Inhaltsverzeichnis
APPETITHAPPEN
SCHRITT EINS WER BIN ICH?
SCHRITT ZWEI RUF ZUM ABENTEUER
SCHRITT DREI DIE WUNDE
SCHRITT VIER DAS ZIEL
SCHRITT FÜNF FREUNDE UND FEINDE
SCHRITT SECHS DAS HERZ DER KREATUR
SCHRITT SIEBEN ZERREISSPROBE
SCHRITT ACHT SCHEITERN
SCHRITT NEUN KATASTROPHE
SCHRITT ZEHN HÖHEPUNKT
SCHRITT ELF DAS NEUE SELBST
ÜBERSICHT ÜBER DIE HELDENREISE
LITERATURLISTE
DANKSAGUNG
DIE AUTORIN
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Ulrike Dietmann
Das Handwerk der Inspiration
Ein Buch für dich
spiritbooks
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© 2012 spiritbooks, 73230 Kirchheim/Teck
Verlag: spiritbooks, www.spiritbooks.de
Autor: Ulrike Dietmann
Coverfoto: Kevin Wächter
Covergestaltung: Kevin Wächter
Autorenporträt: Martin Roser
eBook-Erstellung/-Konvertierung: PCS Books - Gabriele Schmid, www.pcs-books.de
ISBN: 978-3-946435-01-3
Vers. 1.1 (Februar 2016)
Für die Sternschnuppen: Martin, Lea, Joel
Für alle, die sich mir mit ihren Texten anvertraut haben
Für meine Brüder und Schwestern vom Stamm der Autoren
Klammere dich ans Verrücktsein
Konventionelle Meinungen sind der Ruin unserer Seele,
etwas Geliehenes, das wir mit etwas Eigenem verwechseln.
Da ist es besser, nichts zu wissen;
klammere dich lieber ans Verrücktsein.
Lass die Sicherheit fahren
und sei zu Hause unter den Gefahren.
Lass deinen guten Namen hinter dir
und nimm die üble Nachrede hin.
Ich habe lange mit vorsichtigen Gedanken gelebt;
jetzt werde ich verrückt werden.
Rumi (13. Jhdt.)
APPETITHAPPEN
Beatrice engagierte mich als Coach, weil sie mit ihrem Buchprojekt nicht vorankam. Sie wollte eine innovative Methode des Pferdetrainings vorstellen, die nichts weniger als die gigantische Zielgruppe der Reiter und Pferdebesitzer Deutschlands, ungefähr eine Million Menschen, um den Verstand bringen würde. Das Projekt hörte sich gut an, Erfahrung als Autorin hatte sie auch.
„Wo liegt das Problem?“, fragte ich. Weil wir beide Pferdemenschen waren, duzten wir uns recht schnell.
„Mein Terminkalender ist bis zum Platzen voll. Ich falle jeden Abend wie tot ins Bett“, sagte sie. „Wann soll ich das noch schreiben?“
Ungefähr 99,99 Prozent aller Autoren haben dieses Problem. Und es erstaunt mich immer wieder, dass dennoch jedes Jahr so unglaublich viele neue und gute Bücher veröffentlicht werden. Irgendwer muss sie ja irgendwann schreiben, neben der Handvoll deutscher Autoren, die davon leben können.
„Was ist dein Hauptmotiv, dieses Buch zu schreiben?“, fragte ich.
„Ich möchte neue Kunden für meinen Reitbetrieb gewinnen, solche die reelle Preise für Reitstunden und Pferdetraining und Workshops bezahlen können. Meine Betriebskosten sind zu hoch, ich gehe am Stock. Ich kann das nur mit einem neuen, höherwertigen Angebot auffangen. Ein Buch würde meinen Marktwert erhöhen.“
„Mhm.“ Ein legitimes Motiv für ein Sachbuch. Aber ob es Motivation genug wäre für das Schreiben von zweihundert Seiten Sachbuch? Anscheinend nicht.
„Das Schreiben muss Spaß machen, sonst wird das nichts“, erwiderte ich so schnörkellos, wie man nur mit Pferdemenschen sprechen kann.
„Das Problem ist“, sagte Beatrice, „ich kenne alles, worüber ich schreiben will, in- und auswendig und es langweilt mich zu Tode. Deshalb habe ich keine Lust anzufangen.“
„Gibt es etwas anderes, das dich fasziniert?“
„Für private Vergnügungen habe ich keine Zeit. Ich wollte dich fragen, ob du nicht Lust hast, mein Buch als Ghostwriter zu schreiben. Du kennst dich doch aus mit Pferden.“
Die Lust, Schrägstrich Zeit, hatte ich nicht.
Beatrice nahm sich fest vor, mit dem Buch anzufangen, obwohl sie und ich ahnten, dass es zu nichts führen würde. Einen anderen Ghostwriter suchen, einen Zeitplan erstellen, eine Stallhilfe einstellen und einige andere Dinge, die ich ihr vorschlug, dafür hatte sie ebenfalls keine Zeit. Nach drei Monaten meldete sich Beatrice wieder, völlig verzweifelt. Ihr alter Wallach, Smokey, war erkrankt, brauchte eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung und die Tierarztkosten fraßen ihre letzten Ersparnisse auf. Das Buch war keine Zeile vorangekommen.
