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50 plus – Neuorientierung im Beruf

 

 

BRIGITTE REEMTS FLUM | TONI NADIG

50 plus

Neuorientierung im Beruf

Chancen erkennen und mit Erfahrung punkten

 

Dank

Nur dank der Offenheit und dem Vertrauen unserer Klientinnen und Klienten konnten wir die Erfahrungen sammeln, die die Grundlage des Buches bilden. Wir freuen uns, diese weitergeben zu dürfen, und hoffen, dass der Ratgeber vielen hilft, die berufliche Neuorientierung selbstbestimmt anzugehen und sich erfolgreich zu positionieren.

Download-Angebot
Die Vorlagen für die Rubrik «To do» finden Sie im Download-Angebot zum Herunterladen und Bearbeiten: www.beobachter.ch/download (Code 9094).

Die Kurzinterviews mit HR-Verantwortlichen von Schweizer Unternehmen führte Stefan Mair, Ressortleiter bei der «Handelszeitung».

Beobachter-Edition

© 2016 Ringier Axel Springer Schweiz AG

Alle Rechte vorbehalten

www.beobachter.ch

 

Herausgeber: Der schweizerische Beobachter in Zusammenarbeit mit der Handelszeitung und der Schweizer Kader Organisation (SKO), unterstützt durch den Sozialfonds SKO

Lektorat: Käthi Zeugin, Zürich

Umschlaggestaltung: Jacqueline Roth, Zürich

Umschlagfoto: iStock

Reihenkonzept: buchundgrafik.ch

Layout: Bruno Bolliger, Losone

 

E-Book: Schwabe AG, www.schwabe.ch

 

ISBN 978-3-85569-909-4

eISBN (ePUB) 978-3-85569-970-4

eISBN (mobi) 978-3-85569-971-1

eISBN (PDF) 978-3-85569-969-8

 

Mit dem Beobachter online in Kontakt:

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Inhalt

Vorwort

Einleitung: Ihre Reise beginnt

 Die Reise planen – Ihre Neuorientierung

Auslöser für eine Neuorientierung

Veränderungen im Unternehmen

Persönliche Entwicklung

Achten Sie auf diese Anzeichen

Eine Veränderung steht an

Freiwillige Veränderung: Was ist Ihre Strategie?

Unfreiwillige Veränderung: Analyse gefragt

Kündigungsgründe

Hans C. Werner, Leiter Group Human Resources, Swisscom

Wie wichtig ist Arbeit?

Die Auswirkungen eines Stellenverlusts

Stressfaktor Kündigung

Entlassung = Entlastung?

Ist Aussitzen eine Alternative?

Wie gehen Sie die Veränderung an?

Angriff oder Flucht?

Geplant in die Neuorientierung

Erste-Hilfe-Kit

Trennungsstory – Arbeitslosenversicherung – Selber kündigen? – Krankschreibung? – Austrittsvereinbarung – Arbeitszeugnis – Sozialversicherungen – Finanzplanung

 Die Reise beginnt: Ihre Standortbestimmung

Das Steuer in die Hand nehmen

Mit schwierigen Situationen umgehen

Die eigenen Ressourcen stärken

I can – Selbstwirksamkeitserwartung

Workability – Ihre Arbeitsfähigkeit

Ruedi Noser, Unternehmer, FDP-Ständerat und Präsident des Branchenverbands ICTswitzerland

Werte und Einstellungen

Werte: Was ist Ihnen wichtig?

Einstellungen

Ihre Kompetenzen

Die eigenen Kompetenzen orten

Was heisst Leistung?

Die Kompetenzen der Älteren

Ihr persönliches Kompetenzprofil

Arbeiten mit der STARS-Technik

Wo liegen Ihre persönlichen Stärken?

 Ihre Destination: die Arbeitswelt von heute

Arbeitswelt im Wertewandel

Ihre Generation prägt Ihre Werte

Fünf Generationen – ein Arbeitsmarkt

Marlies Hubert, Corporate Head of HR Business Partnering, Panalpina

Demografischer Wandel als Chance

Lebenserwartung: Es geht um viele Jahre

Erwerbsquote: Wie viele Ältere haben Arbeit?

Entlassungsrisiko und der Weg zum neuen Job

Älterwerden aus gesellschaftlicher Sicht

Älter gleich weniger?

Neue Rollenbilder tun not

Veränderte Arbeitswelt

Neue Strukturen, neue Anforderungen

Was bedeutet das für ältere Berufstätige?

Schneller, individueller, flexibler – die neue Arbeitswelt

Altersstrategien in Unternehmen

Herausforderung für Unternehmen

Generationenmanagement – was Firmen für ältere Mitarbeitende tun

Veränderte Kundenbedürfnisse – Ihre Chance

 Los gehts! Erste Schritte auf dem Weg zum neuen Job

Optionen entwickeln, ein Ziel definieren

Entscheiden Sie sich!

Was ist das ideale Arbeitsumfeld für Sie?

Branchen- oder Berufswechsel?

Formulieren Sie Ihr Ziel möglichst konkret

Bleiben Sie pragmatisch

Kleine Sprachschule

Fünf Gebote der Verständlichkeit

Ihr Auftritt auf dem Arbeitsmarkt

Aussagekräftige Bewerbungsunterlagen

Bewerbungsform: Der Empfänger bestimmt

Der Lebenslauf

Ihr Bewerbungsbrief – ein Türöffner

Wichtig: Ihre Internetpräsenz

Referenzen

Sich selbst vermarkten

Gut auftreten

Mary Herzog, Global HR Business Partner, Bühler Group

So managen Sie Ihre Bewerbungskampagne

Zeitplanung

Dokumentation Ihrer Aktivitäten

Wenn Ihre Suche ins Stocken gerät

 Gut unterwegs auf dem Arbeitsmarkt

Definieren Sie «Ihren» Arbeitsmarkt

Stellensuche im 21. Jahrhundert

Offener und verdeckter Stellenmarkt

Zielfirmen definieren

Ohne Recherche kein Erfolg

Hilfsmittel für die Recherche

Gezielt recherchieren

Genug recherchiert!

