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Laura Lynne Jackson

Das Licht zwischen uns

Botschaften von Verstorbenen, Antworten für unser Leben

Aus dem Englischen übersetzt

von Dr. Juliane Molitor

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »The light between us« bei Spiegel & Grau, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC, New York, USA.

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Ansata Verlag

Ansata ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH.

ISBN 978-3-641-17002-8
V002

Erste Auflage 2016

Copyright © 2015 by Laura Lynne Jackson LLC

All rights reserved.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2016 by Ansata Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte sind vorbehalten.

Redaktion: Dr. Anita Krätzer

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung eines Motivs von © istock / thinkstock

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

www.ansata-verlag.de

Für meine Mutter, Linda Osvald, die mir beigebracht hat, dem Licht in mir zu vertrauen und das Licht zwischen uns allen zu ehren. Mama, jede Schönheit dieser Welt, die durch mich zum Ausdruck kommt, hat mit dir zu tun. Du bist ihre Wurzel.

Und für Garrett, Ashley, Hayden und Juliet, die meine Welt mit Licht, Freude und Bedeutung erfüllt haben. Ihr seid der Grund für alles, was ich tue.

Und für alle, die dies lesen. Mögen wir einander stets ein Licht auf dem Weg sein.

Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben:

entweder so, als wäre nichts ein Wunder,

oder so, als wäre alles eines.

Albert Einstein

Inhalt

Einleitung

* * * * * * * * *

Teil Eins

* * * * * * * * *

1 Pop Pop

2 Das Mädchen im Supermarkt

3 Australien

4 Verknallt

5 John Moncello

6 Litany Burns

7 Noch ein weiter Weg

8 Oxford

9 Sedona

10 Unruhe

* * * * * * * * * *

Teil Zwei

* * * * * * * * * *

11 Offen bleiben

12 Angekommen

13 Der Bildschirm

14 Lieben und Vergeben

15 Was zu einem gehört

16 Forever Family Foundation

17 Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden …

18 Die Polizeimütze

19 Das letzte Kind

20 Die gefangene Biene

21 Zwei Meteore

22 Das Windbridge Institute

* * * * * * * * *

Teil Drei

* * * * * * * * *

23 Der Canarsie Pier

24 Das Rätsel lösen

25 Die Direktorin

26 Die Schnüre berühren

27 Phönix aus der Asche

28 Der Bonsai-Baum

29 Der QEEG-Test

30 Verschränkung

31 Der Swimmingpool

32 Der Engelweg

33 Das Licht am Ende

Danksagung

Über die Autorin

Einleitung

Ich war auf der Jericho Turnpike nach Westen unterwegs, als die Botschaften ankamen.

Ich umklammerte das Lenkrad meines Honda Pilot, bog nach rechts ab und fuhr schließlich auf den Parkplatz vor einem Staples-Markt. Ich trat auf die Bremse und kam auf einem Stellplatz schief zum Stehen.

Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Noch kurz zuvor hatte ich tief ein- und ausgeatmet und versucht, ruhig zu bleiben, weil ich so nervös war. Genau genommen war mir himmelangst. Bald würde ich in einem Raum voller leidender Menschen stehen. Meine Rolle an diesem Abend bestand darin, ihre Qualen zu lindern, und ich hatte Angst, dass ich vielleicht alles noch schlimmer machen würde.

Ich trug ein einfaches schwarzes Oberteil und eine schwarze Hose, um zu vermeiden, dass irgendjemand vom Muster meiner Bluse oder von den Blumen auf meiner Kleidung abgelenkt wurde. Das Abendessen hatte ich ausfallen lassen, weil ich viel zu abgespannt war, um etwas zu essen. Garrett, mein Mann, war noch nicht von der Arbeit zurückgekommen. Also hatte ich meine Mutter gebeten, auf unsere beiden kleinen Kinder aufzupassen, bis er nach Hause kam. Ich war ein bisschen spät dran. Daher versuchte ich, mich auf der stark befahrenen Straße durchzuwinden, aber ich kam nur langsam voran.

