Dietmar Kuegler
Western-Trails
Auf alten Trails 3 - Reisehandbuch in die Pionierzeit Amerikas
Planwagenspuren, vor 150 Jahren von Tausenden von Wagenrädern in eine Kalksteinformation bei Guernsey, Wyoming, eingeprägt. Der Oregon-Trail war ein Schicksalsweg amerikanischer Pioniere.
Semitarius Verlag
Autor: Dietmar Kuegler
Titel: Western-Trails
Auf alten Trails - Reisehandbuch in die Pionierzeit Amerikas 3. Teil
ISBN: 978-3-945248-19-5
Erschienen im:
Semitarius Verlag - Inh. Andreas Schumann
Rudolf-Dietz-Straße 38
65232 Taunusstein
© 2015 - Alle Rechte vorbehalten
Weitere Print und eBook-Varianten finden Sie unter www.semitarius.com
Dieses Buch ist die eBook-Version des gleichnamigen Buchs aus dem Jahr 2006,
erschienen im:
Copyright © 2006 VERLAG FÜR AMERIKANISTIK D. Kuegler
P. O. Box 1332
D-25931 Wyk auf Foehr
Bildquellen:
Alle Fotos von: © Dietmar Kuegler
ausser:
von Dietmar Kuegler: Dagmar Großer
Foto von Doc Hollidays Grab: Fred Dupper, Wikipedia
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Dietmar Kuegler, geb. 1951 in Dolberg (Westfalen) und beheimatet auf der Nordseeinsel Föhr (Schleswig-Holstein) ist Publizist seit 45 Jahren und beschäftigt sich ebenso lange mit der amerikanischen Pionierzeit. Er schrieb fast 60 Bücher und an die 2.000 Artikel und Aufsätze zu diesem Thema. Er hält regelmäßig Vorträge vor deutsch-amerikanischen Institutionen, deutschen Museen und vor amerikanischen Historischen Gesellschaften.
Er ist ständiger Mitarbeiter des „Deutschen Waffen-Journals“ und der österreichischen militärwissenschaftlichen Zeitschrift „Pallasch“. Viele seiner Arbeiten wurden in Frankreich übersetzt, und er schrieb für amerikanische Magazine wie „Western Pennsylvania History“.
2006 verlieh ihm die Stadt Northfield (Minnesota) für seine Verdienste um die Verbreitung der amerikanischen Pioniergeschichte den „Lost Spur“. Die Historische Gesellschaft der Stadt ernannte ihn als einzigen Ausländer zum Mitglied der „James-Younger-Gang“ auf Lebenszeit mit dem Recht, an der jährlichen Aufführung des historischen Bankraubs von 1876 teilzunehmen – dem mehrfach ausgezeichneten besten Pionierzeit-Reenactment der USA. Der Sheriff des Rice County (Minnesota) ernannte ihn zum „Special Deputy“. Für seine Arbeiten zur Justizgeschichte des amerikanischen Westens wurde er von den Texas Rangers und vom FBI mit Abzeichen geehrt.
Kuegler ist Verleger und Herausgeber des MAGAZIN FÜR AMERIKANISTIK. Er verfaßte zuletzt die Bestseller „In der Wildnis die Freiheit – Der amerikanische Pelzhandel“ und „Sucht mein Herz in der Prärie: Jim Bridger, Mountain Man“.
Als die beiden Bücher AUF ALTEN TRAILS NACH WESTEN und WESTERN-LEGENDEN erschienen, war nicht absehbar, wie positiv das Echo sein würde. Die Nachfrage überstieg alle Erwartungen. Beide Bücher haben inzwischen mehrere Auflagen erlebt und werden noch immer ständig angefordert.
Viele Leser gehen mit diesen Büchern im Gepäck auf Reisen. Den Autor erreichten Postkarten aus allen Teilen des amerikanischen Westens, und manchmal kamen auch Fotos, auf denen Leser mit diesen Büchern in der Hand an historischen Plätzen standen.
Es kommt selten vor, dass ein Autor solche Reaktionen erfährt. Das macht stolz, aber auch dankbar.
Zugleich häuften sich die Wünsche nach weiteren Beschreibungen, nach mehr Reisezielen im amerikanischen Westen, die in keinem Reiseprospekt zu finden und manchmal auch nicht auf Landkarten verzeichnet sind.
