Über das Buch:
Motivierte Mitarbeiter sind für ihr Unternehmen wertvoll. Studien belegen, dass nicht das Geld, sondern die Wertschätzung Mitarbeiter zufrieden macht. Chapman definiert 5 verschiedene Sprachen, durch die ein Vorgesetzter Wertschätzung vermitteln kann. Sprachen, die den Unternehmenserfolg fördern, denn motivierte Mitarbeiter reagieren mit verstärktem Engagement.
Über den Autoren:
Gary Chapman ist zwar im Pensionsalter, will aber nichts von Ruhestand wissen. Er lebt mit seiner Frau Karolyn in North Carolina, arbeitet als Seelsorger seiner Gemeinde, hält Ehe-Seminare und ist Autor zahlreicher Bücher. Mit seinem Buch „Die fünf Sprachen der Liebe“ hat er einen neuen Schlüssel zur Kommunikation gefunden und damit ein Millionenpublikum erreicht.
4. Die zweite Sprache der Wertschätzung: Sich Zeit nehmen
Anne Taylor ist eine Teamplayerin. Sie hilft bei der Organisation von großen Veranstaltungen der Privatschule, an der sie arbeitet. Ihre eigentliche Arbeit besteht darin, zu entscheiden, welche Schüler aufgenommen werden, doch jeder weiß, dass sie auch das alljährliche Fundraising und das Ehemaligentreffen organisiert. Außerdem leistet sie hervorragende Arbeit, wenn es darum geht, ein großes Team von freiwilligen Helfern anzuleiten.
Anne geht gern mit ihren Kollegen und Vorgesetzten aus, nachdem eine Aufgabe erledigt ist. Irgendwann einmal sagte sie: „Ich finde, wir sollten alle zusammen feiern.“ Damit begründete sie eine neue Tradition – nun gehen sie immer Eis essen, wenn sie nach einer großen Veranstaltung aufgeräumt haben. Darauf freut sich das ganze Team. Anne möchte ihrem Team ihre Wertschätzung zeigen, und das tut sie auf diese Weise.
Nachdem wir uns mit Anne unterhalten hatten, waren wir nicht überrascht, dass die für sie wichtigste Sprache der Wertschätzung Zeit ist, die sie sich für andere nimmt und die sich andere für sie nehmen. Am meisten fühlt sie sich anerkannt und bestätigt, wenn der Schuldirektor Mr Johnson in ihrem Büro vorbeikommt, sich hinsetzt und sagt: „Erzählen Sie mir doch mal, wie es bei Ihnen so läuft.“ Dann kann sie ihm von den Fortschritten berichten, die sie bei verschiedenen Projekten macht, kann ihm erzählen, wo sie frustriert ist, und ihm Vorschläge unterbreiten. All das führt dazu, dass sie sich ermutigt und geschätzt fühlt. Ob Mr Johnson das nun merkt oder nicht – dass er sich Zeit nimmt, um sich nach Annes Arbeit zu erkundigen, gibt ihr das Gefühl, zum Team zu gehören, sodass sie mit neuer Kraft weiterarbeiten kann.
Mitarbeitern Zeit zu widmen und ihnen in dieser Sprache Wertschätzung zu zeigen, stellt für Führungskräfte ein mächtiges und doch oft missverstandenes Werkzeug dar. In der Vergangenheit interpretierten viele Vorgesetzte den Wunsch ihrer Mitarbeiter nach Zeit als unangemessenes Bedürfnis nach Freundschaft, als einen Versuch, sich gute Karten beim Chef zu verschaffen, um mehr Einfluss ausüben und kleine Gefälligkeiten in Anspruch nehmen zu können. Unsere Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass Angestellte, denen diese Sprache der Wertschätzung am wichtigsten ist, nur selten solche Hintergedanken haben. Sie möchten einfach das Gefühl haben, dass das, was sie tun, von Bedeutung ist, und ihre Vorgesetzten ihren Beitrag zu schätzen wissen. Es sind diese kurzen, aber aufrichtigen Interessensbekundungen, durch die sie sich geschätzt und anerkannt fühlen.