Katja Unkel, CEO, Managing People AG

Ihr Kontaktnetz

Was heisst Networking?

Aufbau Ihres Kontaktnetzes

Netzwerkgespräche anbahnen

E-Networking

Netzwerkgespräche führen

Small Talk, der Sympathiestifter

Bewerbung auf Inserate

Wo finden sich geeignete Stellenausschreibungen?

Lohnt sich eine Bewerbung?

So bewerben Sie sich richtig

Bewerbung über Personalberatungen und Headhunter

Mandat oder Vermittlung?

Gut mit den Profis zusammenarbeiten

 Bald am Ziel: Bewerbungsgespräche und Verhandlungen

Bewerbungsgespräche

Unterschiedliche Formen

Wer ist Ihr Interviewpartner?

Das Bewerbungsgespräch vorbereiten

Das erste Bewerbungsgespräch

Das zweite Bewerbungsgespräch

Assessment

Verhandlungen führen

Was wird verhandelt?

Grundregeln für Ihre Vertragsverhandlungen

Jürg Scherrer, Leiter HR Produktion & Netze, Axpo Services AG

Ihr Start am neuen Arbeitsplatz

Die erste Woche

Die ersten 100 Tage

 Beratung und Unterstützung – Ihre Reisebegleiter

Wer bietet Beratung an?

RAV – die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren

Öffentliche Berufs- und Laufbahnberatung

Private Beratungsangebote

Auf Neuorientierung spezialisiert: die Outplacement-Beratung

Stefan Preier, HR-Verantwortlicher, Maxon Motor-Gruppe

Was bringt Beratung?

Krisenintervention, Know-how und mehr – vielfältige Unterstützung

Voraussetzungen für erfolgreiche Beratung

Outplacement

Auftraggeber – Beratungsumfang und Kosten – Qualität der Beratung

 Anhang

Weiterführende Links

Literatur

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Wer sich neu orientiert, sollte wissen, wohin er sich bewegen will. Im Mittelpunkt einer solchen Reise stehen Sie als Reiseleiter, das Ziel, der Weg dorthin und die Landschaft, die Sie durchwandern werden. Als Reiseleiter müssen Sie das Steuer selber in die Hand nehmen. Sie bestimmen das Ziel und das, was Sie auf dem Weg tun, aber auch nicht tun. Sie werden sich unterwegs selbst begegnen und Erkenntnisse über Ihre Stärken, Einstellungen und Werte gewinnen.

Zum Reisen gehört auch, die Landschaft um sich herum zu betrachten und zu erkennen, wie sie sich verändert. Die Anforderungen in der Arbeitswelt sind gestiegen. Aber es gibt vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklungen auch neue Chancen, die Sie packen können.

Es ist wichtig, sich für eine solche Reise Zeit zu nehmen. Zeit, um sich von der bisherigen Arbeitssituation zu verabschieden, sich auf die Reiseroute einzustimmen, Klarheit über sich zu gewinnen und Selbstsicherheit für die Reise aufzubauen.

«50 plus – Neuorientierung im Beruf» ist ein idealer Reiseführer und eine Inspirationsquelle, geschrieben von zwei Beratungsprofis, die schon zahlreiche Menschen auf ihrer Reise zu einer neuen beruflichen Herausforderung begleitet haben. Brigitte Reemts Flum und Dr. Toni Nadig haben die Reise in sinnvolle Etappen unterteilt; sie verweben Theorie mit Praxisbeispielen und Erfahrungsberichten und geben viele wertvolle Tipps. Checklisten und Fragebogen ergänzen das Buch.

Wenn alles klappt, mündet Ihre Reise in einen Neubeginn: gestärkt mit vielen neuen Einsichten über sich, aber auch mit einem Fundus an Ansätzen, die helfen, die passende neue Stelle zu finden. Ich wünsche Ihnen dazu viel Glück und Spass beim Lesen!

 

Jürg Eggenberger

Geschäftsleiter Schweizer Kader Organisation (Mitherausgeberin)

März 2016

Einleitung: Ihre Reise beginnt

Die Arbeitswelt in der Schweiz war bis Mitte der 90er-Jahre von Werten wie Loyalität, Stabilität und Wachstum dominiert. Ein sicherer Arbeitsplatz im Tausch gegen Firmentreue – so lautete viele Jahre lang der Pakt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Wenn Sie heute um die 50 sind, dann haben Sie Ihre Berufstätigkeit mit grosser Wahrscheinlichkeit unter diesen Voraussetzungen begonnen und in einer überschaubaren Anzahl Unternehmen gearbeitet. Jetzt, mit Anfang, Mitte 50, haben Sie eigentlich nicht vor, noch einmal die Stelle zu wechseln.

Und dann merken Sie, dass es in Ihrem Job nicht mehr stimmt. Eine ständig wechselnde Führung, Umstrukturierungen, Abbau, Fluktuation im Unternehmen, ein neuer Eigentümer – es gibt viele Gründe, weshalb der Spass an der Arbeit und die Identifikation mit der Firma schleichend verloren gehen. Oder aber Sie verlieren ungewollt und überraschend Ihren Job. Unabhängig davon, ob die anstehende Veränderung freiwillig oder unfreiwillig ist, brauchen Sie wahrscheinlich eine neue Erwerbstätigkeit. Also beginnen Sie sich mit dem aktuellen Arbeitsmarkt auseinanderzusetzen. Was finden Sie vor?

