Inhalt

  1. Titel
  2. Zu diesem Buch
  3. Widmung
  4. Prolog
  5. 1
  6. 2
  7. 3
  8. 4
  9. 5
  10. 6
  11. 7
  12. 8
  13. 9
  14. 10
  15. 11
  16. 12
  17. 13
  18. 14
  19. 15
  20. 16
  21. 17
  22. Epilog
  23. Die Autorinnen
  24. Impressum

SHAYLA BLACK
LEXI BLAKE

Perfect Gentlemen

Ein One-Night-Stand ist nicht genug

Roman

Ins Deutsche übertragen von
Nele Quegwer und Sophie Wölbling

Zu diesem Buch

SIE SIND DIE PERFECT GENTLEMEN: DIE EINFLUSSREICHSTEN UND BEGEHRTESTEN MÄNNER AMERIKAS …

Dass sein bester Freund Maddox bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt, erwischt Gabriel Bond eiskalt. Neben der Trauer, die er zu bewältigen hat, muss er als Alleinerbe nun auch noch die Geschicke von Mads Firma lenken. Als er auf die attraktive Everly trifft, findet er bei ihr die Zerstreuung, die er nach den letzten Tagen sucht. Sie verbringen ein heißes Wochenende miteinander, ohne ihre Namen zu verraten. Doch schon am Montag danach stehen sie sich plötzlich als CEO und Chefin der IT-Sicherheit wieder gegenüber. Die Leidenschaft, die sie füreinander empfinden, versuchen sie so gut es geht zu verdrängen – was ihnen schwerer fällt, als sie zugeben wollen. Doch dann stellt sich heraus, dass Mads Tod kein Unfall war. Gabriel gerät aufgrund seiner Position und eines kompromittierenden Videos unter Mordverdacht und muss alles daransetzen, seine Unschuld zu beweisen. Zusammen gehen er und Everly auf die Suche nach dem wahren Mörder und geraten in einen Strudel aus wilder Leidenschaft und tödlicher Gefahr …

Für den, der dieser Geschichte wahrlich Form und
Gestalt verliehen hat.

Wir sind überzeugt, ohne dich hätten wir das nicht geschafft, unser lieber Freund aus Neuseeland.

Daher widmen wir diesen Roman dem wunderbaren
Kim Crawford …

Prolog

Creighton Academy

vor zweiundzwanzig Jahren

Gabriel Bond hätte seinen besten Freund am liebsten umgebracht. Er wusste auch schon, wie er das anstellen würde – indem er Maddox einfach mit diesem verfluchten Camcorder erschlug.

»Ist Ihnen klar, was für einen Ärger Sie sich eingehandelt haben, Mr Bond?«. Der überpenible Beratungslehrer Mr Ogilvie lehnte sich in seinem Stuhl zurück und zog seine buschigen, grauen Augenbrauen missbilligend in die Höhe.

Gabe hatte seinen Nachnamen schon immer gehasst, weil ihn niemand an der abgehobenen Creighton Academy je anders anredete als mit »Mr Bond«. So klang er wie ein dämlicher Geheimagent. Aktuell waren sie an der Stelle in dem James-Bond-Film angelangt, an der sich der Boden auftat und er in einen Bottich mit menschenfressenden Haien fiel, während der Bösewicht einen Monolog hielt. Gabe war sich ziemlich sicher, dass er lieber geradewegs in den Schlund des Weißen Hais schwimmen und sich bei lebendigem Leib verspeisen lassen würde, als sich hier den Marsch blasen zu lassen.

Er hätte wissen müssen, dass nichts Gutes dabei rauskommen konnte, ein Mitglied des gegnerischen Debattierclubs zu vögeln. Zumal es keine Studentin der Murray Heights Academy for Young Women – einer reinen Mädchenschule – war, sondern deren Fachbereichssponsorin. Verflucht, sie hatte höchstens wie zwanzig ausgesehen und war körperlich in Topform. Und sie hatte die prachtvollsten Brüste, die er je in seinem jungen Leben gesehen hatte.

Roman Calder trat neben ihn. »Ich glaube nicht, dass mein Mandant irgendwelche Fragen beantworten sollte.«

Manchmal nahm Roman seine Position als Präsident von Creightons Ortsverband der zukünftigen Anwälte Amerikas bei Weitem zu ernst.

