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ANGSTFREI REITEN

Für Jörg
mit seinem spitzen Korrekturstift
und seinen klugen Fragen

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Bibliografische Information der deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2004 FNverlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Warendorf

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungs gesellschaft Wort wahrgenommen.

Fachlektorat:

Jochen Schumacher, Eigentümer, Leiter und Ausbilder des FS Reit-Zentrums Reken Anna Eschner, FS Reit-Zentrum Reken, Ausbilderin (FN, IGV; IPZV, VFD)

Lektorat:

Dr. Carla Mattis, Warendorf:

Korrektorat:

Stephanie Vennemeyer, Warendorf

Titelfoto:

Peter Prohn, Bramstedt

E-Book-Herstellung:

Open Publishing GmbH

Illustrationen:

Cornelia Koller, Schierhorn: Jeanne Kloepfer, Lindenfels: , 64 (entnommen aus: Basispass Pferdekunde. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (Hrsg.), Warendorf 4. Auflage 2004.)

Barbara Wolfgram, Hannover: (entnommen aus: Richtlinien für Reiten und Fahren Band 1. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (Hrsg.), Warendorf 2000)

Fotonachweis Inhalt:

Nicola Fersing, Embsen:

Elke Henneke, Lengerich: (entnommen aus Allround Gelände, Hamacher. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (Hrsg.), Warendorf 2001, )

Marlit Hoffmann, Ehringhausen: (Foto S. 49 entnommen aus Allround Gelände, Hamacher. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (Hrsg.), Warendorf 2001, S.13)

Thoms Lehmann, Warendorf: u.r. (entnommen aus: Balance in der Bewegung, S.v. Dietze. Warendorf 2003. Mitte)

Peter Prohn, Barmstedt: (b) entnommen aus: 111 Lösungswege für das Reiten, K. Lührs- Kunert, Warendorf 2003)

Norbert Schamper, Telgte: (entnommen aus Deutsche Reitlehre – Der Reiter. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (Hrsg.), Warendorf 2000. )

Marianne Schwöbel, Rehburg-Loccum:

Der Verlag und die Autorin bedanken sich auch beim Pensionsstall Kähler in Quickborn und beim Hof Brüning (Ferienhof, Ausbildung, Zucht) in Alveslohe, die wesentlich zum Gelingen der Fotos von Herrn Prohn beigetragen haben.

Alle Angaben und Methoden in diesem Buch sind sorgfältig erwogen und nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Sorgfalt bei der Umsetzung ist dennoch geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die im Zusammenhang mit der Umsetzung und Anwendung entstehen könnten.

Vorwort

Angst ist normal! Für Angst muss sich kein Reiter schämen! Angst ist eine natürliche Schutzfunktion. Deshalb ist sie ernst zu nehmen. Auch unsere Pferde als Fluchttiere kennen Angst. Dieser Fluchtinstinkt des Pferdes ist oft auch Ursache für die Angst des Menschen. Es besteht folglich ein Zusammenhang zwischen einem ängstlichen Pferd und einem ängstlichen Reiter. Nur der Mensch hat aber die Möglichkeit, diesen Kreis der Angst zu lösen.

Für Angst gibt es viele weitere Gründe: übermäßiger Respekt vor Pferden, Hindernissen, Ausbildern u.a.m., schlechte Erfahrungen, unberechenbare Reaktionen, ein Sturz, ein Tritt, ein Biss ..... Es gibt aber auch unbegründete Angst, die nichts mit dem Pferd oder Reiten zu tun, sondern ihre Ursache in anderen Lebensbereichen hat

Handelt es sich bei der Angst lediglich um Unsicherheit, besteht kein Grund zur Besorgnis. Mit einem qualifizierten Ausbilder, der Vertrauen und entsprechendes Wissen vermitteln kann und einem gut ausgebildeten und zuverlässigem Pferd kann man der Angst durchaus Herr werden.

Es gibt aber auch Angst, die über Unsicherheit oder übermäßigen Respekt weit hinausgeht. Diese bezeichnet man als Überängstlichkeit. Schlimmstenfalls kann Angst ihren Ausdruck in einer panischen Reaktion oder sogar in einer Angstphobie finden. Beides macht handlungsunfähig. Die Bewältigung einer solchen Angst braucht Zeit und Geduld. Und vor allem ist eines wichtig: Sie müssen sich Ihrer Angst bewusst sein und den ehrlichen Willen haben, sie zu bekämpfen. Hierbei kann das Buch „Angstfrei reiten“ eine große Hilfe sein.

In diesem Buch setzt sich die Autorin zunächst allgemein mit dem Thema Angst auseinander. Warum will ich trotz meiner Angst reiten? Dafür bietet die Autorin erprobte Lösungsstrategien für den Eigengebrauch an.

