Rebekka Habermas
Skandal in Togo
Ein Kapitel deutscher Kolonialherrschaft
FISCHER E-Books
Rebekka Habermas, geboren 1959, lehrt Mittlere und Neuere Geschichte an der Georg-August-Universität in Göttingen. Sie war Gastprofessorin an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris und Fellow am St Antony’s College in Oxford. 2015 wurde ihr Artikel »Lost in Translation: Transfer and Non-Transfer in the Atakpame Colonial Scandal« durch das Higby Prize Committee ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihr ›Diebe vor Gericht. Die Entstehung der modernen Rechtsordnung im 19. Jahrhundert‹ (2008), ›Von Käfern, Märkten und Menschen. Kolonialismus und Wissen in der Moderne‹ (hg. mit Alexandra Przyrembel, 2013) und ›Mission global. Eine Verflechtungsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert‹ (hg. mit Richard Hölzl, 2014).
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Das wahre Gesicht des deutschen Kolonialismus – koloniale Sehnsüchte, fragile Macht und Gewalt
Es war ein Skandal, der sogar den Reichstag im fernen Berlin auf den Plan rief: 1900 soll der Kolonialbeamte Geo Schmidt in Togo eine junge Afrikanerin vergewaltigt haben. Doch solche Übergriffe waren nahezu alltäglich, warum also die Aufregung? Die renommierte Historikerin Rebekka Habermas erzählt, worum es wirklich ging: Der Beamte, eigentlich der mächtigste Mann vor Ort, rang mit der afrikanischen Bevölkerung, Missionaren, die vor allem Gottes Wort verbreiten wollten, und dem unzugänglichen Hinterland. Lebendig schildert die Autorin die Beziehungen, Interessen und Motive der Beteiligten, den Alltag vor Ort und die kolonialen Echos, die der Skandal in der deutschen Gesellschaft hervorrief. Damit bietet sie neue, erstaunliche Einblicke – und eine glänzend erzählte Mikrogeschichte des Kolonialismus.
Erschienen bei S. FISCHER
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Karten: Peter Palm, Berlin
ISBN 978-3-10-490217-3
Peter Sebald, Berlin, hat mir außerordentlich großzügig und hilfsbereit einen Teil seiner umfangreichen Transkriptionen aus dem Togoer Nationalarchiv zur Verfügung gestellt, dafür bin ich sehr dankbar.
Native of Aneho, The Germans in Togoland, in: GCL, 28.2.1914.
Silvester / Gewald 2003.
Mein Dank geht an dieser Stelle an Wolfgang Knöbl (Hamburg), der meinen Blick für diese Gewaltphänomene geschärft hat, und an die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Maurice Halbwachs Summerschool 2015.
Mbembe 2001, S. 2.
Daughton 2006, S. 260.
Ebenso wurde sie konterkariert durch die Tatsache, dass Afrikaner und Afrikanerinnen für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten mussten und keine Zeit für die europäischen Erziehungsprojekte hatten.
Vgl. Herbst 2000, S. 91, der gleichzeitig betont, dass diese nicht mit Mangel an Gewalthaftigkeit zu verwechseln sei. Siehe auch Stoler 2009. Heike Schmidt (2008, S. 26) betont dies für den Rechenberg-Skandal. In diesem Zusammenhang sind auch eine ganze Reihe von Forschungen zu nennen, die sich in den 2010er Jahren mit colonial anxieties beschäftigen, vgl. Wagner 2013. Mittlerweile gibt es einen gewissen Konsens, dass in Afrika »das Ideal des rationalen Staates mit Gebietsherrschaft, Gewaltmonopol, Steuern, schriftlich fixierten Gesetzen (…) eine Herrschaftsutopie« blieb. Eckert / Pesek 2004, S. 88.
Vgl. von Trotha 1994 und Pesek 2005.
Vgl. zu den kolonialen Echos und ihrer Aktualität für Europa den überaus anregenden Sammelband von Nicolaidis / Sébe / Mass, 2015.
Die Briten zogen das Blue Book aus dem Verkehr, nachdem sie das ehemalige Deutsch-Südwestafrika nach dem Ersten Weltkrieg als Mandat erhalten hatten: Sie wollten die europäischen Siedler, unter ihnen waren noch Deutsche, nicht verärgern und fürchteten überdies, dass ihre eigene koloniale Herrschaft kritisiert werden könnte. Das Buch wurde schließlich vernichtet und durfte in keiner Bibliothek des Empire enthalten sein. Vgl. dazu die Erläuterungen zum Reprint des Weißbuchs bei Silvester / Gewald 2003.
Külz 1906, S. 105.
Vgl. zum GCL den Beitrag daselbst vom 1.7.1911, erschienen unter dem Titel »Journalism on the Gold Coast«, wo es heißt, dass der GCL seit zehn Jahren erscheine und ein »non negrophobist newspaper« sei.
Külz 1906, S. 105.
Vgl. die anschauliche Studie von Kathleen Keller (2012) zur französischen kolonialen Gesellschaft des Senegal, die aus einer Vielzahl auch von den französischen Behörden mit großem Misstrauen betrachteten Elementen bestand, denen man u.a. Nähe zum Kommunismus oder auch ein going native unterstellte. Eine solche Neubewertung einzelner Akteure und selten auch Akteurinnen ist für die Kolonialgeschichtsschreibung in letzter Zeit im Rahmen der New Imperial History häufig eingefordert worden, etwa durch Lambert / Lester: »Tracing these colonial lives over time and space provides one way of thinking about empire that moves beyond dualisms of centre and periphery, global and local.« Vgl. Lambert / Lester 2006, S. 24.
Vgl. hier die insbesondere in den jüngeren Arbeiten zum französischen Kolonialismus geführten Debatten, etwa bei Daughton (2006). Vgl. Segalla (2012) für die Debatte über die Rolle der Mission Civilisatrice im französischen Kolonialismus aus einer Perspektive, die die lokalen Akteure im Senegal als ebenfalls bedeutsam in den Blick nimmt.
Davis 2003, S. 200.
Auch die von Autoren wie Talal Asad, Gayatari Spivak, Achille Mbembe und Dipesh Chakrabarty geschilderten Probleme des kolonialen Archivs kann es nicht lösen. Noch kann es eine zufriedenstellende Antwort auf die Herausforderung geben, vor der wir durch eine zutiefst europäische Epistemologie stehen, die ihrerseits alles andere als harmlos ist. So Chakrabarty 2000, S. 7: »Historicism enabled European domination of the world in the nineteenth century.«
RT, Werner, 4.12.1906, 4126. Ludwig Werner saß für die Deutsche Reformpartei im Reichstag.
