Paula Paul Tom
ans Meer
2016
© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlagfoto: 123rf.com
Layout: Nele Steinborn, Wien
Schriften: Neue Swift Pro, SkitserCartoon
ISBN 978-3-7022-3521-5 (gedrucktes Buch)
ISBN 978-3-7022-3522-2 (E-Book)
E-Mail: buchverlag@tyrolia.at
Internet: www.tyrolia-verlag.at
ans Meer
Tyrolia-Verlag • Innsbruck–Wien
Weg.
Bloß weg.
Nichts wie weg.
Mein Vater hat eine Daueraffäre mit seinen Laufschuhen. Meine Mutter mit ihren Farbtöpfen. Und ich? Hab keine Affäre. Ich hab bloß einen Bruder. Und der ist bescheuert. Aber ist das ein Wunder?
Also hau ich ab. Sollen mich doch alle am Arsch lecken. Ich vertschüss mich. Mit dem Zug ans Meer. Ans tiefste, blaueste Meer. Da versinken die Wörter und alles. Da umschmeichelt dich das Wasser wie kühlende Seide, da fällst du in das Licht zwischen Gelb und Blau, da spürst du, dass alle Sehnsucht sich ... ja ... erfüllt ... ja ...
Nein.
Quatsch. Alles Quatsch.
Ich fahr nicht ans Meer. Ich hol meinen Bruder. Ich hol ihn aus dem Heim.
Und doch, im Meer würden die Wörter versinken und alles, was ich niemals sein möchte: IT-Manager, Straßenarbeiter, Friseurin, mein Bruder.
„Du musst fahren“, hat sie gesagt, „du musst fahren. Dir trau ich das zu. Du bist meine Große. Du musst deinen Bruder holen. Ich will ihn hier haben zum Geburtstag eures Großvaters. Du bist meine Große.“
Stimmt gar nicht. Er ist der Große, der Ältere. Nicht ich. Aber er, wie gesagt, ist bescheuert. Das entschuldigt alles. Immer. Und darum bin ich die Große. Immer gewesen. Schon von Geburt an. Alle Tage meines Lebens. Ich weiß, das klingt pathetisch. Aber es ist wie ein Berg, dessen Gipfel ich niemals erreiche. Keiner übrigens. Unsere Mutter nicht, unser Vater nicht.
„Du musst fahren.“ Hat sie gesagt. Einfach so. Und ich?
Fahre nun.
Quer durch das Land zu diesem Heim, wo wir ihn hingebracht haben, wo er nun lebt seit einem Jahr. Ich hole ihn.
„Du musst ihn holen“, hat sie gesagt, nachdem sich mein Vater geweigert und sie ihm deshalb einen Tennisball entgegengeschossen hatte, das Erstbeste halt, was ihr zwischen die Finger kam. Mein Vater aber duckte sich in einem plötzlichen Impuls, der Ball krachte an die Mauer, prallte ab, kam zurück und da stand noch immer meine Mutter mit offenem Mund und tat nichts, nichts, nur stehen und schauen und staunen und dann landete der Ball in ihrem Gesicht, in ihrem linken Auge, und dann kippte sie hintüber und dann war kurz alles, alles still. Ganz. Still.
Die Sonne strahlt durch das Fenster, blendet, man muss die Augen schließen. Der Zug legt sich in eine Kurve, nimmt an Fahrt zu. Ich habe nicht reagiert, als vorhin das Handy geläutet hat und „Mama“ am Display stand. Ich wollte nicht mit ihr reden. Nicht mit ihr, nicht mit Papa, mit niemandem. Ich hol den Paul. Das ist alles. Ich hol ihn aus dem Heim und Schluss. Mehr will ich nicht hören. Mehr will ich nicht sagen. Nichts über blaue Augen oder blaue Haare. Nichts. Das SMS, das sie dann geschickt hat, hab ich gelesen. „Danke, Paula“, hat sie geschrieben. „Danke, dass du das tust.“ Und dass sie im Heim anrufen und Bescheid sagen wird. Und dass Frau Lagerstett jetzt blaue Haare hat. Als ob ich das nicht wüsste.