Zunächst werden Sie widersprüchliche Botschaften erhalten. Einerseits werden Sie hören, dass Neuorientierung und Jobsuche in Ihrem Alter vergebliche Mühe sei. Jeder in Ihrem Bekanntenkreis hat von jemandem gehört, der oder die zweihundert Bewerbungen verschickt und nicht eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten hat. Es wird Ihnen gesagt, dass Headhunter Bewerbungen von über 50-Jährigen sofort shreddern, dass in den Personalabteilungen nur noch 25-Jährige entscheiden, und zwar sicher nicht für jemanden, der ihr Vater sein könnte. Sie werden zu hören bekommen, dass Ihre Ausbildung veraltet ist, dass Erfahrung nichts zählt und dass Sie zu teuer sind.

Anderseits werden Sie feststellen, dass fast alle 55-Jährigen und Älteren, die Sie kennen, einen Job haben. Wenn Sie sich die Mühe machen, diesen Eindruck zu überprüfen, werden Sie mit der Tatsache konfrontiert, dass über 70 Prozent der Bevölkerung im Alter von über 55 Jahren arbeiten. Sie werden auch recht schnell feststellen, dass in der Schweiz relativ wenige Menschen dauerhaft arbeitslos sind und dass die Arbeitslosenquote der Altersgruppe 55 bis 64 seit fast zwanzig Jahren konstant bis zu einem Prozentpunkt unter der der Jüngeren liegt. Hinzu kommt, dass die demografischen Fakten eigentlich alle für die Generation 50 plus sprechen. Die geburtenschwachen Jahrgänge sind auf dem Arbeitsmarkt, es fehlen gut ausgebildete Fachkräfte.

Aufbruch fällt manchmal schwer

Nachdem Sie diese Fakten zur Kenntnis genommen haben – Sie erhalten vertiefte Informationen dazu in Kapitel 3 – erscheint es einfach: Sehr viele Tatsachen sprechen dafür, dass man auch mit weit über 50 auf dem Arbeitsmarkt gebraucht wird. Aber es ist nicht einfach: Es fällt tatsächlich vielen über 50-Jährigen schwer, sich auf dem Arbeitsmarkt neu zu positionieren und eine gute Stelle zu finden. Für einen Grossteil dieser Altersgruppe bricht zunächst einmal eine Welt zusammen ob der Tatsache, dass sie überhaupt dieser Situation ausgesetzt sind. Viele sonst nüchtern denkende Fach- und Führungskräfte gehen mit dem Wechsel oder dem Verlust ihres Jobs in hohem Mass emotional um und finden nur schwer einen Ansatz zur Problemlösung.

In der Beratung machen wir täglich die Erfahrung, dass die Auflistung der positiven Fakten zwar hilft, Ängste zu reduzieren, und auch ein wenig Zuversicht gibt, dass es aber ein hinter aller Rationalisierung liegendes Thema gibt: die Tatsache, dass mit einem Arbeitsplatzwechsel nicht nur die aktuelle Stelle verloren geht, sondern auch ein grosser Teil der eigenen Identität, ein Teil, auf den man stolz war. Es bleibt eine Wunde zurück. Der Verlust der Arbeit wird als Kränkung erlebt, manchmal als ein eigentliches Zerstören der Lebenswerte und -ziele. Einem Betroffenen zu raten, er solle möglichst schnell eine neue Beschäftigung annehmen, ist dann im besten Fall Symptombekämpfung, im schlechteren Fall zynisch. Die fundamentale Verunsicherung, die insbesondere durch eine überraschende Kündigung ausgelöst wurde, lässt sich nicht so einfach zurücknehmen und in erneutes Vertrauen in die Welt, den Arbeitgeber, die Wirtschaft und sich selbst verwandeln.

Alle Menschen sind in mehrfacher Weise mit dem Thema Veränderung konfrontiert, wenn Arbeitsplatzverlust und -wechsel drohen. Einerseits sind da der fundamentale gesellschaftliche Wandel auf allen Ebenen sowie dessen Konsequenzen für Unternehmensführung und -kultur. Hinzu kommt der Wertewandel in der Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten und natürlich die Tatsache, dass Sie selbst nach 30 Jahren Berufsleben auch nicht mehr die Person sind, die Sie einmal waren. Prioritäten verschieben sich, neue Ziele tauchen auf, Werte und Bedürfnisse verändern sich.

Machen Sie sich auf den Weg

Eine komplexe Problemstellung lässt sich nur bedingt durch ein allzu simples Rezept lösen. Ein solches werden wir Ihnen in diesem Buch auch nicht anbieten. Die Situation, in der sich über 50-Jährige befinden, ist jedoch weniger schwarz (null Jobs für 50 plus) oder weiss (auf Regen folgt Sonnenschein), als sie gemeinhin dargestellt wird.

Wir beraten seit vielen Jahren Menschen, die durch eine Krise in ihrer Karriere motiviert, oft auch gezwungen sind, eine persönliche und berufliche Standortbestimmung vorzunehmen. Unsere Klientinnen und Klienten – überwiegend in der Altersgruppe zwischen 45 und 60 – bereiten wir auf eine Neupositionierung im schweizerischen Arbeitsmarkt vor, den wir aus langjähriger, persönlicher Erfahrung in verschiedenen Rollen gut kennen. Nachhaltig erfolgreich sind solche Neupositionierungen nur dann, wenn die Betroffenen bereit sind, sich in dieser Übergangszeit vertieft mit Themen auseinanderzusetzen, die über die Frage nach dem perfekten Bewerbungsbrief hinausgehen.