»Mr Calder, Sie stecken genauso in Schwierigkeiten wie Mr Bond. Alle von Ihnen. Es handelt sich hier um ein schweres Vergehen. Während Mr Bond Schande über unsere Akademie gebracht hat, hat der Rest von Ihnen ebenfalls gegen die Regeln verstoßen. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, sich in eine Kneipe zu schleichen? Ich bin gespannt, was Ihre Eltern dazu sagen werden.«

Sein Vater würde höchstwahrscheinlich mit ihm abklatschen und einen Seufzer der Erleichterung von sich geben, weil er endlich die Bestätigung dafür hatte, dass sein einziger Sohn weder asexuell noch schwul war. Seine Mutter würde die Augen verdrehen und wieder an ihrem stets präsenten »Kaffee«-Becher nippen, der verdächtig nach Alkohol roch. Sorgen machen würde sich lediglich seine kleine Schwester.

Schuld an dieser ganzen Sache war allein Mad. Mad, der Anstifter. Mad, der Vollpfosten, der den One-Night-Stand seines besten Freundes gefilmt hatte, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu fragen. Arschloch! Gabe spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, doch er hatte schon genug über die Welt gelernt, um zu wissen, wann er sich durchquatschen musste.

Ja, auch das hatte Mad ihm beigebracht.

»Mr Ogilvie, ich verstehe nicht, was meine Freunde hier sollen. Vielleicht waren sie nach der Ausgangssperre draußen, aber es ist kein Geheimnis, dass das nahezu jeder Student von Zeit zu Zeit macht.« Noch etwas, das Gabe gelernt hatte, war, wann er sich selbst ans Messer liefern musste. Gott, er würde seine Freunde vermissen. Er machte sich keine Illusionen darüber, was geschehen würde, wenn er wegen seines bescheuerten Schwanzes von der Schule flog. Seine Eltern würden ihn auf eine andere Privatschule zur Vorbereitung auf das College schicken und er müsste wieder ganz von vorne anfangen. »Bitte, wenn Sie sie gehen lassen, gestehe ich alles.«

»Märtyrer«, stieß Mad unter Husten hervor. Er konnte so ein Armleuchter sein.

Ganz langsam hob Gabe hinter dem Rücken die Hand und zeigte seinem Kumpel den Mittelfinger.

Connor Sparks trat vor. »Nein, Gabe. Mitgefangen, mitgehangen.« Er runzelte die Stirn. »Wie gern würde ich gegen Exeter spielen. Wird hart, die Meisterschaft zu verpassen.«

Daxton Spencer folgte Connors Beispiel und schüttelte den Kopf. »Ja, ich glaube, die ganze Schule wird schwer enttäuscht sein. Ohne unseren Kapitän verlieren wir mit Sicherheit.«

Gerissene Burschen. Gabe unterdrückte ein Lächeln und konnte nichts gegen einen aufglimmenden Hoffnungsschimmer tun. Creighton nahm das Lacrosse und die Meisterschaft sehr ernst. Sie brachten der Schule Geld und Prestige, was beides sehr viel wert war.

Der Beratungslehrer, der es in Gabes Augen schon immer auf sie abgesehen hatte, lehnte sich vor. »Wenn Sie auch nur für eine Sekunde glauben, dass der Sport Sie vor Ihrer verdienten Strafe bewahren wird, sind Sie auf dem Holzweg. In diesem Haus herrschen Regeln, und die befolge ich. Ich habe das Beweisvideo gesehen. Es ist widerlich. Pervers. Was ist bloß los mit euch Jungs?«

Dax und Connor blickten in die Runde, dann sahen sie einander an und zuckten mit den Achseln.

Mad grinste, wie als stillschweigendes Geständnis, dass die Liste ihrer Vergehen lang und erlesen war.

»Finden Sie das etwa lustig? Ein Schulverweis ist die einzige akzeptable Konsequenz aus diesem Schlamassel. Diese Schule soll Gentlemen hervorbringen, und ihr sechs habt bewiesen, dass ihr alles andere als das seid. Und Sie, Mr Hayes …«, Ogilvie wandte sich an Zachary Hayes, den stillsten der sechs.

Ihr nachdenklicher Kumpel tat nie etwas, ohne vorher die möglichen Folgen zu erwägen. Zack runzelte die Stirn.

Gabe spürte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte. Gott, er würde Zack doch nicht von der Schule werfen? Zack, den verflixten Jahrgangssprecher, der die Abschlussrede halten würde. Den mit der rosigsten Zukunft.

