbarn, um Hilfe zu erbitten. So tanzen erst spät die Lichtpunkte von Fackeln am Waldesrand, die sich der Unglücksstelle nähern.
Wie in weiser Voraussicht, führen die Suchenden einen Karren mit sich, den sie bei den ersten Bäumen zurücklassen müssen. Nachdem sie die beiden leblosen Körper finden erkennen sie schnell, dass nur in Fabiennes Körper noch Leben steckt und befreien ihn aus dem scherzhaften Griff der Falle. Kann sich einer der Männer noch mühelos Fabien über die Schulter legen, so bedarf es drei Weiterer, um den stattlichen Bertrand durch das Unterholz zum Karren zu schaffen. Bei allem Unglück ist es dennoch als Glück anzusehen, dass sich während der zurückliegenden Stunden keine wilden Tiere an den Körpern zu schaffen machten.
So schnell wie nur möglich schieben die Männer den Karren vor das Haus von Rosalie, welche dem Zusammenbruch nahe ist, als sie das ganze Ausmaß erkennt. Für ihren geliebten Mann kann sie nichts tun, doch sie wacht Stunde um Stunde am Bett des kleinen Fabienne. Andre, der Nachbar und Barbier des Ortes, der sich zudem auf die Behandlung kleinerer Blessuren versteht, ist rasch zur Stelle um zu helfen. Aus den wachenden Stunden der Mutter werden Tage. Doch der Junge liegt weiterhin vom Fieber geschwächt danieder. Dazu entzündet sich die Wunde und will einfach nicht verheilen. An den äußeren Rändern des Fußes verfärbt sich das Fleisch bereits. Der in der Medizin etwas kundige Barbier rät gar dazu, den Fuß, besser noch den Unterschenkel zu amputieren, bevor der Wundbrand weiter ums sich greift. Nur so, meint er, das Leben des Knaben erhalten zu können.
Eine Woche liegt das unsägliche Geschick bereits zurück. Bertrand hat bereits seine letzte Ruhestätte auf dem Kirchhof gefunden. Wer den verhängnisvollen Schuss auf ihn abgegeben hat bleibt bis dahin ungeklärt und lässt die Frage offen, ob Bertrand dem todbringenden Fehlschuss eines anderen Jägers erlag, oder ob sich womöglich jemand dem früher herrschenden Adel noch zugetan fühlte und sich von der auffälligen Kopfbedeckung dieses doch friedvollen Mannes gestört sah. Niemand im Ort kann sich erklären, wer dieser unauffälligen Familie ein solches Leid zufügen wollte. Und Fabien fiebert weiter vor sich hin und weilt zeitweilig mehr unter den Toten, als unter den Lebenden.
In dieser für Rosalie sehr angespannten Situation, mag man es einen glücklichen Zufall nennen, dass sich ihr Geschäft im Herzen von Valet de Coeur befindet, genau an dem Punkt, wo sich die beiden breiten Wege kreuzen. Hier hält die von vier Rössern gezogene Kutsche an, auf deren Dach sich große Gepäckstücke türmen.
Zunächst entsteigen vier Herren der Kutsche. Froh, der Enge entkommen zu sein, recken und strecken sie sich und schauen sich dabei suchend um. Dann folgen zwei wohlgekleidete Damen, die sich weitaus genierlicher mühen, die durchgerüttelten Körper wieder in´s rechte Lot zu bringen. Als Erster macht sich jedoch der Kutscher auf, Rosalies Laden zu betreten. Neben den bereits erwähnten Dingen wie Käse, Brot und Eiern oder was sonst für die tägliche Stärkung benötigt wird, hatte Rosalie schon frühzeitig damit begonnen, stets einen Topf mit kräftespendendem Getreidebrei am köcheln zu halten. Gerne nehmen die ortsansässigen Handwerker und Bauern diese Mahlzeit an. Ebenso verlangt der Kutscher nun nach dieser Mahlzeit. Jetzt folgen, bis auf einen, auch die anderen Reisenden, die sich jedoch eher dem Käse und einem Stück Brot widmen. Der Letzte im Bunde, ein schlanker, hochgewachsener junger Mann, dem sein Zylinder ein noch größeres Aussehen verleiht kann sich noch nicht so recht entscheiden.