„Gibt es irgendetwas in deinem Leben, das dich auch nur ein Fünkchen inspiriert?“, fragte ich.
Ich hörte ein imaginäres Dumm-dumm-Geschoss durch das Telefon an mein Ohr fliegen. Es folgte ein längeres Schweigen, dann: „Ich habe letzte Nacht ein Buch gelesen von Deepak Choprah, es heißt Feuer im Herzen. Ich las die letzten Zeilen, als die Sonne aufging. Mann, wenn mir das einer vor zehn Jahren erzählt hätte, hätte ich mir viel Stress ersparen können.“ Beatrice hätte auch ein anderes Buch lesen können, einen Film sehen, einem Engel begegnen oder in der Kaffeetasse lesen können. Entscheidend war, dass ein Lichtstrahl in ihre Seele vorgedrungen war.
In der Geschichte von Beatrice finde ich mich selbst wieder. Nicht, weil ich einen Pferdehof betreibe, sondern, weil ich eines Tages aufwachte und mir klar wurde, dass ich am Wesentlichen vorbeigelebt hatte, einfach, weil ich nichts davon gewusst hatte. Ich hatte wohl Philosophie studiert, die Bibel gelesen, C.G. Jung durchpflügt und eine Magisterarbeit über das Theater und die Alchemie verfasst, aber in all dem fand ich nicht die Antwort, die ich wirklich suchte.
Der Wandel kam, als ich mir ein Pferd kaufte, das ich mit all meiner Klugheit und Lebenserfahrung nicht bändigen konnte. Um den Unterhalt für das Pferd zu finanzieren, gründete ich die Pegasus-Schreibschule. Damals wusste ich nicht, dass viele Menschen nicht nur schreiben lernen wollen, sondern auf der Suche nach einem kreativeren Bewusstsein sind. Oder anders, dass man das Schreiben nicht lernen kann, wenn man nicht zuerst ein anderer Mensch wird. Genau das begann ich zu beobachten. Jetzt hatte ich nicht nur ein heißes junges Vollblut im Stall, sondern auch einen Stall voller hochsensibler Kreativer, die von mir Wunder erwarteten.
Früher oder später, stellte ich fest, fuhr jeder Autor sein Projekt gegen die Wand. Ich wusste auch, ausgehend von der Erfahrung mit meinem Pferd, dass es dann erst interessant wird. Wie sah die Wand aus und in welchem Winkel war der Autor aufgeprallt? Die Fähigkeit, einen klaren Kopf zu behalten und den unvorstellbaren emotionalen Schmerz durchzustehen, den das Scheitern eines Schreibprojekts mit sich bringt, wurde zu meinem Forschungsgebiet. Was ich nicht für möglich gehalten hatte trat ein: Mein Pferd wurde zahm wie eine Ofenkatze und viele meiner Klienten und Studenten lernten, den Rückwärtsgang einzulegen und in eine neue Richtung weiterzufahren, wo die Projekte wie Primeln sprießten. Das Erstaunliche: Mit dem Text löste sich oft auch ihr Lebensproblem.
Ein langes Autorenleben, einschließlich einem Studium an der Universtät der Künste bei Deutschlands renommiertesten Dramatikern, hatte ich gelernt, dass es Bäh ist, in der Persönlichkeit des Autors herumzuwühlen, dass dabei selbstbespiegelnde, depressive Tagebuchtexte herauskommen, die kein Mensch lesen will. Ein Autor ist ein Künstler und lebt vom Genie und nicht von seinem banalen, faden Alltags-Ich.
Ich kann mich erinnern, dass ich schon als Zehnjährige Biografien von großen Künstlern gelesen und mich gefragt habe, wo das Genie herkam und ob ich es auch haben konnte. Mit 18 bewarb ich mich bei der deutschen Studienstiftung mit einem Vortrag über meine selbst erfundene „Kreativitätstheorie“ (wurde abgelehnt).
Jetzt bin ich fünfzig, habe ein facettenreiches Autorenleben hinter mir und kann nicht sagen, dass ich das ultimative Geheimnis des Genies gelüftet habe. Aber ich habe die Antworten gefunden, die mich zu einem glücklichen Menschen und zu einer erfüllten Autorin gemacht haben. Die größten Fragen sind beantwortet und gleichzeitig, oh Wunder, tauchte ein neues Bedürfnis auf, das ich, ich schwöre, zuvor weit von mir gewiesen hatte: Ich bin jetzt so etwas wie eine Lehrerin oder vielleicht eher eine Tankstelle. Leute kommen, Benzin fließt, es wird abgerechnet und das Auto fährt weiter. Vielleicht bin ich auch so etwas wie ein Pferd: Ich schnaube, wenn es mir zu anstrengend wird und ich bekomme einen milden, verträumten Blick, wenn Menschen sich auf echte kreative Abenteuer einlassen.