Die meisten Zeitungsartikel, die hier ausgewertet werden, sind der Sammlung entnommen, die der Reichslandbund angelegt hat. Diese befindet sich im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde BArch, R8034 II/6342–6347. Vgl. auch RT, 3.12.1906, 4083–4121. Erzberger etwa beschrieb, wie »Khakimänner auf der Tribüne« mitklatschten, wenn es um Kolonialdebatten ging; zit. nach Leitzbach 1998, S. 353. Vgl. Anonym, Rabbi und Mönch, in: Vorwärts, 4.12.1906. Von einem einzigartigen »Echo einer Erregung der Öffentlichkeit« schrieb das Berliner Tageblatt am 4.12.1906 (Anonym, Kolonialsturm, in: Berliner Tageblatt, 4.12.1906). Vgl. Anonym, Wien, 3. Dezember, in: Neue Freie Presse. Morgenblatt, 4.12.1906, und Berliner Tageblatt des gleichen Tages.
Max Weber nahm in einem Brief an Friedrich Naumann vom 14.12.1906 direkt auf die vom Zentrum losgetretene Debatte Bezug und kritisierte das Zentrum, weil es nicht die Kontrolle der Kolonialverwaltung durch den Reichstag gefordert bzw. zur Bedingung für die Verabschiedung des Kolonialhaushaltes gemacht habe. Vgl. Lepsius / Mommsen 1990, S. 201–205.
Klaus Epstein (1959) listet die ganze Reihe dieser Skandale auf, vgl. auch Reuss 1981; Schneppen 2001; Bösch 2009a, S. 264–329.
Anonym, Tagebuchblätter eines in Kamerun lebenden Deutschen, in: Neue deutsche Rundschau 5 (1894), S. 332–353, hier S. 339, zit. nach Schlottau 2007, S. 341. Vgl. dazu auch Schröder 1997, S. 37ff.
Vgl. RT, Bebel, 1.12.1906, 4061.
Vgl. die Darstellung bei Perras 2004, S. 197–230.
RT, Erzberger, 13.3.1906, 1977.
Vgl. RT, Bebel, 1.12.1906, 4066–4067; vgl. auch RT, Ablaß 1.12.1906, 4072.
Vgl. RT, Ablaß, 1.12.1906, 4077.
RT, Roeren, 1.12.1906, 4092.
Ich schließe hier an meine Überlegungen aus folgenden Aufsätzen an: Habermas 2009 und 2014a. Dargestellt wird der Konflikt aus der Perspektive der Steyler Missionare in: Müller 1958, S. 160ff.; Debrunner 1965, S. 117ff.; Rivinius 1979a, 1979b und 1979c. Auch behandelt wird er in: Erbar 1991; Knoll 1978, S. 56; Gründer 1987; von Trotha 1994, S. 164ff., 358ff.; Sebald 1988, S. 477ff., 535ff. Auch hat sich Bettina Zurstrassen (2008, S. 197–251) mit dem Skandal beschäftigt. Ebenso Jules Kouassi Adja (2009). Adjas Studie stellt die erste Untersuchung dar, die sich ausführlich mit dem Skandal beschäftigt und auch die in Lome befindlichen Quellen berücksichtigt. Generell zu Kolonialskandalen siehe Schmidt 2008.
AG SVD, Korrespondenz Arnold Jansen: Jansen an Hespers 24.10.1900. In dem Brief geht es um das sittliche Verhalten von Kolonialbeamten in Togo.
AG SVD, Subfolder 43132 Ein Beitrag zur Colonialen Corruption in Togo.
Vgl. AG SVD, Subfolder 43210 Jansen an Rektor Blum 17.8.1903. Jansen schrieb hier mit Verweis auf einen umfänglichen Bericht aus Togo, dass eine »Veröffentlichung vorläufig ausgeschlossen« sei, da erst ein Rechtsanwalt gefunden werden müsse.
Hermann Bücking war von 1894 bis November 1907 in Togo. Er wurde 1904 zum Apostolischen Präfekten ernannt und wurde im Oktober 1907 im Zusammenhang mit den Ereignissen in Atakpame abberufen, vgl. (TCS) Katholische Mission; Müller 1958, S. 573ff. Zu Zehnthoff vgl. Rivinius 1979c, S. 176. Hier ist ein Brief von Zehnthoff an Arensberg abgedruckt, aus dem ersichtlich ist, wie eng diese Herren in der Angelegenheit untereinander Kontakt hielten. Franz Karl Hespers (1846–1915) war ein gut vernetzter Theologe, der gleichzeitig Päpstlicher Hausprälat, Vorsitzender der Glaubensverbreitung zu Köln und Professor war, vgl. Rivinius 1979b, Anm. 59.
Das Verschicken dieser Akten vonseiten der Mission etwa an Roeren wurde dann gleichzeitig an die Kolonialabteilung vermeldet, was diese nicht unerheblich unter Druck setzte. Vgl. BArch, R1001/3919 Bücking an Kolonialabteilung 4.9.1904.
Vgl. AG SVD, Subfolder 43248–43293 Brief Jansen an Georg Friedrich Dasbach 5.12.1905. Dasbach, ein höchst aktiver Priester, Journalist und Reichstagsabgeordneter des Zentrums, hatte bei Jansen angefragt, ob dieser weitere Mitteilungen an die Öffentlichkeit gestreut haben wolle.
So am 6.1.1904, vgl. BArch, R1001/3919 Bücking an die Kolonialabteilung 24.9.1904.
Erzberger betrieb eine Nachrichtenagentur, war selbst Journalist gewesen und geübt in der Kunst der Pressehintergrundgespräche, vgl. hierzu Reimer 2007. Hermann Roeren war führend in zahlreichen Skandalisierungskampagnen im Bereich der Sittlichkeitsbewegung, vgl. Templin 2015.
Nikolaus Schönig war von 1897 bis 1914 in Togo, zuerst als Missionar in Palime und dann 1907 als Apostolischer Propräfekt, 1910 als Präfekt. Ihm wird eine Nähe zur Kolonialabteilung nachgesagt, vgl. (TCS) Katholische Mission. Jansen schrieb über ihn: Er »scheint ein Freund der Kolonialoffiziere zu sein (…), mit denen er spielte, trank und rauchte«. AG SVD, Subfolder 41940 Jansen Brief an Praefekt der Propaganda Fide, 1.1.1909 verfasst auf Latein. Zu Schönig heißt es auch im Gold Coast Leader (zit. nach Sebald 2005, S. 169): »(…) he is wealthy. The only priest that does not parade his religion, neither does he intrude himself into the private matters of the adherents of his church.« Das Treffen fand am 8.1.1904 statt, vgl. BArch, R1001/3919 Bericht der Kolonialabteilung 8.11.1904. Das Treffen von Arnold fand am 27.8.1903 statt, vgl. AG SVD, Korrespondenz Arnold Jansen: Jansen Notiz »Meine Unterredung mit mehreren hohen Beamten in Berlin 27.8.1903«. Im August 1903 war Jansen im Kolonialamt, Missionar Schönig folgte im September, im Januar 1904 war es Bücking, vgl. ebd.; BArch, R1001/3915 Brief Schönig 1.9.1903; BArch, R1001/3919 Bericht der Kolonialabteilung 8.11.1904. Im März desselben Jahres fand eine Unterredung zwischen Geo Schmidt und Prinz von Arenberg im Reichstag statt. Im selben Monat wurde Hespers im Amt vorstellig. Im April war Bücking in der Kolonialabteilung; im Herbst kam es zu mehreren Treffen, an denen auch Roeren beteiligt war.