Dann plötzlich kamen sie auf mich zu.

Die Kinder.

Alle auf einmal, als Gruppe. Es war erstaunlich, als wäre ich ganz allein in einem Raum gewesen, und plötzlich ginge die Tür auf und zehn oder fünfzehn Leute kämen herein. Man sieht oder hört sie vielleicht noch nicht einmal, weiß aber trotzdem, dass sie da sind. – Sie können sie spüren und wissen, dass Sie nicht mehr allein sind. So fühlte ich mich in meinem Honda Pilot – ich wusste, dass ich nicht allein war.

Dann kamen die Worte und Namen und Geschichten und Bitten und Beschreibungen und Bilder und all die Dinge, die sie mir mitteilen wollten. Es waren so viele, dass ich sie bremsen musste.

»Moment, Moment«, rief ich, während ich in meiner Tasche nach meinem kleinen roten Notizblock und einem Stift wühlte. Ich schrieb so schnell ich konnte, kam aber kaum nach, so viele Botschaften empfing ich. Es sprudelte nur so.

Sag ihnen, dass ich noch da bin, bat einer.

Sag ihnen, dass ich immer noch ein Teil ihres Lebens bin, meldete sich ein anderer.

Sag ihnen: »Ich liebe euch, und ich sehe alles, was weiter geschieht.«

Bitte weint nicht um mich. Mir geht es gut.

Ich bin nicht tot. Ich bin noch immer euer Kind.

Denkt nicht, dass ich weg bin. Ich bin nicht weg.

Bitte sag ihnen, dass ich nicht weg bin!

Ich saß in meinem schief geparkten Auto vor Staples und schrieb und schrieb – eine Frau, umgeben von Kindern, die niemand sonst sehen konnte.

Schließlich, nach ein paar Minuten, verstaute ich meine Notizen in der Tasche, fuhr zurück auf die Straße und dann so schnell ich konnte zum Huntington Hilton in der Broad Hollow Road. Ich rannte durch die Hotellobby und fand den Konferenzraum, wo die Veranstaltung stattfinden sollte. Ein davor aufgestelltes Schild gab einen vagen Hinweis darauf, was an diesem Abend passieren würde. Da stand: »So hören Sie richtig zu, wenn Ihre Kinder sprechen.«

Es war ein ganz gewöhnlicher Konferenzraum – braune Vorhänge, Deckenleuten, Teppichboden, Drehstühle. Mitten im Raum stand ein langer rechteckiger Tisch, und darum herum saßen in ziemlich steifer Haltung neunzehn Leute. Als ich hereinkam, verstummten sie sofort und drehten sich alle gleichzeitig zu mir um. Ihre Gesichter sahen traurig und gequält aus. Eine gefühlte volle Minute schien niemand auch nur zu atmen.

Das waren also die Eltern.

Die Gastgeber des Abends, Phran und Bob Ginsberg, Leiter der Forever Family Foundation, kamen zu mir herüber und lösten die Anspannung, indem sie mich zur Begrüßung umarmten und mir einen Stuhl anboten. Aber ich lehnte ab, denn ich war viel zu nervös, um mich setzen zu können. Bob ging nach vorn und räusperte sich.

»Das ist Laura Lynne Jackson«, sagte er mit sanfter Stimme. »Sie ist ein von der Forever Family Foundation beglaubigtes Medium. Heute Abend ist sie hier, um uns beizubringen, wie wir mit unseren Kindern sprechen können.«

Bob trat beiseite und erteilte mir das Wort. Ich atmete tief durch und warf einen Blick auf die schnell hingekritzelten Notizen, die ich in der Hand hielt. Die Eltern starrten mich an und warteten. Ich wusste nicht, was ich sagen oder wie ich anfangen sollte. Ein weiterer langer Moment verging, und die dicke, schwere Stille kehrte zurück.

Niemand wusste, was als Nächstes kam, und ich am allerwenigsten.

Schließlich schaute ich einfach auf und sprach.