Auf meinem langen Weg zum Geheimnis des Kreativen bin ich dem Weg der Heldin und des Helden begegnet. Ich habe die einzelnen Schritte in ihren vielen Facetten studiert und ausprobiert und für würdig befunden. Ich habe es gern praktisch, auch wenn der Weg zum Genie zunächst nichts mit einer Ikea-Bauanleitung zu tun zu haben scheint.
Jeder Autor befindet sich auf einer Heldenreise, nicht nur jeder Autor, sondern jeder Mensch, ob er es will oder nicht, ob es ihm bewusst ist oder nicht. Kreativität ist eine Fähigkeit, die unser Überleben sichert und in den kommenden Jahrzehnten werden wir sie mehr als alles andere brauchen. Deshalb lohnt es sich allemal, sich auf diesen Weg zu machen, besonders, da es ein wunderbarer, erfüllender, staunenswerter Weg ist, trotz der vielen erschreckenden Selbsterkenntnisse, die einem dabei wie Skelette in der Geisterbahn entgegenspringen.
Es ist ein Weg des Bewusstseins. Die amerikanische Bewusstseinslehrerin Carolyn Myss sagt: „Vor vierzig Jahren wusste niemand, wie sehr unsere Realität von unserem Bewusstsein abhängt. Allmählich beginnen wir es zu begreifen.“
Das Schreiben ist ganz unmittelbar ein Spiegel unseres Bewusstseins. Wenn wir lernen wollen, bessere Autoren zu werden, sprich die Kommunikation mit unseren Lesern zu verbessern, dann liegt hier ein riesiges Feld ungenutzten Potenzials.
In diesem Buch geht es NICHT um das Handwerk des Schreibens, das Plotting, die Figurengestaltung und die Eigenarten der Prosasprache.
Darüber gibt es gute Bücher und ich möchte betonen, dass dieses Handwerk ausgesprochen wichtig ist. Ich unterrichte dieses Handwerk auch in meiner Pegasus-Schreibschule. In dem vorliegenden Buch geht es um die Quelle unserer Imagination, um unsere kreative Power und visionäre Kraft. Darum, wie wir herausfinden können, was wir wirklich schreiben wollen, welche besonderen Fähigkeiten wir haben, wie wir unsere Blockaden überwinden und authentische Genies werden können. Wie wir unsere Leser entzücken und entzünden mit den einzigartigen Ideen und Leidenschaften, die nur wir hervorbringen können und für die nur wir Worte haben.
Es geht darum, wie wir leichter, kraftvoller und selbstbewusster schreiben können und wie das Schreiben uns auf allen Ebenen zu glücklicheren Menschen macht.
Beatrice jedenfalls war entschlossen, dem Ruf zum Abenteuer des Herzens zu folgen. Ich, als ihr Coach, genoss den Ritt an der Seite dieser wilden Amazone. Beatrice begann ein Buch zu schreiben, das Einiges von dem enthielt, was sie ursprünglich geplant hatte, das aber darüberhinaus eine neue Dimension entfaltete. Beatrice lernte ihre Welt, das Reiten, die Pferde, die Menschen mit neuen Augen zu sehen und es entstanden Texte, die man nicht aus der Hand legen konnte. Plötzlich hatte sie Zeit zum Schreiben und Smokey, ihrem alten Wallach, ging es auch wieder besser. Auch sonst stand in Beatrices Leben bald kein Stein mehr auf dem anderen. Beatrice ist eine Frau, die es versteht, Gelegenheiten zu nutzen. Sie lernte eine Gruppe hochkarätiger Sportreiter kennen, die von ihren Kenntnissen begeistert waren. Sie bot Seminare im Managementtraining mit Pferden an und dank ihres neu inspirierten Wesens war sie in beidem erfolgreich.
Ich habe oft erlebt, wie das Leben eines Autors durch ein Buchprojekt eine unerwartete Dynamik bekam. Mir selbst ist es oft genug passiert und ich werde immer wieder solche Geschichten erzählen. Meine Aufgabe als Schreiblehrerin besteht zusammengefasst darin, Ah! und Oh! zu rufen, wenn das Schiff des Autors kurz vor dem Untergehen ist und dem Autoren dann zu erklären, wie man sich von Raupen ernährt und blind vom Zehnmeterturm des öffentlichen Freibads springt, auch wenn man Nichtschwimmer ist. Oder wie Herman Hesse es ausdrückte: „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“
So entsteht ein gutes Buch. Ich habe ein Leben als selbstständige Autorin hinter mir und ich kann sagen, dass ohne diese Fähigkeiten nichts möglich gewesen wäre. Und mit diesen Fähigkeiten alles. Und zwar Alles.
Ein Autor braucht eine Quecksilberpersönlichkeit: Was das ist, erkläre ich in diesem Buch. Er muss die Kunst der ewigen Verwandlung beherrschen, die so einfach und so schwer ist, wie das, was die Natur uns ununterbrochen vor Augen führt: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Mit Frühling meine ich: In vierzehn Tagen eine Milliarde Äpfel produzieren, ohne dass jemand einen Finger rührt. Mit Herbst meine ich: Alles fallen lassen und mit Winter: In klirrender Kälte ausharren.
