IMPRESSUM
Titel
Feuerspiele
Ein Ruhrgebietskrimi
Autoren
H.P. Karr, Walther Wehner
Titelbildmotive
Covermotiv – © sto.E/Photocase.com
Illustrationen
Magnus Siemens
Verlag an der Ruhr |
Für Jugendliche ab 12 Jahre
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwendung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
© Verlag an der Ruhr 2010
E-Book ISBN 978-3-8346-3260-9
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
ÜBER DIE AUTOREN
Karr & Wehner wuchsen beide im Ruhrgebiet
auf und leben heute in Iserlohn (Wehner) und
Essen (Karr). Walter Wehner arbeitet an der
Volkshochschule, und H.P. Karr ist Schriftsteller.
Zusammen schrieben sie bisher viele Stories,
Hörspiele und Romane, darunter auch die
Jugendbücher „Blutiger Sommer“ und
„Das John Lennon-Komplott“.
Internet: www.karr-wehner.de und www.hpkarr.de
DIE HAUPTPERSONEN
Carla …
… ist 17, groß, schlank und sportlich. Sie joggt regelmäßig durch den Wald am Isinger Feld oder im Treppenhaus des Wohnblocks. Vermutlich wird sie mal Marathonläuferin.
Sie geht genau wie ihre Freunde Ecki und Marlon auf die Erich-Kästner-Gesamtschule. Weil sie ungern viel redet, nennen die anderen sie „Die große Schweigerin“.
Ecki …
… heißt eigentlich Eckehard. Er ist 16, hält nicht viel von Sport und stylt sich gerne. Eine halbe Stunde im Bad ist absolut normal für ihn. Plus eine halbe Stunde für die Haare.
Er findet „action“ gut, aber eigentlich hängt er am liebsten mit Carla und Marlon irgendwo ab.
Marlon …
… ist fast 17, und ihm ist egal, wie er rumläuft. Deshalb greift er morgens bei seinen Klamotten auch schon mal daneben.
Er kennt sich dafür viel besser im Internet aus als Ecki und Carla.
In der Schule hat er eine Menge Tests und Klassenarbeiten gesammelt und verkauft die Lösungen an seine Mitschüler.
Und außerdem tauchen auf:
Die Kanaken
Arkadi, Tiger, Wikko und Orkan. Immer wenn die in der Nähe sind, gibt’s Probleme.
Die Polizisten
Haller und Schmittke. Sie sind für Jugendkriminalität aller Art in Essen-Kray zuständig.
Die Familien
Eckis Mutter, Frau Schneider, dazu ein Typ in geblümten Boxershorts.
Marlons Vater und Mutter, die Hartungs. Carlas Mutter, Frau Rutkowski, ihr Stiefvater Udo und ihre Stiefschwester, die nervige Sophie.
Pulle
Der Obdachlose zieht durch das Isinger Feld und sammelt leere Pfandflaschen.
… einige Lehrer, Mitschüler, ein Hausmeister sowie zahlreiche Mitarbeiter der Polizei, Feuerwehr und der Essener Müllabfuhr.
MONTAG
Montag, 23:51 Uhr
„Scheiße!“
Ecki zog Carla zurück, aber es war schon zu spät. Die Kanaken hatten sie gesehen. Zu viert kamen sie die Meistersingerstraße lang getrabt. Allen voran Arkadi und Tiger, dahinter sah Ecki den durchtrainierten Orkan. Wikko, der Kleinste, der eigentlich Wikoleit hieß, machte mit seinen kurzen Beinen den Schluss. Tiger hatte der Gruppe ihren Namen verpasst, obwohl es sich bei ihnen keinesfalls nur um Türken handelte: Arkadis Eltern kamen aus Russland, Wikkos aus Braunschweig. Ecki spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Und ihm wurde kalt.
Er hatte Angst.
„Oh Kacke, Kacke, Riesenkacke“, hörte er Marlon neben sich murmeln. Nur Carla sagte nichts. Sie war breitbeinig stehen geblieben und wartete, was passierte. In gewisser Weise war Ecki froh, dass sie dabei war. Carla war 17, ein Jahr älter als er. Vielleicht wusste sie eher, was zu tun war, wenn jetzt was passierte. Dass etwas passieren würde, war klar. Es passierte immer was, wenn die Kanaken aus Eiberg auftauchten, hier im Isinger Feld in Essen-Kray.
Die Siedlung mit den zwei Dutzend Hochhausklötzen auf den kurz geschnittenen Rasenflächen rund um das Einkaufszentrum war nicht das Revier der Kanaken. Sagten die aus dem Isinger Feld. Die Kanaken von drüben aus Eiberg, auf der anderen Seite des Hellwegs, sahen das nicht so. Sie meinten, sie könnten jederzeit rüberkommen, um ihre Pillen zu verkaufen und Randale zu machen.
Es war kurz vor zwölf nachts. Die Straße lag leer da. Nur Pulle, wie alle den bekannten Penner hier nannten, durchstöberte auf seiner Runde die Abfallkörbe nach Pfandflaschen.
