Cover
George Verwer - Liebe verbindet - Aus dem Englischen von Carmen Matussek – OM – SCM Hänssler

 

WAS ANDERE ÜBER »LIEBE VERBINDET« SAGEN

»Ich liebe George Verwer und ich liebe dieses Buch! Kaum jemand wäre besser geeignet als George Verwer, so herausfordernd in das Leben einer Gemeinde hineinzusprechen. Er hat jahrzehntelang die Welt bereist und dabei unermüdlich in den hintersten Winkeln die Verlassenen, Vergessenen, Verlorenen aufgesucht. Mit Gottes Hilfe hat er dabei eine äußerst bemerkenswerte Bewegung hervorgebracht, durch die täglich Tausende Menschen mit dem Evangelium erreicht werden.«

Andy Hawthorne, Träger des Verdienstordens »The Most Excellent Order of the British Empire«, britischer Evangelist, Autor und Gründer der Missionsorganisation »The Message Trust«

»Verwer ist seit über 50 Jahren ein auf Gnade bedachter Versöhner, ein Freund der Sünder und ein leuchtendes Beispiel angewandter Weisheit. So verhält es sich auch mit diesem Buch: Es ist weder ein Thriller noch ein Andachtsbuch, sondern ein Handbuch für die Umsetzung biblischer Erkenntnisse. Verwers Erfahrung kann den Leser davor bewahren, an den Untiefen des Lebens Schiffbruch zu erleiden.«

Dr. Greg Livingstone, Gründer der Missionsgesellschaft Frontiers

»Das ist George Verwer in Höchstform! Jedes Kapitel hat einen besonderen Schwerpunkt und in jedem kann man unbezahlbare Schätze finden. Ich denke, dass das Wort ›Messiologie‹ schon sehr bald allgemein verwendet werden wird.«

Peter Maiden, ehemaliger Direktor der Keswick Convention und ehemaliger Internationaler Direktor von Operation Mobilisation

WIDMUNG

Dieses Buch widme ich all den Menschen, denen ich durch OM oder auf anderen Wegen begegnet bin und deren Leben – sagen wir mal – nicht so gut gelaufen ist. Diese Leute befinden sich nicht im Plan A oder B, sondern eher irgendwo bei Plan M. Wenn ich mit ihnen spreche, verweise ich auf Gottes großes Alphabet und fordere sie dazu auf, radikale Gnade zu empfangen und weiterzugehen.

Immer wieder fällt mir 1. Johannes 3,16 ein: »Wir haben die wahre Liebe daran erkannt, dass Christus sein Leben für uns gegeben hat. Deshalb sollen auch wir unser Leben für unsere Brüder einsetzen.«

DANKSAGUNG

Ich möchte mich bei allen bedanken, die dieses Buch ermöglicht haben. Meine besondere Anerkennung möchte ich den Hunderten Leuten ausdrücken, die mein geistliches Leben maßgeblich geprägt haben (manchmal auch durch Kassetten oder Bücher). Als Erstes wären da mein geistlicher Vater, Billy Graham, und mein zweitwichtigster christlicher Leiter, Dr. Oswald J. Smith. Besonders danke ich dem Herrn für meine Schwester Barbara, meine Eltern, meine Frau Drena und meine ganze Familie.

INHALT

Über den Autor

Vorwort

Einleitung – Geheimnis, Gnade und geheiligtes Chaos

Was ist Messiologie?

Feuerlöscher, Bücher und Sprüche

Einheit inmitten von Vielfalt

Messiologie: Widersprüchlich, vielschichtig und geheimnisvoll

Die Gemeinde, Mission und Hollywood

Müssen wir immer recht behalten?

Beziehung, Ehe, Geld und eine Menge Gnade

Fehler haben Folgen

Die Leiter, die Gott gebraucht

Loben, gehen, staunen

Wenn Sie nicht verletzt werden wollen, spielen Sie kein Rugby

Motzer, Jammerer, Blockierer und Pessimisten

Verkündigung mit sozialem Engagement

Unveränderte Bürde, unveränderte Vision

Wie geht es weiter?

Anhang

Die Revolution der Liebe

Mobil für die Mission

George Verwer im Interview

Anmerkungen

ÜBER DEN AUTOR

George Verwer, Jahrgang 1938, blickt als Gründer und langjähriger Leitervon »Operation Mobilisation« (OM) auf ein bewegtes Leben zurück. Aufgewachsen in den USA, bereist der Missionar und Evangelist heute die ganze Welt. Seine Frau Drena und er haben drei Kinder und mehrere Enkelkinder.