„Verzeiht, Madame“, beginnt er äußerst höflich das Gespräch, „nicht, dass ich euren wohlduftenden Brei nicht zu schätzen wüsste, doch habt ihr eventuell noch etwas Geschmackvolleres im Haus. Ein gebratenes Huhn, ein Stück vom Schwein oder gar etwas Wildbret?“
Trotz aller Pein, huscht nun ein verhaltenes Lächeln über Rosalies Gesicht. „Wo denkt ihr hin, mein Herr? Wem, um aller Herrgottswillen, sollte ich in dieser Einöde ein Stück vom Braten verkaufen können? Es ist nicht aller Tage so, dass eine Kutsche vorfährt und gleich sechs hungrige Herrschaften auswirft.“
„Ich halte es dennoch für ungewöhnlich, dass bei all den Bauernhöfen ringsherum und dem dichten Wald, in dem sich das Wild wohl nur so tummeln wird, kein Stück Fleisch zu bekommen ist. Gibt es denn einen Gasthof in dieser Gegend?“
„Auch damit kann Valet de Coeur nicht aufwarten, mein Herr. Es gibt eine Herberge mit einfachen Zimmern. Wenn ihr dort nächtigt, erwartet euch tagsdarauf ein kräftiges Frühstück, aber weitere Speisen und ein guter Schluck, den gibt es nur bei mir. Hätte ich von eurer Ankunft gewusst, wäre es mir vielleicht möglich gewesen entsprechend vorzusorgen.“
„Dann ist es wohl vermessen, wenn ich danach frage, ob euer Ort mit einem Barbier aufwarten kann?“
„Seht ihr, nun ist das Glück euch doch wohlgesonnen; einen Barbier gibt es und der ist nicht einmal weit von hier.“ Gerade möchte Rosalie, dankbar dafür in diesem Gespräch etwas Ablenkung zu finden, noch einen Satz daran hängen, als von oben der stöhnende und wimmernde Ruf „Mama“ in den Verkaufsraum dringt.
„Verzeiht, mein Herr, ich werde dringend an anderer Stelle benötigt“, macht sich Rosalie sogleich die nahegelegenen Stufen hinauf. Eben noch mit einem Anflug von Frohsinn gesegnet, zeichnet
sich nun wieder die Besorgnis in ihrem Gesicht ab.
„Mein kleiner Louisdor, bald geht es dir wieder besser“, versucht sie zu trösten, nimmt den Lappen, feuchtet ihn in der bereitstehenden Waschschüssel an. Dann macht sie sich daran, über Fabiens fiebrig glänzendes Gesicht zu wischen.
„Mama, ich habe so Schmerzen in meinem Bein, ich kann es kaum noch aushalten“, stöhnt der Junge.
„Bald, Fabien, bald wird alles gut werden“, flüstert Rosalie ihrem Sohn zu, ohne selbst richtig an ihre Aussage zu glauben. „Ich bin gleich wieder bei dir, mein Junge; ich werde mich nur noch rasch um den einen Kunden kümmern“, versucht Rosalie ihrem Sohn ein Lächeln zu zeigen und drückt ihre Lippen auf seine Stirn, bevor sie sich wieder auf den Weg nach unten macht.
„Ihr schaut besorgt aus, gute Frau“, meint der junge Mann, der nach wie vor an seinem Platz steht. „Es klingt nach einer sehr jungen Stimme; ist euer Kind erkrankt?“
„Ja, der Fuß ist es, der ihm zu schaffen macht“; entgegnet Rosalie und erzählt mit wenigen Worten, ohne den tödlichen Schuss und Bertrand zu erwähnen, von dem Desaster mit der Falle.
Der junge Mann lauscht ruhig und aufmerksam den Worten, um sich gleich darauf mit einem „einen Moment, bitte“, umzuwenden. Er verlässt das kleine Geschäft, geht die wenigen Schritte zur Kutsche und zieht unter dem von ihm beanspruchten Sitzplatz eine große lederne Tasche hervor. So rasch wie er sich aufmachte, kehrt er damit zurück in´s Geschäft und meint, indem er die Tasche auf den Boden absetzt: „Wenn es euch Recht ist, Madame, vielleicht kann ich helfen.“
„Ihr?“, entfährt es Rosalie ungläubig.
„Wenn nicht ich, wer dann?“, kommt es freundlich und dennoch sehr bestimmt aus dem Mund des jungen Mannes. „Wenn ihr gestattet“, lüftet er mit beinahe theatralischer Geste seinen Zylinder, „mein Name ist Rene Debarcuse und ich bin Arzt.“
„Ihr seid Arzt?“, kommt es wiederum ungläubig über Rosalies Lippen, „ihr seid noch so jung.“
„Wäre ich älter, Madame, so könnte ich wahrscheinlich nicht mehr, als euer Kind zur Ader zu lassen, was jedoch wenig hilfreich wäre, wenn ich mir den Sachverhalt vor Augen halte.“
„Mama“, dringt wieder der klagende, schmerzvolle Ruf nach unten.
„Verzeiht, mein Herr, ihr hört selbst; ich muss nach meinem Kind sehen.“
„Dann gestattet, dass ich euch begleite“, kommt die Antwort des Arztes, der dabei seine Tasche ergreift, die eher einem kleinen Koffer ähnelt, und ohne eine Antwort abzuwarten Rosalie folgt.
Während sie bereits am Kopfende des Bettes steht und ihrem Sohn mit der Hand eine Locke seines braunen Haares aus der Stirn wischt, spricht sie leise zu ihm: „Ich habe einen Arzt mitgebracht, Fabien, er wird dir sicherlich helfen können.“
„Ja, Mama“, erwidert Fabien mit tränenerstickter Stimme. Dessen ansonsten großen braunen Augen blicken nun tränenerfüllt und halbgeschlossen zur Decke.