Ich sehe meine Aufgabe darin, der ungehörten Seele des Autors, inklusive meiner eigenen, eine Stimme zu verleihen.
Mir geht es wie Beatrice: Ich bin unterwegs in ein unbekanntes Land. Ich habe keine Ahnung, wo es liegt und wie es dort aussehen wird. Aber wenn der Wind in die Mähne meines Pferdes bläst, bin ich nicht mehr zu halten.
Mit diesem Buch lade ich dich, Autor, Autorin, ein, deine eigene kreative Reise zu schreiben. Du wirst hinterher wacher, vieldimensionaler, feiner und kreativer sein.
Du kannst das Buch in einem Rutsch lesen und einen Hauch von Mystik einsaugen oder du kannst in dein eigenes Labyrinth hinabsteigen, die bereitgestellten Aufgaben lösen und dem Minotaurus, den Göttern und Göttinnen, Geistern, Kobolden und einer brutalen Vielzahl von Dämonen begegnen. Du wirst dabei Stoffe für viele Bücher finden – und den einen Stoff, der stärker ist als du.
Ich schreibe dieses Buch, weil Autoren an all den Abenteuern, die einem auf dem Weg zum kreativen Selbst begegnen, verzweifeln können. Ich schreibe es, weil ich selbst eine Krise nach der anderen erlebt habe und mit zerzausten aber glücklichen Haaren daraus hervorgegangen bin. Ich habe mich zur Expertin in der schreiberischen Sturmseefahrt ausgebildet und lerne ständig neue Dinge, die mir das Gefühl geben, das ich nichts, aber auch gar nichts weiß. Meine allerbesten Lehrer und Lehrerinnen sind Pferde und meine noch bessere Lehrerin ist die Natur. Hätte mir das jemand vor zwanzig Jahren gesagt, wäre ich ungläubig vom Stuhl gefallen. Ich habe es mir nicht ausgesucht, aber es ist passiert.
Das Modell, das ich benutze, ist die Heldenreise. Es wurde entwickelt vom amerikanischen Mythenforscher Joseph Campbell. Ich habe die Heldenreise vor zehn Jahren kennengelernt durch Keith Cunningham und Tom Schlesinger, die sie in Deutschland unterrichtet haben. Die Heldenreise ist zeitlos und kulturübergreifend, sie beinhaltet ein Modell des menschlichen Bewusstseins als nie endendem Wachstumsprozess, so wie ihn auch unsere Vorfahren, die Naturvölker, verstanden haben.
Die Reise ist subjektiv und für jeden anders. Sie ist nicht Wissen, sondern Erfahrung. Deshalb hat dieses Buch einen praktischen Anteil. Ob und wie du ihn nutzen willst, entscheide selbst.
Mein Modell der Heldenreise besteht aus elf Schritten, jedes Kapitel stellt einen Schritt dar. Ich werde Geschichten und Beispiele von Kollegen, Studenten und Klienten erzählen und solche, die ich gelesen habe. Ich habe dabei die Identität der Betroffenen geschützt, indem ich die Namen und zum Teil auch die Umstände verändert habe. Wichtig war mir, dass die zentrale Erfahrung verständlich wird.
Schreiben ist ein Ritual der Imagination, das uns mit dem Transzendenten oder Nicht-Alltäglichen oder Überpersönlichen verbindet.
Anders gesagt: Da draußen wartet etwas auf dich, das dir den Boden unter den Füßen wegziehen will - und dir Flügel verleiht. Deine ganz persönliche Antwort, wie du durch Schreiben dich selbst überwinden und zu einem wahren Helden, einer wahren Heldin werden kannst. Oder in den schlichten, tiefgründigen Worten des fast dreitausend Jahre alten Tao te King: „Willst du, dass dir alles gegeben wird, dann gib alles hin.“
Ich spreche dich in diesem Buch mit „du“ an, denn als Autor gehörst du zu meinem Stamm, dem heiligen Stamm der Autoren und Autorinnen – und als Tempeldiener oder -dienerin des geflügelten Pferdes Pegasus bist du auch, wie Beatrice, ein Pferdekumpel für mich.
Gute Reise wünscht dir
Ulrike
SCHRITT EINS
WER BIN ICH?
Wie lange braucht man für ein Buch?
Manchmal werde ich das gefragt. Meine Antwort: Mindestens so viel Zeit, wie man braucht, es zu tippen. Oder es einer Spracherkennungssoftware zu diktieren. Oder es auf ein Band zu diktieren und abtippen zu lassen. Man kann ein Buch mit 240 Seiten Umfang in vier Wochen schreiben und lektorieren. Heftromanautoren bringen solche Leistungen regelmäßig. Worauf ich hinauswill: Schreiben ist Tippen verbunden mit einem kreativen Vorgang. Wie lange braucht man für den? Was ich mir vorstellen kann, kann ich schreiben. Und wie lange dauert es, sich etwas vorzustellen, das die dramatische Essenz einer authentischen Erfahrung darstellt? Den Bruchteil einer Sekunde? Oder ein ganzes Leben?
