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UNGENIERT
UMGEPOLT

AXEL NEUSTÄDTER (HRSG.)

Bruno Gmünder

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Die in diesem Buch geschilderten Handlungen sind fiktiv.

Im verantwortungsbewussten sexuellen Umgang miteinander gelten nach wie vor die Safer-Sex-Regeln.

INHALT

Blutsbrüder

von Tilman Janus

Knoten im Kabel

von Fox O’Herlihy

Skaterträume

von Orlando Young

Je t’aime

von André Leroy

Tittentypen

von Ruben Brasse

... und dann kam Finn

von Thomas Mindt

Lustlotterie

von Jochen Stoller

BLUTSBRÜDER

VON TILMAN JANUS

Mit einem Ruck setzte sich der Zug in Bewegung. Fast unmerklich begannen die Wagen zu rollen, wurden schneller und schneller. Die winkenden Eltern auf dem Bahnhof der kleinen Kreisstadt wurden kleiner und kleiner und entschwanden schließlich vollends aus Toms Blickfeld. Felder mit reifem Korn dehnten sich im heiß flimmernden Sonnenlicht bis zum Horizont, nur unterbrochen von kleinen Baumgruppen und Streifen mit wildem Gestrüpp.

Endlich, dachte Tom. Endlich weg vom Dorf! In die Großstadt! Nach Berlin!

Sein Herz schlug auf einmal rascher. Alles, was er nicht mochte, ließ er in diesem Moment hinter sich: seinen schäbigen Heimatort, die engstirnigen Dorfbewohner, die grässliche, provinzielle Schule in der Kreisstadt.

Tom befand sich ganz allein im Abteil. Es war ein später Vormittag Anfang August, mitten in den Sommerferien. Kaum ein Mensch benutzte den klapperigen Regionalzug um diese Zeit. In der Scheibe der Abteiltür sah Tom sein eigenes Spiegelbild: ein hübsches, junges Gesicht, grüne Augen, schlanke Figur. Tom fuhr mit den Fingern durch sein glattes mittelblondes Haar. Dann legte er die Hand auf seine Schrittwölbung. Durch den dünnen Stoff der leichten Sommerjeans fühlte er seinen warmen, halbsteifen Schwanz. Er ließ ihn ein wenig zucken. Glücklich spürte er die Bewegungen, die sich anfühlten, als tobte ein kleines, lebendiges Tier in seiner Hose. Tom reagierte, indem er es behutsam streichelte. In wenigen Stunden würde er endlich wieder bei Henrik sein. Monatelang hatte er seine ängstlichen Erzeuger bearbeiten müssen, bis sie endlich eingewilligt hatten, ihn alleine nach Berlin ziehen zu lassen. Was hatte er sich nicht alles ausgedacht: dass er heutzutage keine beruflichen Aussichten haben würde, wenn er nicht ein anständiges Gymnasium besuchen würde, dass er den elterlichen Bauernhof später besser führen könne, wenn er in der Hauptstadt studieren würde, und so weiter und so fort. In Wirklichkeit hatte er überhaupt nicht vor, den elterlichen Hof einmal zu übernehmen, aber das war ein anderes Thema.

»Du bist erst siebzehn, Thomas! Allein lassen wir dich nicht weg!«, hatte seine Mutter mit ihrem typisch furchtsamen Gesichtsausdruck gesagt, während sie versucht hatte, ihm übers Haar zu streicheln – was er hasste!

»Ich bin schon siebzehn!«, hatte er betont. »Ich bin kein Baby mehr! Ich kann gut auf mich selber aufpassen!«

»Na gut, Thomas!«, hatte sein Vater nach langem Hin und Her schließlich zugestimmt. »Deine Zukunft ist sehr wichtig, da hast du schon recht. Wir erlauben dir also, nach Berlin zu ziehen. Aber nur unter einer Bedingung: Du wirst bei deinem Cousin Henrik wohnen. Der ist wenigstens schon achtzehn. Und soweit ich das mitbekommen habe, ist er inzwischen vernünftig genug, um ein bisschen auf dich aufzupassen.«

Toms Herz hatte unwillkürlich einen Riesensprung gemacht. Bei Henrik wohnen!