„Dies also ist der kleine Patient“, tritt indes Monsieur Debarcuse wohlgelaunt hinzu, stellt die wuchtige Tasche ab und streicht Fabien grüßend mit seiner Linken über den Kopf. „Dann wollen wir uns das Übel mal ansehen“, meint er dabei und macht einen ausladenden Schritt, um Fabiens Fuß aus der Nähe zu betrachten.
Gleich mehrfach fährt das „hm, hm, hm“, über die Lippen des Arztes, wobei er sich mit den Fingerspitzen über seine hellen Barstoppeln streicht. Mit seiner leeren Rechten führt er dabei Bewegungen aus, als wollte er die Luft zerschneiden. „Nicht einfach, aber durchaus machbar, mit einwenig Glück“, sinniert er mehr vor sich hin, als dass er zu Rosalie oder dem Knaben spricht. Und wiederholt „nicht einfach.“
„Ihr könnt meinem Sohn helfen, Monsieur Debarcuse?“, fragt Rosalie flehentlich und mit aufkeimender Hoffnung nach.
„Zumindest kann ich es versuchen, wenn ihr dies wollt; doch wir sollten nach unten gehen, um darüber zu sprechen, Madam le Trec.“
„Ihr kennt mich, Monsieur?“, fragte Rosalie erstaunt nach.
„Nun, euer Name steht doch, wenn auch klein, über eurem Geschäft angeschlagen und wenn dies Geschäft das eure ist, dann gehe ich einmal davon aus, dass ihr Madame le Trec seid“, stellt der Mediziner nüchtern fest.
Eine Erwiderung darauf kann Rosalie nicht geben, denn aus dem Verkaufsraum dringt laut die Stimme des Kutschers nach oben: „Monsieur Debarcuse, Monsieur, befindet ihr euch noch im Hause, dann macht euch bereit, die Kutsche wird in wenigen Minuten weiterfahren.“
„Gebt mir noch weitere zehn Minuten obendrauf, es soll euer Schaden nicht sein, dann werde ich euch meine Entscheidung wissen lassen“, ruft der Angesprochene nach unten.
Rosalie hat durch das vorangegangene Gespräche total vergessen, dass sich der junge Arzt schließlich nur auf der Durchreise befindet und der eben noch zu entdeckende Hoffnungsschimmer in ihrem Gesicht schwindet nun wieder dahin.
„Seid unbesorgt, gute Frau, wenn ihr möchtet, dass ich eurem Sohn behilflich bin, so werde ich dies auf jeden Fall in Angriff nehmen.“
„Aber, ihr seht selbst, Monsieur, mit Reichtum sind wir nicht gesegnet. Wird unser wenig Erspartes ausreichen, euch zu entlohnen?“
„Macht euch deswegen keine Sorgen, Madame, ich sehe es vielmehr als ein Geschäft auf Gegenseitigkeit an, wo es einer weiteren Entlohnung nicht bedarf. Doch, ihr spracht vorhin von einer in der Nähe befindlichen Herberge, wenn ihr mir dort ein Zimmer reservieren könnt wäre alles geklärt und ich könnte zügig mit der Arbeit beginnen.“
Draußen sitzen bereits die anderen Reisenden wieder in der Kutsche und warten nur auf Monsieur Debarcuse, damit die Fahrt fortgesetzt werden kann. Der verlässt gerade das Geschäft, allerdings nicht, um sich den Reisenden anzuschließen.
„Kutscher, ladet mein Gepäck ab, diesen Koffer dort“, deutet der Arzt hinauf zum Dach der Kutsche. „Ich werde meine Reise hier unterbrechen.“
Murrend, widerwillig und sichtlich erbost über die neue und völlig unnötige Verschiebung der Abfahrtszeit, macht sich der Kutscher daran, den festverzurrten Koffer aus der luftigen Höhe zu hieven. Mürrisch und wenig ungehalten, machen auch die wartenden Fahrgäste ihrem Unmut Luft.
Mit einer an Überheblichkeit grenzenden Gelassenheit lässt der junge Arzt das Gezeter über sich ergehen und wirft dem Kutscher abfällig eine Münze zu, nachdem dieser den Koffer übertrieben hart auf dem Boden aufsetzt. Ein Blick auf die Münze veranlasst den Kutscher nicht nur freundlicher zu schauen, sondern nun ergeht er sich in geradezu hündischer Dankbarkeit. Kurz darauf setzt sich die Kutsche in Bewegung. Monsieur Debarcuse greift nach seinem schweren Koffer und schleppt ihn in den Verkaufsraum. Gerade in dem Moment kehrt Rosalie von der Herberge zurück und meint noch völlig außer Atem: „Oh, Monsieur Debarcuse, ich sah die Kutsche vorbeifahren und befürchtete schon, ihr hättet uns den Rücken gekehrt. Ein Zimmer habe ich reservieren können.“
„Sehr schön, Madame; ich bin einfach davon ausgegangen, dass in diesem Ort keine Herberge überbelegt sein wird“, erwidert der Arzt nüchtern und etwas abwertend.