Bei der Vielzahl von typischen Angstverhaltensweisen auf dem Pferd werden Sie sich garantiert wiederfinden. Und auch hier kann die Autorin Gine Willrich eine Vielzahl effektiver Lösungsmöglichkeiten an die Hand geben. Keinesfalls vergessen wird der Ausbilder, der mit der Angstbewältigung seiner Schüler eine sehr große Verantwortung übernimmt. Auch er erhält kompetente Tipps zum Umgang mit ängstlichen Reitern, zur Durchführung eines Sicherheitstrainings und zur Anwendung verschiedener Ausbildungsmöglichkeiten mit Pferd.

Wenn Reiter und Ausbilder es schaffen, mit Geduld, gegenseitigem Vertrauen und ehrlichem Willen, die Angst zu besiegen, wird der Reiter erleben, dass das höchste Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde liegt. Das Buch „Angstfrei reiten“ kann den Weg dorthin begleiten!

Übrigens: Glauben Sie mir, Mangel oder sogar das Fehlen von Angst können als ebenso große Risikofaktoren gesehen werden wie die Angst selbst. Leichtsinn oder Draufgängertum dürfen sogar als Dummheit bezeichnet werden.

Reken im Sommer 2004

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Jochen Schumacher
Eigentümer und Leiter des FS Reit-Zentrums Reken

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Zum Umgang mit diesem Buch

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieses Buch ist ein Praxisbuch, das heißt, es bietet Ihnen verschiedene Möglichkeiten, aktiv und eigeninitiativ Ihren Lernprozess zu gestalten. Sie werden viel hin- und herblättern, noch einmal nachschlagen und auch etwas zu schreiben bekommen. Um Ihnen ein optimales Handling des Buches zu ermöglichen, stelle ich Ihnen im Originalschriftzug und in der Originalfarbe vorweg die Begriffe und Symbole vor, an denen Sie sich beim Lesen orientieren können:

Aufgaben:

Ab Kapitel drei werden Ihnen zu den einzelnen Themen konkrete Aufgaben angeboten. Sie sind als Möglichkeit zu verstehen, die Ausbilder und Reiter nach den jeweiligen konkreten Bedingungen – also Art der Angst beim Reiten, Ausbildungsstand und Erwartungen des Reiters – ausgewählt werden können. Betrachten Sie also bitte die Aufgaben nicht als ‚Muss‘, sondern als ‚Kann‘. Erwägen Sie (als Ausbilder wie als Reitschüler), wo genau Ihr Problem liegt, welche Lösung für Sie in Frage kommt, welche Aufgaben der konkreten Situation, aber auch dem reiterlichen Vermögen und der Mentalität des Reiters angemessen sind. Gehen Sie mit Ruhe und Gelassenheit an die Aufgaben. Versuchen Sie sich zu öffnen für Mittel und Methoden, denen Sie in Ihrem Reitalltag vielleicht noch nicht begegnet sind, gerade als Ausbilder. Dieses Buch stellt schließlich keine neue Reitlehre auf, die alle Ihre reiterlichen Grundsätze über den Haufen werfen will, sondern bietet ausschließlich eine Anleitung zum Abbau reiterlicher Ängste.

img206 Diese Kästchen geben Ihnen Zusatzinformationen und Hintergrundwissen, mit denen Sie Ihre Kenntnisse erweitern und die Zusammenhänge des jeweiligen Textes noch besser verstehen können.

Ausbilder und/oder Reiter

In manchen Fällen war es notwendig, die Aufgaben zu unterteilen in Angebote für Ausbilder und für Reiter, eine Trennung war allerdings nicht immer möglich und nötig.

img207 Die so gekennzeichneten Aufgaben sind für Anfänger und Wiedereinsteiger geeignet, wogegen das
img208 bedeutet, dass diese Aufgaben ausschließlich Fortgeschrittenen vorbehalten sind.
img209 heißt dann, dass diese Aufgaben sowohl (Wieder-) Einsteigern als auch Fortgeschrittenen angeboten werden können.

Sicherheit

img210 Achten Sie bitte unbedingt auf dieses Symbol: Zusätzlich zu der Vorsicht, die der Mensch beim Umgang mit Pferden immer walten lässt, heißt es hier: Ganz besonders aufgepasst! Im Kapitel sechs, finden Sie dieses Thema ausführlicher behandelt und dazu die img213auf .

Querverweise

An vielen Stellen finden Sie Querverweise wie (Kapitel 6) oder (siehe auch Kapitel 8). Viele Themen hängen zusammen oder gehen fließend ineinander über, sodass es zu einigen Themen nicht zu vermeiden war, sie mehrmals anzusprechen, wenn auch unter anderen Aspekten. Wo Wiederholungen auftreten, sind sie keinesfalls zufällig, sondern beabsichtigt, um ihre Wichtigkeit zu betonen.

