N. Bernhardt
Buch XVII: Die Schlacht um Hymal
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch XVII: Die Schlacht um Hymal
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954187-45-4
null-papier.de/364
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Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Durch Eis und Schnee
Zweites Kapitel: Schwieriger als gedacht
Drittes Kapitel: Der Ritt auf dem Drachen
Viertes Kapitel: Schon wieder ein Jahr?
Fünftes Kapitel: Allein unter Freunden
Sechstes Kapitel: Die Ruhe vor dem Sturm
Siebtes Kapitel: Vom Gesehen zum Geschehen
Ausblick
Nach einer anstrengenden Reise durch Eis und Schnee gelangt Nikko mit seinen Gefährten endlich ans Ziel. Den Drachen wiederzuerwecken gestaltet sich jedoch viel schwieriger als erhofft. Auch geht dabei etwas Seltsames vor sich.
Wenig später ist es dann schon Zeit für die große Schlacht in Hymal. Mit seinen neuen Verbündeten stellt sich der Zauberer dem Herzog entgegen. Was sollte da schon schiefgehen?
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Habt Ihr denn nun etwas Genaueres herausfinden können, Meister?«, fragte Danuwil am nächsten Morgen mit großer Ungeduld in seinem Blick – doch voller Vorsicht, ja sogar mit etwas Ehrfurcht in der Stimme. Wer konnte es ihm verdenken?
Herausgefunden hatte Nikko so einiges. Zumindest wusste er nun ziemlich genau, wo der Kadaver des Eisdrachen zu finden war. Der Weg dorthin sollte sich auch nach so vielen Jahrhunderten noch erkennen lassen, falls er noch existierte. Wenn nicht, dann müsste der Turm in den Bergen jedoch von irgendwoher zu sehen sein.
Ansonsten warf die Vision, die dem Zauberer in der letzten Nacht vergönnt gewesen war, allerdings mehr Fragen auf, als sie beantwortete. Wieder einmal.
Meister Thorodos? Ausgerechnet mit den Augen des geheimnisvollen Alten aus seinem Heimatdorf hatte Nikko die Vernichtung des Drachen gesehen! Das konnte doch alles kein Zufall sein, oder?
»Ja«, antwortete er dem Grafen erst einmal, noch immer halb in Gedanken versunken. »Der Eisdrache liegt oben in den Bergen bei einem Turm.«
»Ein Turm?«, wunderte sich Danuwil. »Was soll denn das für ein Turm in den Bergen sein?«
»Das weiß ich auch nicht«, zuckte der Zauberer mit den Schultern. »Der Weg dorthin sollte sich jedoch ohne große Probleme finden lassen. Wir verlassen die Stadt in Richtung Süden und … ähm, na ja, irgendwo wird der Pfad nach Südwesten ins Gebirge schon zu erkennen sein.«
»Ihr wollt also tatsächlich hoch in die Berge?«, schüttelte Ygrind ihr Haupt. »Mitten im Winter?«
»Der Meister wird schon wissen, was er tut«, zischte Danuwil. »Vergesst nicht, dass er uns nun bereits seit Tagen mit seiner Zauberei zu wärmen und zu speisen weiß.«
»Na, dann hoffe ich, er … weiß uns auch vor Lawinen zu beschützen«, grinste die Jägerin. »Der Winter ist am Ausklingen, da kann es schon mal schnell zu Schneeabgängen kommen, von Gerölllawinen oder Erdrutschen ganz zu schweigen.«
»Macht Euch keine Sorgen«, versuchte Nikko, die Frau zu beruhigen. Allerdings war er selbst gar nicht so sicher, wie er sich und seine beiden Begleiter vor den vielen Gefahren in den winterlichen Bergen beschützen sollte.
Ygrind hatte schließlich recht mit dem, was sie sagte. Der späte Winter war neben dem Frühjahr die gefährlichste Zeit im Gebirge. Am schlimmsten war es in der Heimat stets, wenn der Winterschnee zu tauen anfing. Da kam es häufig zu Lawinen und Hochwassern. Aber war es dafür nicht noch etwas zu früh in diesem Jahr?
Der Zauberer sollte wohl dennoch einen Schutzschild um die ganze Gruppe legen. Es gab ja einen Schild, der vor schnell eindringenden Objekten schützte. Was gegen Pfeile und Keulenhiebe half, dürfte doch auch Steinschläge und Lawinen abhalten.