Ein bisschen noch, denke ich, a little bit, dann höre ich auf mir vorzustellen, dass der Zug mich ans Meer bringt. My mom, denke ich, my mom loves my brother more than me. My brother is a special guy, he needs more help, more spirit, more from all ...
Ich denke gern in Englisch, Englisch ist die große Freiheit, Englisch bedeutet wegwegweg ... ich versinke ... im Surren, das der Zug auf den Schienen macht, im gleichmäßigen Schaukeln, in den Bäumen, die vorbeifliegen ... Buchstaben tanzen wie an durchsichtigen Fäden durch die Luft, eine Schiebetür öffnet und schließt sich leiseleiseleise ... my mom loves my brother more than me. My brother who is a special guy needs more help, more spirit, more ... does my mom love my brother more than me ... more than me ...
Als ich aufwache, sitzt dieser Junge mir gegenüber, dieser Junge, und schaut mich an.
Ich schrecke hoch. „Schaust du mich an?“, frage ich. „Schaust du mich etwa die ganze Zeit an?“
„Na ja“, sagt er, „nicht die ganze Zeit. Bloß hin und wieder. Darf man das nicht?“
„Nein“, sage ich patzig. „Darf man nicht! Jetzt gerade nicht.“
Er grinst ein wenig und deutet vorsichtig in meine Richtung, in mein Gesicht.
„Ähh ...“, macht er, „ähh ... du solltest vielleicht ...“
„Was?“
„Du hast da ...“
Ich funkle ihn an. „WAS?!“
Er grinst noch ein bisschen breiter, schüttelt den Kopf. Dann beugt er sich vor, zieht seinen Pulloverärmel zwischen die Finger und tupft damit an meinen Mund. Erschrocken weiche ich zurück.
„Keine Angst“, sagt er beruhigend, „keine Angst! Ich tupf dir nur die Spuckefäden weg. Passiert, wenn einem beim Schlafen der Mund aufgeht.“
Ich zucke zusammen. Scheiße, denke ich, Scheiße! Spucke?! Spuckefäden?! Mund aufgeht?! Rinnt mir der Sabber durchs Gesicht?
„Ist nicht weiter schlimm“, sagt er und hebt beteuernd seine Hände, „passiert halt. Passiert jedem.“
Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht schießt. Hektisch wische ich mir über den Mund. Wie peinlich! Der hat mich sabbern gesehen, und als ob das nicht genug wäre, hat der jetzt auch noch meinen Spuckesabber in seinem Pulloverärmel!
Am liebsten würde ich verschwinden, mich in Luft auflösen. Aber er lässt mich nicht.
„Ist das ein Liedtext?“, fragt er.
Ich runzle verwirrt die Stirn. „Liedtext? Was?“
„Was du gemurmelt hast im Schlaf ... does my mom ... oder so ungefähr.“
Oh Gott, auch das noch! Reden im Schlaf ?
„Nein“, sage ich und senke beschämt den Kopf, „nein!“
Er nickt. „Okay“, sagt er, „ich wollte dich nicht belauschen.
Es war halt nicht zu überhören. Entschuldige.“
„Ja“, murmle ich, „nicht zu überhören.“
Er zuckt die Schultern, lächelt, blickt aus dem Fenster, blinzelt, weil die Sonnenstrahlen ihn jetzt mit voller Breitseite treffen. Ich hole tief Luft und schließe für einen winzigen Moment die Augen. Vielleicht ist er nicht mehr da, wenn ich sie wieder öffne, vielleicht ist alles beim Alten und ich habe meine Ruhe wieder, vielleicht ...
Soll ich’s mir wünschen? Manchmal gehen Wünsche in Erfüllung! Aber diesmal nicht. Er ist noch da, als ich die Augen öffne. Und es ist merkwürdig, denn ich bin nicht enttäuscht darüber.
Vorsichtig schaue ich ihn an, vorsichtig, damit er’s nicht bemerkt. Er hat blonde Haare, die fallen ihm ins Gesicht wie feiner Puderzucker, die fallen ihm über seine Augen und dann streicht er sie fort, aber immer wieder pfeifen sie ihm eins.
Süß, denke ich überrascht, der ist süß. Alles ist nun noch peinlicher! Das mit den Spuckefäden, das mit meinem blöden Englisch.