Glossar

Im Glossar letztlich können Sie die wichtigsten Begriffe nachschlagen, die Ihnen in diesem Buch begegnen und Ihnen möglicherweise nicht ganz vertraut sind.

Freuen Sie sich jetzt auf spannende Lektüre und neue Erfahrungen beim „Angstfrei Reiten“!

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Einige Worte vorweg...

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Die Autorin in Reken 2002: „Angst — die Blockade bei Pferd und Reiter?“

„Es gibt Reiter, die Angst vor Pferden haben? Das kann ich kaum glauben!“ Es ist der 22. Juni 2002, und ich sitze abends mit dem Atemtherapeuten Adalbert Halt aus Berlin zusammen auf der Terrasse eines Hotels. Am nächsten Tag werden wir beide als Referenten im FS Reit-Zentrum in Reken beim Jahresseminar „Angst – die Blockade bei Pferd und Mensch“ auftreten – Herr Halt in seiner Funktion als Atemtherapeut, ich werde mein Sicherheitstraining dem Publikum vorstellen. Wir unterhalten uns über Reiter, über Pferde – und natürlich über die Angst. Mein Gesprächspartner, selber kein Reiter, reagiert sehr ungläubig, als ich ihm von den Ängsten vieler, auch fortgeschrittener Reiter erzähle: der Angst vor dem Sturz, der Angst, gebissen oder getreten zu werden, der Angst, das Pferd könnte durchgehen bis hin zu der oft tief sitzenden und nicht immer bewussten Angst vor dem Pferd als solchem – vor seiner Kraft und Körpergröße, seiner Wildheit und Unberechenbarkeit und natürlich seiner Schnelligkeit.

„Aber sag mir bitte“, werde ich dann gefragt, „warum reiten dann diese Menschen, wenn sie doch eigentlich Angst davor haben?“ Und schon sind wir mitten in einem abendfüllenden und sehr anregenden Gedanken- und Erfahrungsaustausch über die Faszination des Pferdes, deren Ursprünge und Auswirkungen...

Angst. Angst haben wir alle. Vor dem dunklen Keller, vor Spinnen, vor Gewalt, vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor ...

Angst ist überlebenswichtig, weil sie uns vor gefährlichen Situationen schützt. Wer vor nichts Angst hat, ist entweder dumm oder lebensmüde, sagt eine alte Lebensweisheit.

Aber ein Buch über die Angst vor Pferden, vor dem Reiten, aus der Edition der Deutschen Reiterlichen Vereinigung? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Nein, ganz gewiss nicht. Denn dieses Buch ist genau für Sie geschrieben. Sie sind 23 Jahre alt, und Ihr letzter Reiturlaub endete in einem Fiasko – mit mehreren gebrochenen Knochen und einem Sturztrauma, von dem Sie noch lange zehren werden. Und für Sie, die jetzt Mitte Vierzig sind und endlich Ihren Traum vom Reiten verwirklichen möchten, jetzt, wo die Kinder groß sind und Sie mehr Zeit haben. Aber die rechte Traute haben Sie noch nicht, und der Besuch in der Reitschule letzte Woche hat Sie nicht davon überzeugt, dass Ihre Ängste vor den großen starken Tieren völlig unberechtigt sind. Es ist auch ein Buch für Sie, weil Sie mit weichen Knien und flatterndem Herzen auf die nächste Springstunde warten, nicht gewiss, ob Sie Ihren eigenen Ansprüchen und/oder denen Ihres Reitlehrers gerecht werden. Und in der letzten Stunde hat ja nun auch überhaupt nichts geklappt! Und nicht zuletzt schreibe ich auch für Sie, der diese ganzen „Angsthasen“ unterrichten muss. Ja, das ist schon manchmal ein Kreuz mit diesen Reitschülern! Was wollen die im Pferdestall, wenn sie sich nicht ans Pferd wagen?! Der Braune hat nur einmal beim Putzen mit dem Schweif geschlagen, und schon ist die Dame (der Herr) entsetzt und meterweit davongesprungen. Und so was will reiten lernen! Und die kleine Tamara, seit Jahren bilden Sie sie aus, ein echtes Talent für die Vielseitigkeit, und dann knallt sie einmal richtig vom Pferd, und das soll’s dann gewesen sein? Rauf aufs Pferd und weiterreiten, haben wir doch früher auch so gemacht!

Angst ist ein Tabuthema, denn das Eingestehen von Angst macht verletzlich. Angst hat immer Ursachen. Zum Glück verfügen wir Menschen über einige wunderbare Eigenschaften, die uns von allen anderen Wesen unterscheidet – wir können zum Beispiel aus eigenem Antrieb an unseren Ängsten arbeiten! Wir können uns austauschen und voneinander lernen, uns zusammen- und dabei auseinander setzen. Wir haben auch die Fähigkeit, in uns zu gehen und uns zu erinnern, zu resümieren und in die Zukunft zu sehen, vorauszuschauen und Pläne zu machen.