Nach einer kleinen Pause, in welcher er sich nun seines Zylinders entledigt, seinen Rock achtlos über die Verkaufstheke wirft und die Ärmel seiner Bluse aufkrempelt, spricht er wieder in der gewohnten höflichen Manier zu Rosalie: „ Vorweg, Madame, vorweg benötige ich eure Hilfe. Sorgt bitte für reichlich heißes Wasser und besorgt mir eine Flasche Calvados dazu, oder einen anderen Branntwein, nur hochprozentig muss er sein.“
„Monsieur, ihr wollt trinken bevor ihr…“; beginnt Rosalie mit Entrüstung in der Stimme, doch Monsieur Debarcuse unterbricht sie.
„Den Branntwein brauche ich zum Reinigen der Wunde. Dann, einen Moment bitte“, eilt er jetzt die Stufen hinauf zu der Stube in der Fabienne liegt und in der noch seine lederne Tasche steht. Er wühlt darin und mit einer handvoll getrockneter Blätter, kehrt er nur einen Augenblick später in den Verkaufsraum zurück. Seine Hand, mit den getrockneten Blättern darin, streckt er Rosalie entgegen. „Brüht mir daraus einen kräftigen Tee auf. Wenn ich mich, sobald der Tee fertig ist, um Fabien kümmere ist es unabdingbar, dass ihr mich mit ihm alleine lasst.“
„Soll ich euch nicht zur Hand gehen oder zumindest Fabiens Hand halten, um ihn zu beruhigen?“, fragt Rosalie eingeschüchtert nach.
„Auf keinen Fall, Madame, entgegnet der Arzt entgeistert. „Ich glaube nicht, dass ihr es überstehen würdet, wenn ich mich mit dem Messer an eurem Sohn zu schaffen mache; und mich gleich um zwei Patienten kümmern zu müssen, wird auch mich momentan überfordern.“
Sichtlich blass geworden nimmt Rosalie diese Worte zur Kenntnis.
„Und noch eine Bitte, bereitet einen Kaffee zu, aber stärker als alles, was ihr bisher gebraut habt“, spricht Monsieur Debarcuse weiter und schaut dabei überlegend an die Decke.
„Meint ihr, der starke Kaffee würde Fabienne die Schmerzen nehmen?“, wagt sich Madame le Trec zaghaft nachzufragen.
„Keineswegs, Madame. Wenn der Kaffee so stark ist, wie ich ihn mir wünsche, dann würde er euren Sohn auf der Stelle töten, aber nicht die Schmerzen an sich lindern. Nein, der Kaffee, der ist für mich.“ Mit einem Lächeln in seinem eigentlich recht freundlichen Gesicht, so, als würde er belanglose Konversation führen, strahlt er Rosalie an.
Die Selbstsicherheit, mit der Monsieur Debarcuse trotz seiner Jungend auftritt, er wird kaum älter als Madame le Trec sein, gibt Rosalie dennoch etwas Zuversicht. Zudem ihn das dunkelblonde Haar, mit der leicht von der Sonne gebräunten Haut, ein überaus angenehmes Äußeres verleiht.
Das Wasser ist nur warm, bis es kocht, wird es noch einige Zeit dauern, weshalb Rosalie, zur Untätigkeit verdammt, zu fragen beginnt.
„Verzeiht, Monsieur Debarcuse, wohin sollte euch die Reise ursprünglich führen?“
„Von hier aus? Weiter nach Biarritz und von dort wollte ich ein Schiff mit Ziel Südamerika nehmen, um meine Studien fortzusetzen.“
„Und ich, ich meine, Fabien hat euch nun davon abgehalten. Mir wird ganz mulmig, wenn ich darüber nachdenke, wie tief wir in euer Schuld stehen.“
„Ach was, Madame, wenn der Knabe wieder auf den Beinen ist, dann werde ich weiterreisen. Von Biarritz gehen häufiger Schiffe nach Südamerika. Mich erwartet dort niemand, deshalb spielt es keine Rolle, ob ich eine Woche früher oder später dort ankomme.“
„Aber Monsieur, ihr spracht vorhin von einem Geschäft auf Gegenseitigkeit, mir ist nicht klar, was ihr damit meint.“
„Nun, Madame, ihr gebt mir die Gelegenheit meine praktischen Kenntnisse zu erweitern und im Gegenzug bin ich dazu bereit, meinen Aufwand dafür nicht in Rechnung zu stellen.“
Das Wasser kocht nun hörbar und Rosalie macht sich rasch daran, den Wunsch nach dem starken Kaffee zu erfüllen. Ebenso wirft sie die erhaltenen Blätter in einen Becher und übergisst sie mit dem heißen Wasser. Mit dem Becher Kaffee in der Hand kehrt sie zu dem Arzt zurück, reicht diesem den Becher und setzte mit ihrer aufgesparten Antwort fort: „Das hört sich nicht schlecht an, Monsieur. Habt ihr schon häufiger auf diese Weise praktiziert?“
Lautstark schlürfte Monsieur Debarcuse von dem gereichten heißen Getränk und äußerste sich zunächst mit einem langgezogenem „ah, das tut gut“, um dann, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, fortzufahren: „Nein, Madame, dies ist meine erste Operation.“
„Es ist das erste Mal, dass ihr ohne Honorar operiert?“
„Ja“, stimmt der Mediziner zu, „aber es ist auch meine erste Operation überhaupt, wenn man einmal davon absieht, dass ich schon zahlreiche Mäuse und Ratten sezierte.“
„Was?“, entgleist nun Rosalie die Stimme und mit dem Instinkt, den nur eine Mutter aufbringen kann die ihr Kind schützen möchte, baut sie sich nun vor dem Arzt auf. „Ihr wollt an Fabien herumschneiden, wie ihr es zuvor an Mäusen und Ratten vollzogen habt?“
„Madame le Trec, bitte, beruhigt euch doch. Das Wasser kocht, der Tee ist durchgezogen. Demnach kann ich mich jetzt an die Arbeit machen. Ich sagte, dass ich bereit bin, eurem Sohn zu helfen. Welche Alternativen habt ihr sonst? Der Barbier könnte mit der Säge den Fuß oder das Bein abnehmen und sofern Fabien das überlebt, könnte er als Krüppel weiterleben. Ich hingegen möchte versuchen, seinen Fuß oder zumindest den Teil davon, der noch brauchbar erscheint, zu erhalten. Laufen wie alle anderen, wird er zwar auch dann nicht können, doch zumindest kann er wie ein Mann auf beiden Beinen Stehen. Es liegt an euch, Madame, es geht um euren Sohn“, spricht Monsieur Debarcuse nun fast flehentlich.