»Wenn Ihr meint«, zuckte Ygrind mit den Schultern, schien aber nicht überzeugt zu sein. Sollte Nikko ihr vielleicht noch einen Silberling zustecken? Es könnte ja durchaus sein, dass sich die Frau auf dem letzten Stück der Reise auch weiterhin als nützlich erweisen würde. Da konnte es nicht schaden, sie weiterhin bei Laune zu halten.
»Es ist mir bewusst, dass der Weg in die Berge unsere ursprüngliche … Vereinbarung …«, kam Nikko dann plötzlich ins Stocken. »Also, lasst mich Euch ein weiteres Silberstück zahlen. Für den … Mehraufwand.«
Danuwil atmete tief ein, wohl um seinen Worten des Missfallens auch genügend Kraft zu verleihen, beließ es dann jedoch bei abfälligen Gesten, die schließlich in einem resignierten Kopfschütteln endeten.
»Für genug Silber folge ich Euch auf den höchsten Berg, ans Ende der Welt und … hoffentlich auch wieder zurück«, fletschte Ygrind hingegen ihre unansehnlichen Zähne. »Wir sollten alsbald aufbrechen«, meinte sie dann. »Allein bis zum Fuß des Gebirges werden wir vermutlich schon den ganzen Tag brauchen.«
Die Jägerin suchte daraufhin ihre Sachen zusammen und wartete draußen auf die beiden Begleiter.
»Warum wollt Ihr das Weib eigentlich noch immer dabei haben?«, zischte Danuwil dem Zauberer leise ins Ohr, als die beiden sich ebenfalls für den Abmarsch bereit machten. »Wie könnte das unverschämte Trampel uns jetzt noch von Nutzen sein?«
»Sie kennt sich hier nun einmal von allen am besten aus«, raunte Nikko zurück. »Ich verstehe Euch einfach nicht. Die paar Silberlinge können wir doch wirklich entbehren, oder etwa nicht?«
»Als ob es mir um das Geld ginge«, knurrte der Graf. »Ich kann dieses impertinente Weibsstück und ihre dreiste Art einfach nicht ausstehen.« Mit einem Kopfschütteln ging er dann nach draußen und Nikko folgte ihm. Hoffentlich würde das mit den beiden auch weiterhin ohne größere Probleme ablaufen.
Wenige Augenblicke später hatten sie die verfallene Stadt in Richtung Süden verlassen und mussten sich dann aber erst einmal richtig orientieren.
»Die Berge sind ziemlich genau im Südwesten«, gab Danuwil wichtigtuerisch bekannt, nachdem er eines seiner wertvollen Navigationsgeräte bemüht hatte. »Bei dieser diesigen Luft heute kann ich jedoch nur sehr grob schätzen, dass sie etwa einen Tagesmarsch entfernt sein dürften.«
»Das hätte ich Euch auch ohne Euer Spielzeug sagen können«, lachte die Jägerin abfällig und meinte: »Ich schlage vor, wir bahnen uns den Weg zunächst querfeldein. Wenn wir näher am Gebirge sind, wird sich der Weg hinein bestimmt leichter erkennen lassen als von hier.«
»Ihr seid ja eine prächtige Führerin«, höhnte der Graf.
»Natürlich könnt Ihr hier auch erst einmal überall den Schnee wegschaufeln, um zu sehen, wo unter der weißen Pracht sich die Straße versteckt«, konterte Ygrind. »Ich hoffe, Ihr habt Schaufeln dabei.«
»Schluss jetzt«, verlor Nikko langsam die Geduld. »Ich denke doch, wir werden den Turm in den Bergen sehen können, wenn wir erst näher am Gebirge sind. Den Weg dorthin werden wir dann auch noch irgendwie finden.«
Während der Wanderung hatte Nikko nur wenig Muße gehabt, weiter über die gestrige Schauung nachzudenken. Dennoch war sie ihm den ganzen Tag lang nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Das galt auch jetzt, da er ins lodernde Feuer ihres Nachtlagers stierte – ohne Hoffnung, darin Antworten auf all die neuen Fragen zu finden, die sich aus der Vision ergeben hatten.
