ISBN: 978-3-95764-205-9
1. Auflage 2016, Altenau (Deutschland)
© 2016 Hallenberger Media GmbH
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Liebe Leserin lieber Leser,
Sie haben sich entschieden, sich mit dem Roman "Ruhm" von Daniel Kehlmann auseinanderzusetzen. Wir wollen Ihnen dabei ein wenig helfen, Ihnen Hinweise und Tipps anbieten. Dabei sind wir uns sicher: Wir können nicht alles erklären, nicht alles erläutern, aber doch den einen oder anderen Tipp geben. Wir gestehen: An einigen Stellen sind wir selbst hilflos, kommen nicht so recht weiter, müssen uns einfach auf das einlassen, was Kehlmann uns anbietet.
Der Roman wird Ihnen wahrscheinlich einige Schwierigkeiten bereiten. Wenn Sie ihn gelesen haben, so haben Sie wahrscheinlich einzelne Geschichten, einzelne Handlungsteile, einzelne Figuren in Erinnerung, aber Sie werden sich auch fragen: Wo ist nun der Gesamtzusammenhang? Konkret: Was macht nun aus den neun Geschichten einen Roman?
Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, wenngleich es, wie Sie noch sehen werden, sehr komplexe Vernetzungen zwischen den einzelnen Geschichten gibt, die tatsächlich die einzelnen Geschichten aus ihrer Isolation herausholen und miteinander verbinden.
Sie werden feststellen, dass diese Vernetzungen auf ganz verschiedenen Ebenen stattfinden.
Ein besonderes Problem stellt das Erzählen selbst dar. Wir werden Sie, so vermuten wir, auf einige Probleme hinweisen, wenn es darum geht, Wirklichkeit und Fiktion voneinander zu trennen. Diese Trennung ist unumgänglich, wenn man im vorliegenden Fall sich mit dem Erzählen als solchem wie mit der erzählten Wirklichkeit (die ja eigentlich "Fiktion" ist) beschäftigt. Wir werden Sie unterstützen, wenn sie den Begriff „Wirklichkeit“ etwas genauer in den Blick nehmen und wenn Sie versuchen, der Tätigkeit des Erzählers, der sich gelegentlich als allmächtiger Schöpfer darstellt, auf die Spur zu kommen. Bestimmt werden Sie auch an einzelnen Stellen an Ihr eigenes Leben bzw. an Figuren aus Ihrem Umfeld erinnert werden. Das sollte Sie nicht stören, sondern es sollte eher Anlass sein, sowohl über das von Kehlmann Erzählte als auch über das, was Sie aus ihrem Umfeld assoziieren, nachzudenken.
Auf einen Aspekt sei besonders hingewiesen: Kehlmann spielt gelegentlich mit dem Leser. Er nimmt nicht alles todernst. Manches ist ironisch, manches ist witzig gemeint. Manche Einfälle überraschen, scheinen sogar den Autor selbst überrascht zu haben, wie etwa der Mann mit der roten Mütze, und wir sollten nicht überall allzu tief bohren wollen und uns gelegentlich einfach damit zufrieden geben, dass wir den einen oder anderen Einfall als guten Einfall empfinden und ihn so auch akzeptieren (und wenn nicht lauthals lachen, so dürfen wir doch leise schmunzeln).
Es ist wohl nicht ganz einfach, einen analytischen Zugang zu dem von Kehlmann als „Roman“ bezeichneten Werk „Ruhm“ zu gewinnen. Am besten wird es wohl sein, man folgt dem Untertitel des Werks und nimmt diesen beim Wort: Ein „Roman in neun Geschichten“.
Konkret bedeutet das: Wir haben zunächst einmal zu fragen: Was macht eigentlich einen Roman aus? Angesichts des konkreten Werks werden wir aber ziemlich schnell an unsere Grenzen stoßen. Bleibt nur der Weg, zum zweiten Teil des Untertitels zugreifen. Was ist mit den neuen Geschichten, die den Roman (angeblich) ausmachen?
Wir werden uns also zunächst diesen neuen Geschichten Schritt für Schritt zuwenden und versuchen, sie unter den üblichen Gesichtspunkten zu analysieren, d.h.: Geschehensablauf/Handlungsabfolge, Figureninventar, Hauptmotive und dergleichen mehr untersuchen. Dann aber haben wir zu fragen: Gibt es Aspekte, die für alle Geschichten gleichzeitig zutreffen, sie also als zusammengehörig ausweisen könnten? Dann aber müssen wir uns schon mit der Frage nach dem Roman beschäftigen und untersuchen, welche Verbindungen zwischen den einzelnen Geschichten denn nun bestehen. Dabei wird im konkreten Fall von der üblichen Erwartung abzuweichen sein: Es gibt eben keine Handlungskonstitution über die Geschichten hinweg, es gibt kein konsequent durchgeführtes Figureninventar oder eine raumzeitliche Größe, die in allen Geschichten gilt. Wir haben es allerdings mit Verbindungen zu tun. Die freilich finden auf ganz verschiedenen Ebenen statt.
Es gilt nun diese Vernetzungen aufzuzeigen und so neue Strukturen, die eben auch einen Roman konstituieren können, zu identifizieren.
Ein besonderes Problem in fast allen Geschichten stellt der Prozess des Erzählens selbst dar, genauer: die Frage nach dem Zusammenhang von erzählter Fiktion und Wirklichkeit, wobei man sehr schnell in Verwirrung gerät, wenn es darum geht, die Begriffe „Wirklichkeit“ und „Fiktion“ im Rahmen eines Erzählganzen präzise zu trennen und gegenüberzustellen.
Angesichts der in den einzelnen Geschichten behandelten Themen und Handlungssegmente liegt natürlich die Frage nahe: Was hat das alles mit uns und unserer Zeit, mit unserem Leben, mit unserer Wirklichkeit zu tun? In der vorliegenden Interpretationshilfe werden wir diese Frage nicht erschöpfend beantworten, wir werden wohl aber an einzelnen Stellen auf sie einzugehen haben, sie etwas differenzierter vorstellen müssen, um Wege zu zeigen, auf denen sich Antworten ergeben könnten.