Jeder kann mit Lichtgeschwindigkeit Bücher schreiben, vorausgesetzt, dass er vollen Zugang zu seiner Vorstellungskraft besitzt, dass er dauerhaft im kreativen Flow ist – und vorausgesetzt, dass er das Handwerk des Schreibens gelernt hat. Egal, ob du im Begriff bist, gerade mit dem Handwerk des Schreibens zu beginnen oder schon einiges veröffentlicht hast oder deine Karriere zum Stillstand gekommen ist, die psychologischen oder Bewusstseinsaspekte des Schreibens machen einen Großteil deiner Tätigkeit aus. Sie sind immer präsent, so wie sie auch im Rest unseres Lebens eine größere Rolle spielen, als uns in der Regel bewusst ist. Wenn du dich mit ihnen beschäftigst, wird sich dein kreativer Flow von einem Rinnsal zu einem Strom entwickeln und deine Vorstellungskraft wird magische Dimensionen annehmen. Du wirst eine andere Dimension von Zeit und Kreativität kennenlernen. Selbstverständlich wirst du nicht auf den Mount Everest fliegen, sondern du musst zu seiner Besteigung einen Fuß vor den anderen setzen, aber du wirst nicht vierzehn Tage im Basislager hängenbleiben, weil du einer Bergsteigerblockade erlegen bist.
Ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen ist eine Leistung, die der Besteigung des Mount Everest nicht unähnlich ist. Es verlangt sehr viel und es ist über alle Maßen befriedigend. Der Buchmarkt ist wie der Automobilmarkt international und wir erreichen unsere Leser nur, wenn wir uns mit unserem kreativen Strom an ein Bewusstsein anschließen, das zum menschlichen Kern, zum Feuer unserer Herzen spricht.
Lerne, dich selbst zu erschaffen
Der erste Schritt der Heldenreise beschreibt den Ausgangspunkt des Helden, bevor er die Reise antritt. Wir versuchen, den Punkt festzunageln, an dem du dich zum jetzigen Zeitpunkt deines Lebens befindest.
Der erste Schritt der Heldenreise stellt auch die Frage nach deiner Identität. Wir sprechen hier von deiner Autoren-Persönlichkeit. Wer bist du als Autorin oder Autor?
Auf der Heldenreise wirst du dich selbst kennenlernen. Du wirst die Erfahrung machen, dass dein Ich nichts Festes ist, sondern sich stets verändert und mit dem Schreiben wächst, meist in eine überraschende Richtung.
In der Heldenreise ins Herz des Autors geht es nicht um einen Text oder eine Geschichte, die gestaltet werden sollen, sondern um dich. Du erschaffst dir ein kreatives Selbst, du förderst und entwickelst dein kreatives Selbst, du lernst dein kreatives Selbst kennen, du findest Zugang zu deinem noch ungenutzten Potenzial.
Der Psychologe John Briggs hat sich in seinem Buch Fire in the Crucible mit den Lebensläufen und Persönlichkeiten zahlloser Kreativer beschäftigt und kam zu der Erkenntnis: Sie besitzen keine feste Persönlichkeit und interessieren sich auch nicht dafür, eine zu haben. Ich habe mich während meines Philosophiestudiums mit der Subjektphilosophie von Friedrisch Nietzsche (der ein inspirierter Autor ist) beschäftigt und bin auf den zentralen Satz gestoßen: „Das Ich ist eine Erfindung der Grammatik.“ Als Autorin fand ich das höchst interessant.
Linda Kohanov schreibt in ihrem Buch Der bewusste Weg mit Pferden: „Vom Tag unserer Geburt an ermutigt man uns, uns in der feinen Kunst der Gestaltung unseres Ego zu üben. Wir lernen, geschickt kleine Bruchstücke dessen, was uns nicht an uns gefällt, zu entfernen, während wir gleichzeitig jene Qualitäten verfeinern, von denen wir glauben, dass sie die Skulptur unserer selbst am Angenehmsten aussehen lassen. Eltern, Lehrer und Gleichaltrige sind unsere ersten Kritiker und mit der Zeit verinnerlichen wir ihre Ästhetik und versuchen, ihren Ansprüchen gerecht zu werden. Hier liegt das Problem: Was wir in Stein meißeln, droht uns selbst zu Stein werden zu lassen. Jede Maske, jedes Idol, an das wir uns klammern, wird zu etwas, das wir verteidigen müssen.“
Wenn wir 2700 Jahre in der Geschichte zurückgehen, finden wir im Tao te King: „Wer steif und starr ist, ist ein Schüler des Todes. Wer weich und nachgiebig ist, ist ein Schüler des Lebens.“
Du bist die Quelle
In all diesen Konzepten geht es darum, dass wir uns selbst am besten als eine sprudelnde Quelle betrachten, aus der ständig neues Wasser fließt.
