Jarett Kobek
Ich hasse dieses Internet. Ein nützlicher Roman
Aus dem Amerikanischen von Eva Kemper
FISCHER E-Books
Jarett Kobek hat an der NYU in New York City studiert und in der kalifornischen Techie-Szene gearbeitet. Mit seinen Texten wurde er für den Pushcart Prize nominiert. Seine Erzählung ›Atta‹ fand die New York Times „hochinteressant“. Sie wurde viel besprochen und zu einem Überraschungserfolg in Kanada. ›Ich hasse dieses Internet‹ ist Kobeks erster Roman. Er lebt in Kalifornien.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Zeitgeist ist sein zweiter Vorname. Mit rasender Energie erzählt Jarett Kobek in seinem ersten Roman davon, was das Internet mit uns macht: In San Francisco vibrieren die Cafés von Millionen Tweets, die Gentrifizierung jagt die Loser aus der Stadt, und eine Gruppe von Freunden kollidiert hart mit der digitalen Gegenwart. Während Adeline nach einer unbedachten Äußerung zu Beyoncé und Rihanna einen Shitstorm am Hals hat, findet Ellen Nacktfotos von sich im Netz.
Mit seinem Roman stellt Kobek die großen Fragen: Warum geben wir unser geistiges Eigentum freiwillig her? Machen Apple und Google zu den mächtigsten Playern der Welt? Und warum ist Aktivismus im 21. Jahrhundert nicht mehr als eine Abfolge von Moralpredigten, die wir in Handys tippen, die Fabrikarbeiter am anderen Ende der Welt für einen Hungerlohn zusammenschrauben? Hier, endlich, ist es, das Buch der Stunde – eine Erklärung des Internets – grell, komisch, weise. Eine »raue Tirade zu Politik und Kultur, ein Aufschrei zu Macht und Gewalt in unserer globalisierten Welt« (The New York Times). Für alle, die Dave Eggers’ ›Circle‹ und Michel Houellebecqs ›Unterwerfung‹ geliebt haben, plus eine Prise Wahnsinn obendrauf.
Alle Figuren in diesem Roman sind frei erfunden, jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen, lebenden oder toten, ist rein zufällig.
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »I Hate the Internet« bei We Heard You Like Books, Los Angeles
Copyright © 2016 Jarett Kobek
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Abbildung im Text: »Time Magazine« courtesy of Sarina Rahman
Cover: hißmann, heilmann, hamburg, nach einer Vorlage von © Jarett Kobek
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490319-4
Dieser Roman enthält Gedanken zu Kapitalismus, scheußlichen Männermief, Anachronismen, Morddrohungen, Gewalt, Sklaverei, Popkultur, Verzweiflung, hemmungslosen Spott über Reiche, Drohungen sexueller Nötigung, mattes Wiederkäuen epikuräischen Denkens, die Comicbranche, den Tod des Intellektualismus, das Leben als Frau in einer Gesellschaft, die Frauen hasst, Populismus, eine haarsträubende Doppeldeutigkeit, Details über das Sexleben von Thomas Jefferson, Überlegungen zu Genozid, Berühmtheit, die objektivistische Philosophie von Ayn Rand, Thematisierung von Rassen, Science-Fiction, Anarchismus mit einer Schwäche für Demokratie, Menschen, die nach Kalifornien ziehen, um zu sterben, das Getue der Millenials, 1,4 MB voll von Männern, die uns die Welt erklären, neohellenisches Heidentum, Mischehen, Hippies mit klangvollen Namen, die Ziegen misshandeln, ungerechte Kriege im Nahen Osten, Gedanken zum 11. September, den Anblick der Facebookseite von jemandem, den man kannte, als man jung war und noch glaubte, alle würden später ein erfüllendes Leben führen.
Lange, nachdem sie die einzige unverzeihliche Sünde des 21. Jahrhunderts begangen hatte, bekam Adeline von jemandem im Internet eine Nachricht geschickt.
Die Nachricht lautete: »Liebe Schlampe, ich hoffe, du wirst von einer Gruppe illegaler Einwanderer mit Syphilis vergewaltigt.«
Das Internet war eine wunderbare Erfindung. Es war ein Computernetzwerk, das Menschen dazu nutzen, andere Menschen daran zu erinnern, dass sie ein mieses Stück Scheiße sind.
Adeline bekam diese Nachricht, weil sie die einzige unverzeihliche Sünde des frühen 21. Jahrhunderts begangen hatte. Doch bevor sie diesen einen großen Fehler begehen konnte, waren mehrere kleine nötig.
Einige ihrer anderen Fehler waren: (1) Sie war eine Frau in einer Kultur, die Frauen hasste. (2) Sie hatte ein gewisses Maß an Berühmtheit erlangt. (3) Sie hatte unbeliebte Ansichten geäußert.
Es ist an sich schon ein schwerer Fehler, als Frau, die ein gewisses Maß an Berühmtheit erlangt hat, in einer Kultur, die Frauen hasst, unbeliebte Ansichten zu äußern, aber weder dieser Fehler noch einer seiner Teile waren der eine große Fehler.
Der große Fehler war etwas anderes.
Eine Auslegung der oben erwähnten Nachricht ist nur möglich, wenn man Rechtschreibung und Grammatik der Verständlichkeit halber korrigiert. Im Original las sie sich wie folgt: »liefe slut … hofe du wirst vergewaltiekt … vonm Haufn Krimigranten.. mit Süffilis ……«
Möglicherweise waren mit »Krimigranten« gar nicht wirklich Bürger anderer Länder gemeint, die auf anderem Wege als mit einem staatlich genehmigten Visum oder einer Green Card in die USA gelangt sind.
Möglicherweise sollte auch »liefe slut« etwas anderes sein als eine gebräuchliche Anrede gefolgt von einem der vielen Schimpfwörter für Frauen. »Liefe slut« konnte alles Mögliche bedeuten.
»Liefe« ist ein wenig kniffelig, weil es tatsächlich ein Wort ist, allerdings normalerweise nicht so gebraucht wird. Vielleicht sollte es eine Anspielung auf Slutwalks sein, ein internationales Phänomen, das in den letzten Jahren aufgekommen ist. Und während liefe als liebe wiedergegeben wird, könnte vielleicht sogar tiefe gemeint gewesen sein.
»Slut« gehört zu den Hunderten englischer Schimpfwörter für Frauen. Diese Begriffe messen der Anzahl der Sexualpartner einer Frau Bedeutung bei. Für Männer gibt es keine entsprechenden Begriffe, was ausgemachter Schwachsinn ist.
»Slut« ist zudem ein dänisches Wort und bedeutet Ende.
Wenn in dänischen Geschäften die letzten Tage eines Schlussverkaufs nahen, stellen die Inhaber besagter Geschäfte häufig Schilder mit der Aufschrift slutspurt auf.