Die Geschichte des amerikanischen Westens war kurz, intensiv, wild und romantisch, tragisch und grandios – und es gibt zahllose Orte, an denen sie ihre Höhepunkte erlebte, die selbst für Amerikaner fast vergessen sind.
Es sind diese Orte, die ich auf meinen Fahrten durch die USA suche. Man kann sie finden, auch wenn es manchmal etwas Mühe bereitet. Zumindest diese Mühe möchte ich denen erleichtern, die dieselbe Begeisterung für die Pionierzeit in sich tragen wie ich selbst.
Voraussetzung für das Auffinden dieser historischen Schätze ist die Kenntnis der Geschichte, dann kommt die geografische Recherche, und am Ende ein Schuss Abenteuerlust, in Gegenden Amerikas vorzudringen, in denen Touristen manchmal selten sind.
Oft genügt es, eine Interstate-Autobahn an einem Exit zu verlassen, an dem andere achtlos vorbeifahren. Manchmal sind historische Perlen in großen Städten verborgen, umzingelt von hässlichen Geschäftsbauten und Hochhäusern. Meist aber liegen sie am Rande kleiner Orte, die einst Stationen an den großen Trails nach Westen waren und mit dem Bau neuer Straßen und Eisenbahnen vergessen wurden.
Fast immer trifft man an solchen Plätzen Menschen, die mit ungeheurer Fachkenntnis und Hingabe dafür arbeiten, dass die Geschichte ihrer Region erhalten wird und die sich rührend um jeden Besucher bemühen.
Wer sich einen Sinn für das Abenteuer der Besiedelung Nordamerikas bewahrt hat, auch für die menschliche Dimension dieser erregenden Zeit, der wird von diesen Gegenden, in denen Entscheidungen fielen, die Amerika bis heute beeinflussen, mit einer einzigartigen Atmosphäre umfangen werden.
Die ersten beiden Bücher enthielten jeweils zirka 60 Schauplätze der Pioniergeschichte. Auch dieser Band wird wieder um die 50 bedeutende Orte beschreiben, die im 19. Jahrhundert zur Formung der USA beigetragen haben. Auch diesmal empfehle ich keine Routen. Wer mit meinen Büchern reisen will, hat seine eigenen speziellen Interessen und sollte diese Beschreibungen nur als Anregung und Hinweis nehmen. Aber wer meine Bücher liest, wird in jedem Fall gut darüber informiert sein, wohin er kommt, wenn er einen oder mehrere der beschriebenen Plätze aufsucht. Er weiß, was er erwarten kann, und er kennt den Hintergrund jedes historischen Ortes.
Zwar gibt es noch immer Planwagenspuren, die sich in einsamen Gegenden des amerikanischen Westens seit mehr als 120 Jahren gehalten haben – Hinterlassenschaften der frühen Pioniere, die atemlos machen. Aber die „Western Trails“ sind heute natürlich asphaltiert. Trotzdem ist die Geschichte sichtbar; die erregende Vergangenheit ist mit Händen zu greifen – zumindest für jene, die sich einen Sinn dafür bewahrt haben.
Reisen Sie, solange die Geschichte noch vorhanden ist, solange es ihre Spuren noch gibt. Geschichte ist nichts Abstraktes, sondern etwas Reales. Sie wurde von Menschen gemacht, die uns vorausgegangen sind. Irgendwann werden andere Menschen an den Stätten stehen, die wir geprägt und beeinflusst haben. Es ist ein unendlicher Prozeß, der uns hilft, zu verstehen, was Menschen vor uns gedacht und gefühlt haben. Es hilft, zu verstehen, was die heutigen Erben dieser Geschichte denken und fühlen, und warum sie wurden wie sie sind.
Wie jedes Land, wie jedes Volk, sind auch die Vereinigten Staaten nur aus ihrer Geschichte heraus zu erklären und zu verstehen. Die Indianer sagen, Vergangenes ist nicht vergangen. Das Vergangene ist in uns Heutigen. Deshalb ist es wichtig, Erinnerung zu bewahren. Jeder Besucher eines historischen Platzes hilft bei diesem Bewahren mit. Er leistet durch sein Interesse – und durch das geringe Eintrittsgeld – seinen Beitrag.
Folgen Sie den „Western Trails“ – das Abenteuer wartet…
„Auf nach Westen“ Zum Gedenken an die Pioniere auf den Western-Trails steht diese gewaltige Statue vor dem neuen National Historic Trails Interpretive Center in Casper, Wyoming, North Poplar Street. Über Interstate 25 erreichbar.