Diese Eigenschaften werden uns bei dem Umgang mit den Ängsten vor dem Pferd, beim Reiten helfen: Wir werden dem Mythos Pferd auf die Spur kommen und Einblicke erhalten in die Ursprünge seiner Faszination. Wenn wir wissen, warum uns das Pferd so magisch anzieht, können wir auch erkennen, welche Zusammenhänge zwischen unserem Ego und unserer Pferdeliebe bestehen. Unsere Pferdefantasien werden uns einen Weg weisen, die Ursachen unserer Ängste vor eben diesem bewunderten Tier zu erkennen. Und vor allem üben wir Schritt für Schritt, mit diesen Ängsten umzugehen, sie vielleicht sogar ein wenig abzubauen.

Dies ist ein Buch, das sich viel mit Psychologie befasst. Und bitte – legen Sie es nicht gleich beiseite, weil Sie von diesem ganzen „Psychoquatsch“ nichts halten. Die Psyche umfasst die bewussten und unbewussten Vorgänge der Seele und der geistigen und intellektuellen Funktionen des Individuums – und wer möchte sich von diesem Bestandteil seines Selbst freisprechen?

Das eigene Ich ist ein sehr sensibles Thema und immer schützenswert. Wer uns in diesem Bereich anspricht, wird oft mit Misstrauen bedacht. Aber bedenken Sie bitte eins: Hier geht es nicht um Fehlersuche oder Schuldzuweisungen. Wir wollen einen gemeinsamen Weg für die für Sie optimale Weise, mit Ihren – oder Ihres Reitschülers – Ängsten umzugehen, eine alle befriedigende Lösung, um das Erlebnis Pferd angstfrei(er), aber dafür genussvoll umzugestalten.

Was uns (hier) alle verbindet, ist die Liebe zum Pferd. Sie sollte nie aus den Augen verloren werden und das Verständnis und die Toleranz hervorbringen, die wir voneinander erwarten (und brauchen). Fragen stellen, zuhören können, unvoreingenommene Antworten suchen, nicht nur von sich auf andere schließen, sondern anderen ihre eigenen Erfahrungswerte und individuellen Reaktions- und Verhaltensmuster zugestehen, gegenseitiges Vertrauen aufbauen – das ist gerade in dem sensiblen Bereich der Angstbewältigung unabdingbar.

Den ängstlichen Reitern steht harte Arbeit mit sich selbst bevor, aber auch viel Spaß und Freude – die Ausbilder werden an ihrer Geduld basteln müssen und vielleicht ein wenig umdenken lernen, aber mit dem Erfolg zufriedenerer und sicherer gewordener Reitschüler (und Pferde) belohnt werden, von denen – wer weiß? – vielleicht der ein oder andere auch für den Leistungssport (rück-)gewonnen werden kann – aber auch als qualifizierter und angstfreier Freizeitreiter seinem Lehrer alle Ehre machen wird.

Geben Sie uns gemeinsam eine faire Chance!

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Pferd und menschliche Psyche

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Vertrauensvoll, sicher, gelassen – so kann man bei dem „Abenteuer Pferd“ die Seele baumeln lassen.

Über Fantasien, Emotionen und Erwartungshaltungen

Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, warum Sie eigentlich reiten?

Die meisten von uns wissen erstaunlicherweise keine oder nur eine vage Antwort: weil es schön ist, weil wir schon immer davon geträumt haben, weil wir uns gut dabei entspannen können, weil wir Pferde toll finden... Hätten wir – auch in den Reit- und Ausbildungsställen – mehr Zeit und Gelegenheit (und Vertrauen), uns mit dieser Frage zu befassen, sollte sie am Beginn einer jeden Reitausbildung stehen. Denn sie regt uns dazu an, über unsere Motive nachzudenken und damit nicht nur uns selbst, sondern auch dem Ausbilder, vor allem aber den Pferden gerechter zu werden.