Manager, die verstehen, dass es unterschiedliche Sprachen der Wertschätzung gibt, werden entdecken, dass manche Mitglieder ihres Teams Zeit und Aufmerksamkeit brauchen, um das Gefühl zu bekommen, ein wichtiges Mitglied der Gruppe zu sein. Dann ist es eine kluge Investition, ihnen tatsächlich auch etwas Zeit zu widmen, denn dadurch fühlen sie sich wertgeschätzt, sie identifizieren sich mit den Zielen ihrer Firma oder Organisation und setzen sich dafür ein, das jeweils anstehende Projekt erfolgreich abzuschließen.
Jason ist Büroleiter in einer Gemeinschaftspraxis mit mehreren Ärzten. Dort trägt er die Verantwortung für alles, was mit Personalfragen, Rechnungsstellung sowie Gebäude und Ausstattung zu tun hat. Außer ihnen arbeiten dort noch einige Pflegekräfte und andere Helfer, die Leitungsfunktion nimmt einer der zehn Ärzte wahr. Jason weiß, dass Dr. Schultz sich neben ihren vielen Patienten auch noch um Verwaltungsaufgaben und die Betreuung der Praktikanten zu kümmern hat. Er schätzt es sehr, dass sie sich dennoch die Zeit nimmt, sich einmal in der Woche mit ihm zu treffen, um über seine Belange und eventuell aufgetretene Probleme zu reden. Jason formulierte es uns gegenüber so: „Ich weiß, dass Dr. Schultz viel zu tun hat – unglaublich viel. Doch sie nimmt sich immer die Zeit, sich praktisch jede Woche mit mir zusammenzusetzen. Wenn sie das nicht täte, hätte ich das Gefühl, außen vor zu stehen, und dass das, was ich tue, im Grunde nicht zählt.“ Dass Dr. Schultz diese Zeit investiert, zahlt sich vielfach aus, denn so bleibt Jason motiviert.
Was bedeutet es, sich Zeit für jemanden zu nehmen?
Sich Zeit für jemanden zu nehmen zielt darauf ab, dass man einem Menschen seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Dabei geht es nicht einfach nur darum, sich mit einem anderen Menschen im selben Raum aufzuhalten. Die meisten von uns arbeiten den ganzen Tag mit anderen Menschen zusammen, doch nach Feierabend müssen sie ehrlicherweise sagen: „Für keinen meiner Kollegen habe ich mir heute wirklich Zeit genommen.“ Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Schlüsselelement für „sich Zeit nehmen“ nicht die räumliche Nähe, sondern ungeteilte Aufmerksamkeit ist.
Genau wie bei Lob und Anerkennung gibt es auch bei dieser Sprache der Wertschätzung verschiedene Dialekte. Einer der häufigsten ist das intensive Gespräch. Damit ist ein empathischer Dialog gemeint, in dem sich zwei Gesprächspartner über ihre Gedanken, Gefühle und Wünsche austauschen, und zwar in einer freundlichen Atmosphäre, ohne dass die Gefahr einer Unterbrechung besteht.
Solch eine intensive Unterhaltung unterscheidet sich beträchtlich von Lob und Anerkennung. Bei Letzterem geht es in erster Linie darum, was wir sagen, beim intensiven Gespräch eher um das, was wir hören. Es geht darum, einen geschützten Rahmen zu schaffen, in dem der Gesprächspartner von seinen Erfolgen, seiner Frustration und seinen Ideen erzählen kann. Natürlich stellt man auch Fragen, aber nicht, um den Gesprächspartner in die Enge zu treiben, sondern um wirklich zu verstehen, was ihn bewegt.
Viele Manager sind dafür ausgebildet worden, Probleme zu analysieren und Lösungen zu präsentieren. Eine Beziehung erfordert es jedoch, dass man empathisch zuhört, um zu verstehen, was im anderen vorgeht. Das haben manche Manager kaum trainiert. Wir mögen gut darin sein, Vorträge zu halten und Anweisungen zu erteilen, aber zuhören können wir nicht gut. Zuhören zu lernen kann so schwierig sein wie eine Fremdsprache zu erlernen. Doch um diesen Lernprozess kommen wir nicht herum, wenn wir wollen, dass unsere Mitarbeiter sich wertgeschätzt und anerkannt fühlen. Das gilt vor allem für Mitarbeiter, deren bevorzugte Sprache der Wertschätzung Sich Zeit nehmen ist. Glücklicherweise gibt es eine Reihe von Büchern und Artikeln, die sich mit der Frage beschäftigen, wie man Zuhören lernt. Wir wollen hier nicht wiederholen, was dort alles aufgeführt wird, sondern Ihnen nur einige praktische Tipps geben:
1. Nehmen Sie Augenkontakt auf. Widerstehen Sie der Versuchung, an die Decke zu blicken, auf den Fußboden, aus dem Fenster oder auf den Computermonitor. Augenkontakt bewahrt Sie davor, Ihre Gedanken schweifen zu lassen, und zeigt Ihrem Gesprächspartner, dass er Ihre volle Aufmerksamkeit hat.