VORWORT

»Liebe verbindet« ist aus zwei Gründen ein wichtiges Buch: erstens der Autor und zweitens die Botschaft.

Zum ersten Punkt: George Verwer ist der Gründer von Operation Mobilisation (OM), einer Missionsgesellschaft, die Gott zu einer der bedeutendsten der Welt gemacht hat.

• Seit den Anfängen in den späten Fünfzigerjahren ist OM bekannt dafür, in vielen Sprachen und Ländern der ganzen Welt hingebungsvoll christliche Literatur mit bleibendem Wert und evangelistischem Einfluss zu veröffentlichen und zu verbreiten. OM hat sehr zur Veröffentlichung der ersten Ausgabe von Operation World beigetragen, einem großartigen Gebetsleitfaden für Christen, die für Weltmission beten.

• OM war die wohl erste Missionsgesellschaft, die Kurzzeiteinsätze in die Mission ermöglicht und gefördert hat, obwohl sie immer noch lebenslange Einsätze bevorzugt. So kam es, dass viele Leiter anderer Werke wie Jugend mit einer Mission, IFES und Frontiers eine Zeit bei OM verbracht haben.

• Unter George entstanden auch die Schiffsdienste Logos, Doulos und Logos Hope, durch die das Evangelium zu Millionen gebracht wurde.

• Seit den Sechzigerjahren, als das noch gar nicht so angesagt war, konzentrierte sich OM darauf, das Evangelium an eher verschlossene Orte wie Indien und den indischen Subkontinent, die Türkei, Osteuropa und den Nahen Osten zu tragen – all diese Dienste bringen bis heute wachsende Frucht.

• Viele andere Missionsgesellschaften wurden von Leuten gegründet, die durch OM geprägt worden waren, allen voran wahrscheinlich die Good-Shepherd-Bewegung unter den Dalits in Indien, und Pioneers, die sich besonders auf unerreichte Völker und Großstädte konzentrieren. Aufgrund dieser kreativen und strategischen Neuheiten würden viele, darunter ich selbst, George Verwer als den vielleicht bedeutendsten Missionsleiter und Organisator betrachten, den Nordamerika in den späten Sechzigern hervorgebracht hat. Angesichts dieser Erfolgsgeschichte ist meiner Meinung nach alles, was er schreibt, lesenswert!

Zum zweiten Punkt: Dieses Buch fasst die Überzeugungen zusammen, die für das Leben von George und den Dienst von OM seit fast 60 Jahren grundlegend sind:

• Dass man fest in der biblischen Wahrheit gegründet sein muss und gleichzeitig denen Gnade gewähren kann, die anderer Meinung sind.

• Der Ruf zu radikaler Jüngerschaft in der Nachfolge Jesu und zu einem disziplinierten, freudvollen und gottgefälligen Lebensstil.

• Das Beste in anderen Christen zu sehen, auf Klatsch zu verzichten, keinen Groll und Bitterkeit gegen jene zu hegen, die uns verletzt haben, und nachsichtig in der Zusammenarbeit mit anderen zu sein.

• Darauf zu vertrauen, dass Gott in seiner geheimnisvollen, vorausschauenden Souveränität auch aus sehr chaotischen Situationen viel Segen hervorbringen kann (George nennt das »Messiologie«).

• Dass es wichtig ist, ein Gleichgewicht zwischen entschiedener Verkündigung und Barmherzigkeitsdiensten herzustellen.

• Die Dringlichkeit, Verlorene und Unerreichte zu erreichen. Das ist bis heute der Herzschlag von George und OM.

Diese Überzeugungen haben Georges Dienst jahrzehntelang geprägt und vorangetrieben und sind es wert, gehört zu werden. Im letzten Kapitel von »Liebe verbindet« schreibt George: »Wenn die Botschaft von Gnade, Geheimnissen und Barmherzigkeit auf diesen Seiten nicht durchgedrungen ist, habe ich versagt. Und deswegen sind diese Bekenntnisse eines Missionsleiters, der nie aufgehört hat zu lernen, so lesenswert. Wenn dieses Buch durchgearbeitet und umgesetzt wird, kann es in der neuen Generation viele leidenschaftliche und ganzheitliche Jünger hervorbringen.

Lindsay Brown

Seit 2008 Internationale Direktorin der Lausanner Bewegung

für Weltevangelisation, 1991–2007 Generalsekretärin

von International Fellowship of Evangelical Students (IFES),

1976–1977 bei Operation Mobilisation

EINLEITUNG - GEHEIMNIS, GNADE UND GEHEILIGTES CHAOS

Ein paar Jahre lang habe ich darüber gebetet und mit mir gerungen, ob ich noch mal ein Buch schreiben sollte.1 Ich betrachte mich selbst nicht als besonders begabten Schriftsteller. Außerdem habe ich nicht viel Zeit zum Schreiben und komme deswegen nur mühsam voran.