Vgl. BArch, R1001/3915 Schreiben Bücking an Kolonialabteilung 7.8.1903.
Vgl. Rivinius 1979b, S. 110, Anm. 37.
Vgl. Zurstrassen 2008, S. 209.
Geo Schmidt hatte bereits im Juni 1903 gedroht, mittels einer »kurzen Notiz in der Täglichen Rundschau (…) die Sache in die Oeffentlichkeit zu bringen«, vgl. BArch, R1001/3919 Bücking an Kolonialabteilung 15.6.1904.
RT, Roeren, 18.3.1905, 5389–5390.
Vgl. Anonym, Neue Enthüllungen, in: Deutsche Tageszeitung, 4.10.1906, S. 33.
Bräunlich 1907, S. 16.
RT, Bülow, 28.11.1906, 3959.
Vgl. Anonym, Die Methode Bebel und Roeren, in: Deutsche Zeitung, 9.12.1906, S. 174.
Vgl. AG SVD, Subfolder 43248–43293 Jansen an Roeren 16.1.1904.
BArch, R1001/3915 Bücking an die Kolonialabteilung 7.8.1903.
Vgl. BArch, R1001/3919 Brief Bücking an AA 4.9.1904: »Zwinge man sie, auf irgend eine Weise, wenn nötig durch den Druck der öffentlichen Meinung eine Revision des Verfahrens vom 24.11.–28. November 1903 dagegen Herrn Schmidt herbei zu führen und neue, bisher noch nicht berührte Fälle gegen Herren Schmidt und andere Beamte aufzudecken.«
Am 27.8.1903 erklärte er anlässlich einer Unterredung mit einem Beamten im AA: »Ich teilte ihm mit, es sei noch nichts veröffentlicht, aber wohl seien die Mitteilungen schon an einige Abgeordnete des Zentrums gegangen. Das eventuell zur Veröffentlichung bestimmte Skriptum übergab ich ihm, wofür er dankbar war.« Vgl. AG SVD, Korrespondenz Arnold Jansen: Jansen Notiz »Meine Unterredung mit mehreren hohen Beamten in Berlin 27.8.1903«; am 15.6.4 hieß es bei Bücking: »Und was von einer Seite ohne meinen Auftrag auf Wunsch eines zwischen dem Auswärtigen Amt und der Mission vermittelnden Colonialfreundlichen Reichstagsabgeordneten und durchaus nur zur Privatinformation geschrieben wurde, müssen andere verantworten. Unserethalben möge man mit den Veröffentlichungen durchaus beginnen (…). Ob aber eine baldige Veröffentlichung nicht bevorsteht, kann ich nicht garantieren und muss ich eventuell jede Verantwortung dafür ablehnen.« Vgl. BArch, R1001/3919 Bücking an Kolonialabteilung 15.6.1904.
BArch, R1001/3919 Roeren an Kolonialabteilung 14.9.1904. So gab es innerhalb der Atakpamer Missionare Vertreter, welche den Präfekten bzw. Arnold Jansen selbst unter Druck zu setzen suchten, indem sie an die Möglichkeit erinnerten, Informationen an die sozialdemokratische Presse weiterzugeben. Bücking berichtete von jemandem, dem er die Sachlage dargelegt habe und der dann gesagt habe: »(…) dass er dieses um Wandel zu schaffen, in die Oeffentlichkeit bringen würde, und wenn es durch den ›Vorwärts‹ geschehen müsste. Es wäre das ein schwerer Vertrauensbruch, aber ich habe nicht die Sicherheit, den bezeichneten Herrn von der Veröffentlichung zurückhalten zu können, wenn die Angelegenheit nicht in Bälde eine befriedigende Lösung für die Mission findet.« Vgl. BArch, R1001/3919 Bücking an Kolonialabteilung 15.6.1904.
AG SVD, Subfolder 43248–43293 Brief Jansen an Roeren 18.1.1904.
Vgl. AG SVD, Subfolder 43248–43293 Brief Jansen an Roeren 20.1.1904.
Müller setzte aber auch Bücking unter Druck, vgl. BArch, R1001/3919 Brief Bücking an Kolonialabteilung 4.9.1904.
Dass beide Abmachungen realiter so nicht durchsetzbar waren, steht auf einem anderen Blatt und ist vielleicht einer der Gründe, warum man zu einer offensiven Skandalisierung schritt. Vgl. BArch, R1001/3919, Bücking an Kolonialabteilung 4.9.1904.
Vgl. AG SVD, Subfolder 43248–43293 Stuebel an Roeren 16.12.1904. Ausführlicher zum Fall Wistuba und Pöplau Zurstrassen 2008, S. 211–225. Roeren war Anwalt Wistubas, während der Reichstagsabgeordnete Ablaß Pöplau vertrat.
Zu Erzbergers kolonialpolitischer Haltung vgl. Dowe 2011; Epstein 1959.
Külz 1906, S. 146.
Stationsleiter Döring warnte die Kolonialabteilung regelrecht, dass Pater Müller drohe, dass er »noch eine Menge Material (…) im Notfall veröffentlichen werde, wenn man ihm unrecht tue«, und deswegen solle besser nicht gefordert werden, dass Pater Müller aus Togo abgezogen werde. Vgl. BArch, R1001/3918 Döring an Kolonialabteilung 5.10.1904.
Vgl. Schmidt 1907.
Ausführlich dazu Zurstrassen 2008, S. 195–203.
Vgl. BArch, R43/945 Aufzeichnung betreffend den Bureauvorstand Wistuba gez. Schnee o.D.
Im Kaiserreich war unter Otto Hammann das sogenannte Hammann’sche System entstanden, eine regelrechte Form der Günstlingswirtschaft, mittels der bestimmte Journalisten bevorzugt und andere benachteiligt wurden, wenn es um wichtige Nachrichten von Regierungsseite ging. Vgl. Zurstrassen 2008, S. 199–203. So lassen sich im Fall Wistuba Besprechungen zwischen Hammann und Journalisten nachweisen, in denen es darum ging, Beiträge in der Germania zu manipulieren. Vgl. BArch, R43/945 Aufzeichnung betreffend den Bureauvorstand Wistuba gez. Schnee o.D.
RT, Bebel, 1.12.1906, 4065.
Vgl. zu Dernburg Schiefel 1974; Utermark 2011; Davis 2012.
Vgl. RT, 28.11.1906. Ein ausformuliertes Programm legte er unter dem Pseudonym Africanus Minor 1908 mit dem Titel »Dernburgs Kolonialprogramm« vor.
RT, Bebel, 1.12.1906, 4052.
RT, Bülow, 28.11.1906, 3957–3960.