Insbesondere aber, wenn Sie eine Angst vor dem Pferd bedrückt, sind Sie sich und Ihrem Gegenüber eine Antwort schuldig. Denn für Außenstehende ist es sehr schwer nachzuvollziehen, was Sie dazu veranlasst, trotz manchmal gravierender Ängste immer wieder den Kontakt zum Pferd zu suchen. Sie müssen sich verständlich machen, wenn Sie vom Ausbilder erwarten, dass er Sie versteht. Aber wenn selbst eingefleischte Pferdefans und selbstbewusste erfahrene Reiter die Frage nach dem ‚Warum?‘ kaum beantworten können – wie sollen dann Sie sich ,outen‘ können, die Sie sich im Zwiespalt Ihrer Gefühle, in der Zwickmühle von Faszination und Davonlaufen befinden? Wer hilft Ihnen dabei, ehrlich und ohne Furcht vor Sanktionen Ihren Pferdeträumen nachzuspüren? Dürfen Sie denn überhaupt so ehrlich sein? Ja, Sie dürfen – und Sie müssen sogar, weil andere in Ihr Gefühlsleben weit einbezogen werden wie vor allem Ihr Reitausbilder und Ihr (Schul-)Pferd. Denn hier haben auch andere Verantwortung für Sie, und Sie sind es ihnen schuldig, die Arbeit an Ihrer Angst mit dieser entscheidenden Frage zu beginnen: Warum reite ich???

Es gibt viele Erklärungen für die Faszination Pferd. Pferd und Mensch stehen in einer einzigartigen und mit nichts anderem vergleichbaren Beziehung zueinander. Unser ganz persönliches Bild in unserem Kopf ist dabei geprägt von kulturgeschichtlichen Überlieferungen, unserer individuellen Geschichte und von unseren Träumen und Fantasien.

img212 Die Kulturgeschichte des Menschen ist eng mit dem Pferd verbunden. Der Stellenwert, den das Pferd für den Menschen einnahm beziehungsweise einnimmt, hat sich dabei im Verlauf der Jahrtausende verändert: Verehrt als göttliches Wesen in der Frühgeschichte der Menschheit, dann als Gottbegleiter, wurde es später als Zug- und Last- oder Reittier genutzt und geschätzt: Handel und Wandel, Landwirtschaft, aber auch Kriege sind ohne den Einsatz des Pferdes kaum denkbar gewesen. Noch heute zeugen viele Anhaltspunkte, insbesondere in der darstellenden Kunst von seiner einstigen Bedeutung. Aber auch bei Straßen- und Städtenamen oder in unserem Sprachgebrauch – ‚Den sticht wohl der Hafer!‘ ,Jemanden mehr an die Kandare nehmen‘ und Ähnliches – finden wir noch heute immer wieder Verweise auf die einst enge Beziehung zum Pferd. Heute ist das Mensch-Pferd-Verhältnis weitgehend frei von wirtschaftlichen Zwängen, und so können heute Reiter und andere Pferdeliebhaber sich auf einer anderen Ebene auf das Pferd einlassen: sie können ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse einbringen und ausleben.

Begleiten Sie mich auf den folgenden Seiten auf einen kleinen Ausflug zu den Ursprüngen der wirklich einzigartigen Pferde-Träume und in Ihre eigene persönliche Innenwelt. Einige Gedanken und Schlussfolgerungen werden neu für Sie sein. Sie geben viel Stoff zum Nachdenken und Hinterfragen und bieten Ihnen damit Hilfestellungen an, mit Ihren (beziehungsweise Ihrer Schüler) Pferde-Ängsten umgehen zu lernen.

Faszination Pferd

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Kuschelfaktor Pferd — wenn das Vertrauen da ist und klare Verhältnisse herrschen, ein wahre Freude.

Wie mit keinem anderen Tier strebt der Mensch mit dem Pferd seit jeher eine Gemeinschaft, eine innere und äußere Verschmelzung an. Noch heute ist das „Eins werden mit dem Pferd" das höchste Ziel jeden anspruchsvollen Reitens, das Verschmelzen mit den körperlichen Bewegungen und emotionalen Regungen, Verständigung ohne Worte, durch vermeintliche Gedankenübertragung – die Idealvorstellung eines jeden Reiters.

img212 Die engste Verbindung zwischen Mensch und Pferd stellten die Kentauren dar. Halb Mensch, halb Pferd verbanden sie in idealer Weise die Vorzüge beider Wesen, die jedes als die edelste Schöpfung der Götter angesehen wurden: Körperkraft und Schnelligkeit des Pferdes vereinigen sich mit den geistigen Fähigkeiten des Menschen. Einer der bekanntesten Kentauren war Chiron, der nach der griechischen Sage unter anderem auch der Heilkunde mächtig war. Nach ihm hat Rolf Becher1 seine Reitlehre benannt. Der Kentaur wird gerne als Sinnbild der Harmonie, der Verschmelzung von Mensch und Pferd gesehen – und irgendwo schwebt er noch immer durch unsere Fantasie, durch unseren Traum vom Reiten.

