Bernd Jochen Hilberath

Dem Glauben trauen?

Eine Ermutigung

Matthias Grünewald Verlag

Träumst du noch, oder hast du eine Vision?

Für die französischen Chansons war Harry in unserer Band verantwortlich. Als wir uns vor Jahren als ›Rentnerband‹ nochmals trafen, kam er mit einem seiner Lieblingschansons an: »un banc, un arbre, une rue«. Es war der Siegertitel beim Grand Prix d’Eurovision 1971, gesungen von Séverine, gewonnen für Monaco. Die deutsche Version, gesungen ebenfalls von Séverine, hieß aber nicht »eine Bank, ein Baum, eine Straße«, sondern – die etwas Älteren unter den Leserinnen und Lesern werden die Melodie noch im Ohr haben: »Mach die Augen zu und wünsch dir einen Traum aus dem Land der Illusionen«. Und schon zu Band-Zeiten bestand unser Bassgitarrist darauf, dass die französische Version nicht nur besser klingt (das ist ja allgemein so bei Chansons), sondern dass sie auch etwas ganz Anderes besingt als die deutsche. Als wir uns dann vor Wochen zur Beerdigung unseres Schlagzeugers trafen, fiel mir das wieder ein, als Harry auf mich zukam – und ich nahm mir jetzt endlich die Zeit, beide Textversionen zu vergleichen.

In der Tat: zwei gegensätzliche Lebensentwürfe, zwei Weisen, das Leben zu sehen: eine illusorische und eine visionäre. Der Tagtraum aus dem Land der Illusionen; und wenn wir aus ihm erwachen, »wird das Leben weitergehn«, und es bleibt die Erkenntnis (?): »Das ist nun mal der Lauf der Welt, und bestimmt hat alles seinen Sinn.« Im französischen Original geht es um einen Traum mit Bodenhaftung, um eine Vision, die die Wegmarken kennt, die ihr die Zukunft weisen: »Man hat immer eine Bank, einen Baum, eine Straße, wo man seine Träume wie in einer Wiege geschaukelt hat; jede/r hat eine Bank, einen Baum, eine Straße – in der zu kurzen Kindheit. – Eines oder eines anderen Tages muss man aufbrechen, um seine Zukunft zu bauen, und es ist ein unvergesslicher Augenblick, in dem man das kindliche Verhalten zurückgibt. – Jede/r geht aus, um seine Hoffnung zu erfüllen auf dem Weg, den er/sie sich gewählt hat hin zum Reichtum, den unser Leben bereit hält. – Jede/r verteidigt in seinem/ihrem engen Horizont nur seine/ihre Ambitionen. Aber wenn wir nichts miteinander teilen (an nichts teilhaben), was bleibt uns dann noch als gemeinsam?« (meine eigene freie, aber sinnentsprechende Übersetzung)