Vgl. zum Folgenden insbesondere Habermas 2010a und 2014a.
Roeren widmete sich in seiner ersten Rede im Dezember 1906 vor dem Reichstag durchaus auch der Angelegenheit von Wistuba. Da er Wistuba als Anwalt vertrat, verfügte er hier über das einschlägige Material.
RT, Roeren, 3.12.1906, 4089.
Vgl. Doezema 1999. Vgl. auch O’Donnell / Bridenthal / Reagin 2005 zu den mit umgekehrten Vorzeichen versehenen rape panics Weißer vor möglichen Vergewaltigungen durch Schwarze.
Vgl. RT, Roeren, 3.12.1906, 4091.
Man wurde nicht müde, über die moralischen Verwerfungen immer wieder in schillernden Farben zu sprechen, auch bei bereits länger zurückliegenden Skandalen. Der Fall Peters wurde häufig bemüht, ausführlich erinnerte man an seine »Beischläferin (…), ein schönes Dschaggamädchen, die intime Verhältnisse mit Verschiedenen hatte«, was ihn anscheinend so erboste, dass er sie und einen ihrer Geliebten am »Galgen« aufknüpfen ließ, vgl. RT, Arendt, 3.12.1906, 4108.
Vgl. Schreiber 1907, S. 16. Das wiederum war auch ein zentrales Thema in Kolonialromanen, vgl. Christaller 1908, S. 41, 48, 74; dies. 1904, S. 56. 1908 erschien zudem ein Roman mit dem Titel »Das Dualamädchen« von Jesco von Puttkamer, vgl. Gouaffo 2007, S. 28. Der Terminus »Dualamädchen« scheint aber schon vorher eingeführt worden zu sein. Auch in diesem Roman geht es um von Weißen über Brautpreise gekaufte Frauen aus der lokalen Bevölkerung.
Vgl. Dickinson 2003, S. 59–110.
RT, Roeren, 3.12.1906, 4091.
RT, Dernburg, 3.12.1906, 4100, vgl. RT, Dernburg, 28.11.1906, 3960–3969.
Erzberger 1906a, S. 7. Diese Vorstellungen entsprachen dem Selbstverständnis fast aller Missionen, vgl. Tetzlaff 1982, S. 199ff.
Vgl. Schmidt 1907, S. 64.
Christaller 1908, S. 76 und Schmidt 1907, S. 59.
RT, Roeren, 3.12.1906, 4090.
Erzberger 1906a, S. 20.
Dr. A.S., Bureaukratische, kapitalistische und sozialistische Kolonialpolitik, in: Münchner Post, 19.12.1906, S. 11–12, hier S. 12.
Schmidt 1907, S. 15. Zur Diskussion über »faule Neger« vgl. Schubert 2003, S. 120ff. Sobich (2006, S. 349ff.) spricht von einer zunehmenden Rassifizierung, Biologisierung und Bestialisierung der Afrikaner in der deutschen Öffentlichkeit. Deutlich kann Gesine Krüger herausarbeiten, dass die Bilder des grausamen Afrikaners im Gefolge des Hererokriegs massiv zunehmen, vgl. Krüger 1999, S. 69–122.
RT, Bebel, 4.12.1906, 4140, behauptete, der »Herr Kolonialdirekter«, also wohl Dernburg, habe dies in einer Rede am 3.12.1906 so gesagt. Tatsächlich benutzte Dernburg die Formulierung: »halb Kinder, halb Narren und halb Wilde«, RT, Dernburg, 3.12.1906, 4100.
Vgl. D.F., Die Methode Bebel und Roeren, in: Deutsche Zeitung, 9.12.1906, S. 174–175, hier S. 175.
Vgl. hierzu die klassische Untersuchung von Adjaï Paulin Oloukpona-Yinnon (1998) und zu Werbebildern Zeller (2008) sowie Ciarlo (2011).
Das heißt auch, dass trotz massiver Kolonialkritik vonseiten des Zentrums und der Sozialdemokratie einer auf rassischer Differenz basierenden Herrschaft nie widersprochen wurde. Einschränkend muss jedoch gesagt werden (und für diesen Einwand danke ich Richard Hölzl), dass rassistische Zivilisationsideen, die auf einer Kulturentwicklungstheorie basieren, und biologischer Rassismus unterschiedlich zu bewerten sind.
Auch gefährdeten Kolonien – aus der Perspektive der SPD – den Weltfrieden. Vgl. im Überblick zur SPD und ihrer Haltung zum Kolonialismus Sobich 2006, S. 177ff.; Stuchtey 2010, S. 235ff.; Schwarz 1999, S. 283–294; Schubert 2003, S. 177ff.; Oberlack 1994; aus marxistischer Sicht Weinberger 1967.
Vgl. Sobich 2006, S. 145ff., dessen Buchtitel auf diese Ineinssetzung verweist und der sich mit diesen rhetorischen Figuren auseinandersetzt.
Vgl. Sobich 2006, S. 305. Er spricht in dem Zusammenhang von einer »eher etwas wohlwollend-herablassenden Haltung gegenüber den Schwarzen in der deutschen Sozialdemokratie«. Michael Schubert (2003, S. 181) betont eher die fehlende Systemkritik am Kolonialismus und dass es in der SPD zwar eine Ideologiekritik an der Kulturmission gegeben habe, jedoch Vorstellungen rassistischer Natur wie die einer »afrikanischen Wildheit« dominant gewesen seien.
Zu den Positionen des Zentrums siehe im Überblick Loth 1987. Er betont, dass sich Kolonialkritik besonders für die langfristige Bindung der unteren Schichten an das Zentrum eignete. Vgl. auch Stuchtey 2010, S. 251, sowie Schubert 2003, S. 149ff., der das Zentrum primär als Unterstützer der katholischen Mission sieht. Vgl. Leitzbach 1998, S. 293–398, zu Erzberger, aber auch generell zur Haltung des Zentrums. Vgl. zu Erzbergers Positionen auch Epstein 1959, S. 642, der lapidar feststellt, Erzberger sei nicht antikolonial gewesen. Vgl. außerdem Wilhelm 1962, S. 118ff.
Hier mussten die Interessen ländlicher Unterschichten genauso wie die des Adels und des Bürgertums vertreten werden, und diese sehr verschiedenen sozialen Gruppierungen verfolgten kolonialpolitisch durchaus unterschiedliche Anliegen. Wilfried Loth (1987) geht darauf präzise ein und zeigt, dass Erzberger hier als Repräsentant eher ländlicher, kleinbürgerlicher und auch proletarischer Interessen agierte. Loth argumentiert, dass kolonialpolitische Kritik vor allem darauf abzielte, diese Gruppen an die Partei zu binden.
Erzberger 1906, S. 5.
Zit. nach Leitzbach 1998, S. 295.
Damit soll auch der in der Skandalforschung häufig vorgebrachten These, Kolonialskandale hätten koloniale Herrschaft erschüttert oder gar zu einer »Liberalisierung« kolonialer Politik beigetragen, entgegengetreten werden. Vgl. Habermas 2015b.
