Gerhard Ebert
Nämlich verheiratet
Plapper-Roman
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Inhaltsverzeichnis
Titel
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
Impressum neobooks
Tina räkelte sich genüsslich auf ihrer breiten, höchst bequemen Bettcouch. Sie hatte eine wunderbare Nacht verbracht, sie spürte wohliges Behagen noch überall in ihrem Körper. Der Schuldige, ihr frisch angetrauter Ehegatte, hantierte prustend nebenan im Bad. Auch er schien sich bestens zu fühlen. Besser und schöner konnte ein Tag nicht beginnen. Welch verdammt gutes Gefühl, einen vertrauten, lieben Menschen an der Seite zu wissen! Und welches Gefühl erst, wenn man weiß, dass es sich um den Ehemann handelt, einen herrlich potenten Kerl, den sie mit einem Ehevertrag wahrscheinlich nicht für alle Ewigkeit an sich gebunden hatte, wofür sie aber kämpfen würde, sollte er fremdgängerische Gelüste bekommen.
Jetzt rief er: „Hörst du mich?“
„Nein!“ sagte sie und spitzte die Ohren.
„Willst du nicht aufstehen?“ fragte er und prustete laut unter der Dusche.
Tina indessen beschloss, zunächst einmal liegen zu bleiben. Sie hatte insgeheim feierlich entschieden, schon am ersten Tag ihrer Ehe das bislang gültige Ritual mit Harald als Liebhaber zu beenden und behutsam neue Akzente zu setzen, und zwar Ehe-Akzente.
„Liebst du mich noch?“ rief sie.
„Überflüssige Frage!“
„Ach, du Doofer!“
Das war nicht eben sehr klug reagiert, Tina wusste es sofort. Es schien ihr ratsam, jetzt erst einmal abzuwarten. Vermutlich würde ihr Gatte alsbald nach Kaffee rufen. Bislang war es selbstverständlich gewesen, dass sie zuerst duschte und dann, wenn er ins Bad huschte, für das Frühstück sorgte. Vergangene Nacht allerdings hatten sie bei einem entspannten Plausch nach einem furiosen Akt aus einer Laune heraus beschlossen, dass Zeremoniell zu Ehren ihrer Ehe umzukehren. Ohne indessen über die Folgen echt nachzudenken. Tina hatte mögliche Komplikationen zwar vorsichtig ansprechen wollen, doch er hatte mit seinem schon wieder einsatzfähigem und sichtbar ungeduldigem Instrument alle profanen Gedanken verscheucht. Die Frage der Zuständigkeiten in punkto Frühstück, eigentlich eine Nebensächlichkeit, war also offen geblieben und bedurfte einer einvernehmlichen Regelung. Was sich prompt bestätigte. Schon tönte es fröhlich aus dem Bad: „Kaffeeeee!!“
Tina stimmte zu. „Vernünftiger Gedanke!“ rief sie ebenso fröhlich zurück. Damit war freilich die Frage, wer sich um den Frühstückskaffee kümmern würde, noch nicht beantwortet. Und sie musste beantwortet werden! Denn zwischen Eheleuten, davon war Tina fest überzeugt, müssten hinfort die alltäglichen Pflichten und Verrichtungen etwas anders aufgeteilt werden als bei einem profanen Liebespaar. Und damit musste schon heute begonnen werden.
Prompt kam die Frage: „Wer macht‘s?“
Tina setzte sich überrascht auf. Sollte der gute Harald ernsthaft erwägen, das Kaffeekochen zu übernehmen? Das wäre ja geradezu sensationell! Erwartungsvoll rief sie „Immer der fragt!“ und legte die Hand ans Ohr, um nur ja keine Nuance der Antwort zu verpassen.
Harald entgegnete sofort: „Finde ich doof!“
Damit war klar: Der Herr Ehemann war nicht gewillt, neue Pflichten zu übernehmen. Jedenfalls nicht im Moment und bestenfalls noch nicht. Tina also folgerichtig: „Widersprichst du mir?“
Harald prompt: „Hört sich so an!“
Tina überlegte. Sie klopfte abwägend auf ihrer Bettdecke herum und entschied, den Herrn herauszufordern. Ein bisschen vorwurfsvoll, aber eigentlich recht lieb fragte sie laut: „Nach dieser Nacht?“
Im nämlichen Moment tauchte Harald mit dem Elektrorasierer hantierend in der Tür auf und sagte spritzig: „Ganz schöne Strapaze!“
„Pfui!“ rief Tina empört. Das war ja nun wirklich echt die Höhe! Wie konnte er ihre erste Ehe-Nacht eine Strapaze nennen! „Pfui!“ rief sie noch einmal und verkroch sich unter der Bettdecke.