Wie weit sie an diesem Tag gekommen waren, würde erst das Licht des nächsten Morgens zeigen – wenn das Wetter denn mitspielte. Während ihrer Wanderung war es jedenfalls so schlecht gewesen, dass nur Danuwils Kompass garantiert hatte, dass sie durch den teils kniehohen Schnee wenigstens in die richtige Richtung stapften.
Auf einer kleinen Anhöhe, von der der Wind den meisten Schnee weggeblasen hatte, sahen sie nun einer wohl eher ungemütlich werdenden Nacht entgegen. Vorsichtshalber hielt Nikko seinen Wärmezauber trotz des Feuers weiterhin aufrecht. Mittlerweile merkte er ohnehin kaum noch, wie viel Energie ihn dieser Zauber die ganze Zeit über kostete. Er fühlte sich zwar irgendwie geschwächt, führte das aber vor allem auf die Strapazen der langen Wanderung zurück.
»Was für ein Mistwetter«, schnauzte Danuwil und klopfte sich den Schnee von den Kleidern. Ein eigentlich sinnloses Unterfangen, da es noch immer heftig schneite. »Wie wollt Ihr denn den Weg in die Berge erkennen, falls morgen keine klare Sicht herrscht?«
»Lasst uns doch erst einmal abwarten, wie weit das Gebirge überhaupt noch entfernt ist«, beantwortete Ygrind die Frage, die eigentlich an Nikko gerichtet war.
»Genau«, pflichtete der Zauberer ihr bei. »Sobald wir aber nah genug an den Bergen sind, müssen wir wohl oder übel auf besseres Wetter warten. Ich sehe da leider keine andere Möglichkeit.«
»Das sind ja prächtige Aussichten«, maulte der Graf, dessen Laune bereits den ganzen Tag über nicht die beste war. »Ich hoffe, Ihr habt wenigstens schon einen Plan für den Fall, dass wir den Weg tatsächlich finden und unser Ziel irgendwann erreichen sollten.«
»Selbstverständlich«, giftete Nikko und war ob Danuwils Pampigkeit schon etwas erbost. So respektlos hatte sich der Graf ihm gegenüber schon lange nicht mehr gezeigt. Allerdings hatte Nikko seinem Gefährten in den vergangenen Wochen schon so einiges zugemutet, ohne dass dieser überhaupt wusste, worum es tatsächlich ging. Das musste man natürlich zu seinen Gunsten berücksichtigen.
Vielleicht war jetzt sogar der beste Zeitpunkt, den beiden sein Vorhaben vorab schon einmal schmackhaft zu machen. Wäre es für sie nicht ein viel zu großer Schock, wenn Nikko erst im Angesicht des Eisdrachen bekannt gäbe, dass er das Biest wiederauferstehen lassen wollte? Das war schwer zu sagen. Sehr schwer sogar.
»Ich werde den Drachen wiederbeleben«, meinte der Zauberer dann ganz beiläufig – als ob solch ein Unterfangen etwas Alltägliches wäre. Er war die ewige Geheimniskrämerei nämlich satt. Hier in der erbarmungslosen Wildnis des Nordens und bei solch miesem Wetter noch viel mehr als sonst!
»Ihr wollt was?«, fragte Danuwil erstaunt, aber offenbar nicht empört. Vermutlich verstand er wirklich nicht, wovon der Zauberer da sprach.
»Ich werde die Bestie wiederauferstehen lassen«, wiederholte Nikko ganz ruhig. »Es ist nicht das erste Mal, dass ich einen toten Körper wiederbelebe.«
»Wandelnde Tote?«, war nun auch die Jägerin erstaunt. »So etwas kennen wir nur aus uralten Schauermärchen, aber von Drachen war in diesem Zusammenhang nie die Rede.«
»Vielleicht bin ich ja der erste Zauberer, der einen Drachen wieder auferstehen lässt«, zuckte Nikko mit den Schultern und grinste dann breit. »Aber es gibt eben für alles ein erstes Mal.«
»Ihr versteht es immer wieder, mich aufs Neue zu überraschen, Meister«, lachte Danuwil. »Ich jedenfalls habe noch nie etwas davon gehört, dass die Magier die Toten wiederbeleben können.«
»Diese Schule der Zauberei gilt sogar unter den Meistern als …«, ja, als was eigentlich? Nikko musste kurz überlegen. »Hohe Kunst.« Er ließ es sich nicht nehmen, weiter zu prahlen: »Ich hatte die große Ehre, sie bei einem wahren Meister zu studieren.«
»Ja, aber was wollt Ihr denn überhaupt mit diesem Drachen anfangen?«, war der Graf nun wieder verwirrt. »Ist es nicht für alle besser, wenn ein solch gewaltiges Monster für immer und ewig ruht?«
»Besser für wen?«, grinste Nikko und meinte: »Für mich ist es besser, wenn der Drache lebt und mir gehorcht.« Mit ernster Stimme stellte er noch klar: »Was für mich gut ist, ist auch gut für Euch, werter Graf. Vergesst das lieber nicht.«
»Natürlich nicht«, verbeugte sich dieser und dachte dann laut: »Ihr wollt das Monster also als Waffe im Krieg einsetzen?«
»Vielleicht«, zuckte Nikko die Schultern. Für heute hatte er Danuwil schließlich genug erzählt.