RT, Bebel, 1.12.1906, 4062.
Ein zweites Thema, das in den Kolonialdebatten des Reichstags häufig aufkam, betraf Fragen der politischen Partizipation bzw. der Rechte des Reichstags.
Es ist hier nicht der Ort, eine systematische Analyse der Positionen der SPD vorzunehmen, verwiesen sei aber auf den Umstand, dass der Aufbau einer stringenten Kolonialpolitik der SPD überdies dadurch erschwert wurde, dass Kolonialismus dem marxistischen Entwicklungsmodell gemäß als eng verwoben mit dem Kapitalismus verstanden wurde und der Kapitalismus nun mal als notwendiges Übergangsstadium in der Weltgeschichte begriffen wurde.
Vgl. RT, Ledebour, 28.11.1906, 3977.
RT, Ledebour, 15.3.1906, 2042. Kritik an der Justiz wurde in diesem Zusammenhang auch immer wieder formuliert, vgl. RT, Bebel, 4.12.1906, 4141–4144.
RT, Bebel, 1.12.1906, 4061.
RT, Erzberger, 30.11.1906, 4044 und 13.3.1906, 1976–1977; ähnlich äußerte sich Roeren, vgl. RT, Roeren, 3.12.1906, 4092. Deutlich andere Akzente setzten Zentrumsabgeordnete wie etwa Spahn, der in der Auseinandersetzung im Dezember 1906 schließlich versuchte, auch Roeren und Erzberger zu einer konzilianteren Haltung der Kolonialabteilung gegenüber zu bewegen. Vgl. zu programmatischen Äußerungen des Zentrums in Sachen kolonialer Politik Erzberger 1907a, S. 17–47.
RT, Spahn, 13.12.1906, 4374.
Erzberger ging so weit, auch für Kolonialbeamte das christliche Betragen zum Dreh- und Angelpunkt zu machen: »Im Kern ist jeder Deutsche in den Kolonien ein Missionar: entweder ein solcher des Christentums oder ein solcher des Unglaubens«, Erzberger 1912, S. 5.
RT, Bebel, 1.12.1906, 4062.
Vgl. RT, Müller, 3.12.1906, 4130. In den Beiträgen der Freisinnigen spielten sehr oft die Rechtsverhältnisse bzw. der Mangel einer modernen Kolonialverwaltung eine erhebliche Rolle. Vgl. Müller, 4.12.1906, 4133.
RT, Dernburg, 28.11.1906, 3961. Vgl. Dernburg 1906/07, S. 12f. Da hieß es zum Zweck der Kolonien: »(…) die Zwecke sind materielle und merkantilistische«.
Zu Dernburgs Kolonialprogramm vgl. Utermark 2011, S. 156ff.; Schiefel 1974, S. 80–120. Christian Davis (2012) betont stark den nationalen Aspekt der Dernburg’schen Kolonialpolitik, mit Verweis darauf, dass die Kolonien für Dernburg, der auch antisemitische Ressentiments zu fürchten hatte, jenseits aller Konfessionen einigend wirken sollten.
Dernburg 1906/07, S. 18.
RT, Arndt, 13.12.1906, 4370.
RT, Dernburg, 13.12.1906, 4363.
Külz 1906, S. 161.
Erzberger (1907b) sah auch den Wahlkampf 1907 unter der Perspektive der »Konfessionshetze« und sammelte umfangreiches Material, das belegte, welch große Rolle hier konfessionelle Differenzen spielten.
Vgl. Gründer 1987; Schiefel 1974, S. 51–55; Zurstrassen 2008, S. 232–238; Utermark 2011, S. 124–128; Sobich 2006, S. 233–241.
Vgl. RT, Dernburg, 3.12.1906, 4117. »Schwarze Listen« gehörte zu den von Dernburg geprägten Termini, die in dieser Redeschlacht immer wieder benutzt wurden (vgl. Bräunlich 1907, S. 5f.), genauso wie das »Kaudinische Joch« (Bräunlich 1907, S. 9–19) und »Nebenregierung«. Mit diesen Termini, die schnell Verbreitung gefunden hatten, genauso wie mit den Anspielungen auf den »Augiasstall« und seiner Analogie der »Eiterbeule, die aufgestochen werden müsse«, war es Dernburg gelungen, die Diskurshoheit zu erlangen.
RT, Dernburg, 3.12.1906, 4098.
Vgl. RT, Ledebour, 13.12.1906, 4365. Ledebour verwahrte sich gegen diesen Terminus und behauptete, dass allein die Nationalliberalen hofften, hier einen Kulturkampf auszufechten, dabei sei der »Bismarcksche Kulturkampf ein (…) toter Frosch«. Vgl. auch Zurstrassen 2008, S. 234. Sie spricht davon, dass Bülow die Ereignisse in Atakpame zu einem Kulturkampf stilisierte. Horst Gründer (1987) reduziert die Debatte über den Atakpame-Skandal auf den Aspekt des Kulturkampfes. Geo Schmidt fasste die Ereignisse unter den schlichten Terminus »Missionsstreit«. Damit sollte insinuiert werden, dass das eigentliche Skandalon das Verhalten der katholischen Missionare sei (vgl. Geo Schmidt 1907, S. 1).
Westfälische Zeitung, 6.12.1906.
Anonym, Am Schandpfahl, in: Vorwärts, 6.12.1906, S. 153f., hier S. 153.
Anonym, Wien, 3. Dezember, in: Neue Freie Presse. Morgenblatt, 4.12.1906, Nr. 15190, S. 140f., hier S. 141. Der Autor schrieb weiter, »ohne das Zentrum kann in Deutschland nicht regiert werden«.
Schmidt 1907, S. 64.
Vgl. RT, Dernburg, 3.12.1906, 4118.
Vgl. Bräunlich 1907, S. 18.
Vgl. Anonym, Kolonialsturm, in: Berliner Tageblatt, 4.12.1906, S. 140f., hier S. 141. Vgl. Anonym, Frankfurt 4. Dezember, in: Frankfurter Zeitung, 4.12.1906, S. 144f., hier S. 145.
RT, Bebel, 4.12.1906, 4135. Ein Hintergrund war auch, dass Roeren am 4.12.1906 eine »persönliche Erklärung« im Reichstag abgab (RT, Roeren, 4.12.1906, 4124), die den Eindruck erweckte, als stünde das Zentrum nicht hinter ihm. In der Tat gab es im Zentrum nicht wenige, die die scharfen Angriffe Roerens nicht mittrugen bzw. versuchten, Erzbergers Kolonialabrechnungen im Reichstag in sanfteres Fahrwasser zu lenken. Vgl. Utermark 2011, S. 128.
Vgl. Anonym, Aus den Geheimnissen der Zentrumskamarilla, in: Die Post, 7.12.1906, S. 163.
AG SVD, Subfolder 43132 Ein Beitrag zur Colonialen Corruption in Togo.