Slutspurt ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für die letzte Phase eines Ausverkaufs. Ein slutspurt bringt Dänen, die englische Muttersprachler zu Besuch haben, häufig in peinliche Situationen.
Möglicherweise sprach derjenige, der Adeline die Nachricht geschickt hatte, fließend Englisch und auch Dänisch. Möglicherweise war seine Verknüpfung des dänischen Wortes für Ende und »liefe« ein geschickter multilingualer Eröffnungszug, mit dem er auf das tiefe Ende von etwas hinweisen wollte. Vielleicht auf das eines Schwimmbeckens.
Andererseits kam die Nachricht von jemandem im Internet. Wahrscheinlich war er nur irgendein dummes Arschloch, das Frauen hasste.
In den Neunzigern, als Adeline Anfang zwanzig war und gerade das College abgeschlossen hatte, begannen ihr Freund Jeremy Winterbloss und sie mit der Arbeit an einem Comic namens Trill. Er erschien monatlich als Heft mit 32 Seiten und Schwarz-weiß-Zeichnungen.
Adeline zeichnete die Bilder, Jeremy Winterbloss schrieb den Text.
Trill erzählte die Geschichte eines anthropomorphen Katers namens Felix Trill, der eine mittelalterliche Welt bereiste, dabei eindrucksvolle Landschaften entdeckte und gegen andere anthropomorphe Tiere kämpfte.
Weite Teile von Trill handelten von einer Reihe von Kriegen zwischen anthropomorphen Katzen und anthropomorphen Hunden. Das änderte sich in Heft Nr. 50, in dem sie ihre Differenzen beilegten und erkannten, dass sie einen gemeinsamen Feind hatten: haarlose Affen mit einem Hang zu glühendem Monotheismus.
Zu dieser neuen Ausrichtung kam es, nachdem Jeremy monatelang eine erkleckliche Menge bewusstseinsverändernder Drogen eingeworfen hatte.
Während eines LSD-Trips hatte Jeremy eine Vision von Felix Trill. Das Geschöpf sprach zu seinem Schöpfer. Jeremys Neurochemie befand sich gerade auf Abwegen, und so sprach der Kater Felix Trill mit der Stimme eines alten Junkies.
»Hey, Mann«, sagte Felix Trill zu Jeremy, »du hast das total falsch verstanden. Wie schreibst du mich eigentlich? Macht mich voll fertig. Weil ich und die Hunde und die ganzen anderen Tiere, wir sind wie Finger, die ins Meer tauchen, und du bist ein Fisch, tief unten im trüben Wasser, und du weißt ja, wie das mit Fischen ist, Mann, Fische haben voll die Komplexe. Du bist so verspannt, du siehst nur die einzelnen Finger. Das ist dein Problem, nicht unseres. Auf den Quatsch lassen wir uns gar nicht erst ein. Du hast echt eine begrenzte Wahrnehmung, Alter, dadurch siehst du uns als fünf getrennte Einheiten. Du erkennst nicht, dass ich und die Hunde und die anderen Tiere miteinander verbunden sind, wir sind alle Teil derselben Hand. Fünf Finger, eine Hand. Die Hand ist es, worauf es ankommt, Bruder. Du musst kosmischer werden. Fixier dich nicht so auf die Einzelheiten. Und immer cool bleiben, Kumpel.«
Adeline und Jeremy veröffentlichten fünfundsiebzig Ausgaben von Trill, bevor sich der Markt veränderte und das Projekt unprofitabel wurde.
Heft Nr. 75 erschien 1999.
Jeremy erzielte mit Trill ein anständiges Einkommen. Auch Adeline lebte von den Einnahmen, aber sie war nicht im gleichen Maße auf sie angewiesen wie Jeremy. Adelines Familie war reich.
Sie stammte aus Pasadena, Kalifornien. Dort war sie in den siebziger und achtziger Jahren aufgewachsen.
Ihr Vater war Kieferchirurg gewesen, der eine Fülle von Zahnbehandlungen an einigen sehr berühmten Menschen durchgeführt hatte.
Das Herz von Adelines Vater war geplatzt, nachdem er wenige Stunden zuvor den unteren linken Schneidezahn des zweifachen Oscarpreisträgers Jason Robards mit einer Krone versehen hatte.
Jason Robards gehörte zu der Riege von Charakterdarstellern, die sich im Laufe ihres Arbeitslebens Respekt und Auszeichnungen verdienen und nach ihrem Tod sofort vergessen werden. Seine Oscars gewann er 1977 und 1978.
Den ersten Oscar erhielt er für die Rolle des Ben Bradlee, den Chefredakteur der Washington Post, in dem Film Die Unbestechlichen. Den zweiten Oscar erhielt er für die Rolle des Dashiell Hammet, Autor von Der gläserne Schlüssel und Der Malteser Falke, in dem Film Julia.
Beide Filme basieren auf Büchern, in denen die jeweiligen Autoren aufgehübschte Versionen ihrer selbst gegen das systemimmanente Böse einer Regierung antreten lassen.
Beide Filme sind besser als die Bücher, auf denen sie basieren. Fast alle Filme sind besser als Bücher. Die meisten Bücher sind ziemlich schlecht.
So wie dieses.
Dies hier ist ein schlechter Roman.
Adelines Vater vermachte sein Geld Adelines Mutter, die, wie sich zeigte, einen besseren Geschäftssinn besaß als Adelines Vater.
Adelines Mutter hieß Suzanne. Suzanne sorgte dafür, dass es sowohl Adeline als auch Adelines Schwester Dahlia nie an etwas fehlen würde.
Suzanne war eine erfolglose Schauspielerin, die Adelines Vater beim Kellnern in einem Café am Wilshire Boulevard kennengelernt hatte. Sie hatte als Statistin in mehreren Folgen von Gidget mitgespielt, einer Serie über ein Mädchen im Teenageralter, das gern Surfen geht.
Suzanne war Alkoholikerin.
Als Adeline und Jeremy Winterbloss Anfang der Achtziger beschlossen, Trill zu veröffentlichen, erkannten sie, dass sie mit ihrem Projekt zwei strukturelle Probleme hatten.
Strukturelles Problem Nr. 1: Das Haupterzeugnis der Comicbranche waren 32-seitige monatlich erscheinende Hefte mit Zeichnungen von Frauen mit gewaltigen Brüsten. Diese Brüste ähnelten übermäßig aufgepumpten Volleybällen, ganz wie die Bälle, die von der Besetzung von Gidget geschmettert und gebaggert wurden.
Diese Fixierung auf gewaltige Brüste bedeutete, dass die Produkte der Branche als verschämte Pornographie für die geistig Unterentwickelten dienten.
Es gab einige erfolgreiche Comics, in denen sprechende Tiere auftraten, aber Jeremy fiel nur ein einziger halbwegs erfolgreicher Comic über eine anthropomorphe Katze ein. Diese Reihe hieß »Omaha« The Cat Dancer.