Nur sechs Jahre nach dem letzten Krieg der USA mit Großbritannien (1812-14) wurde die Kontrolle über das obere Mississippi-Tal für die Vereinigten Staaten zur unabweisbaren Notwendigkeit. Vor allem war es unabdingbar, die englischen Pelzhändler, die nach wie vor von Kanada aus Einfluss auf die Indianernationen diese Region ausübten und sie gegen die USA in Stellung brachten, zu vertreiben.
Schon 1805 hatte der junge Leutnant Zebulon Pike die Einrichtung eines Militärpostens am Zusammenfluss des Mississippi mit dem St. Peter-Fluß (heute Minnesota River) empfohlen, ein Rat, der 1817 von Major Stephen Long bekräftigt wurde. 1819 wurde Lieutenant Colonel Henry Leavenworth mit der 5. US-Infanterie zum oberen Mississippi kommandiert. An der Mündung des Minnesota River errichtete er mit „Camp Hope“ das erste provisorische Fort. Im nächsten Frühjahr wurde die Anlage auf eine Anhöhe über dem Mississippi verlegt und erhielt den Namen „Camp Coldwater“ – Ausdruck der schlechten Erfahrungen und Unzufriedenheit Leavenworths’, der strikt gegen die Gründung eines Militärpostens in dieser sumpfigen, unwegsamen Wildnis war.
Blick über den Paradeplatz mit den Quartierbauten und Werkstätten, sowie der Kommandantur am hinteren Ende.
Soldaten in Fort Snelling bei der täglichen Feldarbeit.
Infanteristen beim Drill mit der Muskete auf dem Exerzierplatz.
Sein Nachfolger, Colonel Josiah Snelling, der das Kommando 1820 übernahm, war anderer Meinung. Er erkannte mit scharfem Blick die strategische Bedeutung der Region am Zusammenfluss dieser beiden bedeutenden Flüsse. In jenen Tagen waren der Minnesota und der Missouri die wichtigsten Wasserstraßen für den Handel in einem Gebiet ohne Landwege. Und der Handel war – der These des ehemaligen Präsidenten Jefferson zufolge – das entscheidende Mittel, um die Kontrolle über die Indianervölker der Region zu gewinnen. Die Überlegung war, dass eine machtvolle militärische Vertretung in Verbindung mit einer Indianeragentur das Fundament für die physische Inbesitznahme des Nordwestens bilden konnte.
Snelling verstand die Wirkung der rechtlichen und politischen Vertretung der Vereinigten Staaten auf diesem abgelegenen Außenposten der Zivilisation. Unter seiner Leitung entstand eine eindrucksvolle Festungsanlage, die, nachdem sie 1825 vollendet war, rasch zu einem massiven Symbol für die geografische Expansion der Vereinigten Staaten wurde. Die hier stationierten Soldaten waren nicht nur militärische Repräsentanten der Bundesregierung, sondern agierten als Kolonisten: Sie legte Straßen an, bauten Werkstätten und Mühlen, pflanzten Getreide und Gemüse und rodeten Wälder.
Zusammen mit dem ungemein fähigen Indianeragenten Major Lawrence Taliaferro schmiedete Snelling eine wirksame Allianz, um die alten Feindseligkeiten zwischen den Dakota- und Ojibwa-Indianern beizulegen und Frieden zwischen den Indianern und den weißen Siedlern zu bewahren. Als Anerkennung für seine erfolgreiche Arbeit wurde der neue Außenposten nach ihm benannt: Fort Snelling.
Für über zwei Dekaden war das Fort ein diplomatischer, militärischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Brennpunkt. In seinem Schutz operierten die Pelzhandelsposten der American Fur Company und der Columbia Fur Company. Gruppen beider Indianervölker der Region trafen sich hier auf neutralem Boden, um Handel zu treiben und Streitigkeiten beizulegen. Siedler erhielten Rat und Hilfe und wurden versorgt. Missionare, Künstler und Reisende kehrten ein und genossen die Gastfreundschaft des Kommandanten in der kultivierten Atmosphäre dieser Oase in der Wildnis.
Anfang der 1850er Jahre hatte Fort Snelling den amerikanischen Nordwesten für die wandernde Besiedelungsgrenze geöffnet. Jetzt dehnte sich ein Netzwerk von Straßen durch die Region und verband Pioniersiedlungen und neue Militärposten weiter westlich. 1858 wurde das Territorium Minnesota Bundesstaat der USA.