RT, Schall, 13.3.1896, 1422.
Vgl. Schmidt 2008 zum Rechenberg-Skandal und Mckenzie 2004 zum Skandal in der Cape Colony.
Kohlrausch 2005.
Vgl. Stoler 1997; siehe auch Epstein 2007, S. 714: »colonial scandal could unsettle distinction thought to set Britain off from formless civilized spaces, and underscore the distinction between a national self image of human governance and the realities of colonial rule.« So drohten Kolonialbeamte, die in sogenannten Mischehen lebten, gleichsam die feine, aber klare Grenze zwischen einem less civilized space und dem europäischen Zivilisationsraum zu überschreiten.
Native of Aneho, The Germans in Togoland, in: GCL, 11.10.1913.
BArch, R1001/3919 Abschrift Sittlichkeitsprozess gegen Schmidt 26.11.1903: »erhielt [ich] wegen Gummihandel ohne Schein 3 Wochen Gefängnis«. Vgl. BArch, R1001/3915 Klage der Station Atakpame gegen katholische Mission 23.3.1903; vgl. auch die Aussage von Julius Smend, BArch, R1001/3917 Bezirksgericht Atakpame im Fall Beleidigungsklage Müller 28.11.1903. Vgl. Ahadji 1996, S. 323ff. zu den Kautschukinteressen im Bezirk Atakpame.
Vgl. Schlechter 1900, S. 251.
Ebd., S. 253.
Vgl. Sebald 1988, S. 432ff. Vgl. hierzu auch die Aussagen von Smend im Beleidigungsprozess Müller, BArch, R1001/3917 Bezirksgericht Atakpame im Fall Beleidigungsklage Müller 28.11.1903. Pater Müller sagte im Beleidigungsprozess, dass »die eingeborenen Gummihändler von Schmidt scharf beaufsichtigt und in Übertretungsfällen gegen seine Vorschriften auch bestraft wurden. Ich glaube daher, dass diese Gummihändler mit seiner Verwaltung nicht besonders zufrieden gewesen« sind. Weiter schilderte er Versuche der Kautschukhändler, die Reglementierungen durch Schmidt zu unterlaufen.
Vgl. Ahadji 1996, S. 324.
Zudem verwüste ein solcher Raubbau die wertvollen Bestände und vernichte folglich den »bedeutenden wirtschaftlichen Wert der Gummibestände«. Schon allein deshalb müsse er darauf achten, »die Händler streng zu kontrollieren«, da hier »bedeutende wirtschaftliche Werte« auf dem Spiel stünden, vgl. ANT, FA3/1088 (TCS) Geo Schmidt Bericht betr. Gummigewinnung, Atakpame 29.10.1903.
ANT, FA3/1088 (TCS) Geo Schmidt Bericht betr. Gummigewinnung, Atakpame 29.10.1903.
Sie gab an, dass sie Schmidt anlässlich der Verhaftung ihrer Schwester kennengelernt habe, die wegen »unerlaubtem Gummihandel« festgenommen worden sei, vgl. BArch, R1001/3919 Abschrift Sittlichkeitsprozess gegen Schmidt 26.11.1903; BArch, R1001/3917 Gericht Atakpame Untersuchung gegen Schmidt 29.12.1903.
Amos 2001, S. 297.
ANT, FA2/19 Antrag auf Strafverfolgung gegen Stationsleiter G. Schmidt in Atakpame wegen Verbrechen der Notzucht bzw. wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit, eingereicht o.D., verfasst von Vertretern der Steyler Mission.
Vgl. BArch, R1001/3915 Bezirksgericht Atakpame in Untersuchungssache gegen Schmidt 29.4.1903, Sittlichkeitsvergehen; BArch, R1001/3919 Abschrift Sittlichkeitsprozess gegen Schmidt 26.11.1903.
Es ist für unseren Zusammenhang von nachrangiger Bedeutung, ob die Anklage stimmig war oder nicht, obschon nicht nur die gängige Praxis für die Richtigkeit spricht, sondern auch die Schmidt’schen Entlastungszeugen. Diese waren durchgängig deutsche Beamte, die, wie etwa Smend, selbst Beziehungen zu afrikanischen Frauen unterhielten, vgl. BArch, R1001/3919 Abschrift Sittlichkeitsprozess gegen Schmidt, Aussage Adjaro Nyahuda 26.11.1903.
BArch, R1001/3919 Abschrift Sittlichkeitsprozess gegen Schmidt 26.11.1903.
AG SVD, Folder 45534–4 Bruder Jacobus Basten, Togomemoiren, S. 251: »In seinem Privatleben hat Schmidt sich sicher in nichts unterschieden von den übrigen Europäern: Beamten und Kaufleuten; wenn ich ihn auch nie (…) mit einer ›Hausdame‹ getroffen habe.«
Vgl. Zurstrassen 2008, S. 48. Vgl. Adili 2012, eine eingehende Untersuchung über die Kinder, die aus solchen Verbindungen hervorgegangen sind. In Missionskreisen waren Beziehungen zu einheimischen Frauen bis Ende des 19. Jahrhunderts häufiger, wurden zu der Zeit aber auch noch legitimiert, was später nicht mehr der Fall war, vgl. Sawitzki 2003, zur NM.
Gold Coast Leader, zit. nach Sebald 2005, S. 677. Im selben Blatt hieß es am 3.5.1913, die erste Arbeit zur Verbesserung der Kolonie habe darin bestanden, sich ein zwölfjähriges Mädchen zu nehmen.
Quashie, Gold Coast and German Togoland, in: GCL, 30.12.1911, schrieb: »Gruner, the king of Valanie, with his Harems of young girls, he has since married«, zit. nach Adili 2012, Anm. 47. Vgl. Pabst 1988, S. 541; vgl. auch die Petition, die am 12.5.1914 aus Togo an den Reichstag gerichtet wurde: Sebald 1988, S. 659–675, hier S. 674.
Den Hinweis verdanke ich Peter Sebald, der den Bildnachlass Hans Gruner (Nachlass 250), der in der Staatsbibliothek zu Berlin liegt, katalogisiert hat. In dem Nachlass sind auch kommerziell vertriebene pornographische Postkarten von Afrikanerinnen enthalten.
So erzählte es Hans Komla gegenüber Gruner in einem Interview 1981, siehe Adili 2012, Anm. 54ff.
Sebald 1992, S. 114.
Zu Rotberg siehe Adili 2012, unter 3.3.3. Hier die Anzeige der »Eingeborenen« Afassi aus Keta, die angibt, 1905 eine Tochter von Rotberg bekommen zu haben. Siehe zu Meyer: Schreiber 1907, S. 16.