»Ihre Kinder sind hier«, platzte es aus mir heraus. »Und sie möchten Sie etwas wissen lassen.«

✴ ✴ ✴

Mein Name ist Laura Lynne Jackson. Ich bin Ehefrau, Mutter und Englischlehrerin an einer Highschool.

Außerdem bin ich ein Medium mit übersinnlichen Fähigkeiten.

Vermutlich bin ich nicht ganz das, was sich die meisten Leute unter einem Medium vorstellen. Ich lese nicht im Kaffeesatz, lege keine Tarotkarten und sitze nicht in einem Schaufenster. Ich bin keine Wahrsagerin und besitze keine Kristallkugel. (Na gut, ich habe eine winzige zu Dekorationszwecken, aber nur, weil ich mich nicht zurückhalten konnte, sie zu kaufen, als ich sie im Laden sah.) Ich bin einfach jemand, der eine Gabe hat, die bei mir konzentrierter vorhanden ist als bei anderen.

Ich bin hellsichtig. Das heißt, dass ich die Fähigkeit habe, mit anderen Mitteln als meinen fünf Sinnen Informationen über Menschen und Ereignisse zu sammeln. Ich bin auch hellhörig; ich kann Geräusche und Klänge mit anderen Mitteln als meinen Ohren wahrnehmen. Und ich bin hellfühlig, was es mir erlaubt, Dinge mit anderen als den üblichen menschlichen Mitteln zu fühlen.

Wenn ich beispielsweise an einem Tisch im Restaurant sitze, kann ich die Energie der Menschen, die dort vor mir gesessen haben, so deutlich spüren, als hätten sie Dutzende von energetischen Fingerabdrücken hinterlassen. Und wenn mich diese Energie in einer negativen Weise berührt, teile ich der Kellnerin höflich mit, dass ich lieber woanders sitzen möchte oder leider gehen muss, wenn das der letzte freie Tisch ist. Das sorgt bei meinem Mann und meinen Kindern nicht immer für Begeisterung. Und bei der Kellnerin auch nicht.

Abgesehen von meinen übersinnlichen Fähigkeiten bin ich auch ein Medium. Das heißt, ich kann mit Menschen kommunizieren, die diese Erde verlassen haben.

Wenn Sie jetzt fragen, wie ich so geworden bin, lautet meine spontane Antwort: Ich weiß es nicht. Ich habe ein ganzes Leben damit verbracht, es herauszufinden. Auf meiner Suche nach Antworten habe ich mich strengen Tests unterzogen – durchgeführt zunächst von der Forever Family Foundation, einer gemeinnützigen, wissenschaftlich arbeitenden Gruppe, die trauernden Menschen hilft, und dann vom Windbridge Institute for Applied Research in Human Potential in Arizona. Am Windbridge Institute nahm ich an einer achtstufigen Fünffach-Blindstudie teil, die von Wissenschaftlern durchgeführt wurde. An deren Ende gehörte ich zu einer kleinen Gruppe von beglaubigten Forschungsmedien.

Aber obwohl ich nach Antworten darüber suchte, worin meine wahre Bestimmung bestand, versteckte ich meine Fähigkeiten sorgfältig vor dem Rest der Welt. Ich wusste noch nicht, wo oder wie meine Fähigkeiten in mein Leben passten und was ich mit ihnen anfangen sollte. Einen großen Teil meines Lebens habe ich mit dem Versuch verbracht, meinen eigenen Weg zu finden. Und ein übersinnlich begabtes Medium zu sein, gehörte nicht zu dem, was ich anstrebte.

In meinem letzten College-Jahr studierte ich in Oxford. Dort beschäftigte mich eingehend mit Shakespeare und tauchte ganz in mein Studium ein. Nachdem ich meinen Abschluss gemacht hatte, zog ich in Erwägung, Anwältin zu werden. Mir wurde von zwei renommierten juristischen Fakultäten ein Studienplatz angeboten, aber ich beschloss dann doch, meiner Leidenschaft zu folgen und zu unterrichten. Lange habe ich mich in erster Linie als Lehrerin verstanden. Aura-Readings und Gespräche mit Geistwesen hatten keinen Platz in meinem akademischen Leben.