Er knetete sein junges Teil unter dem Jeansstoff fester, während er gedankenverloren beobachtete, wie hinter dem Waggonfenster die sonnige Landschaft vorbeiflog. Noch immer konnte er sein Glück kaum fassen. Ausgerechnet Henrik!

Die beiden hatten schon als Kinder zusammen gespielt. Henrik stammte aus demselben Dorf wie Tom, war allerdings viel weniger behütet aufgewachsen. Sein gut aussehender Vater, ein Cousin von Toms Mutter, hatte früher als Lehrer in der Dorfschule gearbeitet. Bei einem feuchtfröhlichen Ferienaufenthalt in Berlin hatte er sich in eine schöne Nachtclubtänzerin verliebt und sie ohne Trauschein zu sich ins Haus geholt. Allein das war ein Unding gewesen im Dorf. Doch es war noch schlimmer gekommen. Wie es alle Dörfler erwartet hatten, war die Tänzerin nach einem knappen Jahr in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abgehauen. Alle Ersparnisse hatte sie mitgenommen, das Einzige, was sie zurückließ, war der drei Monate alte, schreiende Henrik. Henriks Vater war nach diesem Sicksalsschlag mehr und mehr dem Alkohol verfallen, verlor seinen Job und kümmerte sich kaum noch um seinen Sohn. Toms Mutter hatte ihn damals häufig zu ihnen geholt, doch Henrik ließ sich nicht so einfach zähmen. Immer wieder hatte er sich ihrer Fürsorge entzogen, war zurück zu seinem versoffenen Vater gegangen oder hatte im Sommer im Freien geschlafen. Er wuchs auf wie ein seltenes, ungebändigtes Wildtier, misstrauisch beobachtet von den Erwachsenen, bewundert und grenzenlos beneidet von den anderen Kindern.

Henrik hatte seine eigenen Vorstellungen vom Leben. Er machte nie Hausaufgaben und schwänzte oft die Schule. Stattdessen saß er am nahe gelegenen See und angelte oder ließ einfach die Seele baumeln. Er hatte sich dort einen Unterschlupf aus Zweigen gebaut. Schon mit zehn rauchte er selbst gedrehte Zigaretten, mit zwölf pinkelte er dem neuen Lehrer in die Aktentasche, in der sich die Klassenarbeiten befanden, mit vierzehn raste er auf einem geklauten Moped über die Dorfstraße. Dies waren nur einige der zahlreichen Aktivitäten, mit denen er seinen Status als Exot und Außenseiter immer wieder festigte. Die Dorfpolizei blieb bei all den Eskapaden meist nachsichtig. Weniger aus Sympathie für Henrik, als aus Rücksicht auf Toms Mutter, die auch mit dem Inspektor über einige Ecken verwandt war.

Thomas und Henrik aber fühlten sich von Anfang an wie Brüder. Tom liebte Henrik, seit er denken konnte. Henrik war etwas größer als er und hatte einen schlanken, sehnigen Körper. Sein dunkles, unregelmäßig geschnittenes Haar fiel in krausen Locken über seine Stirn bis auf die großen, langbewimperten, braunen Augen herab. So oft wie möglich hockten die beiden Jungs zusammen. Tomas wollte so gerne wenigstens ein Mal mit Henrik im Unterschlupf am See übernachten, doch seine Eltern verboten es immer.

Irgendwann sahen sie im Fernsehen den Film »Tom Sawyer und Huckleberry Finn«. Die Handlung war im neunzehnten Jahrhundert an den Ufern des Mississippi in Amerika angesiedelt, doch Thomas und Henrik ahnten, dass sie in Wahrheit ihre eigene Geschichte erzählte: Tom – behütet, aber trotzdem abenteuerlustig, mit einem Kopf voller Ideen – und Huck, der freiheitsliebende Sohn eines Säufers, der sich von keiner Macht der Welt in ein bürgerliches Schema pressen ließ. Tom und Huck, Freunde fürs Leben, in guten und in schlechten Tagen.