Die Heldenreise ist so hilfreich, weil sie auf schwer greifbare Bewusstseinsprozesse ein Gitter legt und sie fassbar macht. Sie stellt einen Architekturplan der persönlichen und spirituellen Entwicklung dar. Sie schafft eine Ordnung der energetischen Wirkungen. Konkret heißt das: Wo ist die stärkste Energie, die größte Wirkkraft? Und wenn du sie gefunden hast, dann bleib dabei und verlier dich nicht in Nebenhandlungen, die nicht zu deiner Geschichte gehören. Das gilt für das Schreiben von Geschichten genauso wie für die Entfaltung deines kreativen Selbst.
Zu dieser Ordnung gehören die Fragen nach deiner größten Stärke und deiner größten Verletzbarkeit als Autor oder Autorin. Du darfst bei der Antwort ruhig etwas poetisch werden, du bist ja ein Autor oder eine Autorin.
Hier kommt deine erste Aufgabe auf der Reise des Helden:
Deine Aufgabe 1-1
Was ist deine größte Stärke?
Beantworte diese Frage. Ohne nachzudenken, ohne dich vom Urteil anderer aufhalten zu lassen, ohne dich von deinen eigenen Ängsten, Frustrationen, Zweifeln irritieren zu lassen, ohne dein Licht unter den Scheffel zu stellen. Schreib die Antwort auf.
Die größte Stärke meines Autoren-Ich ist:
(Notiere nun alles auf einem Block oder im Roadmap) |
Bescheidenheit ist eine Zier
Ich möchte das Ganze noch etwas vertiefen mit einem kleinen Exkurs zu den Tugenden der Bescheidenheit.
Unter Autoren, habe ich festgestellt, ist Bescheidenheit eine Art Berufskrankheit mit hoher Ansteckungsgefahr. Ahnungslose Menschen beginnen zu schreiben, platzen vor Stolz über ihr erstes Gedicht, das im Gemeindeblatt abgedruckt wird, ein Jahr später haben sie die ersten Kapitel ihres Romans fertig und wenn ich ihnen begegne, steht ihnen der bedeutungsschwere, verzagte Ausdruck einer gesellschaftlichen Randexistenz im Gesicht. Es ist mir selbst erst kürzlich wieder passiert. Ich sollte eine Selbstdarstellung für ein Workshop-Projekt im Bereich Persönlichkeitsentwicklung erstellen und ließ die Tatsache, dass ich mein Leben lang schreibe und veröffentliche einfach weg. Als man mich darauf ansprach, hörte ich mich sagen: „Ich dachte, das interessiert kein Schwein.“
„Gerade das ist sehr attraktiv“, bekam ich zu hören. Es stimmt, wir Autoren haben wenig Gelegenheit, mit unseren wahrhaft heldenhaften Leistungen einen roten Teppich entlangzugehen oder auf dem Balkon des Buckingham Palace zu winken. Aber das muss uns nicht zu Gespenstern machen.
Auch wenn wir hauptsächlich in unserem stillen Kämmerlein arbeiten und Vampiren gleich nicht viel Tageslicht zu sehen bekommen, auch wenn uns selten jemand sagt, dass wir gut sind, müssen wir für Anerkennung sorgen. Anerkennung ist das Sonnenlicht der Seele, ohne das keine Pflanze wächst. Gerade weil auf unserem Gebiet öffentliche Anerkennung so rar ist wie ein Wasserfall in der Wüste, müssen wir selbst Quellen der Anerkennung in uns und um uns, und vielleicht über uns, im Reich der Musen und Götter, auftun.
Die größte Stärke des Autors
Hier ist eine andere Perspektive auf die Frage nach der Stärke der Autorenpersönlichkeit. Mein Text:
Meine größte Stärke ist, dass ich pures Licht bin.
Ich bin angezogen von der tiefsten Dunkelheit.
Mein Licht gräbt sich in die dunkelsten Tiefen der Wirklichkeit hinein. Meine Dunkelheit durchdringt das hellste Licht. Ich bin die Weisheit der Nacht, das Ungreifbare, das Flüchtige, das alles Überstrahlende. Ich bin alles, was Menschen sich vorstellen können, was Tiere sich vorstellen können, was Pflanzen, Steine, Universen sich vorstellen können. Ich bin der Anfang und das Ende aller Zeit.
Tom Cowan beschreibt in seinem Buch Feuer im Kopf das Wesen des berühmten keltischen Barden Taliesin, der als Kind einen Tropfen aus dem Zaubertrank der großen Priesterin Ceridwen abbekam, und seither, ähnlich wie Obelix, übermenschliche Kräfte besaß. Er konnte sich in alles verwandeln, konnte alles sein und deshalb auch über alles schreiben. Seine Worte besaßen magische Wirkung und verwandelten die Menschen um ihn herum. Der keltische Barde Taliesin verkörpert einen Archetyp, der in jedem Dichter, Schriftsteller, Autor schlummert.
Deine Aufgabe 1-2
Bitte beantworte die Frage nach deiner größten Stärke beim Schreiben und Gestalten von Geschichten noch einmal. Was ist deine größte Fähigkeit? Sei ehrlich zu dir selbst, stelle dein Licht nicht unter den Scheffel. Anerkenne vor dir selbst, was deine Vorstellungskraft und dein Sprachtalent zu schaffen imstande sind.