Harald schaute kurz verblüfft, begriff, dass seine Anmerkung wohl nicht so recht passabel gewesen war, reagierte aber betont lässig und sagte beiläufig, doch sehr souverän: „Was den Kaffee betrifft - hab mich zu nichts verpflichtet!“ Und schon wollte er wieder ins Bad verschwinden. Aber Tina schaute hervor und fragte: „Rasierst du dich?“
„Wie du siehst, mein Schatz!“ meinte er galant und zeigte ihr demonstrativ seinen Rasierapparat.
Tina lachte verschmitzt: „Ich würde dem Bart das Wachsen verbieten.“
Harald stutzte, weil er nicht begriff, wohinaus Tina da eigentlich wollte, hob dann gewichtig den Zeigefinger und dozierte: „Du würdest dich ganz schön wundern! Küssen im Urwald ist gefährlich!“ Worauf er, ohne ihre Reaktion abzuwarten, wieder verschwinden wollte.
Animiert rief sie: „Aber romantisch! Wenn ich so an deine Schlangenfarm denke!“
Harald verharrte. „Wie bitte?“ fragte er erstaunt.
Tina amüsierte sich höllisch und fragte schelmisch: „Sie wissen nicht, was ich meine?“ Und mit dem Ausdruck höchsten Bedauerns fügte sie hinzu: „Schade, dass da nur ein so’n Biest haust!“
Harald, der’s inzwischen kapiert hatte, daraufhin mit selbstbewusster Pose: „Völlig ausreichend!“
„Gut gewachsen! Ja, gut gewachsen! Spricht sehr für ihn!“
„Nimmersatt!“
Damit war zwischen ihnen die funkelnde Harmonie erst einmal wieder hergestellt, die Tina so sehr schätzte an ihrer Beziehung. Aber es müssten eben neue Akzente gesetzt werden. Bislang war sie sozusagen tendenziell seine Dienerin gewesen, hatte sich strategisch mehr unter- als eingeordnet. Wenn das nicht so bleiben sollte, musste sie aktiv bleiben, ihr Ziel immer wieder ansteuern. Allerdings klugerweise nicht direkt. Durchaus hintergründig fragte sie daher: „Liebst du mich noch?“
Harald, sensibler wohl als allgemein die Männer, und schon insofern höchst begehrenswert, witterte sofort einen Hintergedanken und konterte, indem er herausfordernd konstatierte: „Hab dich nie geliebt!“
„Nie?“ fragte Tina Empörung vorschützend und blitzte ihn mit ihren dunkel-geheimnisvollen Augen an.
Er wusste sofort, dass er einen Punkt gut gemacht hatte, und setzte noch einen drauf. „Nie!“ wiederholte er polemisch und verduftete erneut ins Bad.
Tina verharrte einen Moment ratlos. Sie entschloss sich, Haralds Bosheit zu ignorieren, ihn jedoch erneut herauszufordern. So schnell durfte sie nicht klein bei geben. Das war sie sich schuldig. Obwohl er es gar nicht sehen konnte, betastete sie demonstrativ ihre Wangen und behauptete lautstark: „Diese Stoppeln sind eine Katastrophe!“
Harald kam zurück, offenbar fertig mit der Morgentoilette, und tat sehr erstaunt: „Stoppeln? Welche Stoppeln?“
„Na die da!“ rief Tina vorwurfsvoll und zeigte mit spitzem Finger auf sein Gesicht.