Omaha war von Reed Waller und Kate Worley erschaffen worden. Omaha war eine Stripperin in einem urbanen Milieu. Als strippende Katze geriet Omaha in allerlei Schwierigkeiten.
Die Pornographie in »Omaha« war nicht verschämt. In den meisten Heften wurde gezeigt, wie Omaha mit anderen anthropomorphen Tieren diverser Arten und Geschlechter Sex hatte.
Jeremy zeigte Adeline ein paar Ausgaben von »Omaha« The Cat Dancer. Adeline fand es seltsam, dass Omaha, eine Katze, ein dichtes Haarbüschel auf dem Schamhügel trug. Aber so war das eben in Comics.
Strukturelles Problem Nr. 2: So wie in jeder Branche herrschte in der Comicwelt eine ganz eigene Kultur, und diese Kultur war getränkt von Sexismus und Rassismus wie ein Weihnachtsschinken von Sirup und Ingwer.
Jeremy hatte den Sexismus und Rassismus hautnah miterlebt, als er Ende der Achtziger mehrere Jahre lang als Praktikant bei Marvel Comics arbeitete.
Jeremy Winterbloss war ein afroamerikanischer Mann, was bedeutete, dass einige seiner Vorfahren in Ketten in die USA geschafft worden waren und für seine anderen Vorfahren arbeiten mussten. Diese zweite Gruppe Vorfahren besaß die erste Gruppe.
Viele von Jeremys Vorfahren hatten dem sozialen Konstrukt der sogenannten weißen Rasse angehört, und sie hatten viele von Jeremys Vorfahren vergewaltigt, nämlich diejenigen, die als Besitz galten und dem sozialen Konstrukt der sogenannten schwarzen Rasse angehörten, deren Mitglieder auch als Farbige oder Neger oder Nigras oder mit einem von Hunderten anderer herabwürdigender Begriffe bezeichnet wurden.
Für die Mitglieder des sozialen Konstrukts der sogenannten weißen Rasse gab es nicht viele herabwürdigende Begriffe. Die wenigen, die es gab, waren ziemlich unnütz und besaßen kaum beleidigendes Potenzial. Sie lauteten: Bleichgesicht, Weißbrot, Hillbilly, Redneck, Kalkeimer. Kalkeimer ging. Die anderen Begriffe waren einfach nur armselig.
Wenn Jeremys männliche Vorfahren seine weiblichen Vorfahren vergewaltigten, brachten die entsprechenden biologischen Abläufe manchmal Kinder hervor. Wenn diese Kinder auf die Welt kamen, wurden sie zum Besitz ihres Vaters oder der Familie ihres Vaters.
Man konnte seinen Besitz vergewaltigen und neuen Besitz erzeugen, und dieser neue Besitz brachte einem mehr Geld ein. Es war eine feine Zeit, um Menschen zu besitzen. Es war eine schlechte Zeit, um Besitz zu sein.
Das soziale Konstrukt der weißen Rasse basierte auf einer Pseudowissenschaft, in deren Mittelpunkt die irrige Annahme stand, unwesentliche physische Merkmale würden biologische Unterschiede zwischen Mitgliedern der Spezies Mensch darstellen.
Von allen unwesentlichen Merkmalen, die zum sozialen Konstrukt der weißen Rasse führten, waren die markantesten die Unterschiede in der Hautpigmentierung.
Unter Mitgliedern der weißen Rasse war der Glaube verbreitet, ihre Haut sei ungefärbt und damit weiß. Tatsächlich hatten Mitglieder der weißen Rasse einen unseligen rosa Hautton, ähnlich dem eines neugeborenen Ferkels.
Laut gewisser Menschen, die sich selbst als People of Color bezeichneten, was ein außerordentlich anstößiger und unreflektierter Ausdruck war, und Mitgliedern der weißen Rasse, war farbige Haut das sichtbare Nebenprodukt von Eumelanin in der Basalschicht der Epidermis.
Eumelanin wird in den Melanozyten produziert, einer Zellart, die neben den Basalzellen in der Basalschicht der Epidermis sitzt. Bei histologischen Untersuchungen sieht Eumelanin ein wenig wie ein getrockneter Senffleck aus.
Die meisten Mitglieder der weißen Rasse waren so an ihr Schweinchenrosa gewöhnt, dass sie das Rosa an sich gar nicht mehr wahrnahmen. Ihr Schweinchenrosa war für sie so unsichtbar wie die Genozide, die ihre Vorväter begangen hatten.
Eine komplette Gesellschaftsordnung baute auf der Unfähigkeit auf, zu sehen, was die Menschen direkt vor und an sich hatten. Eine komplette Gesellschaftsordnung baute auf Senfflecken in der Epidermis auf.
Das ist einer der Gründe, warum viele Leute die Spezies Mensch für einen Haufen dämlicher Arschlöcher halten.
Das Element der Rasse in der gesellschaftlichen Hierarchie war natürlich nichts anderes als ein weitreichendes Ablenkungsmanöver, um nicht über den einzigen Faktor sprechen zu müssen, der tatsächlich die Rangordnung festlegte. Das heißt, über Geld.
Laut zahlreicher Doktoranden der Wirtschaftswissenschaft definiert sich Geld als allgemeine Übereinkunft einer Gruppe von Menschen darüber, dass bestimmte materielle oder immaterielle Güter in eine Rangfolge der Wertigkeit eingeordnet werden können.
Tatsächlich ist Geld die Einheit, in der Demütigung gemessen wird.
Was würden Sie für einen Dollar tun?
Was würden Sie für zehn Dollar tun?
Was würden Sie für eine Million Dollar tun?
Was würden Sie für eine Milliarde Dollar tun?
Adeline hatte kein Eumelanin in der Basalschicht ihrer Epidermis und war daher ein Mitglied der weißen Rasse.
Dadurch besaß sie hohes gesellschaftliches Ansehen, vor allem, da sie aus einer reichen Familie stammte. Allerdings war sie eine Frau. Dieser Umstand beeinträchtigte ihr gesellschaftliches Ansehen.
Allen Frauen in Amerika, sogar den reichen weißen Frauen, schlug eine Unmenge Scheiße entgegen. Was sie auch taten, es war verkehrt.
Männer hatten Frauen jahrtausendelang wie Dreck behandelt. Einer Theorie zufolge hatte sich diese gesellschaftliche Ordnung aus dem Umstand entwickelt, dass Frauen aufgrund ihres weniger kräftigen Oberkörpers weniger gut dazu geeignet waren, Felder zu pflügen und Schwerter zu schwingen.
Gepflügte Felder sorgten für Nahrung.
Geschwungene Schwerter sorgten für tote Menschen.