Am nächsten Morgen hatte sich das Wetter tatsächlich gebessert. Zum Glück. Von einem wirklich schönen Tag konnte man zwar nicht unbedingt sprechen, aber immerhin hatte es aufgehört zu schneien und auch die gestern noch so dichte Wolkendecke hatte sich ein klein wenig gelichtet. Sogar einige Sonnenstrahlen vermochten es, den Nebelpanzer zu durchbrechen – wie goldene Speere, die jemand vom Himmel geworfen hatte.
Die Luft war zwar auch heute noch ziemlich diesig, aber lange nicht mehr so schlimm wie am Vortag. So konnten die drei Wanderer wenigsten erkennen, dass sie tatsächlich unweit des Gebirgsfußes angelangt waren. In wenigen Stunden würden sie von hier aus die steilen Felswände erreichen können. Es war also höchste Zeit, nach dem richtigen Weg Ausschau zu halten.
Eine vernünftige Straße ließ sich jedoch noch immer nicht erkennen, denn auch hier lag ja überall hoher Schnee. Noch viel mehr als auf dem kleinen Hügel, auf dem sie genächtigt hatten. In welche Richtung sollten sie jetzt gehen?
»Dort scheint ein größeres Tal zu sein«, meinte Danuwil, der die Felswände mit seinem Fernrohr absuchte, und zeigte auf eine Öffnung in den Felsen, die südöstlich von ihnen lag. »Von Straßen, Türmen oder sonstigen Gebäuden ist zwar nichts zu erkennen, aber diese könnten sich ja auch weiter hinten im Tal befinden.«
»Der Turm lag ziemlich weit oben in den Bergen«, erinnerte sich Nikko. »Vielleicht ja erst am Ende eines Tals. Allerdings habe ich das nicht allzu genau erkennen können.« Mit einem Seufzen fügte er hinzu: »Leider.«
»Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als uns dieses Tal einmal genauer anzuschauen«, zuckte Ygrind mit den Schultern. »Ich sehe jedenfalls kein lohnenderes Ziel.«
»Also gut«, beschloss der Zauberer. »Schauen wir uns dieses Tal als Erstes an. Irgendwo müssen wir ja ohnehin anfangen.«
Es hatte doch etwas länger gedauert als erwartet, bis sich die drei Reisenden ihren Weg in das Tal hinein gebahnt hatten. Hier im Gebirge lag derart viel Schnee, dass man manchmal bis über beide Ohren darin versank, wenn man nicht genau aufpasste, wohin man trat. Der garstige Winterwind hatte offenbar viele Löcher und Kuhlen mit Schnee zugeweht, sodass sie für jeden, der hier querfeldein wanderte, ein Ärgernis und sogar eine echte Gefahr darstellten.
An einigen Stellen hatte Nikko das Weiß mithilfe seiner Magie wegwehen müssen, genauso wie damals, als er im tiefsten Winter vor den Untoten aus Skingár geflohen war. Dennoch, zu einem Dauerzustand durfte die zusätzliche Zauberei nicht werden. Immerhin hielt der junge Meister seit vielen Tagen einen Wärmezauber aufrecht, dazu diverse Schutzschilde, und musste zudem auch noch die ganze Verpflegung für die Gruppe herbeizaubern.
So war es nicht verwunderlich, dass Nikko um eine Pause bitten musste, obwohl es noch nicht einmal Mittag war. Andererseits war es ohnehin ein geeigneter Zeitpunkt, um sich erneut zu orientieren. Es ergäbe schließlich keinen Sinn, weiter in das Tal hineinzugehen, wenn dies nicht der richtige Weg zu diesem Turm war.