Meine Begeisterung für Bücher, die mit meiner Bekehrung begann, galt vor allem den Werken anderer. Ich habe mein Leben lang Bücher von großartigen christlichen Autorinnen und Autoren veröffentlicht und verbreitet. Im Rückblick kann ich sagen, dass auch meine eigenen Bücher vor allem dem Zweck dienten, meine Leser auf eine Fülle von anderen Büchern aufmerksam zu machen. Falls Sie noch weitere Bücher von mir besitzen, können Sie sich das mal anschauen. Ich freue mich, dass im Anhang der deutschen Ausgabe Auszüge aus diesen Büchern abgedruckt sind: Die Revolution der Liebe und Mobil für die Mission sowie ein Interview, das Dan Wooding mit mir über mein Leben und meine Arbeit führte.

Ich kann nur darüber staunen, dass mittlerweile über eine Million meiner Bücher in über fünfzig Sprachen auf der ganzen Welt verkauft wurden. Auf eines meiner ersten Bücher, Come! Live! Die!2, habe ich über 25 000 Zuschriften erhalten. Überall treffe ich Menschen, die mir erzählen, wie meine Bücher ihnen weitergeholfen haben. Das hat mich immer sehr ermutigt und ich kann dem Herrn nur alle Ehre geben.

In meinem jüngsten Buch, Gnade gewinnt3, habe ich in einem Kapitel ein Thema behandelt, das nach wie vor in meinem Leben und der Geschichte unseres Missionswerkes Operation Mobilisation (OM) gewaltige Veränderungen bewirkt. Es ging darum, dass wir uns gesellschaftlicher Belange angenommen haben und sie zu einem elementaren Bestandteil unserer Arbeit geworden sind. Darauf möchte ich in diesem Buch genauer eingehen, denn in den vergangenen Jahren habe ich viele Erfahrungen mit dieser herausfordernden, vielschichtigen Arbeit gemacht, bei der man leicht in Schwierigkeiten geraten kann.

Ich möchte gerne den kommenden Generationen so viel wie möglich von dem weitergeben, was ich vom Herrn und seinen Nachfolgern gelernt habe.

Wie in Gnade gewinnt können die einzelnen Kapitel unabhängig voneinander gelesen werden. Es wird die eine oder andere Überschneidung mit Themen geben, über die ich in früheren Büchern geschrieben habe. Aber es wird nichts schaden, Wichtiges und Grundlegendes zu wiederholen.

Ich weiß nicht, wie ich es am besten ausdrücken soll, aber ich habe das Gefühl, dass viele Leiter und Christen allgemein in ihrem Leben und ihrem Dienst große Fehler begehen. Dabei spreche ich aus Erfahrung und hoffe, dass meine Berichte anderen helfen werden, nicht unnötig in dieselbe Falle zu gehen. Ich habe mitansehen müssen, dass man aus manchen Fallgruben kaum wieder herauskommt, ohne dass man selbst oder der Leib Jesu dabei ernsthaft Schaden nimmt.

Als ich etwa 18 Jahre alt war – ich war unterwegs Richtung Grand Canyon und verkaufte damals noch Feuerlöscher –, las ich in der Apostelgeschichte den Vers, den ich damals zu meinem Lebensmotto machte:

Doch mein Leben ist nichts wert, wenn ich es nicht nutze, um das zu tun, was der Herr Jesus mir aufgetragen hat – das Werk, anderen die Botschaft von Gottes Gnade zu bringen.

Apostelgeschichte 20,24

Jetzt schaue ich auf 58 Jahre Christsein zurück und kann sagen, dass dieser Vers nahezu täglich in meinem Leben Wirklichkeit geworden ist. Ich bete, dass dies auch in den mir verbleibenden Jahren so bleibt. Spüren Sie die Wirklichkeit und die Leidenschaft dieses Verses? Können Sie diese Sätze lesen und sie zu Ihrem ersten Lebensziel machen? Dann wird dieses Buch in vielerlei Hinsicht für Sie hilfreich sein. Ehrlich gesagt bete ich auch, dass dieses Buch Leute dazu bewegen wird, meine anderen Bücher zu lesen oder noch mal zu lesen. Sie werden im Anhang des Buches aufgelistet und sind vielfach – zumindest in englischer Sprache – kostenlos erhältlich. Ich bete auch, dass meine Leser dazu beitragen werden, die Botschaft zu verbreiten.