Harald war sich klar, dass er unrasiert für ihre Wangen eine Kratzbürste war, reagierte aber bewusst verständnislos. „Du tust ja gerade so, als sei Dir mein Bart ganz was Neues!“
„Als Single kamst du immer picobello rasiert, mein Lieber! Das habe ich sehr geschätzt! Der Mann hat Art, dachte ich!“
Das konnte Harald nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich hatte er sich abends nie extra rasiert. Im Gegenteil, seine stachelige Rauheit hatte sie sogar gern gemocht. Angeblich offenbar! stellte sich jetzt heraus. Harald machte sich so seine Gedanken und spielte ihr den Ball wieder zu: „Du konntest es ja nicht erwarten heute Nacht!“ Und um zu betonen, dass er das Thema ‚Stoppeln‘ im Moment nicht unbedingt fortsetzen wollte, griff er zur Hose und schlüpfte hinein.
Tina blieb hartnäckig und sagte resümierend ziemlich kategorisch: „In Zukunft wird vorher rasiert!“
Womit sie erreichte, dass sich Harald doch wieder auf das Thema einließ: „Ein Mann ohne Bart ist wie eine Suppe ohne Salz!“
Tina frohlockte innerlich. Sie hatte ihn wieder beim Wickel und stichelte weiter. „Mir zu salzig!“ sagte sie kokett.
Harald begriff nicht, worauf seine Frau hinaus wollte. Ihre Attacke war in der Tat im Moment nicht zu verstehen. Er konnte beim besten Willen nicht ahnen, dass Tina schon unmittelbar nach der Hochzeitsnacht erste Leuchtraketen in Sachen Ehe-Pflichten abschoss. Harald tat ratlos, und das war echt ehrlich. Er fragte, beide Hände zur Betonung hebend: „Ich denke, du liebst den Urwald?“
Tina triumphierte zufrieden, ohne es sich anmerken zu lassen. Sie wähnte, ihren frisch Angetrauten ein wenig aus seiner unerhörten, zwar durchaus imponierenden, aber wahrscheinlich eheschädigenden Selbstsicherheit aufgestört zu haben. Also setzte sie nach: „Bin völlig zerkratzt! Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht geheiratet!“ Und wieder griff sie sich an die Wangen, befühlte sie mit spitzen Fingern und tat so, als sei das Ende der Welt gekommen.
Harald staunte. Suchte Tina Streit? Wegen seines Bartwuchses? Betont resigniert stellte er fest: „So leichtfertig gehst du mit unserer historischen Entscheidung um!“ Und um sein Statement zu bekräftigen, wandte er sich demonstrativ von Tina ab und zog das Hemd über.
Tina spürte sofort, dass die Ehe-Harmonie sich unnötig eintrüben könnte und flötete auf ihre liebevollste Weise: „Liebling!“
Worauf sich Harald brummend seine Socken anzog.
Sie ließ nicht locker und girrte: „Knilch!“
Er war nicht bereit einzulenken und knurrte bissig: „Dieses unqualifizierte Wort verbitte ich mir!“
Jetzt erhob sich Tina, spitzte ihren Mund zu einem Kuss und flüsterte liebevoll: „Süßer Knilch!“
Harald schien es ratsam, auf diese erotische Einladung nicht einzugehen, sondern weiter zu schmollen. Abfällig fragte er: „Etwas Besseres fällt dir nicht ein?“
Sie unverdrossen herausfordernd: „Sag mal, warum habe ich dich eigentlich so lieb?“
Harald hatte natürlich längst Lust, erneut wenigstens ein bisschen intim zu werden und dies eigentlich alberne Gerede zu beenden, bei dem es wahrscheinlich letztlich nur um den Kaffee ging. Aber irgendwie schien ihm das nicht passend für den Moment. Es hätte bedeutet, dass er an ihrer Leine hing. Und zwar an ihrer kurzen Leine. Und das kam nicht in die Tüte. Überhaupt nicht. Daher reagierte er trotzig: „Mein Gott! Warum wohl?“, ließ sich in den Sessel fallen und schaute sie herausfordernd an.
Sekunden verstrichen. Tina hatte natürlich empfunden, wie ihrem Gatten eigentlich zu Mute war. Jetzt räkelte sie sich im Bett und erklärte frohgemut: „Schön, dass es dich gibt!“ Womit sie deutlich um Entspannung bemüht war.
Harald honorierte das Kompliment nicht, sondern versuchte, es auszunutzen. „Aufstehen! Kaffee kochen!“ forderte er trocken. Zugleich faltete er die Hände, um zu signalisieren, dass er nicht gedachte, von seiner Forderung abzulassen.