Aufgeregt und unschlüssig, welche Entscheidung sie fällen sollt, schreitet Rosalie hin und her. Dabei schaute sie den Arzt mit ernster Miene an, und es ist wohl das stöhnende „Mama“, welches von oben wieder nach unten dringt, das letztendlich den Ausschlag gibt. „Möge der Herr euch beistehen und möge der Herr mir gleichfalls vergeben. Monsieur Debarcuse, bitte, helft meinem Jungen.“
„Dann auf“, zeigt sich der junge Mann agil; „gebt mir eine Schüssel mit dem heißen Wasser und ihr könnt den Branntwein und den Tee nach oben schaffen. Alsdann werde ich mich an die Arbeit machen, solange das Tageslicht noch ausreicht.“
Rosalie stellt die geforderten Sachen neben Fabiennes Bett, währenddessen sich der Arzt über seine Tasche beugt und nach Gerätschaften fischt. Als erstes zieht er ein Messer hervor, das beinahe so lang, wie die Elle eines ausgewachsenen Mannes ist. Besonders auffällig daran ist jedoch die Klinge, die schmal und überaus dünn, bei einem Messer derartiger Größe, erscheint. Sie scheint so zart und scharf zu sein, als könnte man damit auch das feinste Haar der Länge nach noch einmal teilen.
Madame le Trec erschaudert bei diesem Anblick und kann den Blick nicht abwenden oder sich gar rühren. Nur kurz hebt der Monsieur den Kopf, um überaus freundlich und dennoch mit aller Bestimmtheit anzumerken: „Wenn ihm mich nun allein lassen wollt, Madame, und vergesst nicht, die Tür zu schließen.“
Widerwillig verlässt Rosalie den Raum, zieht die Tür hinter sich zu und macht sich auf den Weg nach unten. Durch die verschlossene Tür hört sie noch den Ruf: „Seht zu, dass immer ein Kessel mit heißem Wasser bereitsteht, Madame.“
Unten angekommen füllt Rosalie zunächst wie aufgefordert weiteres Wasser in den Kessel, dann lässt sie sich benommen und voller Unruhe auf einen Stuhl nieder. Zum erstenmal ist sie dankbar dafür, dass kein Kunde die sorgenvolle Ruhe stört. Doch kaum dass sie sitzt, steht sie wieder auf, nimmt eine neue Branntweinflasche aus dem Regal und tut, was sie noch nie zuvor getan hat. Wie ein Kerl setzt sie de Flasche an die Lippen und nimmt einen kräftigen Schluck des scharfen Getränks zu sich. Nach Luft schnappend geht sie zurück zu dem Stuhl, setzt sich und starrt mit stumpfem Blick auf den Dielenboden.
Schwach hört sie Fabien stöhnen. Die Zeit scheint stillzustehen, endlos verrinnen die Minuten, die Stunden. Dann schreit der Knabe so schmerzvoll auf, dass Rosalie erschreckt von dem Stuhl hochfährt. Noch lauter und markdurchdringend folgt der zweite Schrei des Sohnes, der abrupt abbricht. Rosalie ergreift erneut die Flasche mit dem Branntwein und nimmt abermals einen kräftigen Schluck. Doch jetzt schnappt sie nicht mehr nach Luft. Vielmehr ist deutlich zu erkennen, wie kräftig sie Ober- und Unterkiefer zusammendrückt, so dass die kleinen Muskeln an ihren Wangen hervortreten. Ihr Gesicht wirkt hart, wie in Stein gemeißelt. „Ich bringe ihn um, den Mistkerl, wenn er meinem Louisdor ein Leid zufügt“, denkt sie.