Wie im Film stachen sie sich mit einer Nadel in den Finger und unterzeichneten mit ihrem Blut einen Schwur, der ihre Freundschaft für immer besiegeln sollte. Und sie unterschrieben mit »Tom« und »Huck«. In dem Film kam auch ein Mädchen vor, dem Tom Sawyer den Hof machte: Becky. In Wirklichkeit war es eher umgekehrt. Beatrix, die blonde Tochter des Dorfapothekers, behelligte den hübschen Thomas mit ihren Aufmerksamkeiten bis hin zur Belästigung. Er jedoch wusste in seinem tiefsten Innern schon früh, dass er sich nichts aus Mädchen machte, und ließ sie links liegen. Es gab nur einen Menschen, der ihm etwas bedeutete: Henrik, Huck!

Im Winter saßen die beiden Jungs zusammen in Toms Zimmer, surften im Internet und malten sich die gemeinsamen Abenteuer aus, die sie erleben wollten, wenn sie erst erwachsen waren. Im Sommer streiften sie über die Felder, fingen Heuschrecken, Frösche und Mäuse, badeten im See und legten sich danach nackt in die Sonne. Der See war nicht besonders groß, doch für sie beide war es der Mississippi. Abends entzündeten sie ein kleines Feuer am Ufer, brieten über der Flamme Würste am Holzspieß und schauten schweigend über die Wasseroberfläche. Im Mai hörten sie den Nachtigallen zu und beobachteten, wie sich der Mond silbern im Wasser spiegelte. Wenn ihnen danach war, stellten sie sich nebeneinander ans Ufer und pissten ins Wasser. Wer mit seinem Pinkelstrahl weiter kam, bekam von dem anderen eine kleine Geldmünze. So gut wie immer gewann Henrik.

Tom kannte Henriks Körper genau. Oft hatte er ihn nackt gesehen und immer wieder bewundert. Da Henrik ein Jahr älter war als er, konnte Tom die Entwicklung vom Jungen zum Mann in aller Ausführlichkeit verfolgen, bevor er sie an sich selbst erlebte. Er registrierte, wie Henriks Eier dicker und schwerer wurden, wie sein Schamhaar zu sprießen begann und wie sein Jungenschwanz zu voller Mannesgröße heranwuchs.

Im letzten August, genau vor einem Jahr, Henrik war siebzehn und Tom gerade sechzehn geworden, hatte sich ihr Verhältnis schleichend verändert. Auf einmal hatte eine gewisse Spannung zwischen ihnen in der Luft gelegen, die Leichtigkeit ihrer Jugendfreundschaft schien verflogen zu sein. Es war extrem heiß. Die Hitze waberte über die Landschaft, als wäre die Luft flüssig. Kein Blatt regte sich, kein Vogel war zu hören, kein anderer Mensch war weit und breit zu sehen. Tom und Henrik lagen nach einem Bad im See nahe dem Unterschlupf wie immer nackt in der Sonne und ließen sich trocknen.

Unter halb geschlossenen Lidern spähte Tom zu seinem Cousin hinüber und bewunderte dessen schönen Körper. Henrik lag auf dem Rücken, flach ausgestreckt im hohen Gras am Seeufer. Er wirkte schon sehr männlich. Seine Muskeln waren zart, aber unter der glatten, gebräunten Haut gut sichtbar. Dunkles Schwanzhaar kringelte sich um sein großzügiges Paket. Tom betrachtete den kompakten, festen Sack, der seit dem letzten Jahr noch deutlich zugelegt hatte, und den dicken, wunderschönen Schwanz, der locker auf Henriks flachem Bauch lag. Die knappe Vorhaut war leicht zurückgerutscht und gab die rosige Spitze der Eichel frei. Sehr genau konnte Tom den schmalen Pissschlitz erkennen. Plötzlich ergriff eine unbezähmbare Sehnsucht nach Huck Besitz von ihm, so stark wie noch nie. Sein sechzehnjähriges Teil wuchs, bis es sich groß, hart und zitternd vor Erregung über seinen ganzen Bauch streckte. Denn auch er brauchte sich nicht zu verstecken mit seiner Ausstattung. Tom fühlte, dass er Huck endlich sagen musste, dass er ihn liebte. Oder wusste Huck es schon längst? Dass er nachts von ihm träumte und dabei sein Laken nass spritzte? Dass er beim Wichsen das schöne Gesicht mit den langen, dunklen Wimpern und den vollen, lächelnden Lippen vor sich sah und sein junges Sperma über diese Lippen schießen lassen wollte?