Aber auch Tina war nicht bereit, locker zu lassen. Das musste jetzt ausgekämpft werden! Sie verlegte sich aufs Schmollen und rief: „Ach du! Heute Nacht hast du mir versprochen, zur Feier des Tages den Kaffee ans Bett zu bringen.“
Darauf Harald kopfschüttelnd: „Kann mich nicht erinnern.“ Er zog die Schultern so hoch er nur konnte.
Tina zeigte sich tief enttäuscht. Mehr zu sich als zu ihm sagte sie: „So sind die Männer! Versprechen einem Bohnenkaffee, dann reicht es nicht einmal zum Muckefuck!“ Und um diese Feststellung zu erhärten, legte sie sich wieder ins Bett zurück, schaute jedoch erwartungsvoll, wie er reagieren würde.
Harald war natürlich längst animiert. Nebbich, diese Kaffeekocherei! Diese Frau war absolut begehrenswert. So trat er denn provokatorisch zu ihr ans Bett, machte eine Verbeugung und sagte: „Gnädige Frau, geruhen Sie, sich zu erheben? Oder?“ Und noch während er das letzte Wort ziemlich deftig aussprach, zog er behutsam sein Hemd aus der Hose.
Tina begriff sofort, wohinaus das führen sollte, war dazu aber überhaupt nicht bereit. Mit seinem steifen Lümmel wollte er die Kaffeefrage entscheiden. So war das bislang immer gewesen. Stets hatte sie nachgegeben, um ihn sich als Geliebten zu erhalten. Jetzt und ab heute war eine andere Situation. Möglichst entschlossen sagte sie daher: „Oh nein!“
Darauf Harald denn doch überrascht: „Nein?“
Obwohl Tina fasziniert auf das Mysterium seines guten Stückes schaute, das sich da in der Hose schon wieder erhoben hatte, flehte sie: „Bitte nein!“
Harald freilich gab nicht auf, im Gegenteil, er amüsierte sich über seinen pikanten Einfall und die ein wenig ratlose Reaktion seiner Frau. „Muss er Kaffee kochen?“ fragte er frohlockend und öffnete in bübischer Laune seinen Hosenstall.
Tina kroch flink auf die letzte Couchecke, zeigte strafend auf das gute Stück und rief: „Das ist Erpressung! Nackte Erpressung!“
„Die ganze Welt erpresst! Aber mein klein Frauchen hat keine Ahnung!“
„Bin nicht dein klein Frauchen!“
„Sondern?“
Tina, noch immer die Unwillige hervorkehrend: „Steck ihn weg!“
„Der hat so Lust!“
Tina, fast schon bereit, sich darauf einzulassen, rettete sich in Trotz: „Ohne Kaffee spielt sich gar nichts ab!“
Worauf Harald erklärte: „Erpressung! Reine Erpressung!“
Tina hatte sich wieder in der Gewalt. Hurtig sprang sie auf und brachte die Couch zwischen sich und ihrem Gatten, der da noch immer mit seinem erigierten Lüstling herumstand. Vorwurfsvoll sagte sie: „Du solltest dich schämen! Dein Eheweib gleich am ersten Tag so schamlos zu vergewaltigen!“
Das war zwar maßlos übertrieben, verfehlte aber nicht seine Wirkung.
„Na gut!“ sagte Harald einlenkend und sperrte sein gutes Stück wieder weg.
Tina hatte auf diese Weise schon wieder Oberwasser. Maßlos enttäuscht klagte sie prompt: „Ach, schade! Der sah so gut aus!“
„Vorbei!“ meinte Harald bissig und stand jetzt etwas ratlos herum.
Tina in bester Laune: „Tust du ihm auch nicht weh?“
Harald resignierte demonstrativ: „Der ist Kummer gewöhnt!“ Und gleichsam wie einen Schlussstrich unter die kleine Fehde stopfte er das Hemd in die Hose.