»Ich bin enttäuscht von Ihnen«, fuhr der Beratungslehrer fort. »Ich wusste, dass Sie sich Ärger einhandeln, wenn Sie sich mit dieser Bande einlassen. Ich meine, Sie gewarnt zu haben.«

Alle Augen richteten sich wieder auf Zack. Mit seinem dunklen Haar, den eisblauen Augen und seiner verschlossenen Miene erweckte er oft den Eindruck, er würde sich für nichts und niemanden interessieren. Tatsächlich hatte sich Gabe erst nach zwei Monaten in Creighton das erste Mal mit ihm unterhalten. Mad war es gewesen, der den stillen Jungen in ihre Gruppe geholt hatte. Schon bald hatte Gabe gemerkt, dass Zack klug und witzig war … und manchmal einen Weg aus der Klemme fand. Seit fünf Jahren kämpften die sechs jetzt schon gegen den Rest der Welt. Eigentlich passten sie gar nicht zusammen. Connor und Dax waren natürlich schnell Kameraden geworden, da sie beide Sportler waren. Roman und Zack waren eindeutig die ehrgeizigen Typen. Und er war irgendwie der Nerd gewesen, der von Maddox Crawford, dem unausstehlichsten, hinterhältigsten reichen Jungen der Schule unter die Fittiche genommen wurde.

Sie waren wie Brüder, und er durfte einfach nicht derjenige sein, der alles vermasselte. In einem Jahr würden sie ihren Abschluss machen, und sie hatten Pläne, gemeinsam nach Yale zu gehen. Sie hatten Connor Nachhilfe in Trigonometrie gegeben und dafür gesorgt, dass er ein A bekam, damit sie in Zukunft nicht getrennt würden. Einer für alle und alle für einen, und all das.

Vielleicht war sein Traum kurz davor, wie eine Seifenblase zu zerplatzen, aber er hatte nicht vor, seine Freunde auch um ihren zu bringen. Sie hatten einen Pakt geschlossen.

»Es ist meine Schuld. Ich habe sie erpresst, mitzukommen.« Er war bereit, jede Lüge aufzutischen, wenn sie bloß funktionierte.

»Alter, das war schwach.« Dax verdrehte die Augen. »Als würde das irgendjemand glauben. Hören Sie, Mr Ogilvie, Sie wissen doch, wie die Presse ist. Bereit, alles möglichst Anzügliche über uns reiche Jungs zu schreiben, nur um Geld zu machen. Wollen Sie wirklich, dass das People-Magazin einen Artikel herausbringt, der maßlos übertrieben über Creightons super-privilegierte Schüler berichtet, die über die Stränge schlagen und mit Frauen ins Bett gehen, deren Einverständnis dazu zweifelhaft ist?«

Gabe starrte seinen Freund an. Was sollte das denn jetzt? »Ihr Einverständnis war überhaupt nicht zweifelhaft, du Arschloch.«

»Das wird die Presse nicht scheren«, erklärte Roman und wandte sich dann an den Berater. »Dieser Skandal wird auch auf die Schule kein gutes Licht werfen.«

»Ich fälle meine Entscheidungen nicht mit Rücksicht auf die Presse, sondern nur hinsichtlich der Regeln dieser Schule. Und im Übrigen beabsichtige ich, heute Nachmittag mit meinem Kollegen von der Murray Heights zu sprechen. Miss Jones wird heute noch entlassen werden. Ich bezweifle nicht, dass sie ebenfalls die entsprechenden Behörden einschalten werden. Keine Schule, die auch nur das Geringste auf sich hält, wird eine Sexualstraftäterin weiterhin auf dem Campus arbeiten lassen.«

Mist. Er hatte eine nette, erstaunlich gelenkige junge Dame in die Scheiße geritten. Verdammt, er hatte sie angebaggert. Sie hatte lediglich einem jungen Kerl zu etwas Spaß verholfen. Warum sollte sie für ihre gute Tat bestraft werden?

Gabe fuhr sich durch die Haare. Was für ein Scheißtag. Er hatte alles verloren und musste wieder zu dem Eigenbrötler werden, der er gewesen war, ehe Mad ihn beiseite genommen und ihm gezeigt hatte, wie man seinen Mann steht. »Bitte, tun Sie das nicht.«

»Das kann er gar nicht, und zwar aus zwei Gründen: Erstens tritt die Volljährigkeit im Staat New York mit siebzehn ein, also war die sexuelle Handlung mit Miss Jones nicht illegal, und daher ist sie auch keine Sexualstraftäterin. Zweitens kann ich mich nicht erinnern, dass man von der Schule verwiesen werden kann, weil man Geschlechtsverkehr mit einer anderen erwachsenen Person hatte, die ihr Einverständnis erteilt hat. Wenn das so wäre, Mr Ogilvie, müsste der Großteil der Abschlussklasse einen Schulverweis bekommen, insbesondere, wenn sie mal Augustine Spencer begegnet sind.«

»Na, hör mal! Du sprichst hier von meiner Schwester!«, regte sich Dax auf.