Kann Séverine deutsch, fragte ich mich, als ich die beiden ge­gensätzlichen Versionen vor mir hatte. Weshalb mich das elek­trisierte? Weil ich in meiner Biographie, meiner Lebens- und Glaubensbiographie, seit einiger Zeit an dem Punkt bin, dass ich mich frage, worauf ich denn meinen Glauben stütze, woran ich meine Hoffnung festmachen soll. Ist Glauben Illusion, ist zu glauben und zu hoffen Tagträumerei? Dann blicke ich zurück und erinnere mich der Haftpunkte, der Wegmarken, der Orte, wo ich zumindest für einen entscheidenden Augenblick festen Boden unter den Füßen des Glaubens hatte – so wie »eine Bank, ein Baum, eine Straße«. Es sind Erfahrungen des Aufbrechenkönnens, geschenkte Augen-Blicke in den weiteren Weg, und tatsächlich vor allem die Erfahrung, wie stärkend Gemeinsamkeit sein kann. Er-fahrungen: das besagt, dass eine Einsicht nicht »auf meinem Mist« gewachsen ist, sondern mir zuteilwurde, geschenkt wurde. Beschenkt haben mich Menschen und Texte – Chansons, Gedichte, Werbesprüche und vor allem Abschnitte oder einzelne Verse des Ersten und des Neuen Testaments. Auch letztere habe ich mir nicht ausgesucht und dann als schmückendes Zitat verwendet; selbst wenn ich einen Text schon kannte, konnte es passieren, dass mir beim -zigsten mal Hören etwas aufging. Und wenn ich an einem Sonntag zu predigen hatte, ließ ich mich von den für diesen Tag vorgesehenen Texten befragen und hörte sie daraufhin ab, was sie mir zu sagen hatten. Über die Jahre hin kam dabei kein Sammelsurium heraus. Vielmehr entdeckte ich einen roten Faden, auf dem zu lesen stand: Hab Vertrauen, habe es gerade dann, wenn du eine schlechte Wegstrecke vor Dir hast! Auf den Wegmarkierungen steht: Dialog, Kommunikation, Kommunion (handfeste Gemeinschaft) – und vor allem: (heiliger) Geist. Von einem heiligen Geist belebt ist eine/r, die/der nicht ängstlich um die eigene Identität sorgend kreist, der sich nicht in die Träumerei der Kindheit flüchtet und sich dem Erwachsenwerden verweigert. Bei der, bei dem vielmehr das Vertrauen in eine begründete gemeinsame Hoffnung größer ist als die (in Maßen völlig berechtigte) Angst und Sorge. Wohl der/dem also, wer »eine Bank, einen Baum, eine Straße« benennen kann, an dem er/sie die Hoffnung festmacht, die nicht reine Illusion ist, die vielmehr eine im Boden des Lebensweges haftende Vision begründet.

In diesem Sinn traue ich dem Glauben an einen Gott, der Schöpfer und Erhalter, Retter und Vollender der Welt ist, einem Glauben, den nicht nur Christinnen und Christen teilen und den diese vor allem nicht für sich behalten wollen. Mit zunehmendem Alter verschärft sich die Frage: Was trägt? Dann suche ich stets aufs Neue nach den Haftpunkten meiner Hoffnung. Und ich möchte Andere dazu ermutigen, gerade weil und wenn das Fragezeichen den Lebenstext dominiert.

Das Buch ist nicht darauf angelegt, an einem Stück gelesen zu werden, auch wenn dabei der rote Faden erkennbar wird. Jedenfalls empfehle ich eher das langsame Lesen einzelner Abschnitte, das Nach-sinnen und Nach-lesen der biblischen und anderer Zitate.

Tübingen, im Advent 2015

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Bernd Jochen Hilberath ist emeritierter Professor für Dogmatische Theologie und Dogmengeschichte und war bis 2014 Direktor des Instituts für Ökumenische und Interreligiöse Forschung an der Universität Tübingen. Er ist verheiratet, ist Vater von vier Kindern und hat sechs Enkelkinder.

ÜBER DAS BUCH

Die Christinnen und Christen von morgen werden entweder solche sein, die erfahren haben, was sie im Glauben hält, oder sie werden nicht mehr Christen sein. Diese Prognose Karl Rahners bewahrheitet sich immer mehr.

Denn Christ sein wird ermöglicht durch lebendige, sinnstiftende Begegnungen mit Menschen und durch Erfahrungen, die zum Glauben führen oder weiter auf ihn setzen lassen. Dem Glauben trauen heißt dann auch: sich selbst und dem Anderen trauen, letztlich sich Gott anvertrauen können.

Bernd Jochen Hilberath spürt deshalb in biblischen und poetischen Texten wie in alltäglichen Redewendungen Erfahrungen nach, die auch heute zu einem lebensfähigen und theologisch verantworteten Glauben einladen.

Auch als Printausgabe erhältlich.

www.gruenewaldverlag.de/ISBN978-3-7867-3063-7

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© 2016 Matthias Grünewald Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern

Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart

Umschlagabbildung: Screeny / photocase.de

ISBN 978-3-7867-3063-7 (Print)

ISBN 978-3-7867-3064-4 (eBook)

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LESEEMPFEHLUNG

Bernd Jochen Hilberath

Auf das Vor-Zeichen kommt es an

Vom Grund christlicher Hoffnung

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„Ich war noch nie in Santiago, und ich bin hoffentlich noch nicht so bald am Ende meines Lebensweges, aber die Anlässe mehren sich, darüber nachzudenken, was mich auf dem Weg des Lebens hält.“

Bernd Jochen Hilberath sucht eine Antwort auf diese Grundfrage menschlicher Existenz in der Hoffnung darauf, dass alle Menschen am Ziel des Lebens ankommen. Diese Option hat für ihn ihre Begründung darin, dass Gott, „der Freund des Lebens“ (Buch der Weisheit 11,26), sein heilendes Ja als Vorzeichen vor das Leben eines jeden Menschen gesetzt hat.