Meine größte Stärke als Autor oder Autorin ist:
(Notiere nun alles auf einem Block oder im Roadmap) |
Die positiven Eigenschaften der Autorenpersönlichkeit
Vielen Dank, dass du dich auf diese Aufwärmübung eingelassen hast. Wir wollen nun noch ein wenig tiefer einsteigen und konkreter werden:
Zu den Stärken von Autoren, wie ich sie an mir selbst, an Kollegen und an Schreibstudenten wahrgenommen habe, zählen:
Einfühlungsvermögen
Als ich das erste Mal, im Alter von 15 Jahren, von afrikanischen Besessenheitskulten erfahren habe, fand ich das höchst interessant. Später wurde mir klar, dass das Erfinden von Figuren sich nicht sooo groß davon unterscheidet. Ich tanze zwar nicht mit einer expressionistischen Holzmaske auf dem Kopf – oder vielleicht doch …? Wenn ich eine Figur schreibe, fange ich an, wie sie zu fühlen, zu sprechen, mich wie sie zu bewegen, und nach einer Weile habe ich das Gefühl, sie reißt mir das Ruder aus der Hand und steuert unser Boot auf den Niagarafall zu. Einfühlungsvermögen kann Fluch und Segen sein und gehört definitiv zu den Bewusstseinskünsten des Autors.
Gelassenheit und innere Distanz
Wenn man sich unter größeren Gruppen von erfahrenen Autoren aufhält, fällt auf, dass sie sich entspannt unterhalten und auch in angespannten Situationen die Nerven bewahren. Wenn ich von mir ausgehe, liegt es wohl daran, dass sie die Realität als Szene betrachten, in der von ihnen erfundene Figuren agieren, die eine Vielzahl von Handlungsoptionen haben und dass der Ausgang der Szene in ihrer Macht steht. Das ist die Lebenshaltung einer reifen Persönlichkeit. Das kannst du beim Schreiben lernen.
Vorstellungsvermögen
Die meisten Menschen glauben, dass man viel Fantasie braucht, um schreiben zu können. Sie glauben, dass Fantasie eine besondere angeborene Gabe ist. Fantasie oder Vorstellungsvermögen sind nichts anderes als Ausdruck unserer Fähigkeit, zu überleben und unseres Wunsches, es uns möglichst schön und komfortabel einzurichten. Jede und jeder von uns hat diese Fähigkeit und diesen Wunsch und wir tun den ganzen Tag nichts anderes. Der Unterschied beim Schreiben besteht lediglich darin, dass wir diese Fähigkeit auf eine bestimmte Tätigkeit fokussieren, wie jeder Feuerwehrmann, jede Mutter, jeder Hundefrisör.
Originalität und Einfallsreichtum
Jeder Mensch ist einzigartig, diese Tatsache haben Autoren zu ihrem Lebensprinzip gemacht. Es gibt kaum eine andere Tätigkeit, die so viel Freiheit und Gestaltungsspielraum lässt. Als Autoren müssen wir einfallsreich sein oder wir gehen unter. Als Autoren dürfen wir so unnachahmlich sein, wie wir wirklich sind. Niemand macht uns Vorschriften, auch wenn wir das vielleicht gerne hätten. Wir können niemanden verantwortlich machen für unseren Mist. Wenn man es genau betrachtet, gibt es nur sehr wenige Tätigkeiten auf unserem Planeten, die so viel Freiheit lassen. Mir fallen da nur Boxen und Philosophieren ein.
Selbstdisziplin und Frustrationstoleranz
Jeder, der versucht hat, einen Roman zu schreiben, weiß, dass dazu die Disziplin eines buddhistischen Mönches gehört, der vier Wochen lang ein Mandala aus buntem Sand erstellt, nur um es am Ende wieder zusammenzukehren. Der Unterschied zum Roman ist, dass er eine gewisse Chance hat, nicht zusammengekehrt, sondern veröffentlicht zu werden. Der Unterschied zwischen Sandmandalastreuen und Romanstreuen ist nicht wirklich groß, denn beide verlangen eine außerordentlich hohe Einweihungsstufe in der Kunst der Nicht-Anhaftung. Dies ist zugleich eine unschlagbare Lebenskunst: Deine Kinder werden gut gedeihen, deine Freundschaften und Liebesbeziehungen werden wundervoll sein und du wirst in wahrem Überfluss und Wohlstand leben, falls Reichtum dann noch irgendeine Bedeutung für dich hat. Ich glaube, du wirst bis dahin den Reichtum an Erfahrungen vorziehen und Wege kennen, diesen hervorzubringen.
Leidenschaft und Hingabe an die Arbeit
Es ist ansteckend, sich unter professionellen Autoren zu bewegen, weil sie voller Leidenschaft und Begeisterung von ihrer Arbeit sprechen. Anders könnten sie ihre Arbeit nicht tun. Das Schreiben, darin wirst du mir zustimmen, ist die schönste Arbeit der Welt, sonst würdest du dieses Buch nicht lesen. Sonst wärst du nie auf die selbstmörderische Idee gekommen, ausgerechnet schreiben zu wollen. Sonst würdest du niemals den zeitraubendsten und schlechtbezahltesten Job des Universums aufgenommen haben. Dein Lebensrätsel lautet: Wie kann ein Mensch mit gesundem Menschenverstand sich einer derartigen Verschwendung an Zeit und Talent hingeben? Die Antwort wird sein: Niemand weiß warum, man weiß nur: Es ist möglich – und verbreitet.