„He“, sagt er plötzlich und wendet sich mir zu. „Schaust du mich etwa an? Schaust du mich die ganze Zeit an?“
Ich erschrecke, starre ihm in die Augen, spüre, wie mir der Schweiß ausbricht, wie erneut die Röte in mir hochkriecht. Doch dann ... plötzlich ... beginnt er zu lachen. Und ich? Auch! Ich lache auch. Erleichtert.
„Darf man das nicht?“, frage ich und kiekse. „Darf man dich nicht anschauen?“
„Doch“, strahlt er zurück. „Doch! Man darf!“ Und lacht.
Ich mag sein Lachen. Ich mag, dass er immer weiter lacht, weil sein Lachen so ist, dass ich wieder einschlafen könnte und geborgen wäre und weniger allein. Ich schau ihn an und lache auch, wir lachen so hin und her, es ist fast wie ... he, Leute, haltet mich jetzt nicht für verrückt oder so, aber es ist fast wie ... Musik, ja, genau, und irgendwie wird es heller, ein kühler Lufthauch in der Julihitze.
Irgendwann sind wir still. Schauen uns an. Wieder einmal. Diesmal gleichzeitig.
„Tom“, sagt er.
„Paula“, sage ich.
... does my mom ... frage ich mich nicht mehr, keine Zeit, keine Lust, Tom schaut mich an und seine Augen sind grün oder braun, keine Ahnung, etwas Lichtes auf alle Fälle, etwas Strahlendes, etwas, das man nicht vergisst.
Zwei Stunden sind nichts, wenn einer wie Tom dabei ist. Zwei Stunden sind zu wenig, wenn einer wie Tom dabei ist. „Der Platz hier gefällt mir“, hat er gesagt, „dir gegenüber. Weil ich dich nämlich dann anschauen kann. Weil ich dich nämlich noch nicht genug angeschaut habe. Darf ich? Lässt du mich?“
Und ich ... hab nur genickt. Weil ich ein bisschen ... nicht mehr denken konnte und drum ... hab ich nur genickt. Und gegrinst. Wie so ein Honigkuchenpferd. Aber cool. So ganz cool. „Du darfst. Ich lass dich.“
Und der Zug hat uns weitergeschaukelt Richtung Norden.
„Wo kommst du her?“, hat er gefragt und ich hab ein bisschen erzählt. Was ich noch nie getan habe. Einem Fremden erzählen, einem, den ich kenne seit null Tagen, einem, den ich kenne seit ... hundertmillionen Tagen ... im Meer versinken die Wörter und alles kann ich ihm erzählen und er versteht und er versteht und er versteht. Was ich niemals sein möchte, kann ich erzählen, IT-Manager, Straßenarbeiter, Friseurin, mein Bruder. Noch viel mehr kann ich erzählen. Dass mein Bruder und ich uns unseren Namen teilen. Dass ein Ball in Mamas Auge gelandet ist. Dass ich ihn hole. Den Paul. Nicht den Ball. Zum Familienfest.
Ich rede und rede und da sitzt einer mit blonden Puderzuckerhaaren und hört mir zu und die Zeit steht still und ich wünschte, sie stünde still für alle Zeit. Aber irgendwann ist jede Geschichte zu Ende, besonders dann, wenn es keine Geschichte ist, und dann sitzen wir und schauen einander an und als es irgendwann so still ist, dass man nichts sonst mehr hört, bekomme ich ein wenig Angst, so ein Prickeln in den Eingeweiden, so ein merkwürdiges Grimmen, und ich frage mich ... ich frage mich ... nichts, aber ihn: „Wo kommst du her?“
Nachdenken, Stirnrunzeln, Schulterzucken. „Von daheim.“
„Ja?“
„Ja.“
„Wo ist das?“
Schulterzucken. „Egal.“
Okay. Egal also.
„Ferien?“
„Ja.“
Wir sind Meister der Kurzsätze, der Einwortsätze.
„Aha.“
„Ja.“
„Okay.“
„Ja.“
„Und?“
„Nix.“
Ich schlucke ein Schlückchen Bitter und draußen verdecken Wolken die Sonne, kleine Schatten, wahrscheinlich tanzen Vögel auf den Feldern, ich möchte in seine Haare greifen, in diesen blonden Puderzucker, wie toll muss sich das anfühlen, wie toll ...