Während des Bürgerkrieges (1861-65) spielte das Fort abermals eine militärische Schlüsselrolle als Ausbildungszentrum für die Freiwilligeneinheiten Minnesotas. Nach 1865 beherbergte es das Hauptquartier für das Armeedepartment Dakota; von hier aus wurden die Feldzüge gegen die Stämme auf den Great Plains koordiniert.
Trommlerjunge vor Mannschaftsquartier.
Ein Soldat bringt seine Uniform zur Reinigung zu einer Wäscherin.
Fort Snelling blieb bis zum Ende des 2. Weltkriegs aktiv. Nach 1945 zog die Armee ab. Obwohl weithin wegen seiner historischen Bedeutung anerkannt, wurde es erst 1960 unter Denkmalschutz gestellt, und eine atemberaubende Rekonstruktion begann. Heute präsentiert sich der riesige Posten, der fast an eine mittelalterliche Burg erinnert, in altem Glanz, so wie in der Zeit, als die Amerikaner erstmals in diese wichtige Region ihres Landes vordrangen. Darüber hinaus bietet die Anlage eine der besten lebendigen Geschichtspräsentationen in den Vereinigten Staaten. Interpreten in historischer Kleidung porträtieren die historischen Bewohner Fort Snellings, vom einfachen Soldaten bis zum Kommandanten, vom Marketender bis zum Indianeragenten, vom Handwerker bis zum Pelzhändler. Mit Leidenschaft und Kompetenz bringen sie die 1820er Jahre wieder zum Leben, öffnen einen Zeittunnel für die Besucher und bescheren ihnen damit eine einzigartige historische Erfahrung.
Brilliante Interpreten in Fort Snelling, als Indianeragent Lawrence Taliaferro (oben) und Colonel Josiah Snelling (unten)
Colonel Snelling, der Kommandant von Fort Snelling, und seine Frau empfangen den Indianeragenten Taliaferro (links) zum Mittagessen. Zwischen beiden Männern herrschte historisch ein enges Einvernehmen.
Blick auf die Werkstätten von Fort Snelling.
*
Das historische Fort Snelling befindet sich heute inmitten der Millionen-Metropole Minneapolis-St. Paul, 5 Autominuten vom internationalen Flughafen entfernt. Es ist über den Interstate-Ring erreichbar. Oder über die Minnesota-Highways 5 und 55 – hier gibt es eigene Fort Snelling Exits. Die Ausschilderung auf dem Interstate-Ring ist etwas verwirrend, weil der „Fort Snelling State Park“ in der Nähe liegt, allerdings nichts mit dem Fort zu tun hat.
Die wuchtigen Mauern von Fort Snelling erinnern fast an eine mittelalterliche Festung.
Friedliche Straßenszenen in Northfield. Minuten später begann der große Bankraub und die Stadt verwandelte sich in ein Schlachtfeld.
Am 7. September 1876 brannte ein Ereignis die friedliche, wohlhabende Kleinstadt Northfield in Zentral-Minnesota auf ewig in die amerikanischen Geschichtsbücher ein. Um 14 Uhr an diesem Tag kreuzten acht Reiter in langen weißen Staubmänteln die Brücke über den Cannon River, lenkten ihre Pferde in die Division Street – die Hauptstraße der Stadt – und hielten vor der First National Bank an.
Das war der Beginn eines siebenminütigen Dramas, das die Geschichte der Vereinigten Staaten auf immer beeinflussen sollte.
Der Anführer dieser mysteriösen Gruppe war Jesse James, zu dieser Zeit die No. 1 auf den Fahndungslisten der Polizeibehörden Nordamerikas, ein ehemaliger konföderierter Guerilla des berüchtigten William C. Quantrill. James und seine Männer hatten während des blutigen Bürgerkrieges aufseiten der Südstaaten hinter der Front gekämpft, geplündert, gemordet und gebrandschatzt.
Jay Helrud (rechts) als Jesse James. Im Vordergrund Jeff Thies (vorn) als Cole Younger, der seinen Bruder Bob (Chip DeMann) verletzt rettet.
Jim Braucher als Zweitbesetzung für Jesse James.