Wir sind überzeugt, dass bei einem einschneidenden Bruch in der beruflichen Karriere zunächst nicht die Aktion im Vordergrund stehen sollte, sondern eine gründliche Reflexion. Wenn Sie dazu bereit sind, dann können Sie dieses Buch als eine Art Reiseführer betrachten. Der erste Teil dieser Reise führt zu Ihnen: zu Ihren Wünschen, Werten, Verhaltensweisen, aber auch zu Ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und Stärken. Der zweite Teil der Reise geht ins Land der grossen gesellschaftlichen Veränderungen: Welche konjunkturellen, strukturellen und technologischen Entwicklungen haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten stattgefunden, und welchen Einfluss haben sie auf Ihre Neuorientierung? Erst im dritten Teil reisen wir auf den Arbeitsmarkt: Wie müssen Sie recherchieren, wie sich vorbereiten, positionieren und verkaufen, um erfolgreich zu sein?

Dieses Buch enthält einige theoretischen Überlegungen. Wir haben uns aber bemüht, es weitgehend als Arbeitsbuch, als Hilfe zur Selbsthilfe, zu gestalten. Sie werden «To-do-Elemente» vorfinden, die Sie bearbeiten können. Manchmal ist das «nur» die Aufforderung, das soeben Gelesene an Ihrer eigenen Situation zu überprüfen, manchmal sind es Checklisten oder Fragebogen zu einem spezifischen Thema. Neuorientierung verlangt ein hohes Mass an Eigeninitiative und Selbstmanagement. Daher richtet sich unser Buch an Menschen, die willens sind, ihre berufliche Situation zu überdenken und eigenverantwortlich zu verändern.

 

Brigitte Reemts Flum, Toni Nadig

im März 2016

Die Reise planen – Ihre Neuorientierung

Eine berufliche Neuorientierung ist ein Veränderungsprozess, der fast alle Bereiche des Lebens betrifft. In diesem Kapitel geht es um freiwillige sowie durch eine Kündigung erzwungene Veränderungen: Was sind die Auslöser? Warum fallen uns Veränderungen (manchmal) so schwer? Und was bewirken sie bei uns?

Auslöser für eine Neuorientierung

Trennungen kündigen sich an. Vielleicht führt Ihr persönlicher Entwicklungsprozess zum Wunsch nach einer Erneuerung; möglicherweise sind es aber auch Veränderungen in Ihrem beruflichen Umfeld, die zum Auslöser einer Trennung werden. Auf solche Anzeichen zu achten hilft, nicht von den Ereignissen überrascht zu werden.

Es muss viel passieren, bevor wir aktiv eine berufliche Neuorientierung anstreben. Oft spüren wir lange vorher, dass etwas nicht mehr stimmt: Der Spass an der Arbeit, die Identifikation mit dem Unternehmen, die Akzeptanz der Vorgesetzten, die Verbundenheit mit den Kolleginnen und Kollegen gehen schleichend verloren. In anderen Lebensbereichen neigen wir zu Experimentierfreude, aber im Bereich der Arbeit verfügen wir oft über ein beachtliches Verdrängungs- und Beharrungsvermögen. Dabei gibt es meist etliche Anzeichen, dass eine Veränderung – freiwillig oder unfreiwillig – bevorsteht.

Veränderungen im Unternehmen

Veränderungen im Unternehmen lassen sich vielleicht eine Weile ignorieren – bis man irgendwann merkt, dass sie nicht nur die anderen Abteilungen, sondern auch den eigenen Arbeitsbereich und Arbeitsplatz direkt betreffen.

Einschneidende Reorganisationen

Unternehmen sind heute gezwungen, sich rasch an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen, wenn sie im globalen Markt überleben wollen. Immer mehr einfache Arbeiten werden ins Ausland verlagert, weil sie dort billiger eingekauft werden können. Sogenannte Shared Service Centers (übergeordnete Dienstleistungszentren) übernehmen übergreifende Prozesse für alle Unternehmensbereiche und nutzen so die vorhandenen Synergien. Bei jedem Arbeitsprozess wird untersucht, ob eine Verschlankung und/oder Automatisierung möglich ist. Zudem findet in allen Bereichen eine Konsolidierung des Marktes durch Übernahmen und Fusionen von Unternehmen statt.

Arbeit ist teuer – besonders in der Schweiz –, und diesen Preis wollen die Unternehmen nur noch zahlen, wenn sie dafür aktuelles und unternehmensnotwendiges Know-how erhalten, nicht aber für exportierbare Routinetätigkeiten. Es findet ein Umbau statt: Jobs verschwinden, andere werden geschaffen.

Die Chemie stimmt nicht mehr

«Chemie» ist ein etwas vager Begriff im Zusammenhang mit Veränderungen am Arbeitsplatz, aber er wird häufig verwendet, um zu erklären, dass etwas einfach nicht mehr stimmt. In den allermeisten Fällen passen die Werte und/oder die Köpfe verschiedener Personen im Unternehmen nicht oder nicht mehr zusammen. Differenzen auf der Werteebene sind häufig. Unternehmen, die sich rasch entwickeln oder zum Beispiel durch Zukäufe wachsen, haben oft Mühe, die bestehende Unternehmenskultur in die angestrebte zu überführen oder unterschiedliche Kulturen unter einen Hut zu bringen.

Solche Konflikte werden schnell auf Mitarbeiterebene ausgetragen, wenn es etwa darum geht, wer eine Führungsfunktion übernimmt oder von wem man sich trennt. Unternehmen, die einem hohen Veränderungsdruck ausgesetzt sind, unterstellen langjährigen Mitarbeitenden gern eine «alte Denke» – und plötzlich ist man in der Situation, dass das betriebliche und fachliche Know-how nicht mehr gewürdigt wird und man stattdessen als Bremsklotz gilt.