Als „Basischrist“ und Theologieprofessor, als Ehemann und Familienvater macht Bernd Jochen Hilberath deutlich, dass dies kein leichtfertiger Optimismus ist, sondern erfahrenes, auch durchlittenes Du-sollst-sein und Du-kannst-leben. Damit erschließt er den christlichen Glauben neu und ermutigt so, dem Ja Gottes im eigenen Leben zu trauen.

Als Printausgabe erhältlich:

www.gruenewaldverlag.de/ISBN978-3-7867-2921-1

Inhalt

Träumst du noch, oder hast du eine Vision?

Dem Glauben trauen

Trauen wir dem Glauben noch?

Woher die Kraft nehmen?

Ein Jahr des Glaubens?

Glaubenserfahrungen?

Gnade vor allem

Was kann uns Christenmenschen dann noch trennen?

Talente nicht vergraben

Gott sich anvertrauen

Hat Gott eine Todesliste?

Grüß Gott oder Guten Tag?

Der Sämann und die Gemeinde

In der Löwengrube

Dem Leben trauen

Wie kommt Neues in die Welt?

Nicht nur sauber, sondern rein

Für dich, für euch, für alle

Zehn Gebote?

Ich bin eine Mission

Den Wein erahnen

Sich zu hoffen trauen

»Den König, der da kommen wird …«

Typen an Gottes Hand

Adventliche Figuren

Advent und Geist

War das hier alles?

Dem Glauben trauen

Trauen wir dem Glauben noch?

Wenn Sie heute (noch immer) Christ sein wollen, frage ich Sie: Welche Krise haben Sie gerade? Es wird uns ja allerhand angeboten: Kirchenkrise, Glaubenskrise, ja sogar Gotteskrise! Priestermangel, Gemeindemangel, Glaubensmangel. Allerdings: kein Geldmangel! Diagnosen werden genügend geliefert, sie widersprechen sich teilwiese: nein, wir haben keinen Priestermangel, wir haben einen Gläubigenmangel. Oder: nein, keine Kirchenkrise – Gotteskrise.

Einmal im Ernst gefragt: Kann Gott in die Krise kommen? Zumindest könnte er die Krise kriegen, wenn er das alles durch­einander hört. Oder bleibt er humorvoll-souverän, wie Karl Heinrich Waggerl angenommen hat: »Nur sechsmal kirchtumhoch über den Dingen, und schon wird alles klein und ein bisschen spaßig. Und wenn man das erwägt, dann darf man es wohl auch dem lieben Gott nicht verübeln, dass er manchmal unser Gestrampel von der heiteren Seite nimmt, wie es den Anschein hat.«

Oder klingt das zu sehr nach Spaß-Kultur? Ist es nicht ernster im Glauben? Ist Gott nicht ernsthaft in der Krise? Was war die Krise, in die Gott hinein geriet?

Seine Schöpfung ist schiefgelaufen. Seine Geschöpfe wollen den Schöpfer abschütteln, sie wollen sich selbst erschaffen. Das ist nicht Vergangenheit, das ist menschliche Realität auch heute. Sogar bei frommen, geistlichen Menschen. So behauptete vor einiger Zeit eine Ordensfrau: Uns hat niemand etwas zu sagen – wir haben uns selbst gegründet. Selbst gegründet – »Schwester«, möchte ich fragen, »sind Sie nicht berufen worden?«

Beim Propheten Hosea klagt Gott zum Herzerweichen: »Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb, ich rief meinen Sohn/meine Tochter aus Ägypten. Je mehr ich sie rief, desto mehr liefen sie von mir weg. … Ich war es, der Efraim gehen lehrte, ich nahm ihn auf meine Arme. Sie aber haben nicht erkannt, dass ich sie heilen wollte. Mit menschlichen Fesseln zog ich sie an mich, mit den Ketten der Liebe. Ich war für sie da wie Eltern, die den Säugling an ihre Wangen heben … Mein Volk verharrt in der Treulosigkeit« (Hos 11, 1–7).