Der Sohn Nicolas Grunitzky wurde 1956 als Ministre de la France d’Outre-Mer in Lome installiert und war Gegenspieler des ersten Staatspräsidenten Sylvanus Olympio, seinerseits Nachfahre des erwähnten Octavio Olympio; vgl. Adili 2012, Anm. 55. Adili kommentierte das Eheleben des deutschen Kaufmanns Grunitzky nicht ohne süffisanten Unterton folgendermaßen: »Dieser Deutsche lebte in Afrika quasi wie in einem polygamen afrikanischen Haushalt.«
Vgl. Zurstrassen 2008, S. 85; Sebald 1992, S. 113; vgl. auch Beobachtungen wie die des der Mission nahestehenden Johann Karl Vietor (1913, S. 9): Er berichtete von einem Dorf, das er besucht und in dem er nachgefragt hatte, wem »das Haus gehöre, und es wurde mir gesagt, es sei vom dortigen Bezirksamtmann für seine Frauen gebaut worden«.
BArch, R1001/3917 Gericht Atakpame Untersuchung gegen Schmidt 29.12.1903; BArch, R1001/3917, Gericht Atakpame Untersuchung gegen Schmidt 30.12.1903.
Solche Bordelle gab es z.B. in Deutsch-Südwestafrika aufgrund der starken Präsenz deutscher Soldaten, die dort während des Herero-Nama-Krieges stationiert waren, vgl. Hartmann 2007, S. 43ff. In Togo wurde 1909 eines eröffnet, vgl. Zurstrassen 2008, S. 85, Anm. 187. Zur marriage à la mode vgl. White 1999, S. 19ff. In den französischen Kolonien wurde 1910 eine Umfrage durchgeführt, die zeigt, dass es für die Mehrheit der Franzosen in den Kolonien üblich war, eine zeitlich befristete Ehe mit einer einheimischen Frau einzugehen.
Zur Bedeutung sexueller Beziehungen zwischen Europäern und Afrikanerinnen in den Kolonien vgl. Rich 2003. Hier wird am Beispiel zweier Afrikanerinnen die ganze Palette sexueller Beziehungen zu Europäern nachgezeichnet. Vgl. Hollermann 2000, S. 50–57; Cooper / Stoler 1997; Reuss 1981; White 1999, S. 7–33; Zurstrassen 2008, S. 79ff., zu Togo. Sie spricht hier von Beziehungen, die von »Liebe bis Vergewaltigung« reichten. Vgl. auch von Trotha 1994, S. 214; zu Gabun vgl. Jean-Baptiste 2010.
Adili 2012, Anm. 53. Hans Koma Gruner hat in den 1980er Jahren berichtet, kurz nachdem der Vater die Mutter das erste Mal gesehen habe, sei »bereits nach Landessitte Hochzeit gefeiert worden«. Eine Hochzeit freilich, die nach deutschem Recht keine war.
Schreiber 1907, S. 15.
Ebd., S. 16.
Zu der Mischehendebatte vgl. Kundrus 2003a, S. 219ff.; Lindner 2011, S. 317–362; Sobich 2006, S. 352ff.; Sippel 1995. Zu Ehen zwischen Afrikanerinnen und Deutschen in Deutsch-Südwestafrika vgl. Hartmann 2007, S. 57.
BArch, R1001/3917 Schmidt, Äußerungen zu den Klagepunkten der katholischen Mission 16.12.1903. Pater Witte ging so weit zu behaupten, dass die Eingeborenen gesagt hätten: »Es gibt kein Mädel in Atakpame, das Schmidt nicht gebraucht habe, er treibe es sehr bunt, er sei sehr stark.« Vgl. ANT, FA2/127a Öffentliche Sitzung des Bezirksgerichts Lome in der Privatklage Bücking / Müller gegen Schmidt 31.3.1908.
Alle Zitate aus Külz 1906, S. 68f.
Schreiber 1907, S. 15.
Külz 1906, S. 70.
AG SVD, Korrespondenz Arnold Jansen: Jansen an Hespers 13.10.1900, Brief überschrieben mit »Die Zustände der öffentlichen Sittlichkeit in unseren Kolonien«. Arnold zitierte dabei seinerseits aus einem Brief eines Steyler Missionars.
Stoler (1997, S. 355) hat auf den Zusammenhang zwischen den eugenischen Diskursen und kolonialen Weiblichkeitskonstrukten verwiesen. Vgl. zur deutschen Debatte auf der Grundlage einer Analyse von »Kolonie und Heimat« Tuschik 2005; siehe auch Dietrich 2007, S. 358ff.
Birthe Kundrus (2004) betont die Rolle der Frauen für das »Deutschtum« etwa auch in den Flottenverbänden; Daniel Walther (2004, S. 12) spricht von der »national importance«, die Frauen damit zugesprochen wurde bzw. davon, dass »(…) by accepting this domestic role, women became active paticipants in the colonial endeavor, moving from the private to the public.«
Vgl. Epprecht (2010) zu den beachtlichen Kontinuitätslinien zwischen kolonialen Konzepten einer »afrikanischen Sexualität« und aktuellen HIV-Debatten. Zur Stellung von Frauen in kolonialen Geschlechterkonzepten allgemein vgl. Schaper 2012, S. 372–385; Dietrich 2007; Saint-Aubin 2005, S. 23–42. Birthe Kundrus (2003a) betont die ambivalente Position, die schwarze Frauen als Opfer der Unterdrückung einerseits und als Verführerinnen andererseits sah.
Scully 2004, S. 220. Vgl. Stoler 1997, S. 353ff. Zu black peril vgl. O’Donnell 1999, S. 33.
El-Tayeb 2003, S. 92.
Scully 2004, S. 215.
Vgl. Amadou Booker Sadjis (1985) nach wie vor beispielhafte Analyse zur »Imagologie Schwarzafrikas«.
Vgl. Dietrich 2007, S. 345ff.; Tuschik 2005; vgl. allgemein Kundrus 2003a, S. 77ff.
Külz 1906, S. 70.
Jünger 1924, S. 318.
Christaller 1904, S. 41. Zu den Konzeptionen kolonialer Weiblichkeit vgl. Kundrus 2003a; Stoler 2002; Dickinson 2003; McClintock 1995.
Kundrus 2003a, S. 79; zu kolonialen Männlichkeiten vgl. Walther 2013, S. 189–194, und ders. 2004.
Zum Neurasthenie-Diskurs um 1900 vgl. Radkau 1998; vgl. ANT, FA3/1179 (TCS) Brief an das Kaiserliche Postamt in Atakpame 22.1.1909.
Vgl. Bruns (2005) und Domeier (2010) zur Homophobie im Eulenburg-Skandal. Auch hier ging es um Schwächungen des männlichen Körpers und um Verweiblichungen, die bis zur Degeneration gehen konnten.
Im Englischen sprach man von tropical frenzy, im Niederländischen von Tropenkolder. Auch französische Psychiater wie Jacques-Joseph Moreau (1804–1884) befassten sich mit dem direkten Zusammenhang zwischen Klima und dieser besonderen Krankheit, vgl. Maß 2013.