»Huck!«, flüsterte Tom leise.

Henrik wandte ihm das Gesicht zu. Seine dunklen Augen lächelten Tom an.

»Ja, Tom?«

»Magst du mich?«

Henrik schwieg eine Weile, für Toms Gefühl unendlich lange. Er sah Tom nachdenklich an.

»Natürlich mag ich dich«, sagte er endlich.

Toms Herz klopfte stärker. »Ich meine, so richtig …« Henrik richtete sich halb auf, stützte sich auf den Ellbogen und ließ seinen Blick über Toms nackten Körper gleiten. An dem harten Jungenschwengel blieb sein Blick hängen. »Sieht jedenfalls danach aus, dass du mich ›richtig‹ magst«, meinte er mit einem bedeutungsvollen Zwinkern.

Tom hatte das Gefühl, auf der Stelle sterben zu müssen, wenn sein Huck ihn jetzt nicht in die Arme nahm.

»Willst du mich?«, flüsterte Tom und spürte, wie ihn innerlich eine Glutwelle überschwemmte, die die brütende Sommerhitze weit in den Schatten stellte.

Ehe Henrik antworten konnte, hörten sie in der Ferne plötzlich das näherkommende Geräusch eines altersschwachen Motors. Henrik sprang hastig auf und hielt die Hand über die Augen, um nach Feinden auszuspähen.

»Der alte Drögwitz kommt mit seinem rostigen Traktor genau auf uns zu«, gab er zu Protokoll. Blitzschnell drehte Tom sich auf den Bauch, um seine geile Latte zu verstecken, und angelte nach seinen Jeans. Ausgerechnet Drögwitz, das alte Schandmaul! Auch Henrik schnappte sich seine Sachen. Rasch zogen sie sich an, als auch schon der Traktor wenige Meter von ihnen entfernt zum Stehen kam. Ein verschrumpelter Bauer mit einer Sense in der Hand stieg vom Bock.

»Nu, Jungs?«, rief er ihnen mit krächzender Stimme zu. »Habt wohl nix zu tun? Könnt mir lieber helfen, das Gras für meine Karnickel zu schneiden, anstatt hier alles platt zu treten!« Bedrohlich schwenkte Drögwitz seine scharfe Sense.

Die beiden Freunde sahen zu, dass sie mit ihren Fahrrädern fortkamen. Am Abend desselben Tages erzählte Henrik Tom, dass er nach Berlin ziehen würde. Er hätte dort eine Ausbildungsstelle als Koch bekommen. Tom heulte die halbe Nacht lang.

In den Wochen darauf tauschten sie SMS-Nachrichten aus, bis ihre Handys rauchten. Doch nach und nach wurden die Grüße aus Berlin seltener, denn Henrik hatte bei seiner Ausbildung schrecklich viel zu tun. Währenddessen hatte Tom begonnen, seine Eltern zu bearbeiten. Er hatte die Hoffnung nie aufgegeben, und nun war es endlich so weit. Er saß im Zug nach Berlin.

Zärtlich tastete er in seiner Tasche nach dem kleinen, vergilbten Zettel, den er immer bei sich trug – dem Freundschaftsschwur, den Henrik und er mit ihrem Blut unterzeichnet hatten.