Neue Besen kehren anders – Chefwechsel

Auch durch einen Chefwechsel im eigenen Bereich oder durch einen Wechsel in der obersten Führung werden Veränderungen ausgelöst. Gerade an der Spitze der Unternehmen wird die Verweildauer der Chefs immer kürzer, weil sie sich zunehmend an kurzfristigsten Ergebnissen messen lassen müssen. Dieser Trend ist neu für Führungskräfte, die ihre Position noch einem langjährigen Aufstieg innerhalb der Firma verdanken. Aber auch für alle anderen Mitarbeitenden eines Unternehmens sind dadurch die Zeichen auf Veränderung gesetzt. Denn mit jeder Neubesetzung in der Chefetage müssen sich auch alle Angestellten innerhalb der Firma wieder neu positionieren. Das führt dazu, dass ganze Unternehmen dauernd mit Positionskämpfen beschäftigt sind.

Neue Manager bringen zudem oft eine eigene Entourage mit, für die erst Positionen freigeräumt werden müssen. Besonders Schlüsselpositionen – also Positionen, die im direkten Umfeld des Chefs angesiedelt sind – werden mit neuen Mitarbeitenden besetzt. Dies kann den Assistenten des Geschäftsführers ebenso betreffen wie die Finanzchefin.

Wertewandel in Unternehmen

So wie sich Ihre eigenen Werte im Verlauf der Zeit verändern, wandeln sich oft auch die Werte in einem Unternehmen. Viele traditionelle schweizerische Unternehmen haben sich innerhalb der letzten 20 Jahre in globale Konzerne verwandelt. Mit dieser Entwicklung haben sich nicht nur die Personen, die Strukturen und die Prozesse in diesen Firmen verändert, sondern eben auch die Werte. Wurden Mitarbeitende früher vielleicht noch als erweiterte Familie angesehen, der man Sorge tragen musste, sind sie heute eine Ressource, die je nach Bedarf zugekauft oder abgestossen wird. Dasselbe Unternehmen, das vor einigen Jahren noch einen Mitarbeiter mit guten Kenntnissen der schweizerischen Rechnungslegung suchte, braucht heute jemanden mit Kenntnissen im Bereich IFRS oder US-GAAP, um auch den internationalen Ansprüchen zu genügen.

TO DO: VERÄNDERUNGEN IN MEINEM UNTERNEHMEN

Überlegen Sie, ob sich in letzter Zeit eine oder mehrere der genannten Veränderungen in Ihrem Unternehmen vollzogen haben.

Welche Veränderungen waren das genau?

Welche Auswirkungen könnte das auf Ihre Position haben?

Gibt es Jobs in der Firma, die doppelt besetzt sind, zum Beispiel nach einer Fusion? Gehört Ihr Job dazu?

Gibt es für Sie eine Alternative im Unternehmen?

Persönliche Entwicklung

Neben Veränderungen im Unternehmen kann auch die persönliche Entwicklung ein Auslöser für eine berufliche Neuorientierung sein. So wie Ihr Unternehmen Einflüssen ausgesetzt ist, die es zur Veränderung zwingen, gibt es auch Einflüsse im Verlauf Ihres Berufslebens, die Impulse für eine Veränderung sind.

Entwicklungsbedingter Wertewandel

Die eigenen Werte wandeln sich mit den Jahren, Prioritäten werden neu gesetzt. Oft ist uns gar nicht so bewusst, worin unsere Wertebasis besteht. Wird sie aber immer wieder verletzt, spüren wir das als eine Art ständige Reibung.

Persönliche Werte können zum Beispiel sein: Nachhaltigkeit, Konstanz, Wertschätzung, Feedback, interessante Arbeit, Lernmöglichkeit, Status, Aufstiegsmöglichkeit. Wir starten unsere Karriere mit bestimmten Werten. Oft wählen wir beim Berufseinstieg ein Unternehmen, das unsere Werte spiegelt. So steigt ein innovationsbegeisterter Mitarbeiter, dem Sicherheit nicht so wichtig ist, vielleicht in einem Start-up ein; eine Mitarbeiterin, der Konstanz, ein geregeltes Umfeld und ein sicherer Verdienst am Herzen liegen, geht eher zu einer etablierten Firma. Doch die Prioritäten verändern sich: Der Mitarbeiter im Start-up gründet eine Familie und merkt plötzlich, dass ihn die dauernde Unsicherheit stresst. Die Mitarbeiterin der etablierten Firma spürt mit der Zeit das Bedürfnis nach Veränderung und stösst überall auf enervierende Routinen.

Genügen die Kompetenzen?

Die Arbeitsmarktpolarisierung hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Durch die zunehmende Automatisierung und Computerisierung sind viele Jobs im mittleren Lohnbereich – etwa bei der Maschinenbedienung oder Montage, aber auch im Büro – nahezu verschwunden. Dafür stieg der Anteil der besser verdienenden Berufsgruppen, zum Beispiel der Techniker, Wissenschaftler, Führungskräfte.

Die persönlichen Kompetenzen sind im Verlauf der Jahre ebenfalls der Veränderung ausgesetzt. Startete man seine berufliche Laufbahn noch als gut ausgebildete Fachkraft, führen die schnellen Entwicklungen dazu, dass man nur mit ständiger Weiterbildung in seinem Fachbereich mithalten kann. Wer dies vernachlässigt, ist fachlich schnell nicht mehr ganz auf der Höhe.

«Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.»