Während Danuwil erneut sein Fernrohr bemühte, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, entdeckte Nikko einige Steinwürfe von ihnen entfernt einen tiefgefrorenen Wasserfall. Offenbar folgte ihr Weg einem Bachlauf, den sie wegen des vielen Schnees bisher aber nicht bemerkt hatten.
»Einen Turm kann ich noch immer nirgends erkennen«, seufzte Danuwil. »Allerdings könnte ein solcher auch hinter jeder Felswand verborgen sein. Außerdem dürfte er mittlerweile so weit zerfallen sein, dass nur noch seine Grundmauern stehen.«
»Da könntet Ihr recht haben«, nickte der Zauberer. »Was ich gesehen habe, ist immerhin um die sechs Jahrhunderte her. Auch damals schon war der Turm eine Ruine.«
»Sechshundert Jahre?«, wunderte sich der Graf und hatte noch immer sein Teleskop am Auge. »Dann dürfte von ihm eigentlich noch weniger übrig sein als von der Stadt. Das Wetter in den Bergen ist schließlich … Moment mal, das ist doch ein Weg, den ich da erspähe!«
»Zeigt mal her!«, war Nikko nun ganz aufgeregt und ließ sich das Fernrohr reichen. Der Graf richtete es in etwa auf den Punkt, wo er den Weg erspäht hatte. »Tatsächlich«, freute sich der Zauberer über die eindeutig künstlich geschaffene Einkerbung in den Felsen. »Das sieht auch mir nach einem Pfad aus.«
»Das wird aber eine gehörige Kletterei«, lachte die Jägerin, die den Weg nun auch mit bloßen Augen zu erkennen schien. »Vor allem müsst Ihr erst einmal herausfinden, wo es von hier aus dort hinauf geht.«
»Darauf wäre ich selbst nie gekommen«, ätzte Danuwil und verdrehte die Augen. Er ließ sich von Nikko sein Fernrohr zurückgeben und versuchte dann, den Verlauf des Pfads von den hohen Felsen bis ins Tal hinunter zu verfolgen.
»Irgendwo dort hinten«, meinte er schließlich und zeigte auf ein Gebiet jenseits des gefrorenen Wasserfalls. »Wo genau der Weg durch die Bäume führt, lässt sich von hier aus zwar nicht erkennen, aber irgendwo dahinter muss er in die Felsen hoch steigen.«
Nikko ließ es sich nicht nehmen, den Verlauf des Pfades mit dem Teleskop selbst noch einmal nachzuvollziehen, kam jedoch zu demselben Schluss. Hoffentlich war dies auch der richtige Weg, sonst wäre all die Kletterei am Ende noch vergebens. Aber irgendwie hatte der Magier ein gutes Gefühl bei der Sache. Dennoch, sollten sie den Aufstieg heute überhaupt noch wagen?
»Gut, suchen wir erst einmal den Anfang des Weges zwischen den Bäumen«, beschloss Nikko. »Mal sehen, ob dann noch genügend Tageslicht übrig bleibt oder ob wir mit dem Aufstieg lieber bis morgen warten.«
Der winterliche Wald entpuppte sich eher als eine Ansammlung etwa mannshoher Nadelgewächse. So mühselig sich der Weg hindurch auch gestaltete, so schnell war der Pfad hoch in die Felsen dann doch gefunden. Wenn man erst einmal wusste, wo genau zu suchen war, fanden sich so manche Dinge eben fast wie von selbst. So war es dann erst früher Nachmittag, als sie an die Stelle kamen, von der aus der Steig in die Berge hinauf führte.
»Es ist vielleicht keine gute Idee, den Aufstieg noch heute zu wagen«, meinte Nikko beim Anblick des teils tief verschneiten Pfades, der zudem eine ziemliche Steigung aufwies. Jedenfalls, so weit man es von hier aus erkennen konnte.