Glas, Stahl, turmhohe Hallen, schwindelnde Abgründe, Menschenmassen, krächzende Lautsprecherdurchsagen, rasselnde Züge, Gerüche von Bremsstaub, Schweiß und Bratfett. Die hellen Strahlen der Nachmittagssonne brachen sich vielfach in den hohen Glasscheiben. Tom schlenderte staunend durch den Berliner Hauptbahnhof. Er zog seinen Rollkoffer hinter sich her. Zwei uniformierte Polizisten beobachteten ihn misstrauisch. Wirkte er etwa so dörflich und fremdartig? Von Henrik war nichts zu sehen. Er hatte gesimst, dass er noch nicht wusste, ob er rechtzeitig freibekommen würde. Wahrscheinlich musste er noch arbeiten. Tom studierte die S- und U-Bahn-Pläne. Henrik wohnte in Kreuzberg. Die Adresse zu finden, sollte nicht das Problem sein. Tom hatte sich bereits alles im Internet angeschaut, immer wieder. Bei Google Earth hatte er sich sogar Henriks Mietshaus angesehen. Henrik hatte geschrieben, dass er später auf jeden Fall zu Hause sein würde. Also machte Tom sich voller Vorfreude auf eigene Faust auf den Weg. Vielleicht noch eine halbe Stunde, dann würde sein Huck ihn in die Arme nehmen.

Tom schleppte seinen Koffer die Treppe hinauf in den vierten Stock eines Gründerzeithauses, das offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen hatte. Sein Herz hämmerte, und die Luft wurde ihm knapp vor Aufregung. Da stand Henriks Familienname auf dem Klingelschild, zusammen mit einem anderen Nachnamen. Tom stutzte. Die Buchstaben tanzten vor seinen Augen. Vielleicht waren das die letzten Spuren eines Vormieters. Ach nein, Henrik hatte einmal geschrieben, dass er in einer WG wohnte.

Tom läutete. Sein Herz schlug bis zum Hals.

Die abgeblätterte Wohnungstür öffnete sich. Eine junge Frau kam auf ihn zu, blond und hübsch.

»Hi, Thomas! Das ist ja cool, dass du nach Berlin gekommen bist. Herzlich willkommen, komm rein!«

Tom stand da wie erstarrt. Mit einem Mal schien sein Herz absolut stillzustehen. Er konnte kein Glied rühren. Die Frau, die da vor ihm stand, war Becky!

Sie stürzte sich auf ihn, umarmte ihn, zog ihn in die Wohnung und überwältigte ihn mit einem Redeschwall, von dem er kein Wort verstand. Becky, Beatrix, die Apothekertochter! Was machte die in Hucks Wohnung?

Sie zerrte ihn in ein geräumiges, sparsam möbliertes Wohnzimmer und drückte ihn in einen altersschwachen Ohrenbackensessel. Im nächsten Moment stand eine Flasche Cola vor ihm, dazu ein riesiger Teller mit Baguette, Käse und Salat. Tom rührte nichts davon an.

»Du sagst ja gar nichts, hat Berlin dir die Sprache verschlagen? Iss doch was!«, hörte er Beatrix sagen.

»Wo ist Henrik?«, krächzte er.

»Ach, er hat angerufen, dass er doch erst später kommen kann, aber eigentlich müsste er jeden Moment hier sein. Er duscht immer noch nach der Arbeit, weil ich den Küchengeruch nicht ausstehen kann, den er sonst ins Haus schleppt. Die Dusche ist gleich neben der Hotelküche, wo er arbeitet, und ich sag immer zu ihm, Henny, sag ich, wenn du …«

Bei dem Klang des grässlichen Kosenamens sträubten sich Tom sämtliche Haare. Im gleichen Augenblick hörte er, dass jemand die Wohnungstür aufschloss. Huck!

Bitte sag mir, dass ich nur in einem schlimmen Alptraum gelandet bin, schrie Tom innerlich. Henrik trat ins Zimmer. Er sah schöner aus als jemals zuvor. Ein wenig muskulöser war er geworden, das stand ihm gut. Er trug eine enge Jeans, unter der sich sein dick gewölbtes Schwanzpaket deutlich abzeichnete, ein weißes T-Shirt und ein schwarzes Leinenjackett. Sein dunkles, frisch gewaschenes Haar war jetzt kürzer geschnitten als früher. Seine braunen Augen leuchteten und funkelten wie Tigeraugensteine unter den langen Wimpern.