Franz Kafka, deutschsprachiger Schrifsteller aus Prag

So kann ein Anstoss zur Veränderung und damit für eine berufliche Neuorientierung auch sein, dass man nicht mehr in der Lage ist, die erwartete Leistung zu erbringen. Das ist weniger in Unwilligkeit oder mangelndem Einsatz begründet, sondern vielmehr im Umstand, dass sich die Anforderungen an eine Position oder Funktion grundlegend verändert haben und man selber diese Veränderung, den Anforderungsshift, nicht mitvollzogen hat.

Eine solche Situation kann grossen Stress auslösen, weil man eventuell sehr viel Energie darauf verwenden muss, die mangelnde Kompetenz vor dem Chef oder der Arbeitgeberin zu verheimlichen. Diese Energie in eine Neuorientierung zu investieren, ist dann der bessere Weg.

Achten Sie auf diese Anzeichen

Eingangs war bereits die Rede davon, dass sich Veränderungen auch auf der emotionalen Ebene ankündigen: Der Montag wird zum schlimmsten Tag der Woche; jede Besprechung mit der Chefin liegt Ihnen schon lange vorher auf dem Magen; die Freude an der Arbeit geht verloren. Ihre innere Stimme sagt Ihnen, dass es das nicht mehr lange sein kann. Und diese innere Stimme wird umso lauter, je mehr Anzeichen in Ihrer direkten Umgebung darauf hinweisen, dass eine Veränderung bevorsteht. Typische solche Anzeichen, auf die Sie reagieren sollten, sind etwa:

Ihr Arbeitsbereich ist nicht erfolgreich, ist zum Beispiel unrentabel und teuer, Kundenaufträge bleiben aus.

Ihre Chefin geht Ihnen aus dem Weg, verweigert das Gespräch.

Bei Beförderungen werden Sie ohne Erklärung übergangen.

Sie werden nicht zu Sitzungen eingeladen oder fehlen auf Verteilern.

Sie erhalten keine Anerkennung mehr von Vorgesetzten und/oder Kollegen.

Es werden Ihnen Jobs innerhalb der Firma angeboten, die weniger attraktiv sind (Status, Einfluss), also einen Rückschritt bedeuten.

Bei Projekten und Sonderaufträgen werden Sie übergangen.

Kollegen und Kolleginnen fragen nicht mehr nach Ihrer Meinung.

Ihr Einflussbereich wird eingeschränkt. Sie werden kontrolliert und müssen Rücksprache nehmen bei Themen, die Sie bislang selbst entscheiden konnten.

Sie werden oft kritisiert.

Eine Veränderung steht an

Von wem geht eine Veränderung aus? Wenn Sie aufmerksam auf die oben genannten Anzeichen achten, ist die Chance gross, dass Sie selber die Weichen stellen. Wenn Sie eher dazu neigen, solche Anzeichen zu übersehen, werden irgendwann andere Sie in eine Veränderung zwingen. Manchmal ist es aber auch einfach eine Frage des Timings, wer zuerst reagiert. «Wenn die mir nicht gekündigt hätten, wäre ich sowieso gegangen», ist eine häufige Aussage von Menschen in der beruflichen Neuorientierung.

Unabhängig davon, ob Sie freiwillig Ihre Neuorientierung einleiten oder durch eine Kündigung dazu gezwungen werden – halten Sie zuerst inne und folgen Sie nicht dem ersten Impuls. Die grosse Geste wirkt im Kino gut, in der Realität sollten Sie überlegen, bevor Sie aktiv werden.

Freiwillige Veränderung: Was ist Ihre Strategie?

Wenn der Wind der Veränderung bläst, können Sie abwarten, bis der Arbeitgeber eine Entscheidung trifft. Sie können aber auch beginnen, sich mit einer Neuorientierung auseinanderzusetzen. Das hat den Vorteil, dass Sie selbst bestimmen und nicht fremdbestimmt werden. Und das wiederum hat den Vorteil, dass Sie zwar auch mit den Begleiterscheinungen einer Veränderung konfrontiert sind, aber emotional und psychisch eine andere Haltung dazu einnehmen.

Sobald Sie eine Veränderung ins Auge fassen, gibt es im Grunde genommen drei Strategien: Love it, change it, leave it.

Love it

Gerade wenn man älter ist, sollte man gut überlegen, ob es nicht doch am sinnvollsten ist, im Job oder zumindest in der Firma zu bleiben. «Love it» bedeutet, die eigene Haltung gegenüber der Arbeit zu ändern und die positiven Aspekte mehr zu schätzen. Das heisst nicht, dass Sie in sinnlosen Zweckoptimismus verfallen sollen, sondern lediglich, dass Sie nüchtern analysieren, was das Gute an Ihrer aktuellen Situation ist und welche Chancen sie Ihnen bietet. Das können beispielsweise das nette Team, die faire Entlöhnung oder auch die Arbeit sein, die Sie im Griff haben.

Change it

Veränderungen, die im Unternehmen oder in Ihrer Abteilung anstehen, sind auch eine Chance, aktiv zu werden und sich zu überlegen, was Sie selbst tun können, um am bestehenden Arbeitsplatz die Situation zu verbessern. Eventuell lassen sich Konflikte im Team oder mit dem Vorgesetzten offensiv lösen, oder Sie können einer nicht mehr interessanten Arbeit durch die Übernahme eines Projekts mehr Attraktivität verleihen.

TIPP Wenn Sie sich für Ihr Unternehmen oder Ihren bisherigen Job entscheiden, dann müssen Sie jetzt aktiv werden. Aktiv werden heisst: Sprechen Sie die Anzeichen an, die Sie in Ihrem Umfeld spüren, und versuchen Sie, sie mit Ihren Vorgesetzten zu klären. Gleichzeitig sollten Sie deutlich machen, dass Sie nicht Teil des Problems sind, sondern gern Teil der Lösung wären. Beispielsweise, indem Sie Zusatzaufgaben übernehmen oder sich in einem speziellen Bereich weiterbilden.