Auge in Auge mit dem Pferd

Das Pferd spricht auf kaum vergleichbare Weise den Menschen auch physisch an: Sein Kopf befindet sich auf unserer Kopfhöhe, die Physiognomie seines Gesichts ist – anders als bei anderen Tieren – wie die unsere angeordnet: hoch angesetzte Stirn, darunter die Augen, dann tief die Nase und der Mund. Seine Kopfhaltung entspricht der unseren, wir können ihm gerade in die Augen sehen. Seine Körpergröße ist der unseren ähnlich, wir müssen uns nicht bücken, um es anzufassen. Und es ist körperlich dazu geeignet, uns zu tragen: Die natürliche Sattellage, der leicht schwingende Rücken und der kraftvolle Gang ermöglichen einen bequemen Sitz. Zudem kann man – im Vergleich zu anderen Reit- und Arbeitstieren wie zum Beispiel Kamelen und Elefanten – ohne Hilfsmittel oder aufwändige Erziehung aufund absteigen.

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Auge in Auge — wie bei kein anderes Tier steht das Pferd dem Menschen in Körpergröße und Kopfhöhe gleichwertig gegenüber.

Friedlich und langlebig

Das Pferd ist außerdem physisch und psychisch ungewöhnlich anpassungsfähig. Als Flucht- und Herdentier und als Pflanzenfresser ist es sehr friedlich und ordnet sich bei sachgemäßer Handhabung bereitwillig unter. Hierarchische Strukturen anzuerkennen ist ein Teil seines Überlebensinstinktes. Es kann in einem Offenstall ebenso überleben wie in der Box, kann auf verschiedenste Weise geritten werden, bei Rennen laufen oder im Zirkus auftreten. Außerdem ist es langlebig und somit prädestiniert für ein angemessenes Verhältnis von Investitionen in Zucht, Haltung und Ausbildung einerseits und langer Nutzungsdauer andererseits.

Vor allem ehrlich

Was das Pferd noch auszeichnet, ist seine unverfälschte Reaktion auf alles, was wir tun. Es verstellt sich nicht, hintergeht uns nicht, bildet keine Intrigen gegen uns, ist nur selten nachtragend. Es kümmert sich nicht darum, ob wir im Smoking oder im Nachthemd in den Stall kommen, ob die Reithose noch von der Oma oder aus der neuesten Frühjahrskollektion der Sportmode stammt. Es ist also grundehrlich und schaut nur darauf, was wir wirklich sind (es sei denn, man hat ein paar Leckerchen in der Tasche...).

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Unser ganz persönliches Symbol Pferd

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Wer träumt nicht davon – ein herrlicher Galopp in der freien Natur, den Wind in den Haaren ...

Die Anziehungskraft des Pferdes ist etwas Urwüchsiges und löst in uns die unterschiedlichsten Gefühle aus: ob Freude und Hingabe, den Wunsch nach Geborgenheit, Aufgehobensein und die Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Urvertrauen, aber auch übertriebener Ehrgeiz oder Unterwerfungsdrang. Machtgelüste können ebenso eine Rolle spielen wie Verzagtheit und Unsicherheit, Angst und Misstrauen, Hass und Aggression. Oftmals liegen mehrere dieser anscheinend so widersprüchlichen Gefühle eng beieinander, bedingen sich gegenseitig, wechseln sich ab.

So verschieden wir Menschen sind, so individuell sind auch die Akzente, die unser Bild vom Pferd prägen. Erfahrungen, Erlebnisse, Geschichten – je nachdem, auf welche Weise wir ‚ans Pferd gekommen‘ sind, können die gleichen Bilder den einen beeindrucken, beim anderen erschreckend wirken, den Anreiz auslösen, sich jetzt doch (wieder) ans Pferd zu wagen oder erst mal zehn Meter und zwei Jahre Abstand zu wahren.

Projektion und Übertragung

Mit seiner äußeren Erscheinung ist das Pferd ein sehr ästhetisches Tier. Es bietet der menschlichen Fantasie unzählige Möglichkeiten zur Projektion von Eigenschaften, die man sich für sich selbst wünscht (zum Beispiel Erfolg, Energie, Ausstrahlung), und zur Übertragung von Erwartungen, die man an andere hat, den Partner vielleicht (dies kann beispielsweise das Bedürfnis nach Nähe und Anerkennung sein). Diese emotionalen Wünsche und Bedürfnisse sind der komplizierteste Teil in der Beziehung zwischen Mensch und Pferd.