Also führte ich fast zwanzig Jahre lang ein heimliches Doppelleben.

Tagsüber brachte ich Teenagern Macbeth und Früchte des Zorns nahe, aber abends, wenn mein Mann unten auf die Kinder aufpasste, war ich oben in meinem Zimmer und führte private Telefongespräche mit Prominenten und Sportlern und Astronauten und Politikern und Geschäftsführern und allen möglichen Menschen, um ihnen einen Einblick in etwas zu geben, das die akzeptierten Grenzen der menschlichen Erfahrung übersteigt.

Aber während ich dieses Doppelleben führte, machte ich eine bemerkenswerte Entdeckung. Ich erkannte, dass ich gar nicht so anders bin. Obwohl mir meine besonderen Fähigkeiten das Gefühl gaben, nicht wie andere Menschen, also nicht »normal« zu sein, gelangte ich zu der Überzeugung, dass meine Eigenschaft, in dieser Weise »begabt« zu sein, nicht in der Begabung an sich bestand.

Die schöne Gabe, die mir geschenkt worden ist – das Wissen darum, dass wir alle durch starke Schnüre aus Licht und Liebe miteinander verbunden sind, sowohl hier auf der Erde als auch jenseits von ihr – ist etwas, das uns allen gehört.

✴ ✴ ✴

Wie mein Leben ist auch dieses Buch eine Reise von der Dunkelheit ins Licht. Es erzählt die Geschichte meines Weges zum Verständnis meiner wahren Bestimmung und der Art und Weise, wie wir mit unserer Umwelt verbunden sind. Ich hoffe sehr, dass Sie in dieser Schilderung etwas finden, das auf eine Resonanz in Ihrem Leben stößt.

Denn wenn das so ist, können Sie zu der gleichen Auffassung gelangen wie ich. Nämlich zu der, dass die kraftvollen Bande, die uns mit den Menschen, die wir lieben, hier und im Jenseits verbinden, wenn wir unser Herz und unsere Sinne für sie öffnen, die Art, wie wir heute leben und lieben, unermesslich stark verbessern können.

Aber selbst nachdem ich zu dieser Auffassung gelangt war, hatte ich nie daran gedacht, sie mit der Welt zu teilen. Ich hatte nicht vor, ein Buch zu schreiben. Doch eines Tages, als ich an der Highschool, an der ich unterrichte, Pausenaufsicht hatte, spürte ich einen plötzlichen, gewaltigen Download von Informationen und Erkenntnissen aus dem Universum. Es fühlte sich an wie ein Blitzschlag, der eine sofortige Klarheit brachte. Und die Anweisung, die ich dabei erhielt, war im Grunde ganz einfach.

Du sollst andere an deiner Geschichte teilhaben lassen.

Dies hatte nichts mit mir persönlich zu tun, sondern es ging dabei ausschließlich um diese Botschaft. Die Lebenslektionen, die sich aus meinen Readings ergaben, waren nicht dazu bestimmt, geheim gehalten zu werden. Sie sollten vielmehr in die Welt getragen werden.

Ich betrachte dieses Buch nicht als so etwas wie meine Memoiren, sondern ich sehe meine Geschichte als eine Möglichkeit, ein paar der kraftvollsten und fundiertesten Readings zu veröffentlichen, die ich im Laufe der Jahre weitergegeben habe. Dabei handelt es sich um Deutungen, die Menschen mit ihren Lieben auf der anderen Seite verbunden und ihnen im weiteren Verlauf geholfen haben, alte Wunden heilen zu lassen, ihre Vergangenheit zu bewältigen, ihr Leben neu zu überdenken und schließlich ihren wahren Weg und ihre Bestimmung in dieser Welt zu erkennen. Diese Readings waren ungemein ergreifend und informativ für mich.