»Was denn? Sie ist sehr offenherzig. Ich meine das im positivsten Sinn«, versicherte Roman. »Aber zurück zum Thema. Ogilvie könnte Ms Jones wahrscheinlich feuern lassen … aber er hat keinen Beweis, dass der Vorfall jemals stattgefunden hat.«

»Natürlich habe ich einen Beweis. Ich habe das Band gesehen.«

Mit der Gewandtheit eines jungen Mannes, der schon viel Zeit in Scheinprozessen verbracht und sie alle gewonnen hat, drehte Roman sich um. »Mr Bond, haben Sie eine Freigabe unterzeichnet oder Mr Crawford in irgendeiner Weise die Erlaubnis erteilt, Sie beim Koitus mit der reizenden Ms Jones zu filmen?«

Er warf Mad einen bösen Blick zu. »Nein, verdammt noch mal. Was denkst du denn? Wenn ich davon gewusst hätte, hätte ich dem Arschloch eins auf die Nuss gegeben.«

Ogilvies buschige Augenbrauen zogen sich angesichts seiner Ausdrucksweise noch weiter in die Höhe, und Gabe fiel wieder ein, wo er sich befand. »Ich meine, ich hatte nicht die geringste Ahnung und hätte lautstark protestiert, wenn ich gewusst hätte, dass die Begegnung aufgezeichnet wird.«

Hinterher hatte Gabe ihm eine reingehauen. Er hatte Mad die Nase gebrochen, aber Mad schien das lediglich als eine weitere Geschichte zu betrachten, die er eines Tages bei ein paar Bier zum Besten geben konnte. Er hatte es mit einem Achselzucken abgetan, wie alles andere – mit der gleichgültigen Nonchalance eines Mannes, der genau wusste, dass am Ende des gelben Ziegelsteinwegs der vorbereitenden Schule ein milliardenschwerer Treuhandfonds auf ihn wartete.

»Möglicherweise habe ich vergessen zu fragen.« Mad lächelte unschuldig. »Ihr wisst doch, Kunst entschuldigt sich nicht.«

Und Mad genauso wenig.

Triumphierend klatschte Roman in die Hände. »Ich wette, wir werden feststellen, dass Ms Jones davon ebenfalls nichts wusste. In diesem Staat dürfen ohne Zustimmung eines der Beteiligten weder Audio- noch Videoaufnahmen als Beweis in einem Zivilprozess verwendet werden. Sie können sie wegen moralischem Fehlverhalten feuern, aber um vor Gericht zu bestehen, brauchen Sie dieses Band. Da für diese Aufnahme kein Einverständnis vorlag und sich der Vorfall nicht unter dem Blick der Öffentlichkeit zugetragen hat, ist das Band gegenstandslos, und die Anwälte der Murray Heights werden der Schulleitung höchstwahrscheinlich nahelegen, die Schule in keinen Prozess zu verwickeln, den sie nicht gewinnen kann. Ich fürchte also, Sie haben kein Band.«

Ogilvies Gesicht färbte sich rötlich. »Hören Sie mal zu, Sie kleiner Klugscheißer, das hier ist keine Gerichtsverhandlung. Ich brauche keine Erlaubnis. Sie sind alle von der Schule verwiesen, daran gibt es nichts zu rütteln. Diese Schule bringt nicht nur Gentlemen hervor, sondern perfekte Gentlemen. Wissen Sie, wie lange ich Sie schon loswerden will, Maddox Crawford? Auf diesen Tag warte ich schon, seit Sie durch diese Tür gekommen sind, Sie verwöhnter Kotzbrocken. Ich breche Ihnen das Rückgrat – und Ihren Freunden auch, und sei es nur, damit Sie sich mies fühlen.«

»Ist es, weil ich Ihnen in Ihrem ersten Jahr hier diesen Streich mit dem Auto gespielt habe? Langsam müssen Sie doch mal daüber hinwegkommen.« Mad verdrehte die Augen.

Natürlich war das alles hier auf eine Dummheit von Mad zurückzuführen.