„Und wo fährst du hin?“
Diesmal bekomme ich eine Antwort. Und was für eine:
„Ans Meer.“
Wow! Ich staune. Ans Meer. Er will ans Meer!
„Ans Meer?“
Meine Stimme zittert. Ich auch, denkt alles in mir. Ich will auch ans Meer!
Er nickt. Hat er gehört, was ich gedacht habe?
„Ich auch“, sage ich leise, „ich will auch ans Meer.“
„Dann komm mit.“
Mit großen Augen schaue ich ihn an. Was hat er für Ideen!
„Aber ...“
„Ich weiß“, sagt er, „du musst deinen Bruder holen und dann fahrt ihr heim zu Schweinsbraten und Sachertorte.“
„Nuss.“
„Was?“
„Nuss. Nicht Sacher. Nusstorte, nicht Sachertorte.“
Wir lachen.
Alles ist leicht, die Sacher, die Nuss, das Meer, der Zug ... alles ganz leicht, Flockenschaum, Wolkentraum, Apfelbaum.
„Magst du?“
Er hält mir ein Stück Schokolade hin. Ich spüre, dass ich Hunger habe, packe meine Jause aus, wir essen. Picknick im Zug. Warum macht mich das so fröhlich?
Plötzlich hat er ein Saxofon in der Hand und am Mund, das schraubt sich so dunkel durch die Töne, hüpft hierhin und dorthin, wohin Tom es eben treibt. Wie Paul, denke ich, wie der Paul, wenn er aufgeregt ist, dann hüpft er hierhin und dorthin und lässt sich nix sagen, nicht von Mama, nicht von Papa und von mir schon gar nicht. Das Saxofon lässt sich schon was sagen, aber auch nicht von mir, nur von Tom. Es tut, was er will, ist sein Kätzchen, sein Ding, wird weich und warm und voll Zitter. Dann laut und zornig. Unberechenbar. Nie weiß man, was kommt.
„Hast du eine Schiebetür zu Hause?“, frage ich leise, ohne nachzudenken. „Hast du eine Schiebetür daheim? Zwischen Küche und Esszimmer?“
Weiber, denkt Paul und kichert und schüttelt den Kopf, Weiber ... tztz ... huschhusch ... brummbrumm ... dummdumm ...
Was habe ich da gesagt?
Was?
Oh mein Gott!
Ich lausche. Und schaue. Was er tut? Was er sagt? Was er denkt? Der Tom.
Aber nichts. Gott sei Dank! Nichts. Anscheinend hat er nichts gehört! Lieber Gott, danke schön! Er hat das Sax im Ohr und im Körper. Wie gut, dass er mich nicht gehört hat, er müsste mich ja für bescheuert halten. Mein Bruder ist der special guy, nicht ich, was stelle ich bloß für Fragen, hast du eine Schiebetür daheim?
Der Bahnhof nähert sich, das Ende unserer Fahrt, er wird mich, mein blonder Puderzucker, wahrscheinlich nicht nach meiner Telefonnummer fragen, ich weiß nichts von ihm, nichts, nur von daheim, aber von daheim ist groß und klein zugleich.
Plötzlich öffnet sich leise kreischend die Schiebetür unseres Abteils und draußen im Gang steht der Schaffner. Sein mahnend erhobener Zeigefinger wackelt wie ein Pendel hin und her. „Junger Mann“, sagt er und sein Gesicht ist ein einziger Vorwurf, „das hier“, sein Zeigefinger pendelt in Richtung des Saxofons, „das hier ist ein bisschen zu laut! Wollen wir das ab sofort unterlassen?“
Seufzend wendet Tom sich ihm zu. „Wenn Sie meinen.“
„Ich meine“, nickt der Schaffner, schließt die Tür und verschwindet. Achselzuckend dreht Tom sich wieder mir zu, setzt das Sax erneut an seinen Mund und schon fließen die ersten Töne wieder, vielleicht ein bisschen leiser als zuvor, vielleicht aber auch nicht.
Nein, denke ich, keine Schiebetür, vermutlich keine, er ist nicht der Typ für eine Schiebetür, zu mutig, zu unbeirrt, obwohl ... man weiß nie ... ich schaue auf die Uhr, dreißig Minuten ... dreißig Minuten nur noch ... und je weiter die Nacht und je tiefer der Tag ...