Bei den Readings und in meiner Lebensgeschichte geht es letztendlich immer nur um eins: die tapfere und unermüdliche Suche der Menschheit nach Antworten. Als Literaturstudentin wurde ich immer wieder aufgefordert, mich mit den tiefgründigsten Fragen von allen zu beschäftigen: Warum sind wir hier? Was bedeutet es zu existieren? Worin besteht der Sinn unseres Lebens? Ich behaupte nicht, die Antworten auf diese Fragen zu kennen. Ich kann nur meine Geschichte erzählen. Und ich kann meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass wir uns, wenn wir ein Leben nach dem Tod nicht zumindest als Möglichkeit in Betracht ziehen und die Fülle von Beweisen, die in den vergangenen Jahren für das Überleben des Bewusstseins aufgetaucht sind, einfach außer Acht lassen, von einer Quelle großer Schönheit sowie des Trostes, der Heilung und der Liebe abschneiden. Wenn wir jedoch offen für einen Austausch sind, können wir zu klügeren, glücklicheren und authentischeren Menschen werden. Zu Menschen, die ihrer eigenen Wahrheit näher und näher an ihrem wahren Ich sind. Das ist die beste Variante unserer selbst, die es uns erlaubt, unser bestes Ich mit anderen zu teilen und auf diese Weise die Welt zu verändern.

Das ist alles, was ich will: diesen Austausch pflegen. Ich möchte mich für die Möglichkeit öffnen, dass es mehr gibt als unsere althergebrachte Weltsicht. Ich möchte erforschen, was ich bei meinen Readings immer wieder beobachtet habe: dass das Universum nach dem Prinzip der Synchronizität funktioniert, einer unsichtbaren Macht, die Ereignisse miteinander verbindet und allem, was wir tun, eine Bedeutung gibt.

Ich möchte Ihnen verständlich machen, dass dieses Buch aus gutem Grund seinen Weg zu Ihnen gefunden hat. Vor allem aber möchte ich eine erstaunliche Wahrheit darlegen, die sich mir durch meine Arbeit offenbart hat, dass wir hier auf der Erde alle durch Schnüre aus Lichtenergie verbunden sind, die uns auch mit Verstorbenen verbinden.

Ich sehe diese Schnüre aus Licht. Ich sehe das Licht zwischen uns. Und weil dieses Licht da ist, weil es uns verbindet, weil unsere Schicksale ineinandergreifen und weil wir all unsere Kraft aus ein und derselben Energiequelle schöpfen, wissen wir, dass es eine andere Wahrheit gibt.

Niemand führt ein unbedeutendes Leben.

Niemand wird vom Universum vergessen.

Jeder von uns kann die Welt zum Leuchten bringen.

Es ist nur so, dass manche von uns noch nicht erkannt haben, wie stark wir sind.

✴ ✴ ✴

Ich erwarte nicht, dass meine Vorstellungen widerstandslos akzeptiert werden. Ich bin seit fast zwei Jahrzehnten Lehrerin und nicht so leicht von halbgaren Theorien oder blauäugigen Argumenten zu überzeugen. Ich habe meinen Schülern immer beigebracht, kritisch zu denken – selbst zu recherchieren, zu analysieren und die Dinge infrage zu stellen. Und genau so bin ich auch mit meiner Gabe umgegangen. Ich habe meine Fähigkeiten von Wissenschaftlern überprüfen lassen. Ich habe mit mutigen Forschern und tiefsinnigen Denkern gesprochen. Ich habe die wissenschaftlichen Entwicklungen des vergangenen Vierteljahrhunderts verfolgt, die uns erstaunliche neue Einblicke in die menschlichen Fähigkeiten gegeben haben.

Ich verstehe mittlerweile, auf welche Weise die vielen bemerkenswerten Ereignisse in meinem Leben mit dem übereinstimmen und durch das erklärt werden können, was wir aktuell über die Macht und Beständigkeit des menschlichen Bewusstseins erfahren. Dennoch stammen die wichtigsten Lektionen in diesem Buch nicht von Wissenschaftlern oder Forschern und ganz sicher nicht von mir. Ich bin kein Prophet und kein Orakel. Ich bin lediglich ein Kanal.