Nach schier endloser Zeit dringt endlich das typische Knarren von Fabiens Zimmertür nach unten. „Tücher, Madame, ich benötige einige makellos saubere Tücher“, folgt daraufhin die Stimme des Arztes. Rasch geht Rosalie nach hinten, in den angrenzenden Wohnraum, öffnete dort den Schrank und ergreift einige, der sorgsam zusammengelegten Tücher. Dankbar, nun endlich einen Blick auf ihren Sohn werfen zu können, eilt sie die Stufen hinauf. Aber nur einen spaltbreit ist die Tür geöffnet, an der Monsieur Debarcuse steht. Durch den Spalt hindurch entreißt er ihr geradezu die hingehaltenen Tücher und drückt gleich darauf die Tür dermaßen heftig zu, als wollte er mit dieser Wucht Rosalie die Stufen hinabstürzen.
Gleichermaßen wütend, wie auch ängstlich, begibt sich Rosalie wieder zu ihrem Stuhl und wartet, und wartet. Dann wieder das Knarren an der Tür, und schließlich Schritte auf den hinab führenden Stufen. Die Bluse am Kragen weit geöffnet, die Ärmel hoch hinauf gekrempelt und mit vom Schweiß glänzenden Gesicht steht nun der Arzt im Raum. In der einen blutverschmierten Hand hält er eines, der eben noch frischen Tücher, in der anderen Hand befindet sich das lange Messer. Man kann eher den Eindruck gewinnen, dieser Mann kehrte von einem Schlachtfeld zurück, als dass er sich um einen Kranken gekümmert hätte.
„Madame, bitte eine Schüssel mit nicht zu heißem Wasser und wenn möglich, einem Stück Seife dazu“, mehr sagt der Mann nicht, und Rosalie beeilt sich ohne nachzufragen, dass Gewünschte bereitzustellen. Sorgsam seift er seine Hände über der Schüssel ein, wäscht die Arme hoch hinauf, spült sie ab und fährt sich mit den neu eingeseiften Händen über das verschwitzte Gesicht und den Nacken und spült auch hier den Seifenschaum ab. Dann nimmt er das Messer, an welchem noch reichlich Blut klebt, säuberte auch dieses und trocknet es sorgfältig ab. Erst dann kommen die nächsten an Madam le Trec gerichteten Worte.
„Madame, habt ihr noch einen Branntwein übrig?“
„Einen Hochprozentigen, wie vorhin?“, fragt Rosalie eilfertig nach.
„Nein, Madame, diesmal einen, den ich in der Lage bin zu trinken und wenn ihr noch einen Becher Kaffee für mich hättet.“
Mit einem Zug leert Monsieur Debarcuse den gereichten Becher, mit dem kräftigen Schuss Branntwein darin. Gleichzeitig greift er mit der anderen Hand nach dem hingehaltenen Becher Kaffee und setzt sich auf den Stuhl, den zuvor Rosalie innehatte.
Wieder schlürft er laut hörbar von dem aromatischen Heißgetränk und es folgt wiederum das „ah, das tut gut“. Mit einem offenen Blick zu Rosalie fügt er an: „Das war ein gutes Stück Arbeit, Madame.“
“Wie geht es Fabien, Monsieur?“, kann Rosalie die innere Anspannung kaum verbergen.
„Fabien schläft, Madame.“
„Und er lebt?“
„Ich sagte doch, er schläft, Madame. Schlafende atmen, Tote können dies nicht. Als ich den Jungen verließ, atmete er“, kommt es ebenso tadelnd wie belehrend über die Lippen des Mannes.
„Kann ich nach Fabienne sehen, Monsieur?“, fragt Rosalie mit einem Stöhnen der Erleichterung nach.
„Im Moment besser nicht. Ich werde gleich noch raufgehen, um die Reste meines Werkes zu beseitigen. Es ist derzeit kein schöner Anblick, für ein nicht daran gewöhntes Auge.“
Das Herz schlägt Rosalie bis zum Halse und mit Schaudern und der Angst vor der Antwort, bohrt sie dennoch weite nach: „Und was ist mit seinem Fuß, seinem Bein?“
„Madame le Trec, ihr habt zuvor gesehen, in welchem Zustand sich der Fuß befand. All das faulende Fleisch musste ich abschneiden und noch etwas mehr, damit der Brand sich nicht weiterfrisst. Die zwei äußeren Zehen hat Fabienne verloren und dazu noch einen Teil des Fußes, bis hin zur Ferse; doch mehr als die Hälfte davon konnte ich erhalten. Wenn die Wunde gut verheilt, wird der Bursche zwar nicht laufen können wie ein junges Reh, doch er wird durchaus in der Lage sein, auf den eigenen Beinen zu stehen. - Madame, habt ich noch etwas von eurem Brei, ich habe Hunger?“
„Natürlich, Monsieur, sofort“, beeilt sich Rosalie, einen Teller mit dem stärkenden Mahl zu füllen.
Während der Arzt manierlich einen Löffel nach dem anderen, den Getreidebrei in sich hineinstopft, beobachtet ihn Rosalie aufmerksam.