Leave it

Bevor Sie die «Leave it»- und damit die Exit-Strategie wählen, sollten Sie die zwei anderen Möglichkeiten wohl überlegen. Aber wohlüberlegt ist nicht dasselbe wie keinesfalls. Man muss nicht alles bis zum Ende führen, was man einmal angefangen hat. Es kann befreiend sein, eine Situation zu beenden. Der stereotypen Annahme, dass Durchziehen für eine starke Persönlichkeit spreche, kann man entgegenhalten, dass es doch ziemlich widersinnig ist, eine gesundheitsschädigende, energieraubende, familienzerstörende Arbeit fortzusetzen, nur weil man sie irgendwann einmal angefangen hat.

Wenn Sie sich für die «Leave it»-Strategie entscheiden, sollten Sie auch dies aktiv managen. Zum Beispiel, indem Sie Ihren Wunsch nach einer Veränderung ansprechen und gemeinsam mit Ihrem Vorgesetzten eine für alle hilfreiche Austritts- und Übergabeplanung machen. Oder aber, indem Sie niemandem ein Wort sagen, in Ihrer Freizeit die Neuorientierung und Jobsuche vorantreiben und Ihre Kündigung erst dann einreichen, wenn Sie einen unterschriebenen Vertrag vom neuen Arbeitgeber haben. Was Sie tun, hängt wesentlich von der Situation an Ihrem Arbeitsplatz ab.

TO DO: PRO UND KONTRA VERÄNDERUNG

Machen Sie eine Pro-und-Kontra-Liste. Schreiben Sie auf die eine Seite, welche Faktoren für eine Veränderung sprechen, auf die andere Seite die Gründe, die dafür sprechen, in der aktuellen Situation zu bleiben.

Unfreiwillige Veränderung: Analyse gefragt

Wie gesagt: Wir alle verfügen über ein beachtliches Verdrängungsvermögen, wenn es darum geht, die Anzeichen einer bevorstehenden Trennung wahrzunehmen und in Handlung umzusetzen. Manchmal kommen uns andere zuvor und handeln für uns oder gegen uns. In diesem Fall werden wir, meist durch eine Kündigung oder durch die Androhung einer Kündigung, gezwungen, uns mit einer Neuorientierung auseinanderzusetzen.

Wenn Ihnen das passiert, sollten Sie überlegen, wie und warum diese Situation entstanden ist. Kündigungen haben oft mehr als nur einen Grund. Und bei aller, sicher berechtigten Erbitterung können Sie vielleicht aus der Situation auch etwas lernen, das Ihnen beim nächsten Arbeitgeber weiterhilft.

Kündigung: Wen triffts?

Heute kann es jeden und jede treffen! Die wenigsten Kündigungen sind allein in der Qualifikation oder Leistung begründet. Es ist einfach Realität, dass ganze Unternehmen stillgelegt, Arbeitsprozesse ins Ausland verlegt werden, dass ein bestimmter Prozentsatz Mitarbeitende linear über alle Bereiche eingespart werden muss.

Es ist allerdings auch Realität, dass es bei vielen Reorganisationen eben nicht alle trifft, sondern eine Auswahl vorgenommen wird. Manchmal gibt es erkennbare und kommunizierbare Gründe, warum bestimmte Personen entlassen werden und andere bleiben: Betriebszugehörigkeit, Familienstand, Salär. In anderen Situationen verstehen die Betroffenen die Welt nicht mehr: Warum gerade ich?

Doch solche Einzelkündigungen geschehen kaum je aus heiterem Himmel. Für fast jede Kündigung gibt es Vorzeichen, die wir aber oft nicht oder erst zu spät wahrnehmen. Meist stehen mehrere Ursachen dahinter: Die Anforderungen an eine Arbeitsstelle haben sich verändert, und die Person, die diese Arbeit ausführt, hat die Veränderungen nicht schnell und nicht umfassend genug mitgemacht. Solche neuen Anforderungen sind nicht immer nur sachlicher, sie können auch persönlicher Natur sein: Detailorientierte Persönlichkeit trifft auf Mitarbeitenden, den vor allem der Gesamtzusammenhang interessiert; introvertierter «Nerd» hat neu einen extrovertierten Verkäufertyp zum Chef – immer wenn es nicht gelingt, unterschiedliche Persönlichkeiten als willkommene Ergänzung zu integrieren, und sie stattdessen als Störfaktor wahrgenommen werden, wird es schwierig.

TO DO: MEINE TRENNUNGSANALYSE

Beschreiben Sie die Ziele Ihres Unternehmens. Wie sieht es mit Ihrer Identifikation aus?

Welche übergeordneten Entscheide haben Ihre Position beeinflusst?

Beschreiben Sie die Firmenkultur und die Verhaltensnormen. Haben Sie sich damit identifizieren können?

Beschreiben Sie Ihre Befindlichkeit im Unternehmen.

Beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu Ihrem direkten Vorgesetzten. Können Sie ihn persönlich und fachlich akzeptieren?

Hat ein Wechsel des Vorgesetzten stattgefunden oder steht ein solcher bevor? Hat der Wechsel einen Einfluss auf Ihre Position?

Welches Bild haben Ihr Vorgesetzter und andere Schlüsselpersonen im Unternehmen von Ihnen? Wie wird Ihre Leistung beurteilt? Wofür haben Sie jeweils Wertschätzung bekommen?

Welchen Beitrag haben Sie für das Unternehmen geleistet? Welchen Sinn hatte Ihre Tätigkeit für Sie und das Unternehmen? Inwieweit haben Sie Ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten befriedigt?