Manchen scheinen meine Bücher etwas »aus der Reihe zu tanzen«, aber andererseits behandeln sie Grundlagen und sind leicht nachzuvollziehen, besonders wenn man schon geistliches Verständnis mitbringt.

Während ich diese Zeilen schreibe, höre ich großartige klassische Musik von Tschaikowsky, Mozart und Beethoven. Vor ein paar Tagen war ich mit Drena, meiner Frau, bei einem wunderbaren Konzert in der Royal Albert Hall in London. Ich bete, dass wenigstens ein Teil dessen, was ich schreibe, zu Musik in Ihren geistlichen Ohren wird und Ihr Leben nach der Lektüre eine noch klangvollere Symphonie wird, als das vielleicht augenblicklich der Fall ist. Ich möchte auf die Herausforderung zu radikaler Jüngerschaft eingehen, wie sie zum Beispiel in Radical4 von David Platt und Zeit der Gnade5 von Charles Swindoll formuliert wurde. Und ich möchte außerdem zur weltweiten Mission und Evangelisation aufrufen, ganz gleich, wie hoch die Kosten sind, damit alle Menschen auf der Welt mit dem Evangelium erreicht werden und eine Gemeinde unter allen Völkern entsteht. Ich hoffe, dass einige Leser dieses Buches uns in dieser großen Vision und Aufgabe begleiten werden. Ich beantworte jede E-Mail persönlich. Probieren Sie es aus: george.verwer@om.org.

In Seiner Gnade und in seiner Hand,

George Verwer

WAS IST MESSIOLOGIE?

Ich sehnte mich danach, mehr Gnade zu erleben, besonders unter den in der Weltmission Engagierten. Vor allem deswegen schrieb ich Mobil für die Mission – ein Auszug aus diesem Buch ist im Anhang abgedruckt. Ich habe die Kapitel über Gnade und über Leiterschaft zu einer Broschüre zum Weitergeben zusammengefügt: Grace Awakened Leadership. Wir hören zwar von vielen Durchbrüchen, doch auf manchen Gebieten scheint, ehrlich gesagt, von »Gnade erweckte Leiterschaft« in einem Ausmaß wie nie zuvor unter die Räuber gefallen zu sein.

Immer wieder hört man von Spannungen unter Missionaren und Evangelisten. Es gibt schlimme Spaltungen und Zerwürfnisse in vielen örtlichen Gemeinden. In meinen älteren Büchern gelang es mir vermutlich nicht, meine Theologie des geheiligten Chaos oder der »Messiologie« zu erklären, einer Wortkreuzung aus englisch mess (Durcheinander, Chaos) mit »Theologie«. Das Wort habe ich erfunden, aber es geht dabei um Gott und sein Wirken seit Tausenden von Jahren.

Einerseits lehrt und ermahnt uns die Bibel, ein gottgefälliges Leben in Wahrhaftigkeit und Rechtschaffenheit zu führen. Wenn wir 1. Korinther 13 befolgen, werden sich unser Leben und unsere Gemeinden verändern. Darum ging es auch in einem meiner älteren Bücher, Die Revolution der Liebe, aus dem ebenfalls Ausschnitte im Anhang wiedergegeben werden.

Wenn ich in den Sprachen der Welt oder mit Engelszungen reden könnte, aber keine Liebe hätte, wäre mein Reden nur sinnloser Lärm wie ein dröhnender Gong oder eine klingende Schelle. Wenn ich die Gabe der Prophetie hätte und wüsste alle Geheimnisse und hätte jede Erkenntnis und wenn ich einen Glauben hätte, der Berge versetzen könnte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts. Wenn ich alles, was ich besitze, den Armen geben und sogar meinen Körper opfern würde, damit ich geehrt würde, aber keine Liebe hätte, wäre alles wertlos.

1. Korinther 13,1-3

Andererseits sehen wir Gottes Wirken in allen möglichen chaotischen Situationen, woraus ich, wie gesagt, das Wort Messiologie ableite. Jahrelang habe ich meinen eigenen Spruch zitiert: »Wo zwei oder drei in seinem Namen zusammen sind, wird früher oder später Chaos ausbrechen.« Fast immer lacht das Publikum. Dann frage ich, wer das schon einmal erlebt hat, und die meisten Hände gehen hoch. Dann erkläre ich, was es mit Messiologie auf sich hat. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass Gott in seiner Geduld, Gnade und Leidenschaft große Dinge mitten im Chaos tut, um Männer und Frauen zu sich zu ziehen. Das ist keine Entschuldigung für Sünde, Versagen oder Chaosstiftung. Jeder Christ sollte das Gegenteil anstreben. Aber es ist die Kehrseite der Medaille. Es ist Gottes Arbeitsweise. Große Teile der Apostelgeschichte und die meisten Briefe der Bibel belegen das.