2. Tun Sie nichts anderes, während Sie zuhören. Viele von uns brüsten sich mit der Fähigkeit, viele Dinge gleichzeitig erledigen zu können. Das ist zwar eine bewundernswerte Eigenschaft, vermittelt Ihrem Gesprächspartner jedoch nicht die Botschaft, dass Sie sich wirklich für ihn interessieren. Denken Sie daran: Wenn Sie sich Zeit für jemanden nehmen, schenken Sie ihm Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Wenn Sie gerade mit etwas anderem beschäftigt sind, das keinen Aufschub duldet, sagen Sie demjenigen, der mit Ihnen sprechen möchte: „Ich weiß, dass Sie mit mir reden wollen, und das will ich auch unbedingt. Aber Sie sollen meine volle Aufmerksamkeit haben. Im Moment geht das nicht, aber wenn Sie noch zehn Minuten warten, damit ich das hier zu Ende bringen kann, setzen wir uns hin, und dann höre ich Ihnen zu.“ Die meisten Menschen respektieren solch eine Bitte.
3. Hören Sie nicht nur auf Gedanken, sondern auch auf Gefühle. Fragen Sie sich beim Zuhören: „Welche Emotionen hat mein Gesprächspartner?“ Wenn Sie die Antwort gefunden zu haben glauben, lassen Sie sie sich bestätigen. Sie könnten zum Beispiel sagen: „Ich habe den Eindruck, dass Sie enttäuscht und verletzt sind, weil Sie das Gefühl haben, bei der Beförderung übergangen worden zu sein. Stimmt das?“ Das gibt Ihrem Gegenüber die Chance, sich dazu zu äußern. Darüber hinaus signalisiert es ihm, dass Sie ihm aufmerksam zuhören.
4. Bekräftigen Sie Ihren Gesprächspartner in seinen Gefühlen, selbst wenn Sie mit seinen Schlussfolgerungen nicht übereinstimmen. Wir sind emotionale Geschöpfe. Emotionen zu ignorieren bedeutet einen beträchtlichen Teil unseres Menschseins zu ignorieren. Wenn ein Manager zu einem Mitarbeiter sagt: „Ich kann verstehen, warum Sie so empfinden. Wenn ich in Ihrer Haut steckte, ginge es mir vermutlich genauso“, kann er auch fortfahren: „Ich möchte Ihnen erklären, wie diese Entscheidung zustande kam.“ Weil Sie die Gefühle Ihres Gesprächspartners ernst nehmen, ist die persönliche Beziehung nun so tragfähig, dass er Ihrer Erklärung eher zuhört.
5. Achten Sie auf Körpersprache. Geballte Fäuste, zitternde Hände, Tränen, eine gerunzelte Stirn und schnelle Augenbewegungen liefern Ihnen eventuell Hinweise darauf, wie sich Ihr Gesprächspartner fühlt. Manchmal vermittelt die Körpersprache eine andere Botschaft als die gesprochenen Worte. Klären Sie die Situation, um wirklich zu verstehen, was Ihr Gesprächspartner denkt und empfindet.
6. Unterbrechen Sie Ihren Gesprächspartner nicht. Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass man im Durchschnitt nur siebzehn Sekunden zuhört, bevor man seinen Gesprächspartner unterbricht, um die eigenen Vorstellungen zu präsentieren. Wenn Sie Ihrem Gesprächspartner Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, bewahrt Sie das davor, sich zu verteidigen, ihm anklagende Worte entgegenzuschleudern oder dogmatisch auf Ihrer Position zu beharren. Ihr Ziel ist es dann, die Gedanken und Gefühle des anderen zu verstehen, nicht sich selbst zu verteidigen oder den anderen zurechtzuweisen. Sie möchten ihn einfach verstehen. Daraus ergibt sich eine positive, tragfähige Beziehung, wohingegen Sie sich mit einer Verteidigungshaltung Feinde machen.