Fantasie trifft Wirklichkeit

Ein Mensch, der keine direkte Beziehung zu Pferden hat, bleibt mit seinen Fantasien ohne Realitätsbezug – er kann in das Tier hineininterpretieren, was und so viel er möchte, ohne dass dies Konsequenzen für ihn hätte. Anders der Reiter: Fantasie und Wirklichkeit treffen hier aufeinander und die Realität bricht oftmals die Fantasie. Und da Projektionen und Übertragungen in der Regel unbewusst verlaufen, werden sie im alltäglichen Umgang mit dem Pferd auch erst im Konfliktfall relevant: Mein Pferd hat mich abgeworfen – obwohl ich es so liebe. Jeden Tag kümmere ich mich um mein Pferd, und es interessiert sich trotzdem nicht so sehr für mich. Kann es nicht wenigstens etwas dankbar sein? Nun habe ich wochenlang mit meinem Pferd für dieses Turnier trainiert, und nun blamiert es mich so! Aus diesem Spannungsfeld von Erwartungen und Interpretationen erwachsen – soweit unreflektiert – zwangsläufig Missverständnisse und Konflikte, die sich auf das Verhalten dem Pferd gegenüber auswirken und Ängste verursachen oder verstärken können: Die Angst, nicht perfekt zu sein oder zu versagen, nicht anerkannt oder nicht ernst genommen zu werden zum Beispiel kann hier noch vergrößert werden. Diese Ängste führen zu großer Verunsicherung und begünstigen einen Mangel an Selbstvertrauen, der das Reitenlernen sehr erschwert.

Schnell und stolz

Was uns am Pferd am meisten fasziniert, sind seine Schnelligkeit und Unabhängigkeit, seine Körperkraft und sein Stolz. Für viele sportlich ambitionierten Reiter sind dies die Fähigkeiten des Pferdes, die es in der Dressur, im Springen oder im ‚Busch‘ zu manchmal bemerkenswerten Leis tungen befähigen.

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Schnell und kraftvoll: Eigenschaften, die Sportreiter begeistern

Diese Eigenschaften aber sind gleichzeitig auch wesent liche Aspekte, unter denen sich das Spannungsverhältnis von Begeisterung und Angst des Menschen dem Pferd gegenüber aufbauen kann. Denn wenn ein Pferd sich erschreckt, zur Seite springt, steigt oder davonprescht, kann es schon beim Zuschauen sehr beängstigend wirken. Und die Vorstellung, in einer solchen Situation auf dem Pferderücken zu sitzen, dürfte wohl keinen Reiter wirklich begeistern.

Und doch – wie stolz und glücklich fühlen wir uns, wenn uns dieses wunderbare Tier auf seinem Rücken trägt, wenn wir es führen und lenken können, es freiwillig unseren Anweisungen folgt. Sich diese Kraft und Schnelligkeit, diese Ausstrahlung aneignen zu können, erhöht ganz entscheidend das Selbstwertgefühl des Menschen. Und so hat das Reiten auch immer ein wenig von Selbstdarstellung und Selbstaufwertung. So darf es nicht wundern, dass gerade ängstliche Reiter, denen es – zumindest beim Reiten – eh schon an Selbstbewusstsein mangelt, noch unsicherer werden, noch mehr Angst bekommen, wenn sie mit Situationen konfrontiert werden, in denen das Pferd ihren Anweisungen nicht folgt, in denen sie die Kontrolle über das Pferd verlieren.

Was wir heute vom Pferd erwarten

Die veränderten Bedingungen menschlicher Kultur und sozialen Zusammenlebens haben in unserer modernen Gesellschaft ein neues, ein anderes Verhältnis zum Pferd geschaffen: Heute verläuft die Beziehung Mensch-Pferd sehr stark auf der emotionalen Ebene. Es ist in erster Linie dazu da, unsere ureigensten persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen: soziale Zugehörigkeit und Anerkennung zum Beispiel, aber auch Kuschelstunden mit dem Pferd oder die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse durch das Reiten als sportlicher Betätigung. Ist Reiten also nichts anderes als purer Egoismus? Aber ja! Und bevor Sie jetzt zum lautstarken Protest anheben – dieser Egoismus ist durchaus in Ordnung, solange das Pferd nicht darunter leidet.

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Romantische Pferdeträume... auch der ‚Duft von Freiheit und Abenteuer‘ kann den Wunsch nach dem Erlebnis Pferd prägen.

Neue Konzepte sind gefragt

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Reiten im Trailparcours ist eine von vielen Möglichkeiten, spielerisch und ohne Leistungsstress Vertrauen zum Pferd zu gewinnen und Ängste beim Reiten abzubauen.

Die heutigen Erwartungshaltungen, aber auch die veränderte Mentalität der Reitschüler stellen an die Ausbilder und die Reitställe neue Anforderungen. Das betrifft das Ausbildungskonzept wie den Unterrichtsstil, die Atmosphäre im Stall, den Umgang miteinander wie auch teils die Art und Ausbildung der Schulpferde. Heute sind es weniger sportliche Motive, die Menschen zum Reiten bewegen, so spielen Leistung im herkömmlichen Sinne und Wettkampf viel weniger eine Rolle.