Was sollte Gabe bloß ohne die anderen machen? Er konnte es sich einfach nicht vorstellen. Sogar die Sommerferien hasste er. Er verbrachte sie immer bei seinen Eltern in den Hamptons und hockte dort herum wie Falschgeld, weil er einfach nicht dorthin passte. Das Einzige, worauf er sich zu Hause freute, war, seine kleine Schwester Sara zu sehen. Außer zu ihr, hatte er immer bloß zu diesen fünf Jungs gepasst. Sie alle waren auf die eine oder andere Art Außenseiter. Gabe lernte zu viel. Zack war introvertiert. Roman steckte seinen Kopf zu tief in Gesetzestexte. Der Vater von Dax war irgendein hohes Tier bei der Navy und seine Mutter ein Promi aus New Orleans. Connor war ein Stipendiat, der nichts in der Tasche hatte. Und Mad war für die meisten eine Arschgeige … wenn auch komischerweise eine liebenswerte. An keinen anderen Menschen hatte Gabe in seinem Leben mehr gehangen als an diesen, und er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er ohne sie überleben sollte.

Sie alle hielten inne und blickten einander an, als versuchten sie zu begreifen, dass es mit ihrem Kokon in dieser Privatschule aus und vorbei war.

Ogilvie holte tief Luft. »Gut. Jetzt verstehen Sie, wie es in der Welt läuft, Jungs. Wer sich mit den falschen Leuten abgibt, wird mit ihnen untergehen. Sie können alle packen und gehen. Heute Nachmittag spreche ich mit Ihren Eltern. Und, Crawford, ich mache drei Kreuze, dass ich Sie los bin.«

Diesmal hatte Mad keinen markigen Spruch parat. Er war wie versteinert, sein Blick leer.

Wie war es nur so weit gekommen? Sie waren keine schlechten Kerle. Sie waren füreinander da. Sie hatten doch bloß einen trinken gehen wollen, und Emily Jones hatte so verdammt hübsch ausgesehen, dass Gabe nicht lange überlegt hatte.

Gabe wollte sich gerade zum Gehen umdrehen, als Zack endlich den Mund aufmachte. Seine Stimme klang tief und war von einer Autorität erfüllt, die keiner von ihnen zuvor bei ihm gehört hatte.

»Ich weiß, wie es in der Welt läuft, Mr Ogilvie.« Zack stand auf und zog seine Krawatte gerade. »Sagt Ihnen das Brighton Endowment irgendetwas?«

Der Beratungslehrer schnaubte abfällig. »Natürlich. Das ist eine jährliche Zuwendung von drei Millionen Dollar. Es ist für diese Schule von größter Bedeutung.«

»Allerdings. Wussten Sie auch, dass mein Vater sehr gut mit den Geldgebern dieser Zuwendung befreundet ist? Sie hören auf ihn. Für William Markovic bin ich sogar fast so etwas wie ein Sohn. Wenn Sie das hier durchziehen, werde ich ein ausführliches Gespräch mit Mr Markovic führen, und diese Schule wird nächstes Jahr um drei Millionen Dollar ärmer sein – ebenso wie in allen folgenden Jahren. Und ich werde dafür sorgen, dass der Rest des Personals und des Lehrkörpers genau erfährt, warum. Dann dürften Sie sich demnächst auch ohne Job wiederfinden.«

»Dazu haben Sie nicht die Macht«, brauste Ogilvie auf.

»Meinen Sie? Mein Vater war jahrelang Botschafter in Russland. Er ist eng mit den letzten drei Präsidenten befreundet, einschließlich des derzeitigen Oberbefehlshabers. Mein Vater will von mir nur eine einzige Sache. Und jeder, der ihm mal begegnet ist, weiß, dass er bekommt, was er will. Meine Zukunft ist bereits abgesteckt. Wenn ich es richtig anstelle – die erforderlichen Noten bekomme, Jahrgangssprecher bleibe, auf das entsprechende College gehe –, dann erfülle ich die Ansprüche, die an mich gestellt werden. Wenn Sie mich von diesem Weg abbringen, kriege ich einen Tritt in den Hintern, bei dem Ihnen Hören und Sehen vergehen würde. Aber für Sie würde es noch übler ausgehen. Ich habe vor Kurzem meine Zulassungstests für die Uni zurückbekommen, mit einem perfekten Ergebnis. Ich gehe nach Yale, und nach dem Abschluss warten schon Skull & Bones auf mich, denn sie wissen, was sich die Freunde meines Vaters bereits ausgerechnet haben: dass ich eines Tages Präsident der Vereinigten Staaten sein werde. Sie können sich also jetzt entscheiden, ob Sie mein Freund oder mein Feind sein wollen.«

Ogilvie sagte lange gar nichts, dann fluchte er leise, ohne Zack in die Augen zu blicken.