Die meisten Gesellschaften, die von Männern beherrscht wurden, maßen dem Essen und Töten höchsten Wert bei. Indem man Kraft so viel höher bewertete als Intelligenz, ging man geschickt darüber hinweg, dass Frauen klüger waren als Männer.
Der schwächere Oberkörper von Frauen ist nur eine mögliche Erklärung für die gesellschaftliche Rangordnung. Es gab Hunderte Deutungsversuche darüber, warum Frauen wie Dreck behandelt wurden, aber nur wenige praktikable Lösungen.
Kurz bevor Adeline ihren unverzeihlichen Fehler beging, schrieb eine Milliardärin namens Sheryl Sandberg ein Buch mit dem Titel Lean In. Frauen und der Wille zum Erfolg. Sheryl Sandberg hatte nicht viel Eumelanin in der Basalschicht ihrer Epidermis.
In ihrem Buch behauptete Sheryl Sandberg, Frauen ohne Milliardenvermögen könnten dafür sorgen, dass sie am Arbeitsplatz von Männern nicht mehr wie Dreck behandelt wurden, indem sie einfach mehr lächelten und härter arbeiteten und sich mehr wie die Männer benähmen, die sie wie Dreck behandelten.
Ständig erklären Milliardäre Menschen, die keine Milliardäre sind, wie man Milliardär werden kann.
Fast immer ist das unerträglicher Schwachsinn.
Sandberg war Milliardärin geworden, weil sie für eine Firma namens Facebook arbeitete.
Facebook verdiente Geld mit einer Internetplattform für Computer und mobile Geräte, die Handys, Hygieneartikel für Frauen und Frühstücksflocken bewarb.
Diese Plattform für Computer und mobile Geräte war gleichzeitig ein Ort, an dem Hunderte Millionen Menschen zu viel über ihr Privatleben preisgaben.
Facebook war von Mark Zuckerberg erfunden worden, der nicht viel Eumelanin in der Basalschicht seiner Epidermis hatte.
Welches Geschlecht hast du?, fragte Facebook.
Welchen Beziehungsstatus hast du?, fragte Facebook.
Wie lautet dein aktueller Wohnort?, fragte Facebook.
Wie heißt du?, fragte Facebook.
Wie heißen deine Lieblingsfilme?, fragte Facebook.
Wie heißt deine Lieblingsmusik?, fragte Facebook.
Wie heißen deine Lieblingsbücher?, fragte Facebook.
Adelines Freund, der Autor J. Karacehennem, dessen Nachname auf Türkisch Schwarze Hölle bedeutet, hatte einen Essay mit dem Titel »Generation Warum?« von Zadie Smith gelesen, einer britischen Autorin mit einer Menge Eumelanin in der Basalschicht ihrer Epidermis. Zadie Smith wies in ihrem Essay darauf hin, dass die Fragen, die Facebook seinen Nutzern stellte, klangen, als stammten sie von einem Zwölfjährigen.
Allerdings stammten diese Fragen nicht von einem Zwölfjährigen. Sie stammten von Mark Zuckerberg.
Mark Zuckerberg war Milliardär. Mark Zuckerberg war ein derart großer Milliardär, dass er der Chef von anderen Milliardären war. Er war der Chef von Sheryl Sandberg.
J. Karacehennem war der Meinung, er wisse etwas über Facebook, das sich Zadie Smith als anständiger Mensch nicht vorgestellt hatte.
»Es ist doch so«, sagte J. Karacehennem, dessen Nachname auf Türkisch Schwarze Hölle bedeutet, »wir schlagen uns jetzt seit zwei-, dreihundert Jahren mit dem Existentialismus herum, was eigentlich nur heißt, dass wir fragen: Warum sind wir überhaupt auf diesem Planeten? Warum gibt es Menschen? Warum leben wir unser sinnloses Leben? Die besten Philosophen und Schriftsteller haben versucht, diese Fragen zu beantworten, und die besten Philosophen und Schriftsteller konnten keine befriedigende Antwort finden. Facebook ist erstaunlich, weil wir endlich verstehen, warum wir Heimatorte haben und warum wir Beziehungen eingehen und warum wir unsere blöden Abendessen essen und warum wir Namen haben und warum wir unsere idiotischen Autos besitzen und warum wir versuchen, unsere Freunde zu beeindrucken. Warum sind wir hier, warum machen wir all das? Endlich können wir eine Antwort geben. Wir sind auf Erden, um Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg reicher zu machen. Unser Streben hat tatsächlich einen messbaren Sinn. Ich glaube, im Grunde will ich eigentlich nur sagen, dass es immer Hoffnung gibt.«
Weil Jeremy Winterbloss in der Höhle des Löwen gearbeitet hatte, durchschaute er die rassistischen und sexistischen Mechanismen der Comicbranche.
Jedes Produkt, das nicht von weißen Männern abgeliefert wurde, erzielte geringere Bestellmengen als Produkte, die von weißen Männern angeboten wurden. Was niedrigere Verkaufszahlen bedeutete, was eine kleinere Leserschaft bedeutete, was weniger Geld bedeutete.
Viele Menschen in der Comicbranche erinnerten sich an Jeremy. Er fiel auf. Viele Menschen in der Comicbranche erinnerten sich an das Eumelanin in seiner Basalschicht.
Damals, Anfang der Neunziger, war Jeremy besorgt, Trill würde als schwarzes Buch mit Zeichnungen von einer weißen Frau angesehen werden, wenn er und Adeline es unter ihren echten Namen herausbrachten.
Was niedrigere Verkaufszahlen bedeutete, was eine kleinere Leserschaft bedeutete, was weniger Geld bedeutete.
Jeremy wollte für seine Leistung Anerkennung bekommen, aber Jeremy wollte auch Geld verdienen. Er wollte etwas Substantielles schaffen und dafür bezahlt werden.
Darin unterschied er sich von Sheryl Sandberg. Er hatte kein Interesse daran, Babypuder zu bewerben und die Leute nach ihrer Lieblingsmusik zu fragen.
Jeremy verfiel auf eine Notlösung für die Probleme von Rassismus und Sexismus in der Comicbranche. Er schlug vor, sowohl er als auch Adeline sollten Pseudonyme verwenden.
Die Verwendung von Pseudonymen war eine altehrwürdige Tradition in der Comicbranche. Jack Kirby, der kein Eumelanin in der Basalschicht seiner Epidermis und die Comicbranche mehr oder weniger im Alleingang begründet hatte, war als Jacob Kurtzberg geboren worden. Er entschied sich für sein Pseudonym, um weniger jüdisch zu klingen.
Adeline, die damals unter einer Vielzahl seltsamer Angewohnheiten litt, unter anderem sprach sie mit einem gekünstelten Akzent irgendwo zwischen amerikanischem und britischem Englisch und hegte ein ausgeprägtes Desinteresse daran, deutlich Stellung zu beziehen, ging auf Jeremys Vorschlag ein.