Gottes Krise hält also gar noch an, als er sich zur Rettung seiner Schöpfung entschloss und sich engagierte. Dass jemand sich abwendet, wenn ich ihm Böses will, ist ja nachvollziehbar. Aber einem Liebenden den Rücken kehren? Gott im wahrsten Sinn des Wortes »einen guten Mann sein lassen«? Da soll er nicht »die Krise kriegen«?

Was ist Gottes Weg aus der Krise? Dass er umkehrt! Ja, Gottes Krisenmanagement beginnt nicht damit, dass Menschen etwas tun, nicht einmal darin, dass sie umkehren – zuerst kommt die Kehrtwendung Gottes, zuerst erweckt Gott seine Liebesreue, zuerst geht er in die Passionszeit. Lesen wir weiter beim Propheten Hosea: »Mein Herz wendet sich gegen mich, mein Mitgefühl lodert auf. Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken und Efraim nicht noch einmal vernichten. Denn ich bin Gott, nicht ein Mann, der Heilige in deiner Mitte. Darum komme ich nicht in der Hitze des Zorns« (11, 8c.9).

Gott reagiert nicht-menschlich oder gar allzu-menschlich. In entscheidenden Momenten, in der Krise, wartet er nicht, er handelt ohne Vorbedingungen zu stellen. Das ist auch die Erfahrung, die im Neuen Testament, besonders von Paulus (und seiner Schule) sowie von Johannes, bezeugt wird: »Gott aber, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr gerettet … aus Gnade durch den Glauben, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt – nicht aufgrund eurer Werke« (Epheserbrief 2, 4–5.8–9). »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht« (Johannesevangelium 3, 16).

Wozu fordert uns unser biblischer Gottesglaube heraus? Was sagt er uns, in welcher Krise auch immer wir stecken? Ich habe erfahren: Mensch, lass ab von deiner Self-made-man – Ideologie, diesem ›Selbst ist der Mann‹, dem Do it yourself: Am besten mache ich alles selbst!

Wirklich? Vor Gott gilt nicht einmal dieser Spruch: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Nein: Gott hilft dir, bevor du etwas tust. Und das Entscheidende kannst du ohnehin nicht tun, du brauchst es nicht zu tun. Das ist Gottes Evangelium: Du musst deinem Leben und dem Leben der Anderen keinen Sinn geben. Das habe ich, Gott, längst getan – für Dich, für Euch, für Alle! Vertrau mir, vertrau Dich mir an! Entscheidend sind nicht Deine Werke, sondern meins, mein Heilswerk. Dein Glaube genügt mir! »Wer glaubt, wird nicht gerichtet! Wer glaubt, ist richtig ausgerichtet! Denn wer glaubt, tut die Wahrheit und kommt ans Licht!« (vgl. Joh 3, 18.21).

Können Sie dem trauen? Oder ist das Ihnen zu einfach? Zu soft? Zu viel Liebe und Barmherzigkeit? Zu wenig ernst? Spielt jetzt die Sünde keine Rolle mehr? Kommt es nicht mehr darauf an, dass wir etwas tun?

Diese Fragen werden gestellt, auch in diesen Krisenjahren. Sie werden manchmal von Menschen gestellt, die selbst in der Religion, im Glauben, in der Kirche das suchen, was sie den »einfachen Glauben« nennen. Wenn schon alles relativ ist, wenn schon nichts mehr sicher ist in unserer Gesellschaft, wenn die innere Sicherheit bedroht ist und das Geld und die Rente nicht mehr sicher sind, wenn die Wahrheit sich im Pluralismus aufzulösen droht, dann sollte doch wenigstens im Glauben Sicherheit sein: ein Stück Heimat, Orientierung, Gewissheit. Manche sehen diese Sicherheit darin, dass die Formeln und Formen des Glaubens immer gleich bleiben, dass einem gesagt wird, wo man dran zu sein hat. Andere empfinden das als Zwangsjacke, als hinderlich für ihren Glauben. Sie plädieren für Gnade vor Recht, für eine größere Barmherzigkeit.