Tina indessen, noch immer die Couch zwischen sich und ihrem Gatten, konnte eine solche Behauptung natürlich nicht im Raum stehen lassen. Wenn es auch nur flapsig gemeint sein mochte, aber ihr Unfähigkeit in Sachen Sex vorzuwerfen, schien ihr nicht hinnehmbar, weil einfach nicht stimmend. Fast zornig sagte sie daher: „Nimm das zurück!“
Wozu Harald nun freilich so schnell nicht bereit war. Also schmetterte er hinterher: „Die reine Wahrheit!“
Womit nun wiederum Tina beim besten Willen nicht einverstanden sein konnte. Also forderte sie erneut: „Nimm das sofort zurück!“
Harald frohlockte innerlich. Jetzt hatte er seine Angetraute in einer Stimmung, die mit der neuerlichen Frage: „Kochst du Kaffee?“ gleichsam zum Überkochen und also zur Antwort führen musste.
Genau so geschah es denn auch. Allerdings nicht ganz so, wie Harald erwartet hatte. Er hatte angenommen, die mehr oder weniger deftige Auseinandersetzung, immer am Rande eines ersten Ehekrachs, aber zugleich auch in gedämpfter Freude am Liebes-Scharmützel, würde Tina nachgiebig gemacht haben. Schließlich hatte sie bislang immer den Frühstücks-Kaffee bereitet, ohne je eine Diskussion darum geführt zu haben. Und plötzlich sollte das nicht mehr selbstverständlich sein? Nur weil sie nun verheiratet waren? Harald sah gespannt, dass Tina zögerte und um ihre Entscheidung rang. Dann plötzlich sagte sie trotzig „Nein!“, hüpfte elegant wieder ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
Welch kapriziöses Frauenzimmer! Harald schaute ziemlich entgeistert. Dann trat er ans Bett, um die Decke zurück zu ziehen. Aber das schien ihm denn doch zu rabiat. Geduld war angesagt! Geduld! Behutsam schritt er zurück, blickte sich nach dem Sessel um, ging leise dahin und setzte sich behutsam hinein, immer das Bett und seine versteckte Ehehälfte im Blick. Die rührte sich nicht. Geduld! Ohne Zweifel hatte er die bessere Position. Er saß gemütlich, zwar inzwischen sowohl etwas durstig als auch etwas hungrig, aber eben gemütlich in einem Sessel. Sie hingegen hatte sich unter der Decke weggesperrt, und das musste auf die Dauer ungemütlich werden.
Sekunden verstrichen, Minuten verstrichen. Tina harrte trotzig aus und rührte sich nicht. Harald hielt es schließlich für ratsam, den Dialog wieder aufzunehmen. Und zwar mit der Frage: „He! Wie läuft das jetzt?“
Die Bettdecke bewegte sich etwas, aber Tina erschien nicht. Wieder vergingen ein paar Sekunden, dann meinte Harald, den völlig Ratlosen spielend: „Du hast immer den Kaffee gekocht! So oft ich hier war!“
Jetzt klappte Tina die Decke auf, schaute aber nur mit dem Kopf hervor und sagte beschwörend: „Ja, und seit gestern sind wir verheiratetetetet!! Verstehst du? Verheiratet! Eine ganz neue Situation, mein Lieber!“ Selbstbewusst stand Tina zu ihrem Statement, verschwand also nicht wieder unter der Bettdecke, sondern wartete gespannt auf Haralds Antwort.
Harald indessen hatte inzwischen begriffen, dass es Tina um weit mehr ging als nur um Kaffee zum Frühstück. Sie wollte offensichtlich eine Art Grundsatz-Diskussion vom Zaun brechen. Und das am ersten Tag ihrer Ehe! Das musste verhindert werden. Deshalb musste er versuchen, die Sache so nebenbei zu behandeln wie es nur irgend ging. Ganz und gar erstaunt sagte er daher: „Ändert das was an meinem Kaffee?“
Tina ließ sich ablenken, zumal sie, wie sie fand, eine knallige Antwort parat hatte: „Dünn wie Spülwasser“, sagte sie, „oder stark wie zehnfacher Mokka!“
Was sich nun allerdings als glänzende Vorlage für Harald erwies. Überlegen reagierte er: „Genau! Und deshalb halte ich mich lieber zurück! Nach wie vor.“
Tina - noch immer unter der Bettdecke auf Distanz bedacht, aber ihren Kopf munter erhoben - entschloss sich zur entscheidenden Feststellung: „Keine Chance, mein Bester! Entweder du kochst Kaffee, oder das Frühstück findet nicht statt!“
Harald verschlug es den Atem. Er schwieg, holte dann demonstrativ und für Tina hörbar Luft. Einmal, zweimal, dreimal, mehrmals. „Also…“ begann er, hielt aber ein, zögerte. Dann fragte er prononciert und fast ein bisschen drohend: „Eine ganz neue Situation?“
Tina nickte prompt: „Eine ganz neue Situation!“
„Das hältst du nicht durch!“
„Das halte ich durch!“
„Das hältst du nicht durch!“
„Das halte ich durch!“
Harald schien es an der Zeit, die Wörtelei zu beenden. Eindringlich fragte er daher: „Du glaubst ernsthaft, ich koche den Kaffee, decke den Tisch und suche Butter und Wurst in deinem vollgestopften Kühlschrank?“
Worauf sie ironisch zurückschoss: „Das könnte man so interpretieren!“
Und Harald mimte den Fassungslosen: „Wie kannst du nur so stur sein?“
Tina fühlte, dass er weich wurde. Also nicht nachgeben! Fast bissig sagte sie: „Wo der Kühlschrank steht, weißt du ja hoffentlich! Es ist ab heute unser Kühlschrank!“
Harald rettete sich in pure Verzweiflung: „Du willst also unseren wunderschönen ersten Ehetag mit einem Missklang eröffnen!“
„Ich?“ fragte Tina empört.