Das soll keineswegs heißen, dass kein Raum für Sie bleibt, Ihre eigenen Ideen und Gefühle darzustellen. Wenn Sie jedoch einem Kollegen gegenüber Ihre Wertschätzung zum Ausdruck bringen wollen, indem Sie Zeit mit ihm verbringen, geht es in erster Linie darum, seine Gedanken und Gefühle zu verstehen. Wenn Sie ihm aufmerksam zugehört haben, können Sie die Dinge auch aus Ihrem Blickwinkel darstellen. Weil Sie ihm zugehört haben, wird er hoffentlich auch Ihnen zuhören. Empathisches Zuhören auf beiden Seiten ermutigt einen Menschen, dessen bevorzugte Sprache der Wertschätzung Sich Zeit nehmen ist, und gibt ihm das Gefühl, wertgeschätzt zu werden.
Sandra, die Assistentin eines Verkaufsmanagers, meinte uns gegenüber einmal: „Ich weiß, dass Raphael viel zu tun hat. Er hat eine Menge um die Ohren und ist ständig in Bewegung, aber wenn er sich nur einmal pro Woche eine Viertelstunde Zeit nehmen würde, um sich mit mir intensiv und ohne Unterbrechung zu unterhalten, würde mir das sehr helfen.“ Sandra bittet also um intensive Gespräche. Ohne diese Unterhaltungen fühlt sie sich nicht wertgeschätzt.
Ein zweiter Dialekt dieser Sprache sind gemeinsame Erlebnisse. Für manche Mitarbeiter sind gemeinsame Erlebnisse mit ihren Kollegen eine gute Art, das Dazugehörigkeitsgefühl zu stärken und sich neu motivieren zu lassen. Für sie ist es eine wichtige und gemeinschaftsfördernde Erfahrung, zusammen zu einer Konferenz zu fahren, gemeinsam essen zu gehen oder andere Dinge zu tun, die ihnen Spaß machen. Einer gepflegten Unterhaltung können sie vielleicht nicht so viel abgewinnen, doch sie fühlen sich wertgeschätzt, wenn man sie zu einer gemeinsamen Unternehmung mit Vorgesetzten und Kollegen einlädt.
Sylvia Hatchell, die die Basketball-Frauenmannschaften der Universität von North Carolina trainiert, schreibt den Erfolg ihres Teams der Tatsache zu, dass sie die fünf Sprachen der Wertschätzung beherrscht. „Wenn ich weiß, dass eins meiner Mädchen vor allem auf Lob und Anerkennung reagiert, dann suche ich nach Möglichkeiten, sie mit Worten zu ermutigen. Doch wenn ich entdecke, dass ihre Sprache der Wertschätzung Sich Zeit nehmen ist, lade ich sie samstags zu mir nach Hause ein, und wir waschen zusammen unsere Autos. Das schafft ein Band zwischen uns, und sie geht mit dem Wissen nach Hause, dass ich sie als Mensch mag und schätze. Wenn sich meine Mädchen wertgeschätzt fühlen, sind sie auch hoch motiviert, auf dem Platz das Beste zu geben.“
Der Wunsch nach gemeinsamen Erfahrungen ist die Grundlage dafür, dass Führungskräfte zusammen ein Outdoor-Seminar besuchen oder die Belegschaft gemeinsam zu einer Sportveranstaltung geht. Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Männer, deren bevorzugte Sprache der Wertschätzung Sich Zeit nehmen ist, im Allgemeinen gemeinsame Erlebnisse einem intensiven Gespräch in einer ruhigen Atmosphäre vorziehen. Sie bauen Beziehungen eher dadurch auf, dass sie etwas gemeinsam unternehmen, wie zum Beispiel Golf spielen, jagen, angeln, ein Fußballspiel anschauen oder sich zusammen bei einem gemeinnützigen Hausbauprojekt engagieren, wie zum Beispiel Habitat for Humanity. Natürlich reden sie dabei auch miteinander, doch der springende Punkt ist, dass sie etwas mit ihren Arbeitskollegen unternehmen, das entweder der Freizeitgestaltung dient oder der Gesellschaft nützt.