Authentizität
Regelmäßig habe ich mit Menschen zu tun, die in großen Unternehmen arbeiten, oft erfolgreich und in gehobenen Positionen. Sie wollen schreiben und beginnen sich unter Autoren zu tummeln. Was diesen Menschen als Erstes auffällt ist, dass hier nicht der machtorientierte Kommunikationsstil herrscht, den sie aus ihrem Arbeitsleben gewohnt sind. Dass Autoren authentisch kommunizieren. Ich weiß, es geht die Saga von eitlen Autoren, und sich zerfleischenden Autorengruppen. Ich habe solche kennengelernt, aber sie sind die Ausnahme. Die meisten Autoren, die ich kenne, auch Bestsellerautoren sind bescheidene, liebenswerte Persönlichkeiten. Wenn du zu den jährlichen Delia-Liebesromantagen (www.delia-online.de) kommst, kannst du dich selbst davon überzeugen.
Deine Aufgabe 1-3
Ich bitte dich, dich noch einmal der Frage zuzuwenden, die ich dir am Anfang gestellt habe. Nur geht es diesmal nicht um deine größte Stärke, sondern um eine Ansammlung von Stärken, die du an dir erkennen kannst. Du kannst die Eigenschaften, die ich dir genannt habe, zu Rate ziehen oder eigene finden. Besser, du findest eigene, du bist ja ein Autor, mit einer unverwechselbaren, einfühlsamen Persönlichkeit und mit Fantasie.
Was sind deine Stärken als Autor oder Autorin? Welches Feedback bekommst du immer wieder von anderen Menschen bezüglich deiner Persönlichkeit und deiner Texte? Wie hat sich deine Persönlichkeit vielleicht verändert, seit du schreibst?
(Notiere nun alles auf einem Block oder im Roadmap) |
Nimm dir mehr Platz in einem Tagebuch, falls du die Übung inspirierend findest.
Du bist gut
Ich kann nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist, sich als Autor in einem positiven Licht zu sehen. In meiner persönlichen Karriere brachte genau dies die Wende. Eines Tages habe ich, einem klugen Artikel in einer Frauenzeitschrift folgend, eine Mappe in meiner Registratur angelegt, mit dem Titel: Du bist gut. Ein paar Jahre lang habe ich dort alles gesammelt, was ich von anderen Menschen Gutes zu hören bekam über meine Texte oder meine Arbeit. Heute bekomme ich so viel positives Feedback, dass ich jemanden einstellen müsste, um es zu archivieren. Das ist natürlich angeberisch und übertrieben, aber es ist was dran …
Jetzt plagt mich eine andere Angst: Ich bekomme tatsächlich so viel Anerkennung, dass ich manchmal fürchte, ich könnte zum Junkie werden. Was, wenn all die tollen E-Mails und Freundlichkeiten plötzlich nicht mehr fließen? – Ich muss mir keine Sorgen machen, denn die wichtigsten Streicheleinheiten kommen von mir selbst. Nein, ich bin nicht eingebildet, ich bin nicht verblendet, nicht größenwahnsinnig, ich bin auch nicht eitel. Ich bin normal. Zufrieden. Glücklich. Ich bin gut.
Viele Autoren sind gut, aber wollen es nicht glauben
Das habe ich gelernt, seit ich in der Persönlichkeitsentwicklung und im Coaching arbeite. Ich gehörte zu den Hitlistenanführern der oben Genannten. Ungefähr 99% der Autoren, die sich an mich wenden, leiden an Selbstunterschätzung. Oder anders gesagt, sie überschätzen die Wichtigkeit von gesellschaftlich antrainiertem Selbstzweifel und auch die Wichtigkeit von Ehrgeiz, Selbstdarstellung und Selbstbeherrschung für das Schreiben und glauben, daran zu scheitern. Als Autor muss man nicht alles im Griff haben, bei Koryphäen studieren und zugleich aussehen wie Germany's Next Top Model, um erfolgreich zu sein.
Was ein Autor braucht, ist Einfühlungsvermögen in sich selbst, Lebensfreude (wie z.B. die Lust, Serienkiller zu erfinden), Leichtigkeit und die Fähigkeit, sich von sich selbst und anderen überraschen zu lassen. Den meisten Menschen wurde nicht gesagt, dass dies große Qualitäten sind, aber ich sage es dir jetzt und bitte dich, dich ernsthaft mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen, dass ich recht haben könnte. Überprüfe meine Aussage und bilde dir eine eigene Meinung und wenn du diese Fähigkeiten an dir entdeckst, arbeite an deren Stärkung. Das Buch wird dich dabei unterstützen.
Deine Aufgabe 1-4