Ich bin durch Bücher wie Wenn alles zerbricht6 von Gordon MacDonald und viele andere gute Bücher zu dieser Überzeugung gelangt, die mir jetzt sehr am Herzen liegt. Es hat mir mehr als vieles andere geholfen, Gott und sein Wirken besser zu verstehen. Manchmal bezeichne ich es als »radikale Gnade«.

Ich habe in über 57 Jahren in über 90 Ländern in Tausenden Gemeinden und anderen Organisationen Unmengen Chaos gesehen. Manchmal ist offensichtliche Sünde im Spiel, die bekannt werden muss. Manchmal ist es einfach nur Dummheit oder wie immer man das Verhalten der Kinder Gottes beschreiben möchte. Ich habe es gesagt und meine es wirklich so: Egal, wie erfüllt wir auch mit dem Heiligen Geist sind, wir sind immer noch Menschen. Unser Menschsein hat seine schöne und seine chaotische Seite.

Ich bewundere viele christliche Leiter und versuche, ihnen allen mit einer Haltung von Gnade zu begegnen. Aber in diesen 57 Jahren habe ich christliche Leiter und auch Missionare die dämlichsten Dinge tun sehen und auch sagen hören … und manchmal war ich es. Doch bei genauerem Hinsehen bemerkte ich, dass Gott mittendrin sein Werk tat. Vielleicht wollen Sie das nicht hören, aber ich habe Gott Menschen gebrauchen sehen, die gleichzeitig in tiefer Sünde lebten. Wir haben gesehen, wie Gott Pastoren gebrauchte, wie Menschen gerettet wurden, die Gemeinde wuchs und Menschen zu Jüngern wurden. Und doch erfuhren wir später, dass sie in Ehebruch und Untreue gelebt hatten. Ich spreche von verheirateten Männern mit Kindern. Manchmal kommt das nach einiger Zeit raus, sie werden entlassen und reichen die Scheidung ein oder es ergeht ihnen noch schlechter. Jahre später trifft man die Person mit seiner neuen Frau und erfährt, dass Gott sie in seinem Dienst gebraucht. Würde ich ein Buch darüber schreiben, könnte ich Hunderte Beispiele anführen. Wie erklären Sie sich das? Messiologie!

Andere Schlüsselwörter sind Geheimnis und Gnade beziehungsweise Erbarmen. Die letzten Verse aus Römer 11 haben mir immer wieder geholfen: »Wie wunderbar ist doch Gott! Wie unermesslich sind seine Reichtümer, wie tief seine Weisheit und seine Erkenntnis! Unmöglich ist es uns, seine Entscheidungen und Wege zu begreifen!« (Vers 33). Für manchen, besonders für Leiter, ist es schwer zu ertragen, wenn Gott große Dinge durch jemanden tut, dessen Theologie sie für falsch halten. Wie kommt es dazu? Ich treffe Leute, die sich über manche der Fernsehprediger aufregen oder über andere Personen unserer vielschichtigen Welt. Viele sagen mir, sie würden sich so etwas nie ansehen. Es gibt ganze Artikel gegen bestimmtes christliches Fernsehen, und mit manchem Vorwurf stimme ich selbst überein. Über manches, was ich im christlichen Fernsehen gesehen habe, hätte ich heulen können. Das betrifft besonders die extremen Tricks beim Spendeneintreiben des »Geschäfts«. Aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie im Himmel Hunderttausende Menschen antreffen, die durch solche Werke zu Jesus gekommen sind. Brauchen wir noch mehr als die Haltung des Apostels Paulus, wie wir sie in Philipper 1,15-18 sehen?

Manche tun dies zwar nur aus Eifersucht und Rivalität, aber andere predigen Christus auch mit guten Absichten. Sie predigen aus Liebe zu mir, weil sie wissen, dass der Herr mich hierher gebracht hat, um für seine gute Botschaft einzustehen. Die anderen aber verkünden Christus aus selbstsüchtigen Motiven und nicht aus ehrlichem Herzen. Sie wollen mir meine Gefangenschaft noch schmerzhafter machen. Doch ob ihre Beweggründe nun ehrlich sind oder nicht: die Botschaft von Christus – auf welche Weise auch immer – wird verkündet, und darüber freue ich mich.