In den Fenstern brannte kaum Licht. Ein halber Mond und die Straßenlaternen beleuchteten die Szene.
Ecki spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Und Marlon neben ihm ging es wohl auch nicht besser. So hatte er sich das Ende des Abends nicht vorgestellt. Sie waren im Julius-Leber-Haus unten an der Straße gewesen. In der Jugend-Disco. Ihrer Disco. Dann hatten sie auf dem alten Parkplatz nebenan abgehangen, auf den Betonmauern gehockt und das Sixpack geleert, das Marlon von zu Hause mitgebracht hatte. Alles ganz entspannt – bis jetzt.
„Aber hallo!“ Das war Arkadi. „Kindergarten unterwegs?“ Er stieß Ecki vor die Brust und zog an seiner Zigarette. Dann schnippte er die Kippe weg. Sie flog Ecki und Carla Funken sprühend entgegen. Wäre Ecki nicht zur Seite gesprungen, hätte sie ihn getroffen.
„He!“
„Was?“ Tiger war schon achtzehn und hatte ein Stacheldrahttattoo um den rechten Oberarm.
Hinter ihm hatte Orkan sein Handy rausgeholt und filmte. Wikko tänzelte unruhig nach vorn und rempelte Marlon an.
Der machte einen Schritt zurück, und Ecki versetzte Wikko ganz automatisch einen Stoß vor die Brust. „Lass das!“
„He, du fasst den nicht an!“ Arkadi schlug zu. Ecki spürte, wie seine Unterlippe platzte, und schmeckte Blut. Wut kochte in ihm hoch. Ehe er zurückkeilen konnte, stellte sich Carla vor ihn.
„Hast du ein Problem?“, zischte sie Arkadi an. Tiger schien das alles nicht weiter zu interessieren. Er überließ die Sache Arkadi. „Problem?“
Arkadi grinste Carla an.
Carla sagte nichts. Das Problem war, dass sie sich über den Weg gelaufen waren. Gut möglich, dass Tiger, Arkadi und der Rest der Truppe ganz zufällig hier aufgetaucht waren. Oder sie waren unterwegs, um ein paar Pillen zu verkaufen. Happies, Groover oder Valium, irgendetwas hatte Tiger immer dabei.
Im Jugendtreff hatten sie deshalb Hausverbot. Außerdem hatten sie einen Betreuer verprügelt, der sie trotzdem im Haus erwischt hatte. Die Polizei hatte mit großem Aufgebot anrücken müssen.
„Eh du, fass mich nicht an!“ Wikko hatte sich vor Ecki aufgebaut. Carla drückte ihn zur Seite. „Ha, was wird das?“, mischte Orkan sich ein. Orkan lief ab und zu seine Runden unten an der Ruhr, und Ecki wusste, dass Carla da auch manchmal trainierte.
Er ging auf sie zu, aber Ecki schnitt ihm den Weg ab.
„Verschwindet hier!“ Eckis Stimme zitterte. „Du sagst uns nicht, von wo wir verschwinden sollen!“ Das war wieder Arkadi.
Carla sagte immer noch nichts, sondern fixierte ihn einfach nur.
Oben in einem der Häuser ging das Licht an. Ein Fenster wurde geöffnet. „Was ist denn da unten los? Ruhe, verdammt nochmal!“ Eine Frauenstimme, hoch und schrill.
„Die Leute wollen schlafen!“
„Hooo – hoooo“, heulte Wikko weiter und boxte in die Luft.
„Halt die Klappe, Oma“, brüllte Arkadi nach oben. „Sonst gibt’s was aufs Maul!“
Dann waren er, Tiger und Orkan auch schon an Carla vorbei. Sie schlenderten ganz cool weiter. Wikko setzte noch zu einem Kickbox-Tritt gegen Ecki an, aber der wich rechtzeitig aus. Wikko hetzte hinter seinen Kumpanen her.
„Machen wir, dass wir wegkommen!“, sagte Ecki. „Ehe sie es sich anders überlegen.“
Er trabte los, Carla und Marlon hinter ihm her. Ecki merkte, dass er völlig nass geschwitzt war.
„Blöde Wichser!“, murmelte Marlon und bog um die Ecke. „Oh Scheiße!“
Ecki starrte auf die Flammen, die aus dem Rollcontainer an der Wand hoch loderten.
Es knisterte, knackte, zischte. Dann zersprang die Scheibe eines Oberlichts, und die Flammen züngelten in die Fensteröffnung. Sie spürten die Hitze auf ihren Gesichtern. „Oh Mann!“ Marlon zerrte Carla zurück. Ecki lief los. An der Einfahrt drückte sich ein Opa mit seinem Hund an der Leine herum. Ecki rannte ihn fast über den Haufen.
Carla und Marlon schossen rechts und links an ihm vorbei. Der Hund begann zu kläffen, der Opa kreischte los. „He! Stehen bleiben!“ Niemals! Ecki rannte, Marlon rannte, Carla rannte an allen vorbei.