»Wir haben noch mehrere Stunden Tageslicht«, konterte Ygrind und zuckte mit den Schultern: »Außerdem wissen wir nicht, ob morgen nicht wieder schlechtes Wetter kommt. Aber es ist natürlich Eure Entscheidung.«
»Wir wissen ohnehin nicht, wie weit dieser Weg in die Berge führt«, keuchte Danuwil. »Auch haben wir keine Ahnung, was uns dort erwartet. Ob wir es nun noch heute angehen oder erst morgen … nun ja, es gibt eigentlich keinen Grund, auf morgen zu warten.«
»Vielleicht habt Ihr ja recht«, war Nikko jetzt auch überzeugt, dass es kaum Sinn hätte, ihre Reise zu verzögern. Wenn sich Danuwil und Ygrind schon ausnahmsweise einmal einig waren, dann lagen sie bestimmt nicht falsch. Zur Not müsste er eben wieder mit Magie dafür sorgen, dass sie nicht erfrieren, aber das war auf dieser skurrilen Reise ja kaum etwas Neues.
Bereits einige Stunden später bereute Nikko diese Entscheidung bitter. Der Aufstieg hatte sich bis hierhin schon deutlich schwieriger gestaltet, als er zunächst vermutet hatte. Auch hatte sich das Wetter wieder gewendet.
Dunkle Wolken ließen nun Unmengen Schnee auf die drei Wanderer herniedergehen und nahmen ihnen so fast die Sicht. Ohne Nikkos Lichtzauber wäre es aber ohnehin schon viel zu dunkel gewesen, um überhaupt noch etwas erkennen zu können. Gegen die Eiseskälte musste der Magier zudem seinen Wärmezauber mehrfach verstärken, wie auch den Schutzschild gegen den beißenden Wind, der ihnen sonst gnadenlos den Schnee in die Gesichter gepeitscht hätte. Oft genug musste er obendrein den Pfad vom kalten Weiß befreien, damit sie überhaupt weitergehen konnten.
Die viele Zauberei und die Strapazen der Kletterei forderten von Nikko nun erkennbar Tribut. Bei jedem seiner im Schnee immer schwerer werdenden Schritte spürte er, wie ihm die Energie aus allen Poren wich. Lange würde er diese Tortur nicht mehr durchhalten können!
Schon wenige Augenblicke später war es dann soweit. Nikko blieb stehen und überlegte panisch, was er nun machen sollte. Wenn er seine Zauber abbrechen würde, müssten er und seine Begleiter wohl jämmerlich erfrieren. So weit oben in den eisigen Felsen war schließlich kein Holz mehr zu finden. Würde er seine Zauber hingegen weiter aufrechterhalten … Es dürfte wohl auf das Gleiche hinauslaufen.
»Wir sollten hier keine lange Pause machen«, mahnte Danuwil. »Ich hoffe doch, es findet sich irgendwo ein geschütztes Plätzchen für unser Nachtlager, falls wir den verfluchten Turm nicht vorher noch finden.«
»Ich kann einfach nicht mehr«, keuchte Nikko und sah für einen kurzen Augenblick nur schwarz vor Augen …
»…ber wieder her!«, hörte er den Grafen auf einmal gegen den Sturm anschreien, dessen Pfeifen vorher noch von Nikkos Schild abgeschirmt gewesen war. Oh je, war der Schutzzauber etwa zusammengebrochen? Ja, denn nun konnte der Magier auch die eisige Kälte spüren.
»Bitte, Meister«, drängte Danuwil nun wieder. »Sonst sind wir hier oben des Todes!«
Nikko fühlte, dass ihm einfach die Energie fehlte, all die Zauber zu erneuern und dann auch aufrechtzuerhalten. Nach einer Meditation in der Kraft sähe das bestimmt wieder anders aus, aber bis dahin wären sie wohl schon längst erfroren. Verflucht, was sollte er jetzt nur machen?
Für einen Teleport würden seine Kräfte sicherlich noch reichen, aber so kurz vor dem Ziel aufzugeben, war doch keine Option. All die Wochen der Reise wären dann umsonst gewesen. Außerdem hatte Nikko ja sein Schicksal zu erfüllen!
»Nikko!«, brüllte der Graf. »Tut doch endlich was! Ich spüre meine Füße kaum noch.«
Auch wenn Danuwil damit sicherlich übertrieb, es blieb keine Zeit mehr, länger zu überlegen. Moment mal, wie wäre es mit einem Dimensionssprung? Aber wohin?
Die schwarze Dimension mit ihren überall herumwuselnden Viechern schien Nikko in seinem geschwächten Zustand zu gefährlich. Wohin ihn von hier aus ein Sprung in die Dimension des Nekromanten füh