Es ist offensichtlich und schwer zu akzeptieren, dass Gott Organisationen und Personen gebraucht, mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Er scheint Werke zu unterstützen, denen ich nicht einmal fünf Euro geben würde. Wir können versuchen, das so zu erklären, dass es in unsere Schublade passt, doch werden wir uns letztlich vergeblich abmühen. Die Antwort lautet: Messiologie. Ein ganzes Buch wäre notwendig, um das genauer zu erklären. Ich habe auch zwei Leute, die mir ihre Hilfe beim Schreiben angeboten haben, doch bezweifle ich, dass es dazu kommen wird. Es würde zu chaotisch werden!

Ein anderes wichtiges Thema mit hohem Chaospotenzial sind Spenden für die Mission. Mit Horrorgeschichten können wir alles Beliebige »beweisen«. Also erzählt man sich Horrorgeschichten über die Veruntreuung von Spenden in der Außenmission. Das bringt die Leute dazu, überhaupt nicht mehr zu spenden, weil sie Angst haben, dadurch die einheimische Kirche von sich abhängig zu machen. Darüber sind einige sehr extreme Bücher und Artikel geschrieben worden, die meiner Meinung nach viele verunsichert haben. Ich bin davon überzeugt, dass die Geschichte es zeigen wird: Großzügigkeit und Risikobereitschaft bei der Unterstützung von Projekten (wie zum Beispiel Schulen) waren immer positive Faktoren bei der Verbreitung des Evangeliums und dem Gemeindebau, auch wenn die Projekte Tausende von Kilometern entfernt umgesetzt wurden. Ich wünschte, ich hätte die Zeit, auch darüber ein Buch zu schreiben.

Manche Leute würden eine neue Schule oder ein ähnliches Projekt nicht unterstützen, es sei denn, diese könne sich sofort selbst tragen. Das ist besonders in Ländern wie Indien ein großer Fehler. Viele Jahre lang hatte man in Indien darauf hingearbeitet, dass Schulen sich selbst tragen können. Deswegen gibt es nur sehr wenige gute Schulen für die Ärmsten, zu denen hauptsächlich Dalits und indigene Volksstämme gehören. Dagegen gibt es Tausende Schulen für die, die bezahlen können (ich sage nicht, dass das falsch ist). In der schwierigen Situation extremer Armut müssen wir damit rechnen, dass man viel Geld investieren muss, bevor sich so ein Projekt selbst tragen kann. Bei Schulen kann es sich dabei um ein paar Jahrzehnte handeln, bis die Schulabgänger Arbeit gefunden haben. Können sich westliche Menschen überhaupt vorstellen, womit wir es in Indien zu tun haben – mit seinen fast 300 Millionen Menschen, die in der extremen Armut der Unberührbarkeit eingeschlossen sind? Diese besonderen Situationen, von denen es auf der Welt viele gibt, erfordern auch eine ganz besondere Großzügigkeit. Die Panikmache mit der Abhängigkeit kann eines der großen Hindernisse sein. Das heißt nicht, dass wir unser Urteilsvermögen an der Garderobe abgeben sollten. Natürlich sollten wir uns vorher erkundigen, wohin wir spenden. Das Entscheidende sind die richtigen Leute vor Ort, um die Finanzen und die Projekte zu verwalten. Aber selbst wenn manche Dinge schieflaufen und wir im Chaos landen, wird die Geschichte gewiss zeigen: Gott hat in allem Chaos weitaus mehr zustande gebracht, als wir erkennen konnten. Leute, Gemeinden oder Stiftungen, die meinen, viel Geld an ein gescheitertes Projekt verschwendet zu haben, werden vielleicht im Himmel die vielen guten Früchte ihres Einsatzes sehen.

Dabei brauchen wir mehr Weisheit und gesunden Menschenverstand und vor allem Vorsicht vor »zerstörerischem Idealismus«, wie ich zu sagen pflege. Wenn dieser Idealismus mit dem Perfektionismus zusammentrifft, der manchen von uns innewohnt, kann er viele entmutigen, Beziehungen zerstören und Durcheinander stiften. Deswegen zeichnen viele Bücher nur ein Zerrbild der Wirklichkeit, wenn sie die Lehre oder die Ziele anderer Menschen, Gemeinden und Organisationen darstellen. Ein bisschen mehr Weisheit, Geduld und Demut würden uns auf dem Weg zu mehr Wahrhaftigkeit und Sieg schon viel weiterbringen.