Ein dritter Dialekt dieser Sprache ist das Gespräch in Kleingruppen. Manche Menschen fühlen sich bei einem Vieraugengespräch mit ihrem Vorgesetzten unbehaglich. In einer Kleingruppe aber, wo der Vorgesetzte um Ideen und Vorschläge bittet, sind sie nicht so schüchtern und äußern eher eigene Ideen und Vorstellungen. Wenn ihr Vorgesetzter aufmerksam zuhört und ihnen signalisiert, dass er ihre Offenheit zu würdigen weiß, fühlen sich die Betreffenden wertgeschätzt und anerkannt.
Rick, Direktor eines Unternehmens der Luftfahrtindustrie, sagte einmal: „Ich habe dreihundert Angestellte, und alle drei Monate führe ich Gespräche in Kleingruppen. Dort bitte ich die Menschen, mir ehrlich zu sagen, was das Unternehmen ihrer Meinung nach noch verbessern kann. Einige unserer wichtigsten Verbesserungen gehen auf diese Runden zurück, in denen ich nur zugehört habe. Mir ist es wichtig, dass meine Angestellten wissen, dass ich ihre Ideen schätze.“ Wenn eine Führungskraft den Mitarbeitern so ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt und ihnen die Gelegenheit gibt, ihre eigenen Ideen zu präsentieren, vermittelt sie ihnen das Gefühl, dass sie sie schätzt und anerkennt. Für diejenigen unter den Angestellten, denen Sich Zeit nehmen als Sprache der Wertschätzung am wichtigsten ist, haben solche Treffen eine überaus große Bedeutung.
Ein vierter Dialekt der geschenkten Zeit sieht so aus, dass man im Rahmen eines bestimmten Projekts mit anderen in räumlicher Nähe zusammenarbeitet. Wir haben herausgefunden, dass diesem Dialekt besondere Bedeutung zukommt, wenn es um ehrenamtliche Arbeit geht. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass solche Tätigkeiten als besonders zufriedenstellend erlebt werden, wenn zwei Aspekte zusammenkommen: 1) Die ehrenamtlichen Helfer glauben, dass ihre Arbeit tatsächlich etwas bewirkt und 2) dass ihr Beitrag von anderen geschätzt und anerkannt wird. Das trifft vor allem dann zu, wenn man eng mit anderen Freiwilligen zusammenarbeitet.
Nach dem schweren Erdbeben in Haiti 2010 wurden vielerorts Lebensmittelpakete von Freiwilligen für die notleidenden haitianischen Familien gepackt. Ehrenamtliche Helfer wandten dafür jeweils eine oder noch mehr Stunden auf. Einer von ihnen bemerkte dazu: „Das ist toll. So kann ich nicht nur den Familien in Haiti helfen, sondern auch mit anderen Leuten zusammenarbeiten. Teamwork macht mir einfach mehr Spaß.“ Dieser freiwillige Helfer arbeitete länger als die meisten anderen. Hätte man ihn gebeten, die Lebensmittelpakete allein in einem Warenlager zu packen, hätte er vermutlich weniger Zeit dafür geopfert. Die enge Zusammenarbeit mit anderen machte diesen Einsatz für ihn noch wertvoller.
Ich (Gary) hielt mich vor einiger Zeit in Warwick (Rhode Island) auf, zwei Wochen, nachdem über dieses Gebiet eine Flutkatastrophe hereingebrochen war. Dort aß ich mit freiwilligen Helfern zu Mittag, die für die gemeinnützige Organisation Samaritan’s Purse arbeiteten. Sie entfernten durchnässte Teppichböden und Putz aus den überfluteten Häusern. Schweißnass, schmutzig und erschöpft waren sie, doch sie schöpften Kraft daraus, dass sie als Team zusammenarbeiteten, um den Flutopfern zu helfen.
Im Arbeitsleben sprechen wir oft von Teamwork, doch diese Teams arbeiten nicht immer in räumlicher Nähe zueinander. Jede Person oder jede Arbeitsgruppe sitzt an einem bestimmten Teilbereich des Projekts, doch möglicherweise sind sie voneinander isoliert und kommunizieren kaum miteinander. Das mag zwar die effizienteste Möglichkeit sein, das Ziel zu erreichen, aber es stillt nicht das Bedürfnis nach Anerkennung derjenigen Mitarbeiter, deren Sprache der Wertschätzung Sich Zeit nehmen ist. Wenn sie in räumlicher Nähe zu ihren Kollegen arbeiten, haben sie die Möglichkeit, sich miteinander auszutauschen und sich zu unterhalten. Zusammen mit dem Bewusstsein, dass sie auf ein lohnendes Ziel hinarbeiten, gibt das diesen Menschen das Gefühl, geschätzt und anerkannt zu werden.