„Wer sonst?!“
“Na du!” antwortete sie. “Du weigerst dich, Kaffee zu kochen!“
Harald demonstrierte Ratlosigkeit: „Mann, was soll das werden?“
„Eine gute Frage!“ Tina zeigte geradezu wilde Entschlossenheit. Bei jeder ihrer Repliken war sie ein bisschen mehr unter ihrer Decke hervorgekommen. Jetzt blickte sie ihren Gatten herausfordernd an, seine Entscheidung abwartend.
Harald flüchtete in eine, wie ihm schien, geradezu geniale Lösung. Treuherzig fragte er: „Wollen wir das Los entscheiden lassen?“
Tina perplex: „Das Los?“
Harald glaubte, Tina hätte angebissen. Im Grunde müsste dieses seltsame Hickhack ihr ja ebenso zum Hals heraushängen wie ihm. Daher war er schon wieder etwas übermütig. Zudem wollte er erfahren, wohinaus seine Ehehälfte nun eigentlich strebte. Mit dem Brustton absoluter Überzeugung stellte er daher fest: „Schließlich kannst du nicht erwarten, dass ich jeden Tag Kaffee koche!“
Das war eigentlich und im Kern ein bemerkenswertes Zugeständnis. Aber Tina blieb hartnäckig: „Es geht nicht um jeden Tag, es geht um heute!“
„Ach so! Du willst jeden Tag neu diskutieren!“
Tina schlug fassungslos die Hände vors Gesicht. Harald wartete geduldig. Nach einer gehörigen Schweigeminute ließ sich Tina wieder blicken. Und es kam eine zweite Schweigeminute. Dann sagte Tina leise und resigniert: „So ein Zirkus wegen Kaffee! Wenn ich das geahnt hätte!“
Harald nahm ihre Resignation auf und meinte fast entschuldigend: „Der Teufel steckt im Detail!“
Da war Tina nun allerdings ganz anderer Meinung. „Nee!“, sagte sie und zeigte auf seine Hose, „der steckt nicht im Detail, der steckt da in deiner Hose!“ Und geradezu anklagend fuhr sie fort. „Den hast du verheiratet, den, und du denkst, alles andere tanzt um ihn herum!“
Sie hätte mit Haralds Schlagfertigkeit rechnen müssen! Denn herausfordernd stand er auf und konstatierte: „Schöne Idee!“
Tina begriff sofort, dass die Debatte schon wieder sexuell gelöst werden sollte. Daher beeilte sie sich, seinem Vorschlag zuzustimmen: „Also gut, soll das Los entscheiden!“
„Na siehst du!“ meinte Harald auf Entspannung bedacht und griff in seine Hosentasche, aus der er ein Geldstück hervorholte. „Hier, mein Glückspfennig!“ sagte er und hielt ihr sein Utensil entgegen.