Die wichtigsten Lektionen stammen von Lichtwesen, die uns aus dem Jenseits eine helfende Hand reichen.

Als Medium mit außersinnlichen Fähigkeiten habe ich für Hunderte von Menschen Readings durchgeführt. Mancher dieser Menschen war reich und berühmt, andere waren es nicht. Durch diese Readings habe ich sie mit ihren Lieben in Verbindung gebracht, die nicht mehr auf dieser Erde weilen. Diese geliebten Verstorbenen haben uns wundersame Einblicke in die Existenz und in das Universum gegeben.

✴ ✴ ✴

Der erste Schritt auf unserem Weg ist ganz einfach. Er besteht einfach nur darin, die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass das Leben aus mehr besteht als aus dem, was wir mit unseren fünf Sinnen erfassen können.

Die allermeisten von uns akzeptieren diese Möglichkeit bereits und glauben an eine höhere Macht – welchen Namen sie dafür auch verwenden mögen. Ich bezeichne diese höhere Macht als das Universum. Andere nennen sie Gott. Ich wurde dazu erzogen, an Gott zu glauben, und glaube immer noch an ihn, aber Religionen sind für mich wie ein großer Teller, der in viele Stücke zerbrochen ist. Jedes Stück ist anders, aber all diese Stücke sind dennoch Teile ein und desselben Tellers. Die Worte, die wir verwenden, um das zu beschreiben, woran wir glauben, sind nicht so wichtig wie unser Glaube selbst.

Wir sind also bereits willens, an etwas zu glauben, das größer ist als wir selbst; an etwas, das wir nicht beweisen oder erklären und noch nicht einmal ganz verstehen können. Wir haben keine Angst, diesen Sprung zu wagen. Aber wenn wir den nächsten Sprung machen und glauben, dass unser Bewusstsein nicht mit dem Tod endet, sondern sich auf eine noch viel größere Reise begibt, passiert etwas wirklich Unglaubliches. Wenn wir nämlich an ein Leben nach dem Tod glauben, müssen wir uns der Möglichkeit öffnen, dass wir damit in Kontakt treten können.

Allerdings muss ich eines ehrlich zugeben: Ich bin mir nicht sicher, ob ich, wenn mir die erstaunlichen Dinge, die sich in meinem Leben ereignet haben, nicht passiert wären, glauben würde, dass sie möglich sind. Aber sie sind mir passiert. Daher weiß ich, dass sie nicht nur möglich, sondern dass sie real sind.

Und ich weiß, wenn wir unseren Geist dafür öffnen, wie wir alle miteinander verflochten sind – als Teil desselben Ganzen, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfasst –, können wir allmählich Verbindungen und Bedeutungen und Licht erkennen, wo wir vorher nichts als Dunkelheit gesehen haben.

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Teil Eins

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Pop Pop

Es war an einem sonnigen Mittwochnachmittag im August. Ich war elf Jahre alt und planschte mit meiner Schwester und meinem Bruder in einem einen Meter tiefen Pool im Garten unseres Hauses auf Long Island herum. Uns blieben nur ein paar Tage, bis die Schule wieder anfing, und wir versuchten, das letzte bisschen Spaß aus dem Sommer herauszuholen. Meine Mutter kam heraus, um uns zu sagen, dass sie unsere Großeltern in Roslyn besuchen wolle, das etwa fünfzig Minuten Autofahrt entfernt lag. Jahrelang hatte ich sie auf diesen Fahrten zu meinen Großeltern begleitet, und ich war immer sehr gern mitgefahren. Aber als ich älter wurde, kamen andere Aktivitäten dazwischen, und manchmal fuhr meine Mutter allein und ließ uns zurück. Und an diesem wunderschönen Sommertag wusste sie genau, dass sie keine Chance hatte, einen von uns aus diesem Pool zu bekommen.

»Habt Spaß, Kinder«, rief sie uns zu. »In ein paar Stunden bin ich wieder zurück.« Und das sollte es eigentlich gewesen sein.