Es gibt eine Reihe von Situationen, in denen Vorgesetzte und Mitarbeiter anderen gegenüber ihre Wertschätzung ausdrücken können, indem sie sich dieser Sprache bedienen, sie sich also Zeit für den anderen nehmen. Im Rahmen unserer Beratungstätigkeit in Firmen und anderen Organisationen haben wir Arbeitnehmer gefragt, welche Art, Zeit mit Kollegen und Vorgesetzten zu verbringen, sie für besonders wertvoll erachten. Hier einige Beispiele:
Diese und viele andere Situationen bieten die Möglichkeit, anderen Menschen Zeit zu schenken. Wenn das für jemanden die bevorzugte Sprache der Wertschätzung ist, wird er aufblühen. Wenn diese Sprache hingegen nicht mit ihm gesprochen wird, wird er mit der Zeit den Mut verlieren und unzufrieden werden. Der Unterschied zwischen einem motivierten Angestellten und einem, der nur das Nötigste tut, lässt sich manchmal darauf zurückführen, ob der Vorgesetzte Zeit in diese Sprache investiert hat.
Wichtige Variablen: Wer und wann
Bei unserer Arbeit haben wir regelmäßig wichtige Rückmeldungen von Angestellten bekommen, die nicht im Management arbeiteten. Ihre Erwartungen an Vorgesetzte einerseits und Kollegen andererseits unterscheiden sich beträchtlich. „Die Sache mit dem Sich-Zeit-Nehmen ist für mich schwierig“, sagte zum Beispiel Holly, „weil es davon abhängt, ob damit die Zeit gemeint ist, die ich mit meinem Vorgesetzten verbringe oder die mit meinen Kollegen. Ich mag meinen Chef – er ist ein toller Typ – aber manches unternehme ich eigentlich lieber nur mit meinen Kollegen. Mit meinem Chef käme mir das komisch vor.“ Viele Angestellte würden wohl ebenso empfinden.
Wir haben diese Rückmeldungen aufgegriffen und sie in den MdW-Fragebogen integriert. Die Befragten können nun angeben, ob sie bestimmte Dinge am liebsten mit ihren Kollegen, ihren Vorgesetzten oder mit beiden unternehmen würden. Wir glauben, dass der Fragebogen dadurch für Vorgesetzte und für Kollegen zu einem noch wertvolleren Instrument wird.
Als wir die Ergebnisse mit einem Team von leitenden Mitarbeitern in der Industrie besprachen, kam noch eine weitere wichtige Frage auf den Tisch – wann sprechen wir diese Sprache? Phil, ein recht offenherziger Manager Mitte vierzig, meinte: „Ich will ganz ehrlich sein. Sich Zeit nehmen – das ist wahrscheinlich die für mich wichtigste Sprache der Wertschätzung, und ich bin gerne mit meinen Freunden zusammen. Aber Zeit ist meine wichtigste Ressource. Ich habe eine Frau und drei Kinder, und sie kommen an erster Stelle. Ich würde liebend gerne mit meinen Kollegen ein Spiel besuchen, aber zuallererst bin ich meiner Familie verpflichtet. Wenn ich also Zeit mit euch verbringe, dann am besten im Lauf eines Arbeitstages oder im direkten Anschluss daran.“ Das führte zu einer guten, angeregten Diskussion darüber, wie man mit Kollegen im Verlauf eines Arbeitstages intensiv Zeit verbringen kann (Treffen kurz vor Arbeitsbeginn oder nach Feierabend möglicherweise eingeschlossen).
Ziel verfehlt: „Ich bin doch hier, oder?“
Jeder von uns versucht manchmal, eine Aufgabe zu erledigen, ohne mit dem Herzen dabei zu sein. Leider kann das auch für die Zeit gelten, die wir uns für Mitarbeiter nehmen.