»Schätzchen«, fragte sie, »wird es nicht wirklich scheußlich, wenn wir vorgeben, jemand anders zu sein?«
Jeremy suchte sich den Namen J.W. Bloss aus. Adeline entschied sich für das etwas extravagantere M. Abrahamovic Petrovitch.
Das monatliche Erscheinen von Trill wurde 1999 eingestellt. Durch eine Reihe unvorhergesehener Ereignisse, darunter die Pleite mehrerer Vertriebsfirmen, war es für Comicschaffende sehr schwer, ihre Arbeiten selbst zu verlegen. Es fehlte schlicht am Geld.
Trill wurde genau zu dem Zeitpunkt eingestellt, als eine breite Öffentlichkeit in der englischsprachigen Welt ihr Interesse an Comics entdeckte.
Manchmal wurden diese Bände auch Graphic Novel genannt.
Der Name war irreführend. Die Bände waren keine Romane und enthielten nur selten das, was man als graphic, also als explizite Darstellungen von Sex und Gewalt bezeichnen würde.
Ein Beispiel für einen echten Roman mit expliziten Darstellungen von Sex und Gewalt war Les 120 journées de Sodome, ein Buch aus dem achtzehnten Jahrhundert, das ein fettleibiger französischer Adliger ohne jedes Eumelanin in der Basalschicht seiner Epidermis im Gefängnis geschrieben hatte.
Wie die meisten Romane mit expliziten Darstellungen von Sex und Gewalt war das Buch sehr gut darin, Sex und Gewalt darzustellen, versagte allerdings kläglich als Roman. Es ging darin um Menschen in einem Schloss, die sich gegenseitig zu Tode fickten, während sie wie Affen im Käfig mit ihrer eigenen Scheiße um sich warfen.
Dagegen bedeuteten Graphic Novels in der Comicbranche vor allem leicht verdientes Geld für Marvel oder DC, weil sie steinaltes Material einfach nachdruckten und neu zusammenbanden.
Üblicherweise enthielten diese Graphic Novels nicht mehr als Bilder von Frauen mit volleyballgroßen Brüsten oder von Spider-Man, der Doctor Octopus durch eine Steinwand schmetterte und Dinge sagte wie: »Der alte Miesepeter hätte sich nicht mit dem netten Netzschleuderer von nebenan anlegen sollen!«
Die Paperback-Ausgaben von Trill verkauften sich weiter, nachdem das letzte monatliche Heft erschienen war. Jedes Jahr verkauften sich die Bände ein wenig besser als im Jahr zuvor.
Mitte der nuller Jahre geschahen dann zwei Dinge: (1) Nach seinem Erfolg mit Bone, einem Buch von einem Typen namens Jeff Smith, der keinerlei Eumelanin in der Basalschicht seiner Epidermis hatte, bot Scholastic an, eine colorierte Ausgabe von Trill herauszugeben, und verschaffte ihnen damit Zugang zu den unersättlichen Zielgruppen Kinder und Bildungseinrichtungen. (2) Don Murphy, ein streitsüchtiger Hollywoodproduzent ohne jedes Eumelanin in der Basalschicht seiner Epidermis, erwarb die Optionsrechte für eine Verfilmung von Trill.
Anders als anderes geistiges Eigentum, für das Hollywoodproduzenten Optionsrechte erwarben, wurde Trill tatsächlich finanziert und verfilmt.
Die Hälfte des Geldes kam von einem Filmstudio in Hollywood. Den Rest brachten private Investoren auf, unter anderem kam ein ordentlicher Batzen von dem saudischen Medienkonzern Fear and Respect Holdings Ltd.
Fear and Respect wurde von Seiner Königlichen Hoheit Mamduh bin Fatih bin Muhammad bin Abdulaziz Al Saud geleitet, der eine geringe Menge Eumelanin in der Basalschicht seiner Epidermis hatte. Das Hauptanliegen von Fear and Respect war es, in neue Medienunternehmen und alte Medien zu investieren.
Seine Königliche Hoheit Mamduh bin Fatih bin Muhammad bin Abdulaziz Al Saud mochte Filme, und er konnte die Zukunft sehen. Er erkannte, dass geistiges Eigentum aus der Welt der Comics sich gerade zu ausgesprochen lukrativen Einnahmequellen entwickelte.
Trill war sein erster Vorstoß in die Welt des Kinos.
Er erwartete Großes.
Adeline und Jeremy waren in die Entstehung des Films nicht eingebunden, unterstützten ihn aber implizit, indem sie nichts gegen das Projekt sagten. Der Filmpremiere blieben sie fern.
Der Film war computeranimiert, was bedeutete, dass Dutzende schlechtbezahlter Animateure in asiatischen Ländern unzählige Stunden an Geräten arbeiteten, die von noch schlechter bezahlten Arbeitern in anderen asiatischen Ländern produziert wurden, um plumpe Nachahmungen der Illustrationen zu erstellen, die Adeline mit Material im Wert von 54 Dollar im Monat erschaffen hatte.
Als der Film 2007 erschien, erzielte er ein in Adelines Augen absurd hohes Einspielergebnis: etwa 25000000 Dollar.
Was 25000000 Dollar unter den Produktionskosten lag, die zweistelligen Millionensummen für das Marketing noch nicht eingerechnet.
Trill war ein Flop.
Seine Königliche Hoheit Mamduh bin Fatih bin Muhammad bin Abdulaziz Al Saud war traurig.
Allerdings kurbelte die Publicity den Verkauf der Bücher an.
Weder Adeline noch Jeremy hatten ihre Identität offenlegen wollen, aber einem weiteren Produzenten von Trill, einem Mann namens Joel Silver, rutschte die Wahrheit während einer Pressekonferenz heraus.
Joel Silver, der keinerlei Eumelanin in der Basalschicht seiner Epidermis hatte, behauptete später, es sei ein Versehen gewesen.
Adeline vermutete, es war absichtlich passiert.
Sie hatte einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend in Los Angeles verbracht. Von den Menschen in Hollywood nahm sie grundsätzlich das Schlechteste an. Sie taten einfach alles, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Die Enthüllung, dass es sich bei M. Abrahamovic Petrovitch um eine Frau handelte, die dem sozialen Konstrukt der weißen Rasse angehörte, galt als interessantere Geschichte im Vergleich dazu, dass Jeremy Winterbloss ein Mann war, der dem sozialen Konstrukt der schwarzen Rasse angehörte.
Beinahe zehn Jahre, nachdem sie die letzte Ausgabe von Trill fertiggestellt hatte, war Adeline plötzlich gefragt. Wegen ihrer selbst, als sie selbst. Details aus ihrem Leben wurden in der Öffentlichkeit enthüllt.