>Was ist das nur für ein sonderbarer Mensch<, fragt sie sich, >einer der daherkommt mit ausgesuchten Manieren und gepflegtem Äußeren, in einem Moment charmant, geradezu galant, um im nächsten, kalt wie eine Hundeschnauze zu erzählen, als würde er sich mit seinen Mäusen und Ratten beschäftigen.<
„Madame, ich bin müde und werde mich nun zu der Herberge aufmachen, um ein Bett für die Nacht zu haben. Morgen sehe ich wieder nach Fabien. Bis dahin bitte ich euch, regelmäßig die Tücher zu wechseln, die seinen Fuß bedecken. Nicht, dass sie an der Wunde kleben. Und achtet darauf, dass sich keine Fliegen auf seinem Fuß niederlassen. Es ist schon gut, dass der Herbst naht und nicht zu viele von ihnen herumschwirren. Wacht Fabienne auf, dann gebt ihm vom dem Tee zu trinken“, legt er eine weitere handvoll Blätter, die er aus seiner Tasche fischt, auf einen Teller.
Unvermittelt steht der Mann dann auf, geht hinauf in das Zimmer und packt die Reste seines Werkes in eines der Tücher, um sie wieder unten angelangt, tief in den Abfallkübel zu stecken. Ohne ein weiteres Wort des Dankes abzuwarten, schnappt er seinen schweren Koffer und die große Ledertasche und macht sich mit einem „bis morgen“ auf den Weg.
Rosalie schaut dem Mann noch einen Augenblick hinterher. Er muss sehr kräftig sein, so wie er den schweren Koffer und die Tasche mit kerzengerader Haltung trägt. Dann geht Rosalie zurück in ihr Haus, um endlich nach ihrem Kind zu schauen. Zuvor löst sie jedoch den Haarknoten, der ihr straff nach hinten gekämmtes Haar zusammenhält und der ihr ein wenig Kopfschmerzen beschert. Lang fällt nun das lockige braune Haar bis auf ihre Schultern. Sie ist eine hübsche Frau, mit großen braunen Augen und kaum älter, als dieser sonderbare Arzt. Aber das schwere Leben und die steten Sorgen haben ihre Spuren im Antlitz von Madame le Trec natürlich hinterlassen.
Vorsichtig öffnet Rosalie die Tür zu Fabiens Kammer, doch das leichte Knarren lässt sich dadurch nicht gänzlich vermeiden. Ihren Sohn findet sie schlafend vor, auf der linken Seite liegend und das Gesicht zur Wand gerichtet, so dass die behandelte Seite seines rechten Fußes von Tüchern bedeckt nach oben ragt. Vorsichtig zieht sie die Tücher ab und erschrickt, als sie die große blutige Wunde sieht. Rasch deckt sie die neuen Tücher darüber und ist nur dankbar dafür, dass Fabien trotz der vorangegangenen Tortur in den Schlaf gefunden hat.
Die untergehende Sonne beendet das wenig betriebsame Leben in Valet de Coeur und so gibt sich auch Rosalie der wohlverdienten Nachtruhe hin.
Noch bevor der erste Hahnenschrei den neuen Tag ankündigt, befindet sich Rosalie auf den Beinen. Beim schwachen Schein einer Kerze entfacht sie das Feuer, um Wasser zu erhitzen und den Tee zubereiten zu können, dessen Blätter sie von Monsieur Debarcuse erhielt. Sollte das Kind aufwachen, so wollte sie ihm rasch davon geben. Ein schwaches Stöhnen, nicht schmerzgeplagt, eben nur ein schwaches Stöhnen, vernimmt Rosalie und macht sich gleich daran, von dem aufgebrühten Sud in einen Becher zu füllen. Eilig geht sie damit hinauf zum Krankenlager ihres Sohnes.
„Louisdor, Fabien, mein Goldstück, wie geht es dir?“, begrüßt sie den Knaben und setzte sich sogleich zu ihm an das Bett.
„Mama, ich habe große Schmerzen im Bein, im Fuß, aber dennoch bei weitem erträglicher als gestern“, antwortet der Junge noch etwas benommen und wendet sein Gesicht der Mutter zu. Erfreut sieht diese in die großen braunen Augen Fabiennes, die nun kein fiebriger Glanz mehr trübt.
„Ja, Fabien, ich weiß, du hast viel durchmachen müssen, aber das Fieber scheint deinen Körper verlassen zu haben. Komm, nimm einen Schluck von dem Tee, den mir der Arzt gab. Es sieht ganz danach aus, als würde er Gutes bewirken.“
Mit ihren Worten schiebt sie eine Hand unter Fabiennes Kopf um diesen etwas anzuheben, mit der anderen Hand hält sie den Becher an die Lippen des Knaben. Sichtlich erleichtert darüber, den Buben in weitaus besserer Verfassung vorzufinden, als es noch einen Tag vorher der Fall war, nimmt sie sein Kinn zärtlich zwischen ihrem Daumen und dem Zeigefinger und bewegte seinen Kopf sanft hin und her.
„Ah, Mama, nicht, mein Kinn“, stöhnt Fabien daraufhin unvermittelt auf. Und als Rosalie nun vollends in das Gesicht des Sohnes blickt, erblickt sie die Schwellung in dessem Gesicht, die grün und bläulich schimmert.