Karins Schritte klingen auf dem Flur. Karin, denkt Paul, Karin! Ihre Schritte erkennt er und hat sie am liebsten von allen. Ihre Stimme, wenn sie ihn weckt, ist ein wenig wie die Wolken, die er eines Tages klauen wird, weich und rein und nur ganz selten wie ein Reibeisen oder eine Zitrone. Karin ist ein bisschen wie Mama.
Was bin ich für eine Idiotin, denke ich, was denke ich für unfassbaren Quatsch ... es ist Tom, denke ich, Tom macht das. Das ist, denke ich, wie zu Weihnachten, wenn die Keksdosen langsam weniger werden, weil die Kekse weniger werden und man sie immer enger zusammenschlichten kann. Zuerst in vier Dosen, dann in drei, schließlich in zwei und noch schließ-licher in eine, in eine einzige Dose und dann ... dann weißt du, dann spürst du, dass Weihnachten langsam vorübergeht, die Ferien, die Wärme, der Christbaum, die Kerzen ... süßes, trauriges Frösteln.
Hier ist es Tom.
Das ist Quatsch? Ja, ist Quatsch. Klar. Klar, Leute, weiß ich doch! Weihnachten kommt immer wieder, wenn wir Glück haben jedes Jahr, und eigentlich haben wir immer Glück. Aber Tom? Kommt Tom jedes Jahr? Kommt Tom immer wieder?
Und dann ist mir zum Heulen zumute. Für einen kurzen Augenblick. Fünfzehn Minuten.
Wenn ich seinen Pullover hätte, denke ich, dann wäre das wie eine Keksdose, die man noch nicht geöffnet hat und deren Duft, wenn man sie dann endlich öffnet, einen berauschen wird.
„Magst du Kekse?“, frage ich leise ins Sax hinein und es sind nur noch zehn Minuten, in denen er mich nach meiner Nummer fragen kann. Diesmal versteht er mich und nickt. Ich seufze zufrieden. Mag er also. Gut. Dann: „Hast du eine Schiebetür daheim? Zwischen Küche und Esszimmer?“
Oh Gott.
Vollschuss? Vollpfosten?
Wo sind deine Schlapfen, fragt Karin, während sie ihm die Kleider richtet, und wie immer muss Paul grinsen, wenn sie das fragt, denn sie weiß es doch, unter dem Bett, verschossen wie immer, sie weiß es doch, aber ist halt auch ein bisschen dumm, vergisst es immer wieder. Weiber, denkt er, kichert und schüttelt den Kopf, Weiber ... tztz ... huschhusch ... dummdumm ... Sie schaut ihn an, so streng sie kann, aber sie kann nicht besonders streng, hebt den Zingerfinger, lässt ihn mahnend wackeln. Zingerfinger, sagt er und blinzelt mit den Augen, weil sie so schön ist, die Karin, schöner als die Taghelle, schöner als die Schlapfen unter dem Bett, schöner als der Kaffee, fast so schön wie Mama.
Zeigefinger, sagt Karin. Du weißt doch, das heißt Zeigefinger.
Er schüttelt den Kopf. Zingerfinger, sagt er, das heißt Zingerfinger. Zingerfinger. Zingerfinger.
Sie seufzt. Na gut, sagt sie, wenn du meinst. Aber jetzt komm raus aus den Federn, los, hoch mit dir. Was ist denn das für eine Bequemlichkeit! Schau doch, das Licht im See! Mit einem Ruck schiebt sie den Vorhang weg und das Licht bricht über ihn herein.
Ja. Hab Vollschuss. Bin Vollpfosten. Und wieder frage ich. Kann nicht anders. Frage es laut. Frage es so, dass er es auf alle Fälle hören muss, und er hört es, denn plötzlich fängt das Sax zu kichern an und ich denke, keine Nummer, nein, sicher nicht, wer will schon eine Nummer von einer Bescheuerten!
„Frag das noch mal!“
Ich wusste es! Keine Nummer! Selber schuld. Ich bin so bescheuert! Liegt wohl in der Familie. Ich seufze. „Wieso?“