Die Menschen fanden es faszinierend, dass sie die schmuddelige Phase des East Village in New York überlebt hatte. Die Menschen fanden es interessant, dass ihr bester Freund Baby ein schwuler Science-Fiction-Autor und der Verfasser von Annie Zero war. Sie wollten wissen, wie es Adeline gelungen war, ihre Identität so viele Jahre lang geheimzuhalten. Sie waren fasziniert davon, dass eine Frau Genrecomics zeichnete und darin so gut war. Sie fanden es interessant, dass sie in San Francisco lebte, und wollten ihre Meinung zur Technologie-Branche und der Dotcom-Blase der späten Neunziger hören.
Kurz gesagt erreichte Adeline ein gewisses Maß an Berühmtheit.
Obwohl Jack Kirby auf den Seiten dieses Romans nicht selbst auftritt, ist er die Hauptfigur. Kirby starb 1994. 1917 wurde er geboren.
Jack Kirby ist die Hauptfigur dieses Romans, weil er derjenige ist, den die amerikanische Comicbranche am übelsten abgezockt hat, und die amerikanische Comicbranche der Inbegriff des ganzen korrupten und abscheulichen Gebarens im ungezügelten Kapitalismus darstellt.
Die Geschäftspraktiken der amerikanischen Comicbranche haben das gesamte 21. Jahrhundert durchdrungen. Sie sind die Pfeife, nach der wir alle tanzen.
Das Internet und die multinationalen Großkonzerne, die es beherrschen, haben alle Menschen zum schlimmstmöglichen Schicksal verdammt. Wir sind nicht mehr als Comicautoren, wir produzieren in einem fort Inhalte für gewaltige Konzerne, die sich weigern, uns für unsere Arbeit zu bezahlen.
Also huldigen wir doch dem Mann, der als Erster und am übelsten von allen abgezockt wurde.
Jack Kirby kam 1917 als Jacob Kurtzberg in der 147 Essex Street in der Lower East Side von Manhattan zur Welt. Er war ein New Yorker Jude in einer Zeit, in der man als Jude in Amerika Argwohn und Übergriffen ausgesetzt war.
Er arbeitete als genialer Künstler in einem Medium, dem jeder Respekt vor der Intelligenz seiner Leser abging. Er arbeitete als genialer Künstler in einem Medium, das anstößige Wörter hinter aneinandergereihten Sonderzeichen wie $#!+ und @$$ versteckte.
Er rauchte Zigarren und sprach mit einem breiten New Yorker Akzent. Er hatte keinen Highschoolabschluss. Er kämpfte im Zweiten Weltkrieg. Er war ein Jude, der Comics zeichnete, in denen die Nazis ordentlich eins aufs Maul bekamen, und dann nach Deutschland ging und den Nazis ordentlich aufs Maul haute.
Wann immer sich etwas Wichtiges in der amerikanischen Comicbranche tat, war Jack Kirby dabei. Ständig erschuf er Neues, ging neue Wege, hatte neue Ideen.
Er gehörte zu den lamed-wownikess, den sechsunddreißig Gerechten, um derentwillen sich die Welt weiterdrehte.
Hier ist eine Liste einiger Figuren, die er entweder allein oder mit anderen erfunden hat: Captain America, die Fantastischen Vier, die ursprünglichen X-Men, die Avengers, Thor, Loki, Iron Man, der Unglaubliche Hulk, Doktor Doom, Galactus, Ant-Man, der Black Panther, Nick Fury, der Demon, Kamandi, Klarion the Witch Boy, OMAC, die New Gods, M.O.D. O.K., die Eternals, die Inhumans, die Forever People, die Newsboy Legion.
Hier ist eine Liste der oben genannten Figuren, an denen er die Rechte hatte:
Als Adeline ihren unverzeihlichen Fehler beging, hatte sich Marvel Comics in Marvel Entertainment verwandelt, eine Filmproduktionsgesellschaft. Die Filme, die Marvel produzierte, basierten auf den Comics, die sie in den Jahrzehnten zuvor verlegt hatte.
Marvel hatte die folgenden Filme herausgebracht: Iron Man, Der unglaubliche Hulk, Iron Man 2, Captain America: The First Avenger, Thor, The Avengers, Iron Man 3. Jeder einzelne dieser Filme basierte auf geistigem Eigentum, das Jack Kirby geschafften hatte.
Marvel erzielte mit dem geistigen Eigentum von Jack Kirby ein Einspielergebnis von 5289863327 Dollar. Fanartikel und die Verkäufe von DVDs und Blu-Rays nicht mitgerechnet.
Es gibt fünfzig Länder, die diese Summe mit ihrem jährlichen Bruttoinlandsprodukt nicht erreichen.
Bevor Marvel sich in einen Filmproduzenten verwandelte, wurde das Unternehmen von Personen mit zweifelhaftem Geschäftssinn geleitet.
Diese Personen hatten für einen Großteil von Marvels bekanntestem geistigen Eigentum mediale Nutzungsrechte vergeben, darunter für die Fantastischen Vier und die X-Men, die beide von Jack Kirby mitentwickelt wurden.
Die Schöpfung der X-Men war ein vielschichtiger Vorgang, aber Kirby steuerte das ursprüngliche Konzept bei. Bei den Fantastischen Vier stammte alles von ihm.
Als Adeline den einzigen unverzeihlichen Fehler des 21. Jahrhunderts beging, waren die Fantastischen Vier und die X-Men in acht Filmen verwertet worden, von denen sieben auf Jack Kirbys Arbeit beruhten. Diese sieben Filme spielten an den Kinokassen 2136662237 Dollar ein.
Zusammen mit Marvels Einnahmen von 5289863327 Dollar ergibt sich damit eine Summe von 7426525564 Dollar aufgrund von Werken und Figuren, die Jack Kirby allein oder mit anderen geschaffen hat.
Jack Kirby hatte seine Werke als Auftragsarbeiten angefertigt, als sich noch niemand vorstellen konnte, dass irgendein Film eine Milliarde Dollar einspielen könnte, ganz zu schweigen von einem Film über Superhelden.
Auftragsarbeiten nach dem amerikanischen Urheberrecht gehörten zu den vielen miesen Geschäftspraktiken, mit denen die Unternehmen den Kreativen gegenübertraten. Bei Auftragsarbeiten lauteten die Bedingungen: Wir geben dir genug Geld, damit du nicht verhungerst, und behalten dann alles, was du erschaffst.
Also hatte Jack Kirby als Auftragsarbeiten eine Fülle von geistigem Eigentum erschaffen, das immens wertvoll wurde, während er selbst keinerlei Rechte an seiner Schöpfung besaß.
In seinen letzten Lebensjahren stritt er mit Marvel um sein geistiges Eigentum und die Rückgabe seiner Originalzeichnungen. Er starb, ohne an seinem Lebenswerk finanziell beteiligt gewesen zu sein.
Er wurde abgezockt.