Nach dem Bürgerkrieg hatte er mit seinem Bruder Frank und den Gebrüdern Younger seine eigene Bande gebildet, mit der er Eisenbahnen und Banken ausraubte, die Repräsentanten der verhassten Yankees aus den nördlichen Staaten, die die Südstaaten in der schlimmen Zeit der sogenannten „Rekonstruktion“ nach dem Krieg ausbeuteten. Trotz seiner kriminellen Taten galt er in den Augen seiner südstaatlichen Landsleute als „Widerstandskämpfer“ gegen die „Unterdrückung“ der Nordstaatler. Geschickt verstand er es, sich als Kämpfer für die Rechte des alten Südens darzustellen. Die Pinkerton-Detektive, die ihm auf der Spur waren, konnten daher ebenso wenig mit Sympathie rechnen wie die Polizeibehörden – von denen manche die Fahndung ohnehin nur mit halbem Herzen betrieben.
Warum Jesse James bis nach Minnesota, so weit nördlich von seinem Heimatstaat, vorgedrungen war, war lange Gegenstand vieler Spekulationen. Northfields Historiker glauben, dass der führende Geschäftsmann der Stadt, Adelbert Ames, das Ziel war. Er hatte zeitweilig als Militärgouverneur von Mississippi amtiert, war Teilhaber der First National Bank und zudem Schwiegersohn des im Süden verhassten Unionsgenerals und Politikers Benjamin Butler. Vor diesem möglicherweise ideologischen und politischen Hintergrund nennen manche Experten den Banküberfall von Northfield „die letzte Schlacht des Amerikanischen Bürgerkrieges.“
Ein Bild wie aus alter Zeit. Die ersten drei Banditen reiten zur First National Bank. An genau diesem Platz fand der Überfall 1876 statt.
Jeff Thies prescht als Cole Younger über den Gehsteig und ruft seine Kumpane aus der Bank, da der Kampf auf der Straße schon begonnen hat.
Drei der Banditen betraten die Bank, die anderen warteten draußen. In der Bank weigerte sich der Kassierer, Joseph Lee Heywood, standhaft, den Safe zu öffnen. Er musste für seinen Mut mit dem Leben bezahlen.
Die Banditen waren gezwungen, die Bank mit leeren Taschen zu verlassen. Auf der Hauptstraße von Northfield aber begann ein heftiger Kampf. Die Bürger, welche die verdächtig wirkenden Reiter beobachtet hatten, bemerkten rasch, was vor sich ging und bewaffneten sich. Als die Banditen anfingen, die Passanten von den Gehsteigen zu vertreiben, um ihren Rückzug einzuleiten, sahen sie sich unvermittelt erbittertem Widerstand gegenüber.
Keiner der Banditen entging der wilden Schießerei unverletzt. Zwei der Outlaws starben: Clell Miller und Bill Stiles. Die anderen sechs flüchteten aus der Stadt. Aber innerhalb weniger Stunden waren ihnen über eintausend Männer auf der Spur. Am Ende gelang es nur Frank und Jesse James, zurück nach Missouri zu entkommen.
Jon Medin und Jay Hellerud galoppieren die Division Street hinunter. Der Straßenkampf ist in vollem Gang.
Die Räuber sammeln sich vor der Bank, um aus der Stadt zu flüchten. Sie werden von allen Seiten beschossen.
Seit 1948 zelebriert die Stadt Northfield dieses bemerkenswerte Ereignis als „The Defeat of Jesse James“ (= Die Niederlage des Jesse James), um an den Mut von Joseph Lee Heywood und den tapferen Bürgern zu erinnern, die ihr Leben riskiert hatten, um ihren Besitz, um ihre Freiheit, um Recht und Gesetz zu verteidigen.
Jährlich werden der Banküberfall und der anschließende Straßenkampf in minutiöser, historisch exakter Weise in der Originalstraße und vor der alten Bank, wo Jesse James und seine Männer ihre größte Niederlage erlitten, wieder aufgeführt. 2002 bezeichnete das bekannte Magazin „True West“ dieses Reenactment als die überragendste Darstellung eines Pionierzeit-Ereignisses in den gesamten Vereinigten Staaten.
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Northfield wird am einfachsten über Interstate 35 erreicht, die große Nord-Süd-Verbindung von Iowa quer durch Minnesota zu den Großen Seen. Nur eine halbe Autostunde von Minneapolis entfernt, führt die Abfahrt auf Highway 19 direkt in die Innenstadt.
Wer das besondere historische Erlebnis sucht, biegt vorher auf den Campus des St. Olaf Colleges ab und fährt von hier über die St. Olaf Avenue in den Ort. Dann hat man nämlich das Vergnügen, die alten Ames-Mühlen zu passieren und über die Cannon-River-Brücke auf den Bridge Square zu fahren – auf demselben Weg, den die James-Gang genommen hat. (Die Brücke ist heute natürlich aus Beton.)