Das Szenario ist nicht ungewöhnlich. In vielen Unternehmen ist es üblich, dass alle zu einem Umtrunk eingeladen werden, wenn ein wichtiger Mitarbeiter befördert wird oder innerhalb der Firma die Position wechselt. Körperlich sind dann alle anwesend, aber oft wird deutlich, dass emotional nicht jeder dabei ist. Jemand kommt zum Beispiel zu spät, unterhält sich nicht mit den anderen, krittelt an den Häppchen herum und verbreitet ganz allgemein schlechte Laune. Die meisten stellen sich dann im Stillen dieselbe Frage: „Warum bist du überhaupt gekommen? So ein Spielverderber hat uns gerade noch gefehlt.“
Wer Zeit mit anderen verbringen will, braucht eine positive Grundhaltung. Wenn man etwas in gereiztem Ton und nur aus Pflichtgefühl sagt, vermittelt man seinen Kollegen nicht die Botschaft: „Du wirst geschätzt und anerkannt“, sondern vielmehr: „Ich habe eigentlich Wichtigeres zu tun, als mit dir hier herumzusitzen.“ Wenn man darüber hinaus noch signalisiert, dass man in Eile ist (indem man häufig auf die Uhr blickt), sich von einem klingelnden Handy unterbrechen lässt oder zwischendurch eine SMS schreibt, zeugt das nicht davon, dass man dem anderen Wertschätzung entgegenbringt. Echte Wertschätzung erfordert Aufrichtigkeit.
Hart arbeiten, feste feiern
Daniel Wooster arbeitet hart – das kann jeder seiner Kollegen bestätigen. Was immer er tut, tut er mit vollem Einsatz. Er ist bereit, allein zu arbeiten, zusammen mit Kollegen, ein Team zu leiten oder auch Aufgaben zu delegieren, damit eine bestimmte Aufgabe erledigt werden kann. Daniel arbeitet aber nicht nur hart, sondern kann auch feste feiern. In seiner Freizeit platzt er förmlich vor Tatendrang, er erzählt Geschichten und lacht gerne, treibt Sport (er joggt und fährt Fahrrad), und daneben hat er noch eine Reihe von Hobbys.
Nach Feierabend unternimmt Daniel gern etwas mit seinen Kollegen. Am liebsten hat er es, wenn ihn sein Abteilungsleiter, der Chef oder die Kollegen dabei begleiten. Er sieht sich gern Football- oder Basketballspiele von Highschool- oder Universitätsmannschaften an, guckt im Fernsehen Profifootballspiele, geht fischen oder jagen. Er hält sich gerne draußen auf, und egal was er dort macht, er macht es am liebsten mit anderen zusammen. Wenn sein Chef oder ein Kollege ihn am Wochenende zu einer Partie Golf, einem Grillabend oder einer Runde Joggen einlädt, hat er das Gefühl, ein anerkanntes Mitglied des Teams zu sein. Für Daniel ist Sich Zeit nehmen die bevorzugte Sprache der Wertschätzung.
Einem Menschen, mit dem man zusammenarbeitet, Wertschätzung zu zeigen, indem man sich für ihn Zeit nimmt, kann ganz unterschiedlich aussehen, doch in der Regel hat das eine gewaltige Wirkung. Wenn die bevorzugte Sprache der Wertschätzung dieses Menschen Sich Zeit nehmen ist, wird sich die Mühe auszahlen und Sie können keine bessere Investition in ihn tätigen.
Persönlich nachgefragt
1. Wie wichtig ist es für Sie auf einer Skala von 1 bis 10, wenn sich Ihr Vorgesetzter viel Zeit für Sie nimmt? Und wenn Kollegen sich Zeit nehmen?
2. Wenn Sie das Gefühl hätten, Ihr Vorgesetzter würde sich Ihre Ideen wirklich gern anhören, welche Vorschläge würden Sie dann machen?
3. Wenn Sie Ihre Freizeit mit Kollegen verbringen, fragen Sie sie häufig nach ihren persönlichen Interessen? Wünschen Sie sich, dass sie sich auch nach Ihren erkundigen?
4. Haben Sie im Lauf der vergangenen Woche schon ein intensives Gespräch mit einem Kollegen geführt? Wie haben Sie sich danach gefühlt?
5. Bevorzugen Sie im Hinblick auf Ihren Vorgesetzten Gespräche in Kleingruppen oder unter vier Augen? Und im Hinblick auf die Kollegen?
6. Wenn Sie den MdW-Fragbogen noch nicht ausgefüllt haben, könnten Sie das doch diese Woche tun.
7. Vielleicht schlagen Sie vor, dass Ihre ganze Arbeitsgruppe den Fragebogen ausfüllt. Dann regen Sie ein Gespräch an, in dem Sie Ihre Ergebnisse vergleichen.