Außerdem ist Jack Kirby die Hauptfigur dieses Buchs, weil es kein guter Roman ist. Es ist ein wirklich verworrenes Buch mit einer Hauptfigur, die nie auftritt. Die Handlung löst sich genau wie das Leben in nichts auf und beschreibt sinnloses seelisches Leid.
Der Autor dieses Romans hat es aufgegeben, gute Romane schreiben zu wollen, als ihm klarwurde, dass das Konzept des guten Romans von der Central Intelligence Agency entwickelt wurde.
Das ist kein Witz. Das ist wahr. Daran lässt sich nicht rütteln.
Die CIA hat die Paris Review finanziert. Die CIA hat den Iowa Writer’s Workshop finanziert. Die CIA hat die Vergabe des Literaturnobelpreises 1958 gelenkt.
Man könnte nur mit Mühe drei andere Institutionen aufzählen, die einen größeren Einfluss auf die Entwicklung des guten Romans und der gehobenen Literatur hatten.
Gehobene Literatur war eine Bezeichnung der Oberschicht, die suggerieren sollte, Bücher mit überflüssigem Sex und Gedanken über das Wesen von Hypotheken seien mehr wert als Bücher mit überflüssigem Sex und Waffen und Gewalt.
Die CIA finanzierte gehobene Literatur, weil Menschen bei der CIA glaubten, amerikanische Literatur würde sich hervorragend als Propaganda eignen und im Kampf gegen die Russen helfen. Menschen bei der CIA glaubten, gehobene Literatur preise die Wonnen der Mittelschicht, die der amerikanische Unternehmergeist ermöglicht hat.
Diejenigen, die das Geld der CIA annahmen, halfen mit Freuden.
Als Ergebnis folgten sechzig Jahre guter Romane über die gehobene Mittelschicht und ihr Sexleben.
Im Großen und Ganzen gab es in diesen guten Romanen keine Figuren mit viel Eumelanin in der Basalschicht ihrer Epidermis.
Als Begleiterscheinung wollte die CIA mit ihrer Finanzierung des guten Romans sicherstellen, dass es der amerikanischen Literatur nicht gelingen sollte, die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts zu thematisieren. Was daran lag, dass jeder gute Roman sich durch die Grenzen der Vorstellungskraft seines Autors definiert.
Und die Autoren von guten Romanen waren unglaubliche Langweiler. Die Verfasser von gehobener Literatur waren Leute, die auf eine Party gingen, am Ende bewusstlos in der Badewanne lagen und sich für die Geschichte jahrelang zum Essen einladen ließen.
Über ein halbes Jahrhundert lang hatten amerikanische Autoren guter Romane die einzige wichtige Geschichte des Lebens in Amerika übersehen. Sie hatten die Entwicklung der Welt übersehen, der Welt der geheimen Verführer, der sich wandelnden Kommunikationslandschaft, des Massentourismus, der ausgedehnten konformistischen Vorstädte, die vom Fernsehen beherrscht werden.
Und dadurch hatten sie auch die tatsächliche Bedeutung der letzten fünfzehn Jahre übersehen. Die Symbolik, auf die sich das ästhetische und intellektuelle Streben des 20. Jahrhunderts gestützt hatte, war nun bedeutungslos. Nichts als heiße Luft. Sie war fort, verschwunden, fehlend, zusammengebrochen unter dem Gewicht zweier Türme.
Der Diskurs über Literatur und Schreiben war zu einem enormen Teil von der eifrigen Befürwortung von Menschenrechten bestimmt worden, doch dann hatte sich alles verschoben, und niemand sprach mehr darüber.
Jahrtausendelang hatten die Menschen sich aus einer breiten Palette von Utensilien bedient, um zu schreiben. Manche benutzten Kugelschreiber. Manche benutzten Bleistifte. Manche Schreibmaschinen. Manche Papyrus. Manche liniertes Papier.
Inzwischen benutzten Autoren Computer, die eine Begleiterscheinung der verblüffenden Fähigkeit des Kapitalismus waren, die Überbevölkerung in ewige Diener zu verwandeln. Alle Computer dieser Welt wurden in China von Sklaven zusammengebaut.
Das amerikanische Literaturgeschäft ist ein Geschäft mit der Ausbeutung von Sklaven. Das Buch, das Sie gerade lesen, ist ein Beispiel dafür.
Dieser schlechte Roman, der eine Suada in Sachen Moral im Internetzeitalter darstellt, wurde auf einem Computer geschrieben. Sie lassen gerade die moralische Entrüstung eines heuchlerischen Autors über sich ergehen, der von der Ausbeutung von Sklaven profitiert hat.
Diese Lakunen bedeuteten, dass amerikanische Autoren nicht einmal halbwegs anständig über das Internet schreiben konnten, welches nichts anderes ist als intellektueller Feudalismus auf der Basis von technischen Neuerungen, die als Kultur getarnt daherkommen.
Als sich herauskristallisierte, dass das Internet im 21. Jahrhundert den kompletten Alltag überlagern würde, entschieden sich viele Autoren für die Überlebensstrategie, das Rechnernetz als Marketinginstrument zu nutzen.
Diejenigen, die für ihr intellektuelles und finanzielles Dasein auf den Gebrauch von Wörtern und Grammatik angewiesen waren, wählten einen seltsamen Ansatz für ihre wichtigste Online-Marketingstrategie – sie gaben vor, dass sie, die Autoren, über geringere literarische Fähigkeiten verfügten als Fünftklässler.
»Hdgdl!«, schrieben die Autoren.
»Aba latürnich«, schrieben die Autoren.
»bb & gn8«, schrieben die Autoren.
Die Idee dahinter war, mit diesen Falschschreibungen den Verkauf von Büchern über nachmittägliche Affären in New York anzukurbeln.
Natürlich war der gute Roman ein historisches Überbleibsel, und keine Falschschreibung der Welt würde die Bevölkerung der Zukunft dazu bringen, sich für das Kopulationsgebaren irgendwelcher erfolgloser Typen zu interessieren.
Die Bevölkerung der Zukunft interessierte sich nicht für die hohle Symbolik des vergangenen Jahrhunderts. Sie hatte den guten Roman und seine falsche Sicht der amerikanischen Komplexität ausgemustert. Die Bevölkerung der Zukunft hatte sich für das trendig Angesagte von Comics und Science-Fiction entschieden.
Die Menschen lasen lieber über das Kopulationsgebaren von übernatürlichen Wesen wie Werwölfen, Sukkuben, Vampiren, jungen Zauberern, Meerjungfrauen, Minotauren, Zentauren, Hexen, Elfen, Dschinns, Geistern, Zombies, Engeln, Inkuben, Hacktivisten, genetisch veränderten Teenagern und ultrareichen Oligarchen.