„Was ist denn nur mit deinem Gesicht passiert?“, sorgt sich Madame le Trec.
„Ich weiß nicht, Mama, ich habe hier nur so heftige Schmerzen“, sagt Fabien kleinlaut und deutet mit seinen Fingern auf den Unterkiefer.
„Rosalie, bist du schon auf den Beinen?“, dringt eine Stimme von unten, aus dem Verkaufsraum nach oben. „Ich bin es, Andre´, der Barbier. Ich sah Licht und ich dachte, ich schaue mal nach dir und sehe, wie es Fabien ergeht.“
„Komm rauf, Andre´, wir sind hier oben“, ruft Rosalie und dreht dabei ihren Kopf zur Tür.
Einen Moment später steht Andre ebenfalls in der Kammer und grüßt mit einem freundlichen „Bonjour, ihr Beiden.“ Dann tritt er näher an das Bett, um einen Blick auf Fabien werfen zu können. „Wie geht es dem kleinen Patienten?“, spricht er den Jungen an.
„Gut, Monsieur, danke.“
„Du siehst auch bei weitem besser aus, das Fieber scheint aus dem Körper zu sein.“ Dann blickt Andre hinab zu dem mit Tüchern bedeckten Fuß. Vorsichtig ergreift er einen Zipfel, lüftete ihn einwenig, um einen Blick auf die Verletzung werfen zu können und zuckt zusammen.
„Um Himmelswillen, ein Wunder, aber das sieht verdammt gut aus““, stößt Andre´ schon mit Entzückung hervor. „Was ist hier nur geschehen und was ist mit deinem Gesicht?“
„Ich habe keine Ahnung, wie die Schwellung in Fabiens Gesicht gekommen ist, aber Hauptsache ist doch, dass es ihm insgesamt besser geht. Kurz schildert Rosalie von den Vorkommnissen des Vortages.
„Ja-ja, die Kutsche und die vielen Besucher, das ist wohl keinem im Dorf entgangen. Du wirst ein gutes Geschäft gemacht haben“, gibt Andre´ seinen Kommentar dazu ab. „Und der junge Mann; der sich stundenlang in deinem Geschäft aufhielt“; fügt Andre´ mit leichtem Tadel in der Stimme hinzu.
„Das war der Arzt, der Fabienne so vortrefflich behandelt hat“, entgegnet Rosalie mit einem strafenden Blick. Die süffisante Anspielung des Barbiers übergeht sie mit dem Hinweis: „Du wirst mit ihm übrigens auch noch dein Geschäft machen, Andre. Wenn ich ihn richtig verstanden habe plant er, einen Barbier aufzusuchen.“
„Er ist noch nicht fort?“
„Nein, Andre´, er hat ein Zimmer bei Simon genommen, damit er Fabiens Behandlung fortsetzen kann.“
„Oh, das ist erfreulich. Wird kostspielig sein, eine derartige Behandlung und sicher ein großes Loch in deine Kasse fressen, wenn nicht gar alle Ersparnisse dafür draufgehen?“ fragt Andre´ neugierig nach.
„Für Bertrands und meinen Sohn, wird mir nichts zu teuer sein, Andre´“, verschweigt Rosalie die Vereinbarung des Geschäfts auf Gegenseitigkeit.
„Gut, dann will ich mich mal wieder auf den Weg machen. Nicht, dass der Fremde noch vor einer verschlossenen Tür landet und mir das Geschäft entgeht. Wenn du Hilfe brauchst, du weißt wo du mich findest. Halt die Ohren steif, Fabien, es wird schon gut werden“, wendet er sich noch dem Jungen zu, bevor er sich davon macht.
„Komm, mein Kleiner, trink noch einen Schluck, hält Madame le Trec ihrem Sohn abermals den Becher an die Lippen. Dann macht sie sich daran, die Tücher vom Fuß zu entfernen, die trotzt aller Sorgfalt leicht an der Wunde kleben. Fabien stöhnt auf, als Rosalie mit einem flotten Zug die Tücher fortzieht, um den Fuß gleich darauf neu zu bedecken.
„Schlaf dich gesund, mein Bester, ich gehe jetzt nach unten und mache das Geschäft auf. Wenn du etwas benötigst, dann rufe nach mir.“
Emsig geht die fleißige Frau daran, den üblichen Getreidebrei zuzubereiten und machte sich Gedanken, wie es nun weitergehen soll. Sie wird es nicht leicht haben, in den nächsten Tagen die Vorräte an den benötigten Waren heranzuschaffen, wenn sie Fabien nicht für Stunden alleine lassen wollte. So in die Arbeit und in ihre Gedanken eingebunden zuckt sie leicht zusammen, als sich die Tür zum Geschäft öffnete.
„Guten Morgen, Madame le Trec“, grüßt der junge Arzt freundlich und lüftet dabei kurz den Zylinder. „Wie versprochen komme ich, um nach eurem Kind zu schauen.“
„Guten Morgen, Monsieur Debarcuse; so früh habe ich euch nicht erwartet. Fabien schläft wieder, aber ihm geht es deutlich besser.“