»Thomas! Altes Haus!«, rief er. Er kam auf Tom zu und reichte ihm die Hand. Nur die Hand! Keine Umarmung!

»Schön, dass du da bist! Bea hat schon dein Zimmer vorbereitet. Wie geht’s dir denn so? Alles noch beim Alten in unserem Dorf?«

Bea? Becky! Sie wohnte also hier. Bei seinem Huck. Das war die ganze Wohngemeinschaft. Bestimmt zahlte die reiche Apothekertochter alles, und Henrik war abhängig von ihr. Tom spürte, wie Tränen in seinen Augen emporsteigen wollten. Er konnte es gerade noch verhindern, indem er sich rasch die Augenwinkel rieb, als ob er müde sei.

»Ja, alles noch so wie früher«, gab er leise zurück.

Auf einmal wusste er, warum Henrik nur noch so selten geschrieben hatte. Und er ahnte auch, weshalb er überhaupt hier wohnen durfte. Seine Eltern zahlten natürlich für Miete und so weiter. Er war hier Untermieter, eine Einnahmequelle, weiter nichts. Hatte Henrik jemals gesagt, dass er Interesse an ihm hatte, ›richtiges‹ Interesse? Nein, dazu war es ja nie gekommen. Wie blind Tom gewesen war!

»Ihr habt euch ja sicher einen Haufen zu erzählen. Ich treffe mich noch mit Lea, könnte spät werden«, schnatterte Beatrix weiter ohne Punkt und Komma. »Wenn das Essen nicht reicht, im Kühlschrank ist noch mehr. Bis später dann, und viel Spaß!« Mit diesen Worten flatterte sie hinaus. Tom hörte, wie die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss fiel. Stille machte sich breit. Wenigstens Becky war vorläufig aus seinem Blickfeld.

»So, nun haben wir erst mal ein bisschen Ruhe!«, meinte Henrik und streckte sich auf dem Sessel gegenüber aus. Er goss sich ein Bier ein.

»Willst du auch eins?«

Tom schüttelte den Kopf. Sein Mund fühlte sich an wie zugeklebt. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

»Und, wie war die Fahrt?«, fragte Henrik.

Tom spürte, dass Henrik durch sein Schweigen inzwischen etwas verunsichert war. »Also, ich meine, bist du vielleicht müde? Willst du erst mal in Ruhe auspacken und duschen?«

Vor seinem inneren Auge sah Tom auf einmal den mit hohem Schilf umsäumten See vor sich, der in der Augustsonne glitzerte. Er sah den nackten Henrik neben sich liegen, sah dessen Blick auf seinen steifen Schwanz, als sei es erst gestern gewesen. Er straffte sich.

»Ja, das ist eine gute Idee!«, sagte er mit nun fester Stimme. »Ich würde gerne erst mal duschen, es war so heiß im Zug. Wann kommt Beck-, äh, Bea denn wieder?«

Henrik winkte ab. »Wenn die mit Lea unterwegs ist, hat sie stundenlang zu tun. Keine Ahnung, was die Frauen immer so lange zu bequatschen haben. Im Bad kannst du alles benutzen, was du brauchst. Handtücher liegen im Schrank links.«

»Danke!«, erwiderte Tom und ging aus dem Raum. Er atmete tief durch. Er musste jetzt stark sein. Nicht heulen, hieß die Parole, sondern kämpfen.

In seinem neuen Zimmer – einem schönen, hellen Raum mit Blick auf einen grünen Innenhof – klappte Tom seinen Koffer auf. Er nahm nur sein Waschzeug heraus, sonst nichts. Auspacken war jetzt völlig unwichtig. Dann bemerkte er, dass über dem französischen Bett ein riesig vergrößertes Foto hing. Es zeigte einen Fluss oder einen See bei Sonnenuntergang – »ihren« See? Nein, bestimmt nicht. Noch einmal atmete er tief ein. Er streifte seine verschwitzten Sachen ab und öffnete die Zimmertür. Aus dem Wohnzimmer hörte er das Geräusch von Bier, das in ein Glas gegossen wurde. Als Tom nackt über den Flur huschte, summte er leise eine kleine Melodie vor sich hin.