Es gab nur eine Lösung, wollte man als Autor über das Internet schreiben, ohne einen guten Roman zu verfassen, ohne vorzugeben, man hätte ein schlechteres Sprachvermögen als ein Fünftklässler, und ohne Interesse am Kopulationsgebaren von übernatürlichen Wesen wie Werwölfen, Sukkuben, Vampiren, jungen Zauberern, Meerjungfrauen, Minotauren, Zentauren, Hexen, Elfen, Dschinns, Geistern, Zombies, Engeln, Inkuben, Hacktivisten, genetisch veränderten Teenagern und ultrareichen Oligarchen.
Die einzige Lösung war, schlechte Romane mit Hauptfiguren zu schreiben, die nicht auftraten.
Die einzige Lösung war, schlechte Romane zu schreiben, die das Rechnernetz mit seiner Besessenheit von Fastfoodmedien imitierten.
Die einzige Lösung war, schlechte Romane zu schreiben, die das Rechnernetz mit seiner belanglosen und zerpflückten Darstellung von Inhalten imitierten.
Adeline lebte in San Francisco. San Francisco zeichnete sich durch zwei besondere Merkmale aus: (1) Es war die schönste Stadt Amerikas. (2) Es wimmelte von den nervigsten Menschen Amerikas.
So war es schon immer gewesen, von Anfang an.
Der Wert jedes einzelnen Moments in San Francisco ließ sich durch eine einfache Frage bemessen: Wog die Schönheit der Stadt ihre nervigen Bewohner auf?
Adeline war 1996 nach San Francisco gezogen, was für die Stadt ein entscheidender Moment war. 1996 war kein entscheidender Moment, weil Adeline eintraf.
Das Besondere an 1996 war, dass in diesem Jahr der Wirtschaftsfaktor Internet schlagartig ins kollektive Bewusstsein drang.
San Francisco hatte sich über weite Phasen des 20. Jahrhunderts auf dem absteigenden Ast befunden, was die Stadt zu einem schlechten Ort für Geschäftsleute machte, aber zu einem wunderbaren Ort für Leute, die so gar kein Händchen für Geld hatten.
Kulturell war San Francisco von Menschen geprägt, die so gar kein Händchen für Geld hatten. Es hatte sich zur Oase für Amerikas Außenseiter entwickelt, die vorwiegend in den wunderbaren alten Häusern der Stadt wohnten.
Als der Wirtschaftsfaktor Internet schlagartig ins kollektive Bewusstsein drang, bewiesen diese Leute, dass sie nur eines noch schlechter konnten, als Geld zu verdienen, nämlich dem gesellschaftlichen Wandel zu widerstehen.
Nachdem die Verfilmung von Trill gegen Ende der nuller Jahre in die Kinos gekommen waren und Adeline eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte, besuchte sie mehr Veranstaltungen in San Francisco als früher. Nahezu alle diese Veranstaltungen hatten etwas mit der Kunst- und Verlagsszene zu tun.
Dort lief ihr immer wieder ein Mann namens Kevin Killian über den Weg. Er hatte kein Eumelanin in der Basalschicht seiner Epidermis.
Er war ein ausgesprochen talentierter Autor der New-Narrative-Strömung. Er betrachtete die Stadt mit genauem Blick und sah aus wie ein Kaiser aus der Glanzzeit des Römischen Reichs. Er schrieb bereits seit Jahrzehnten. Seine besten Bücher waren Shy und Impossible Princess.
Adelines bester Freund, ein Science-Fiction-Autor, der sich Baby nannte, war mit einigen der New-Narrative-Autoren gut bekannt, aber Adeline und Baby sprachen nie über die New-Narrative-Strömung.
Sie hatte keine Ahnung, dass Kevin Killian sich gut mit ihrem besten Freund verstand. Sie hatte keine Ahnung, dass Baby Kevin Killian und seine Texte ganz großartig fand.
Manchmal kommt einem die Erde riesig vor und manchmal winzig.
Kevin Killian war mit einer wunderbaren Autorin namens Dodie Bellamy verheiratet. Kevin war schwul. Dodie war eine Frau. Dodie hatte kaum Eumelanin in der Basalschicht ihrer Epidermis.
Kevin und Dodie hatten geheiratet und schliefen miteinander. Das wusste Adeline, weil sie Dodies wirklich fabelhaftes Buch The Letters of Mina Harker gelesen hatte, das unter anderem die Beziehung zwischen Kevin und Dodie detailliert beschrieb.
Adeline fand das wunderschön.
Nachdem der Autor J. Karacehennem Ende 2010 von Los Angeles nach San Francisco gezogen war, schleppte er Adeline zu noch mehr literarischen Veranstaltungen. Bei einer solchen Veranstaltung im Hinterzimmer von Alley Cat Books in der 24th Street ergab sich zwischen Adeline und Kevin Killian ein Gespräch.
Kevin erzählte Adeline, dass er als Dozent am California College of the Arts lehre. Er fragte, ob sie Lust habe, sein Seminar zu besuchen und vor seinen Studenten einen Vortrag zu halten.
»Absolut«, sagte Adeline. »Es wäre mir ein Vergnügen, in das überdrehte Bewusstsein dieser talentierten jungen Leute einzudringen. Oh, ganz sicher zerstöre ich mit dem Zauber meiner Sprache ihren Verstand und raube ihre Seelen.«
Das war 2013.
Seit sie eingewilligt hatte, Trill zu zeichnen, waren zwanzig Jahre vergangen.
Den seltsamen Akzent hatte sie immer noch.
Und so fand Adeline sich an der CCA wieder und hielt vor Kevins Studenten einen Vortrag. Die Studenten erschienen ihr interessant und klug. Sie plauderte über das Selfpublishing.
Adeline liebte Situationen, in denen ihr Publikum ihr ausgeliefert war. Sie staunte selbst darüber, dass sie so verständlich reden konnte, wenn sie vor einer größeren Menge stand.
Das war ungewöhnlich, weil sie in Kalifornien aufgewachsen war. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens in Kalifornien verbracht. Ihr verständliches Reden war ungewöhnlich, weil Menschen aus Kalifornien die am wenigsten eloquenten Menschen der Welt sind.
Menschen aus Kalifornien hängen an jedes zweite Wort halt und du weißt schon an. Das ist nicht übertrieben. Das ist halt, Sie wissen schon, eine Tatsache.
Ihren transatlantischen Akzent hatte Adeline sich bereits in der Highschool zugelegt. Er klang wie eine Mischung aus amerikanischem und britischem Englisch.
Abgesehen von Snobs aus der Oberschicht und Schauspielern in den ersten Tonfilmen hat kein Mensch je mit diesem Akzent gesprochen. Er war durch und durch künstlich. Gegen 1965 verschwand er vollends.
Adeline hatte sich ihren Akzent 1984 zugelegt, nachdem sie den Film Frühstück bei Tiffany gesehen hatte.
In Frühstück bei Tiffany