Worauf Tina einen letzten, allerdings ausgesprochen platonischen Versuch machte, diese Variante doch noch abzuwenden. Betont abwertend sagte sie: „Einem Pfennig soll ich mich ausliefern?“
Harald prompt: „Willst du dich auf Euro einlassen?“
Tina gab sich geschlagen. „Los, mach schon!“ rief sie und sprang aus dem Bett. Sie trat zu ihm heran, um ihm zu bedeuten, dass sie aufpassen würde. Er sollte nicht annehmen, dass sie sich hereinlegen ließ.
„Zahl bist du, Rückseite bin ich!“ sagte Harald denn auch ziemlich respektvoll, nicht ohne ihre plötzliche körperliche Nähe zu genießen. Für die herrliche libidinöse Reaktion seines Empfindungssystems auf die Austrahlung eines Weibes war nun mal seine Natur zuständig, und er ganz und gar nicht bereit zu verzichten. Sich zurück zu halten, fiel stets schwer genug. So auch jetzt. Vorsichtshalber ging er ein wenig, aber auch nur ein wenig auf Distanz und wartete.
„Einverstanden!“ sagte Tina. Auch sie schien irgendwie animiert durch die körperliche Nähe ihres Mannes.
Harald verharrte einen Moment. Eigentlich sprach wirklich alles dafür, jetzt Tina einfach in den Arm zu nehmen und zu küssen. Ja, herzhaft zu küssen! Doch schon war der mögliche Moment vorbei. Harald seufzte unmerklich und rieb die Münze zwischen seinen Fingern, ließ sie wie ein Zauberer von einer Hand in die andere gleiten, hob sie hoch und schaute neugierig von unten, hielt sie in die Tiefe und schaute von oben, dann plötzlich warf er sie in die Luft und fing sie auf. Nun hielt er Tina seine Faust entgegen, den Handrücken nach unten gekehrt. Sie starrte erwartungsvoll auf die Faust. Er aber machte mit der linken Hand noch zeremonielle Gesten und brabbelte irgendeinen Zauberspruch. Dann plötzlich öffnete er die Hand.
„Zahl!“ sagte Tina enttäuscht.
„Entschuldige!“ meinte er, die Achseln in aller Unschuld zuckend und Mitleid zelebrierend.
„Hast du getrickst?“
„Wie soll das gehen?“
„Schon gut!“ meinte Tina, „schon gut! Morgen machen wir das mit Euro! Und jetzt, tut mir leid, musst du noch bisschen warten. Das Los hat es so gewollt!“ Flink huschte sie ins Bad, kam aber prompt zurück. Und so vorwurfsvoll wie es nur irgendwie ging sagte sie: „Du hast ja alles nassgespritzt!“
Harald schaute geradezu entgeistert auf seine Gattin. Seit wann war denn das ein Problem? „Na und?“ meinte er patzig.
Tina konterte überraschend. Sie blieb stumm, zog die Hose ihres nagelneuen Schlafanzugs hoch, ließ sich schwer in einen Sessel fallen und machte große Augen.
„Was ist denn los heute?“ fragte Harald ratlos. „Hab nicht mehr herumgespritzt wie sonst immer! Die paar Tropfen sind doch schnell weggewischt!“
„Hättest du keine Lust dazu?“ fragte Tina und schlug ein Bein über das andere, um zu signalisieren, dass sie gesonnen war zu warten, bis er im Bad sauber gemacht hatte.