Während ich diese Zeilen schreibe, gibt es mehr Auseinandersetzungen zwischen Missionswerken und Gemeindeleitern, als ich sie bisher erlebt habe. Es gibt eine große Gruppe von Menschen, die einerseits als bibeltreu und evangelikal gelten wollen, andererseits unterschwellig wichtige Glaubensgrundsätze verneinen, wie zum Beispiel die Verlorenheit derer, die nicht in Christus sind; den stellvertretenden Tod Jesu und viele andere grundlegende Lehrsätze, für die die meisten evangelikalen Leiter und Organisationen seit Jahrhunderten stehen.

Manche Bücher sind sehr kritisch gegenüber der Kirche und der gegenwärtigen evangelikalen Bewegung, die weltweit Hunderte Millionen Menschen in fast allen Nationen umfasst. Es scheint fast, als wollten sie sagen, dass Hudson Taylor, John Stott, Billy Graham, John Calvin, Watchman Nee, Bakht Singh, William Carey, Dr. Francis Schaeffer, Charles Spurgeon, D. L. Moody, Festo Kivengere, William Booth, John Wesley, Amy Carmichael, Aurelius Augustinus und Hunderte anderer, die die Bewegung zu dem gemacht haben, was sie heute ist, alle falschgelegen hätten. Auch wenn sie es vielleicht nicht ausdrücklich sagen, kann man es deutlich zwischen den Zeilen herauslesen. In ihren populär gewordenen Büchern schreiben sie viel Gutes, aber immer wieder verfallen sie von Wahrheit in Irrtum und lassen die Leser mit Zweifeln und verwirrt zurück. Das hat im Leib Jesu große Uneinigkeit verursacht und so manche Gemeinde gespalten. Häufig führt es automatisch dazu, die eigene Gemeinde oder Denomination zu kritisieren und sie zu verlassen, um eine neue zu gründen – allerdings eher aus Trotz als aufgrund biblischer Wahrheit. Für mich führt das zu einer höheren Ebene der Messiologie als je zuvor. In all dem brauchen wir mehr Weisheit, Liebe und Unterscheidungskraft als je zuvor. Wir müssen weiter vorangehen, den Blick auf Jesus gerichtet, mitten durch die Schwierigkeiten und Herausforderungen.

FEUERLÖSCHER, BÜCHER UND SPRÜCHE

Unsere Tochter Christa hat heute Geburtstag und ihr möchte ich dieses Kapitel widmen. Es war einer der zahlreichen Fehler meiner ersten Jahre als Christ, dass ich nicht im Krankenhaus in Leigh, Lancashire, war, als sie geboren wurde. Zum Glück war meine Frau Drena da! Ich kam gerade von irgendwelchen Auslandsreisen und Treffen zurück und war keine sonderlich große Hilfe an diesem wichtigen Tag. Wir gaben ihr den Namen Christa – nach Christa Fisher aus dem damaligen Ostdeutschland, der späteren Frau von Ray Eicher. Jahrelang leiteten die beiden zusammen mit Alfy Franks die Arbeit in Indien. Als wir im Herbst 1960 nach Europa gekommen waren, lebten wir in Madrid, wo wir dazu beitragen durften, dass Christa sich bekehrte. Kurz danach wurde unser erster Sohn Ben geboren.

Im Sommer 1957 wollten wir nach Mexiko reisen, um dort Bücher zu verteilen und Leute mit dem Evangelium zu erreichen. Vor Mitte Juli konnten wir nicht abreisen, weil Dale Rhoton noch die Wheaton Sommerschule besuchte. In der Zwischenzeit ging ich mit Walter Borchard, mit dem ich auf dem Maryville College ein Zimmer geteilt hatte, in meiner Heimatgegend nordöstlich von New Jersey von Haus zu Haus und verkaufte christliche Bücher.

In derselben Gegend hatte ich einige Jahre lang erfolgreich Feuerlöscher verkauft. Ich führte den Kunden vor, wie ich vor ihren Häusern in einem Behälter ein Feuer entzündete und es mit einem kleinen Presto-Gerät wieder löschte. Bald begannen viele meiner Kollegen, auf die gleiche Weise zu verkaufen, und zwar mit großem Gewinn sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel. Mein Chef, ein jüdischer Mann namens Finklestein, hatte sein Büro in Manhattan. Es war außergewöhnlich, dass ein 16-Jähriger zu ihm gebeten wurde. Er war so begeistert von meinen Verkaufszahlen, dass er mich als Alleinvertreter für Bergen County einsetzte. So meldete ich offiziell mein Gewerbe an: Bergen County Sales Co. Alles lief hervorragend, bis Jesus mir begegnete und mich beauftragte, das »ewige Feuer« zu löschen. Nach meiner Bekehrung im Sommer 1955 und 1956 war ich erst mal noch mit den Feuerlöschern unterwegs, aber 1957 hatte ich sie schon gegen Bibeln und christliche Bücher eingetauscht. Bald darauf baute ich das Werk Send the Light auf.