Das Museum der Historischen Gesellschaft von Northfield befindet sich im alten Scriver-Block, wo die First National Bank im Originalzustand erhalten ist. Selbst der Tisch, an dem der unglückliche Heywood starb, steht noch hinter der Theke.
Der „Scriver-Block“, in dem sich die First National Bank von Northfield befand, als die James-Gang den Überfall ausführte. Die originale Baustruktur ist erhalten.
Die Darstellung des Banküberfalls findet jeweils Anfang September in der Woche nach „Labor Day“ – einem der wichtigsten amerikanischen Feiertage – statt, also fast auf den Tag genau wie der tatsächliche Raub, und zwar immer am Sonnabend und Sonntag. In der Regel wird der Raid sechsmal aufgeführt, viermal am Sonnabend, zweimal am Sonntag. Die Stadt ist dann übervölkert. Die „Defeat of Jesse James Days“ sind das größte Volksfest Minnesotas mit einem (erstklassigen) Rodeo, Oldtimer-Paraden, u. ä.
Homepage der Northfield Historical Society
Es empfiehlt sich daher, sehr frühzeitig Hotelzimmer zu besorgen – Northfield selbst hat nur geringe Hotelkapazitäten, ein Ausweichen auf Nachbarorte ist empfehlenswert. Infrage kommen Cannon Falls, Lonsdale, New Prague, Faribault, Mankato oder New Ulm.
Es kommen in der Regel über 100.000 Menschen in die kleine Stadt. Wer einen guten Platz bei den Aufführungen haben will, muss frühzeitig in der Division Street sein. Eintritt wird zwar nicht erhoben, aber es gilt „Button-Pflicht“ – wer sich in diesen Tagen bei den diversen Veranstaltungen bewegt, muss einen Anstecker kaufen, der zwischen 3 und 4 Dollars kostet, aber dann für alle Attraktionen dieser Tage gilt.
Dietmar Kuegler, Jay Hellerud und Sean Francis.
Jay Hellerud und Jess Radtke.
Überraschenderweise gehört der Krieg der Sioux in Minnesota zu den weniger bekannten Konflikten im 19. Jahrhundert – obwohl er einer der größten war und rund 800 Menschenleben forderte; meist deutschstämmige Siedler. Die meisten Menschen – in Amerika und Europa – haben von den Indianerkriegen gehört, von den Kämpfen in den Plains und Prärien, von den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Kolonisten und nomadischen Jägern, von den Massakern am Sand Creek und am Wounded Knee, dem tragischen Untergang der farbenprächtigen Kulturen der amerikanischen Ureinwohner.
Der Aufstand der Sioux in Minnesota steht im Schatten dieser Ereignisse – vermutlich, weil die Region vielen Menschen in Europa wenig attraktiv erscheint; sie hat nicht den Ruf der klassischen „Western-Romantik“. Vermutlich auch, weil die Indianervölker dieses Gebiets nicht ganz dem Klischeebild des federgeschmückten Bisonjägers entsprechen. Vermutlich, weil dieser Kampf in der Zeit des Amerikanischen Bürgerkrieges stattfand, als sich alle Aufmerksamkeit auf den furchtbaren Bruderkampf von Nord und Süd richtete und die Schlachten von Gettysburg und Antietam, von Vicksburg und Chattanooga die Welt bewegten. Der amerikanische Mittelwesten wurde zu dieser Zeit nur wenig beachtet, obwohl sich hier besonders viele deutsche Auswanderer niedergelassen hatten, weil Landschaft und Klima sie so sehr an ihre Heimat erinnerten.
Das letzte erhaltene Offiziersquartier von Fort Ridgely. Der Gedenkstein erinnert an die heftigen Angriffe während des Sioux-Aufstandes.
Das rekonstruierte Pulvermagazin von Fort Ridgely.
Dabei war Minnesota ein klassischer „Grenzstaat“ zwischen Wildnis und Zivilisation und steht noch heute in der Tradition des „alten Westens“. Zudem war der Aufstand der Sioux in Minnesota, geboren aus Vertragsbruch, gebrochenen Versprechungen und blanker Not – auch verursacht durch bürokratische Versäumnisse durch den im Osten tobenden Bürgerkrieg – der größte Indianerkrieg westlich des Mississippi.