Harald tat so, als begriff er diese Geste nicht, und versuchte, ihre Forderung in Frage zu stellen. „Entschuldige, musst du wirklich an unserem ersten Ehe-Tag mit solchen Kleinigkeiten Rummel machen?“
Daraufhin erklärte Tina stolz aufgerichtet und sehr bestimmt: „Ich möchte, entschuldige, ich bitte, dass du gleich am ersten Tag unserer Ehe deinen Single-Manieren ade sagst. Schließlich wohnen wir nicht allein hier, und wenn Sybille kommt, musst du erst recht Rücksicht nehmen.“
Mit dem Verweis auf Sybille hoffte Tina, der Kabbelei eine Wende geben zu können. Ihre Freundin Sybille, eine attraktive Show-Tänzerin, wohnte mit ihr in dieser Zwei-Zimmer-Wohnung und war im Moment auf ein paar Tage in Urlaub. Sie war zweifellos eine Konkurrentin in punkto Harald, und Tina war froh, dass ihr der Coup gelungen war, während Sybilles Abwesenheit sozusagen Nägel mit Köpfen zu machen und zu heiraten. Die liebe Freundin hatte mal wieder irgendeinen Animateur irgendwo in Tunesien gebraucht und würde arg überrascht sein, was sich hier in der Wohnung inzwischen verändert hatte. Tina wusste sehr wohl, dass die Behausung für drei Personen nicht ausgelegt war, dass sie die Freundin, aber eben auch Konkurrentin, irgendwie würde zum Ausziehen bewegen müssen. Das war schon deshalb nötig, weil Harald auch hinter Sybille her war und möglicherweise sogar mit ihr geschlafen hatte. Jetzt aber ließ sich Harald nichts anmerken und reagierte diplomatisch: „Stehen mir rosige Zeiten bevor.“
„Genau! Und als Kavalier solltest du mich nicht hier herumsitzen lassen!“
Harald überlegte. Ging es Tina wirklich um die paar Pfützen im Bad? Oder hatte sie nur eine raffinierte Tour gefunden, ihn erneut ins Bett zu locken? Wie sie da so saß, aufrecht und keck, verführerisch attraktiv. Er mochte sehr ihre etwas rauhe und zugleich fröhliche Art zu disputieren, ihm nichts zu schenken oder durchgehen zu lassen. Noch mehr aber mochte er ihre Gestalt, ihren ebenmäßigen Körper, der sich ihm so wunderbar fügte, wenn er sie umarmte. Hingerissen sagte er denn: „Wenn ich dich so sehe! Alles klar! Ich zieh mal schon das Hemd aus! Ja?“ Und prompt begann er, an seinem Hemd zu nesteln.
Tina reagierte sofort scharf: „So kriegst du mich nicht! Hol ihn ja nicht raus, du! Ich hau ihm eins auf die Kugel!“
Verblüfft hielt Harald inne und sagte höchst vorwurfsvoll: „Gott, du verschreckst ihn ja für Stunden!“
Tina aber signalisierte geschickt ihr eigentliches Anliegen. Möglichst sachlich konstatierte sie: „Gar nicht so einfach, aus einem Junggesellen einen Ehemann zu machen!“
Das war nun allerdings eine Steilvorlage für Harald: „Richtig!“ rief er. „Ehemann! Machen wir einen Quickie!“ Er warf sein Hemd demonstrativ auf den Sessel, sprang ins Bett und schüttelte die Hose von den Beinen.
Völlig ungerührt von dieser plumpen Vorführung blieb Tina sitzen und sagte trocken: „Herr Quickie, das Badezimmer ist eine einzige Pfütze!“
Harald wusste sofort, dass er total blöd gehandelt hatte, gab es aber selbstverständlich nicht zu. Im Gegenteil. Vorwurfsvoll meinte er: „Willst du mich ernsthaft hier verhungern lassen?“
Womit Tina nicht umzustimmen war. Noch vorwurfsvoller als er fragte sie: „Willst du mich ernsthaft hier so sitzen lassen?“
Harald mimte Unterwerfung und bettelte: „Komm! Sei lieb!“
Tina war nicht bereit nachzugeben. „Bitte!“ sagte sie und zeigte demonstrativ zum Bad.
Harald gab noch nicht auf. „Keine Lust auf Urwald?“ lockte er.
Obwohl es Tina etwas frisch geworden war und sie zu frösteln begann, gab auch sie nicht auf. Ruhig und souverän zog sie Bilanz: „Also Kaffee kochen ist nicht, sauber machen auch nicht, aber ins Bett hüpfen, der Herr! Wie mir das gefällt!“
Worauf eine Sendepause folgte. Tina kroch auf dem Sessel in sich zusammen, zog die Beine an, umfasste sie und legte den Kopf auf ihre Knie.
Harald spürte, dass ihr diese leidige eheliche Arbeitsteilung offenbar so wichtig war, dass es ratsam schien, zunächst einmal nachzugeben. Ganz klar, dass sich neue Rituale entwickeln würden, und ob er dann wirklich der Kaffeekocher werden würde, war völlig offen. „Ist ja gut!“ sagte er daher versöhnlich, stieg aus dem Bett und kleidete sich wieder an. Sie beobachtete neugierig, gespannt auf das, was nun kommen würde. Fast sah es so aus, als ob sie erst einmal gewonnen häüäß