Im Sommer 1957 planten also Walter Borchard, Dale Rhoton und ich eine Reise nach Mexiko. Wir wollten dort evangelisieren. Ich hatte sowohl an der Highschool als auch im ersten Jahr auf dem College Spanisch gelernt. Dort begegnete ich auch Walter, meinem Zimmernachbarn, und Dale, der einen großen göttlichen Einfluss auf mein Leben haben sollte.

Während Dale noch sein Semester abschloss, gingen wir also von Tür zu Tür und verkauften christliche Bücher. Zum einen verbreiteten wir damit die Botschaft, zum anderen verdienten wir das Geld für die Reise. Ich erinnere mich noch gut an eine Dame in North Haledon, die mich sehr glücklich damit machte, dass sie eine große Menge Bücher kaufte. Denn wir brauchten schließlich Geld für Mexiko. Ich denke, dass sie wohl meinen Eifer erkannte, aber auch meinen Mangel an Weisheit, weswegen sie mir empfahl, im Alten Testament in den Sprüchen die Abschnitte über Weisheit zu lesen.

Ich war schon ein ganzes Stück weit im Alten Testament vorgedrungen, aber ich weiß nicht, ob ich schon bei den Sprüchen angekommen war. Sie sagte etwas, das ich nie vergessen habe: »Ein Vers am Tag, und der Teufel muss fliehn.« Dann zeigte sie mir in der Bibel, dass die Sprüche aus 31 Kapiteln bestehen – einem Kapitel für jeden Tag des Monats. Sie können mir glauben, dass ich seitdem beständig in den Sprüchen unterwegs war. Ich ahnte noch nicht, was Gott mit mir vorhatte und wie sehr die Mahnungen und Weisheiten dieses Buches mir in den 46 Jahren weiterhelfen würden, in denen ich Leiter von Send the Light war, das später in Europa zu Operation Mobilisation wurde.

Was hat mich besonders getroffen? Ein paar Beispiele und Themen möchte ich nennen.

1. SIEG ÜBER SEXUELLE BEGIERDE

Es gibt in der Bibel Hunderte Verse über Sex, von denen sich einige ziemlich wild anhören und außerhalb des gewohnten Rahmens liegen, wie zum Beispiel Sprüche 5,18-19:

Deine Frau soll gesegnet sein. Freue dich an ihr, die du geheiratet hast, als du jung warst. Sie ist wie eine liebliche Gazelle, wie ein anmutiges Reh. Ihre Brüste sollen dich allezeit berauschen, ihre Liebe soll dich stets in Bann ziehen.

Als junger Christ war ich voller Sehnsucht nach Gott und radikal hingegeben an Jesus und ahnte nicht, dass ich mein Leben lang mit sexueller Begierde zu kämpfen haben würde. Schon vor meiner Bekehrung habe ich mich oft falsch verhalten. Ich wusste immer, dass es nicht okay war, aber erst durch meine Bekehrung fand ich die Kraft, der Begierde wirklich etwas entgegenzusetzen. Ich denke, ich hatte damals noch nie irgendwelche Pornohefte angeschaut, aber ich bin sicher, dass ich ohne Jesus ganz tief in diesen Sumpf hineingeraten wäre. Immer wieder las ich Sprüche 5,6-7 oder andere ähnliche Verse aus anderen biblischen Büchern. Dadurch erhielt ich ein tragfähiges Fundament für den lebenslangen Kampf gegen die Begierde.

Er folgt ihr ahnungslos wie ein Ochse zum Schlachtplatz oder wie ein Hirsch, der in die Falle läuft […], denn sie hat bereits viele ins Verderben gestürzt; unzählige Männer fielen ihr zum Opfer. Ihr Haus führt direkt ins Totenreich, wer es betritt, betritt den Weg ins Grab.

Sprüche 7,22. 26. 27

Wir hätten uns nicht träumen lassen, dass uns dieses Thema auch zu einem der größten christlichen Buchhändler machen würde, der Bibeln und Bücher gerade dazu in vielen Sprachen auf der ganzen Welt verkaufen würde. Das entsprechende Kapitel in meinem Buch Gnade gewinnt, das zuerst als Artikel in einem Magazin erschienen war, gehört zu den Texten, dessen Veröffentlichung mir am schwersten fiel.

2. SÜNDEN DER ZUNGE