Wie beurteilen Sie Ihre Qualifikationen und Erfahrungen, wenn es darum geht, zukünftigen Aufgaben gerecht zu werden?

Warum gerade ich?

Es ist wichtig, dass Sie sich mit der Entstehungsgeschichte Ihrer Trennung vom Arbeitgeber auseinandersetzen. Die Hintergründe dieser Trennung, Ihre Situation am alten Arbeitsplatz, Ihre Rolle und Ihre Befindlichkeit sollten Sie erst genau analysieren, bevor Sie alles hinter sich lassen und in die Neuorientierung gehen. Welche Fragen es zu beantworten gilt, sehen Sie in der nebenstehenden To-do-Aufstellung.

Kündigungsgründe

Jemandem zu kündigen ist eine schwierige Führungsaufgabe, und viele Vorgesetzte würden ihr am liebsten aus dem Weg gehen. So ist es immer leichter, strukturelle oder konjunkturelle Veränderungen anzuführen, als im Kündigungsgespräch Schwierigkeiten oder Konflikte an- und auszusprechen. In jeder Diskussion um Köpfe, Werte oder Leistungen muss die Vorgesetzte, die die Kündigung ausspricht, sich auch mit ihren eigenen Werten und denen des Unternehmens konfrontieren.

Fairerweise muss man sagen, dass Mitarbeitende im Moment einer Kündigung die wahren Gründe oft gar nicht hören wollen. Es ist einfacher, sich als Opfer einer Umstrukturierung zu sehen denn als mitverantwortlich an der Entstehung der Situation – etwa, weil man nicht genügend delegiert, sich nie weitergebildet, nicht ausreichend den Kontakt mit der Vorgesetzten gesucht oder eine neue Strategie sabotiert hat.

Es lohnt sich zu prüfen, was Ihr eigener Beitrag an der unfreiwilligen Trennung ist, welches die Fremdeinflüsse waren, und daraus Folgerungen zu ziehen. Das Unternehmen lassen Sie zurück, sich selbst nehmen Sie mit in die Neuorientierung.

TO DO: TRENNUNGSGRÜNDE

Überlegen Sie sich folgende Fragen. Die Beispiele zeigen Möglichkeiten auf, aber natürlich sind Trennungsgründe sehr individuell!

Was sind meine Anteile an der Trennungssituation?

Beispiele: zu stark im Operativen hängen geblieben; keine Beziehung zu Vorgesetzten aufgebaut; mich nicht positioniert; unangemessen stark für bereits aussichtslose Anliegen gekämpft; zu wenig Netzwerk zu Kollegen aufgebaut

Was sind die Anteile, für die mein Vorgesetzter, meine Chefin die Verantwortung hat?

Beispiele: falsches Bild von mir; unausgesprochener Vorbehalt, weil ich vom Vorgänger übernommen wurde; kein konstruktiver Dialog

Welche Anteile hängen mit meinem direkten Umfeld (Team) zusammen?

Beispiele: ich und meine Anteile wurden nicht eingebunden; Intrige gegen mich; opportunistisches Verhalten nach oben

Welche Anteile schreibe ich der (veränderten) Firmenkultur zu?

Beispiele: informelle Entscheide, die getroffen wurden; viel Politik; fehlende Ehrlichkeit

Was sind die drei wichtigsten Folgerungen aus dieser Analyse?

Beispiel:

1. Ich muss mich persönlich besser positionieren.

2. Meine Geschichte (15 Jahre in der Firma) prägt das Bild der Firma von mir und meines von der Firma.

3. Ich habe die Wichtigkeit guter Beziehungen zum Vorgesetzten und zu anderen Führungskräften unterschätzt.

Hans C. Werner

Leiter Group Human Resources, Swisscom

Was raten Sie Menschen über 50, die sich auf dem Arbeitsmarkt neu bewähren müssen?

Am Thema Arbeitsmarktfähigkeit müssen alle dranbleiben – jung und weniger jung. Was es vor allem braucht, ist der richtige «Spirit». Es braucht Selbstverantwortung für die eigene Entwicklung und Flexibilität, sich Neuem zuzuwenden. Unter Umständen muss man bereit sein, einen Schritt zu tun, der einen Bruch mit der bisherigen Tätigkeit darstellt.

Wie können Berufstätige mit 50 plus ihre Fähigkeiten aktuell halten?

Grundsätzlich wehre ich mich gegen Kategorisierungen wie 50 plus, 55 plus oder auch 16 plus. Das grenzt teilweise an Diskriminierung. Unser Ziel bei Swisscom ist es, den Mitarbeitenden für unterschiedliche Karrierephasen Angebote zur Weiterentwicklung zu machen. An der Arbeitsmarktfähigkeit zu arbeiten, kann bedeuten, Kurse in Technik, Sales oder Kommunikation zu belegen. Mindestens genauso wirkungsvoll ist es unserer Erfahrung nach, wenn jemand eine neue Rolle einnimmt, etwa in einem anderen Bereich arbeitet. Letztlich funktioniert all das aber nur, wenn die Leute motiviert sind: Die Führungskraft muss das Thema regelmässig ansprechen, und der oder die Mitarbeitende muss den Antrieb mitbringen.

Welche Stärken bringen ältere Mitarbeitende in eine Belegschaft ein?

Sie haben profunde Erfahrung und handeln oft unaufgeregter als Jüngere. Kolleginnen und Kollegen können von ihrem breiten Know-how profitieren. Und die Älteren können helfen, Kundenbedürfnisse besser abzubilden, etwa in den Filialen und Callcentern. Ältere Kunden, die in unsere Shops kommen, strahlen oft Unsicherheit aus. Die löst sich sofort, wenn jemand aus der gleichen Altersgruppe sie bedient.