»Ich freue mich, dass wir uns verstehen. Sie sind nur ein kleiner Beratungslehrer, also werde ich meine Zeit nicht mehr hier vergeuden, sondern einen Termin mit dem Dekan vereinbaren. Er nimmt meine Anrufe entgegen, wissen Sie. So schnell werden Sie uns nicht los. Ich werde auch dafür sorgen, dass die reizende Ms Jones keine Nachteile erleidet. Da mein Freund hier so klug war, ein Kondom zu benutzen, erwarte ich keine weiteren Verwicklungen. Ich gehe außerdem davon aus, dass Dax und Connor das Richtige getan und jenes Band zerstört haben.«

Connor hielt zur Bestätigung den Daumen hoch. »Wir haben es heute früh verbrannt, aber das wollten wir erst später erwähnen.« Weil sie dazu in Ogilvies Büro hatten einbrechen müssen.

»Verdammte Scheiße«, fluchte Mad. »Das war doch so ein heißer Streifen.«

Zack seufzte. »Irgendwann gehst du mal zu weit, Mad, und ich kann nur hoffen, dass wir dir dann auch aus der Patsche helfen können. Dieses Mal haben wir nichts verbrochen, außer jung und dumm zu sein. Ms Jones ist Single, und da Gabe schon mittags einen fünf-Uhr-Bartschatten und außerdem einen erstaunlich großen Schwanz hat, kann ich gut verstehen, dass sie ihn für älter gehalten hat. Der Einzige, der etwas Kriminelles getan hat, war dieser Vollidiot da.« Er zeigte auf Mad.

»Ach ja?« Mad warf den Kopf zurück, um seine Haare aus den Augen zu schütteln. »Ich dachte einfach nur, es wäre eine schöne Darbietung, die man für die Nachwelt festhalten sollte.«

Kopfschüttelnd fuhr Zack fort. »Gentlemen, wir sind hier fertig. Ich glaube, es ist Zeit fürs Mittagessen, und die Cafeteria hat wahrscheinlich irgendein Wunderwerk aus Gelatine gezaubert. Gehen wir.«

Zack ging zur Tür, und Gabe blickte ihm mit offenem Mund nach. Wo in aller Welt war diese selbstbewusste, überzeugende Rede hergekommen?

»Die Sache ist noch nicht vorbei«, wetterte der Beratungslehrer.

Zack warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »Doch, ist sie. Ich führe ein überraschend beschissenes Leben, aber dies ist eine der wenigen Gelegenheiten, in denen ich Macht habe, und von der werde ich Gebrauch machen.«

Sie folgten Zack hinaus, und Mad schleifte Gabe geradezu hinter sich her. Ogilvie hinderte sie nicht daran. Der Kelch ging an ihnen vorüber.

»Leute, so einfach kann das doch gar nicht sein«, sagte Gabe, als sie ins Sonnenlicht traten. Plötzlich waren sie von Klassenkameraden umringt, die auf sie zeigten und sich über den Skandal ausließen.

»Alter, hast du wirklich diese Blondine gevögelt?«, fragte einer.

»Ich kann nicht glauben, dass ihr in eine Bar gekommen seid«, stellte ein anderer fest.

Zack legte Gabe eine Hand auf den Arm, während die anderen anfingen, High fives entgegenzunehmen dafür, dass sie es dem Mann gezeigt hatten – und der Schnecke –, obwohl Gabe sicher war, dass sie zwei verschiedene Sachen meinten. »Doch, so einfach ist das. Denk nicht mehr dran. Du hast gegen ein paar Regeln verstoßen, aber niemandem dabei wirklich geschadet. Alles wird gut. Ogilvie muss kapieren, dass es hier keine Gentlemen gibt.«

»Das stimmt nicht, Bond war ein echter Gentleman und hat die Lady zuerst kommen lassen«, schnaubte Maddox. »Ich glaube, ich sollte uns T-Shirts machen lassen, auf denen ›Perfect Gentlemen of Creighton‹ steht. Das würde dem alten Miesepeter gefallen …«

Gabe betete, dass sich dieser dämliche Spitzname nicht halten würde. »Ich bring dich um, Mad.«

Mad legte einen Arm um ihn. »Nichts als leere Versprechungen.«