Anne McClintock bezeichnete diese imaginierte besondere Sphäre als »porno tropics«, vgl. dies. 1995, S. 22ff. Gleichzeitig waren die Kolonien ein Ort für »sexual transgression« und ein Ort für die »(…) experimentation of lifestyle that would have been more complicated to maintain in the metropole«, vgl. Schmidt 2008, S. 59. Zu den darin enthaltenen Annahmen einer normativen Heterosexualität vgl. Walther 2008; ders. 2013, S. 191. Vgl. auch Medizinalberichte über die deutschen Schutzgebiete 1905/06, S. 107.
AG SVD, Subfolder 43132 Ein Beitrag zur Colonialen Corruption in Togo.
Die These, dass der Tropenkoller auf »sexueller Perversität« basiere, entwickelte Henry Wenden in seinem Roman »Tropenkoller. Ein Kolonialroman« (Wenden 1904). Gefährlich sind diese Verbindungen auch aufgrund der Geschlechtskrankheiten – so der zeitgenössische Diskurs nicht nur in Deutschland, vgl. von Bülow, Tropenkoller, erstmals erschienen 1895. Vgl. etwa in den USA zeitgleich die Debatten in Bezug auf die sexuellen Beziehungen von Amerikanern mit Philippinerinnen, Tyrell 2010, S. 136ff.
Darunter verstand man in etwa das Gleiche wie das im englischen Kolonialismus nicht minder gefürchtete going native, vgl. Lindner 2011, S. 320.
Schnee, Koloniallexikon, Bd. 3, S. 606, zit. nach Kundrus 2003a, S. 79f.
Vgl. Anonym, Afrikanische Sitten, in: Kölnische Volkszeitung, 14.10.1907, S. 27: »Die Sitten der Schwarzen wurden nicht verbessert durch die Beispiele, die die Vertreter der weißen Rasse im Zölibat gaben: Trunk, Spiel, schlimmes Treiben mit den schwarzen Bibis, Lärm, Prügeleien (…) alle Auswuchsformen des Lebens ohne Frauen, nahmen in der schwülen Tropenluft elephantengroßen Umfang an.«
Külz 1906, S. 71.
Ann Laura Stoler (1997, S. 344) argumentiert exakt so, indem sie betont, dass »colonial authority and racial distinction« durch gender strukturiert sind. Vgl. auch Hall 2004.
Der Steyler Orden holte, nachdem der Skandal bereits vorbei war, Ordensfrauen nach Togo, die sich dann auch in Atakpame niederließen. Sie können als die ersten Europäerinnen in Atakpame gelten. Vgl. Stornig (2013) zu den Ordensfrauen der SVD in Deutsch-Togo.
Zurstrassen 2008, S. 89.
RT, Bebel, 13.3.1896, 1436.
Es fehlt eine Untersuchung, die eine genaue Periodisierung hierzu vornimmt. Es spricht allerdings einiges dafür, dass dieser Widerspruch erst gegen 1900 stärker zum Thema wurde. Ann Laura Stoler (1997) kann für die holländischen Kolonien zeigen, dass sexuelle Kontakte zwischen Holländern und einheimischen Frauen erst mit der zunehmenden Stabilisierung kolonialer Herrschaft verboten wurden. Ludwig Külz (1906, S. 69) machte in einer Anmerkung darauf aufmerksam, dass eine offene Thematisierung der sexuellen Verhältnisse in den Kolonien »heute (…) undenkbar wäre«.
Vgl. AG SVD, Korrespondenz Arnold Jansen im Jahr 1893. Hier gab es bereits eine rege Korrespondenz mit dem Auswärtigen Amt bezüglich des Sexualverhaltens einiger Kolonialbeamter, und auch hier drohte die Mission, die Angelegenheit an die Presse zu geben.
RT, Bebel, 13.3.1896, 1436. Vgl. in dem Zusammenhang bezüglich der Protestanten in Togo Sawitzki (2003), die sich mit den sexuellen Kontakten der NM zu Afrikanerinnen bzw. der Reaktion vonseiten der Bremer Missionsleitung beschäftigt.
Auch hieß es beim Missionsinspektor Oehler bezüglich der »sittlichen Zustände« in den Kolonien: »Es kommen Dinge vor, deren sich ein Neger schämen würde, und hier liegt der tiefste Schaden unserer Kolonie.« (Anonym, Missionare und Kolonialbeamte, in: Germania, 13.12.1906, S. 187f.) Zur Norddeutschen Mission in Togo und ihrem Kampf gegen die Polygamie vgl. Knoll 1982, S. 182; Predelli 2003, S. 45–94; Salvaing 1994, S. 161, über den »Kampf gegen die Polygamie«; Vogelsanger 1977, S. 79. Vgl. auch Akakpo-Numado (2005), S. 233, zu Konflikten, die aus dem Kampf der Missionen gegen die Polygamie erwuchsen. Vgl. auch die Haltung des in Togo tätigen Kaufmanns Vietor, der gleichzeitig im Vorstand der Norddeutschen Mission war. Seinen Angestellten war jede Form der Konkubinage verboten, vgl. Ahadji 1995, S. 51. Vietor (1913, S. 97): »Im Interesse unserer Kolonien wünschenswert ist, dass die Rassen sich möglichst wenig vermischen.« Innerhalb der Kaufmannschaft war er eine Ausnahme. Vgl.außerdem Külz 1906. Er schrieb am 30.10.1902 über die Reise des Missionsinspektors Schreiber, dieser habe »ungestraft und unwidersprochen« die Europäer »in einer Veröffentlichung (…) mit einer beleidigenden Generalkritik« bezüglich ihres Sexualverhaltens bedacht. Vgl. dazu die Entgegnung vonseiten der Norddeutschen Mission, in der die Schrift des Missionsinspektors Schreiber verteidigt und die Meinung vertreten wurde, die Mission klage eher zu wenig als zu viel über die sittlichen Zustände der Europäer, vgl. Anonym, Missionskritiker aus dem kirchlichen und kolonialen Lager, in: MNDMG (1905) H. 3, S. 18.
Anonym, Missionare und Kolonialbeamte, in: Germania, 13.12.1906, S. 187f. So erregte ein Generalagent Wilhelm Schmidt der Firma Gödelt den Unmut der Steyler Missionare, weil er sich ein von den Missionsschwestern erzogenes Kind zur Konkubine genommen hatte, vgl. AG SVD, Korrespondenz Arnold Jansen: Jansen an Gödelt 22.1.1901.
BArch, R1001/3917 Anlage 3 Bekanntmachung 3.5.1903.
BArch, R1001/3919 Besprechung Roeren und Bücking 24./25.11.1904.
AG SVD, Subfolder 43132 Ein Beitrag zur Colonialen Corruption in Togo.
Vgl. Przyrembel 2011, S. 143–270.
Zur religiösen Situation im Kaiserreich vgl. Habermas 2011.
Kolonie und Heimat, 1.10.1909.
Vgl. hierzu Patrick Harries (2007, S. 4), der zeigen kann, dass Schweizer Missionare, die im 192012200140