img212 Der weitaus größte Teil der Reiter möchte heute weniger sportlich motivierte Leistungen, wie zum Beispiel die Teilnahme an Reit- und Springturnieren, erbringen. Dennoch taucht der Leistungsgedanke auch im Freizeit- und Breitensport Reiten immer wieder auf: Die meisten Reitschüler – auch die ängstlichen – erwarten von sich eine messbare Leistung, abrechenbare Erfolge. Kleine Verbesserungen des Sitzes oder der Handhaltung oder eine korrekt und harmonisch gerittene Bahnfigur, ein kleiner gut gelungener Sprung zum Beispiel werden oftmals nicht als Erfolg gewürdigt. Auch wenn der Ausbilder motiviert und lobt, macht sich der Reiter selber klein, weil er sich an der Idealvorstellung misst. Hier ist der Ausbilder gefordert, auch ‚niedrigere‘ Leistungsstufen, die eben zur Grundausbildung gehören, für den Reiter genussvoll zu gestalten. Das kann man mit Spiel und Spaß oder mit Musik, also mit viel Abwechslung und vor allem Offenheit für verschiedene Ausbildungsmethoden erreichen.

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Teilhaben an Pferd – auch an seiner sinnlichen-emotionalen Erfahrbeikeit: Körperwärme, weiches Fell und dazu ein guter ,Freund‘ ...

Dafür sind, wie oben bereits angeführt, die emotionalen Erwartungen und Bedürfnisse zunehmend in den Vordergrund gerückt (Kuschelfaktor). Sind die Reitställe noch nach traditionellen Mustern ausgerichtet, bleiben viele Reiter (und nicht nur ängstliche), die nicht von sportlichem Ehrgeiz getrieben werden, außen vor. Und damit gehen dem Reiten viele Freunde verloren, die aus Frust die Stiefel in den Schrank stellen und nie wieder herausholen, die ihr Glück auf eigene Faust versuchen und dabei nur zu oft nicht in den Genuss einer qualifizierten Grundausbildung kommen oder in den Händen von wohlmeinenden Nachbarn oder Bekannten landen, die gerne mal ein paar Reitstunden geben, obwohl sie es selber kaum gelernt haben...

img212 Jede menschliche Gruppierung, und sei sie auch noch so klein, hat ihre eigenen Werte, ihre eigene Moral und Sitten, Riten und Bräuche, die das Zusammensein der Menschen regeln. An ihnen werden die einzelnen Mitglieder einer Gruppe gemessen. Entsprechend haben sich auch in den Sportarten jeweils eigene Werthaltungen entwickelt, wie wir sie zum Beispiel im Pferdesport als ‚Reiterlichen Anstand‘ oder ‚Horsemanship‘ kennen, manifestiert in den ‚Ethischen Grundsätzen‘ der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. So manche dieser Werthaltungen gehen heute mehr und mehr verloren, insbesondere dort, wo das Reiten in nicht organisierten Zusammenhängen und von nicht ausreichend qualifizierten oder selbst ernannten Hobby-Reitlehrern angeboten wird. Das führt oftmals nicht nur zu Konflikten und Reibereien, die dem Reitsport insgesamt schaden, sondern nimmt auch den ängstlichen Reitern einen Rahmen, in dem sie sich sicherer fühlen könnten: Verbindliche Regelaufstellungen wie Stall- und Bahnordnungen, Richtlinien für das Reiten im Gelände oder in Gruppen dienen auch der Vorbeugung von Unfällen, der Gefahrenabwehr. Aber sie erfordern auch ein gewisses Maß an Anpassung und Unterordnung.

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Die Bahnregeln geben beim Reiten im Viereck Sicherheit und Überschaubarkeit.

Die Angst im Handgepäck

Disziplin und Durchhaltevermögen brachte man mit in früheren Zeiten zum Reiten, heute muss dies durch das Reiten oftmals erst erlernt werden. Manche Reiter mit Angst sind schon nach der dritten Reitstunde auf Nimmerwiedersehen aus dem Stall verschwunden.

Andere ängstliche Reiter bleiben länger dabei, sie wechseln nur in der Regel häufig den Ausbilder beziehungsweise den Stall, weil sie sich nirgendwo so richtig aufgehoben und ernst genommen fühlen. Die Angst entsteht dabei manchmal nicht erst nach einer schlimmen Erfahrung, sie gehört zum Handgepäck, wobei – wie wir noch sehen werden – das Pferd oftmals nur die Karre ist, auf der das Gepäck abgeladen wird, aber es ist nicht die Last selber.

Ängstliche Reiter – und noch dazu Reitanfänger – zählen aber tatsächlich in den meisten Reitschulen nicht zu den begehrtesten Kunden: Sie bedeuten immer größeren Zeitaufwand, Geduld und Verständnis des Ausbilders werden manchmal ganz schön strapaziert und erste vorzeigbare Erfolge lassen oft lange auf sich warten (und Reitställe leben nun mal auch von ihren vorzeigbaren Erfolgen).