Tom putzte sich sorgfältig die Zähne und duschte dann ausgiebig. Das Plätschern des Wassers erinnerte ihn daran, dass er eigentlich schon seit seiner Ankunft am Hauptbahnhof pinkeln musste. Er versuchte sich zu entspannen. Einen Moment lang zögerte er, doch dann gab er dem starken Druck seiner Blase nach und ließ voller Genuss seinen harten Pissestrahl in die weiße Duschwanne schießen. Der gelbe Saft strudelte um seine Füße. Tom pinkelte hoch gegen die Kachelwand und sog den frischen Pisseduft ein, der sich mit der warmen, feuchten Luft vermischte.

Das ist für dich, Becky, dachte er grimmig. Wenn du hier das nächste Mal duschst, sollst du meine Pisse riechen und dich vor allem ekeln, was mit Männern zu tun hat.

Er seifte sich gründlich ein, schrubbte die haarlosen Achselhöhlen und ließ den jungen Schwanz zärtlich durch seine Finger gleiten. Er spürte die nackte Haut rings um seinen Schwengel. Am Vorabend hatte er seinen Körper noch vollständig rasiert und alle Schwanzhaare entfernt. Um schön zu sein für Huck. Hoffentlich mochte der glatte Haut!

Gemächlich frottierte er sich ab, tupfte seine Eichel trocken und rieb gründlich seine Spalte. Er wichste sich nur ganz leicht, doch seine hungrige Männlichkeit stand bereits nach wenigen Sekunden hart aufgerichtet. Huck! Ich liebe dich! Ich bin für dich da!

Nackt schritt Tom aus dem Bad hinüber zum Wohnzimmer. Er öffnete die Tür und ging langsam hinein, direkt auf Henrik zu, der gedankenverloren in sein Bierglas glotzte.

»Ich bin fertig!«

Henrik blickte auf und starrte Tom an. Sein Blick glitt über den nackten, schlanken Körper des Freundes bis zu dessen steinhartem Teil, das mit der Spitze auf ihn zeigte – genau wie damals, »Tom!«, rief Henrik heiser.

»Hallo, Huck!«, entgegnete Tom und legte allen Schmelz in seine Stimme und seinen Blick, den er hervorzaubern konnte. Vorsichtig näherte er sich. Nicht zu schnell. Henrik sollte seinen Anblick in aller Ruhe in sich aufnehmen können.

Henrik schüttelte den Kopf und fuhr sich über die Stirn, als ob er ein Traumbild verscheuchen wollte. Tom kam immer näher. Seine Latte schwebte jetzt direkt auf Henriks Gesicht zu.

»Tom … ich … also, du …« Henrik brachte keinen vollständigen Satz mehr zustande.

»Magst du mich?«, flüsterte Tom so leise, dass es klang, als ob die Frage wie ein leiser Wind aus der Vergangenheit zu Henrik hinüberwehte.

Da sprang Henrik auf. Er stieß dabei das halb volle Bierglas um, doch er achtete nicht darauf. Heftig riss er Tom an sich. Während das Bier vom Tisch auf den Teppich tropfte, umschlang Huck seinen Tom und küsste ihn. Zum ersten Mal fühlte Tom Hucks Lippen auf seinem Mund. Ein wundervoller Glücksschauer durchrieselte ihn, als sich die gleichzeitig fremde und vertraute Zunge fordernd in seine Mundhöhle schob. Heiß und glatt stieß sie immer wieder gierig vor. Er fickt mich schon, dachte Tom. Er fickt mich in den Mund! Seine Knie wurden weich. Sein steifer Schwanz drückte gegen den harten Stoff von Hucks Knopfleiste, unter der Hucks Teil in Sekundenschnelle hart und groß wurde. Plötzlich wurde er hochgehoben. Huck schleppte ihn über den Flur in Toms neues Zimmer, dabei küsste er ihn unablässig weiter. Sanft legte er ihn auf das französische Bett.