Droht uns in dieser Kirchenkrise gar eine Kirchenspaltung? Was sollen wir tun, wenn wir das nicht wollen, wenn beide oder alle Seiten das nicht wollen? Eine Möglichkeit ist: Unseren Glauben in die Krise führen lassen – und am Krisenmanagement Gottes Maß nehmen! Was kann das heißen?

Wie es in den Sendschreiben an die Gemeinden der Geheimen Offenbarung des Johannes heißt: »Hört, was der Geist den Gemeinden sagt!« Er sagt es offenbar nicht nur Einzelnen oder nur einem. Der Hl. Benedikt mahnt in seiner (3.) Regel, auch auf die Jungen zu hören – Begründung: »Dass zur Beratung alle gerufen werden, bestimmen wir deshalb, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist.«

Was wir von Gott hören, ist: »Jede/n von euch habe ich in meine Hände gezeichnet« (vgl. Jesaja 49,16), jede/n habe ich allzeit vor Augen. Niemand muss sich rechtfertigen dafür, dass er auf dieser Welt ist; ich, Gott, verleihe ihm die Menschenwürde, die ihm niemand nehmen kann. Du, Mensch, musst dich nicht beweisen – lebe einfach aus den Talenten heraus, die ich einer, einem jeden von euch mitgegeben habe.

Und ein Zweites gehört dazu, sagt Gott: Mach’s wie Ich – werde Mensch! Krieg die Krise, wenn Menschen ausgebeutet, vergewaltigt, ausgenutzt und übervorteilt werden, wenn sie um ihr Lebensrecht gebracht und ihre Entwicklung unterdrückt wird! Krieg die Krise, wenn die Lebensbedingungen der kommenden Generationen bedrohlich eingeschränkt werden! Krieg die Krise, wenn nur noch zählt, was der Mensch selber machen kann, wenn keiner dem andern etwas schuldig bleiben darf, wenn deshalb schon einer außen vor ist, weil er nicht in die Leitkultur passt!

Dieses Krisenmanagement, sagt Gott, wird Dich etwas kosten, so wie es mich etwas gekostet hat – am Ende sogar das Leben. Aber vergiss nie: Die Basis ist gelegt, das Fundament ist gegossen. Zu Recht heißt es ja: »Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder vergebens, der daran baut« (Psalm 127, 1). Also kein Leistungsstress, keine Werkerei! Das ist die Botschaft, die die Welt heute braucht. Sie braucht Biotope der Hoffnung, wo das geglaubt und gelebt wird: »Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?« (Römerbrief 8, 31).

Wenn Ihre Mitmenschen Sie fragen: Kann man heute noch an Gott glauben? Dann drehen Sie doch einmal den Spieß um: »Wie kann man heute nicht an Gott glauben? Seht Ihr nicht die Spuren der Verheißung in jedem kleinen Glück? Findet Ihr nicht seine Spuren dort, wo Menschen in großen und kleinen Krisen solidarisch sind? Wo Versöhnung möglich wird? Wo aus schon totgesagten Verhältnissen neues Leben erblüht? Wo Menschen erfahren: Der Tod hat nicht das letzte Wort?«

»Manchmal feiern wir mitten am Tag ein Fest der Auferstehung« – das ist es! So bezeugt es das Lied im Gotteslob (Nr. 472): »Stunden werden eingeschmolzen und ein Glück ist da. Sätze werden aufgebrochen und ein Lied ist da. Waffen werden umgeschmiedet und ein Friede ist da. Sperren werden übersprungen und ein Geist ist da.«

Mensch, es ist so einfach, sagt Gott: »Geh hin und verkünde die Frohe Botschaft! Wichtig ist nur, dass du gehst. Du weißt doch: Ich werde mit dir sein. Oder muss ich dir, wie dem Mose, ganz energisch kommen: Schluss mit den Ausreden, mit dem Kreisen um dich selbst, um dein Ungenügen; Schluss mit dem Krisengerede: Mach dich auf und geh! Ich werde mit dir sein. Geh endlich!« (vgl. Exodus 4, 1–17).

Zum Nach-sinnen:

Hosea 11

Epheserbrief 2, 4–19

Johannesevangelium 3, 16–21

Exodus 4, 1–17