Doch dann bekam ich ganz plötzlich Panik. Ich spürte es bis in die Knochen. Eine blanke, unerklärliche, eiskalte Panik.

Ich schoss aus dem Schwimmbecken kerzengerade hoch und brüllte meiner Mutter hinterher. »Warte!«, schrie ich. »Ich muss mit dir kommen!«

Meine Mutter lachte. »Schon okay. Bleib«, rief sie zurück. »Hab Spaß, es ist ein wunderschöner Tag.«

Aber ich paddelte bereits wie wild zum Rand des Schwimmbeckens. Mein Bruder und meine Schwester sahen zu und fragten sich, was mit mir los war. »Nein!«, brüllte ich. »Ich will mit dir mitkommen! Warte bitte auf mich.«

»Laura, es ist gut …«

»Nein, Mama, ich muss mitkommen!«

Meine Mutter hörte auf zu lachen. »Na gut, beruhige dich«, sagte sie. »Komm rein und zieh dich um. Ich warte so lange.«

Ich rannte tropfnass ins Haus, zog mir schnell ein paar Sachen über, stürmte wieder nach draußen und setzte mich halb nass ins Auto, noch immer in äußerster Panik.

Eine Stunde später bogen wir in die Einfahrt meiner Großeltern ein, und ich sah meinen Großvater, den ich Pop Pop nannte. Er winkte uns von der Terrasse aus zu. Erst als ich ihn vor mir sah und ihn umarmen konnte, klang die Panik allmählich ab.

Die nächsten paar Stunden verbrachte ich mit Pop Pop auf der Terrasse. Wir unterhielten uns, lachten, sangen und erzählten uns Witze. Als es Zeit zu gehen war, umarmte ich ihn, gab ihm einen Kuss und sagte: »Ich liebe dich.«

Ich habe ihn nicht mehr lebend wiedergesehen.

✴ ✴ ✴

Ich wusste nicht, dass sich Pop Pop schon länger schwach und müde gefühlt hatte. Die Erwachsenen hatten nie mit mir über solche Dinge gesprochen. Als ich an jenem Tag bei ihm gewesen war, war er wie immer: warmherzig, lustig und ausgelassen. Er muss seine ganze Kraft zusammengenommen haben, um mir gegenüber so gesund zu wirken.

Drei Tage nach meinem Besuch suchte Pop Pop seinen Arzt auf. Der Arzt konfrontierte ihn mit der niederschmetternden Nachricht, dass er Leukämie habe. Drei Wochen später lebte Pop Pop nicht mehr.

Als sich meine Mutter mit meiner Schwester, meinem Bruder und mir aufs Sofa setzte und uns schonend mitteilte, dass Pop Pop gestorben war, durchzuckte mich ein Blitz von Emotionen: Schock. Verwirrung. Ungläubigkeit. Wut. Tiefe Trauer. Das intensive, schreckliche Gefühl, dass ich ihn schon jetzt vermisste. Und was das Schlimmste war: Ich hatte ein schreckliches, erschütterndes Schuldgefühl.

In dem Moment, in dem ich erfuhr, dass mein Großvater nicht mehr lebte, war mir klar, warum ich ihn so panisch noch einmal hatte sehen wollen. Ich hatte gewusst, dass er sterben würde.

Natürlich hatte ich es nicht wirklich gewusst. Ich wusste ja noch nicht einmal, dass er krank war. Und doch war da so ein Gefühl. Warum sonst hätte ich so nachdrücklich darauf bestanden, ihn zu sehen?

Aber wenn ich es gewusst hatte, warum habe ich nichts darüber verlauten lassen – Pop Pop, meiner Mutter oder auch nur mir selbst gegenüber? Ich hatte keine klare Vorstellung, ja, noch nicht einmal eine Ahnung davon gehabt, dass mit meinem Großvater irgendetwas nicht stimmte, und ich hatte ihn nicht mit dem Gedanken besucht, dass es vielleicht das letzte Mal sein könnte. Alles, was ich hatte, war dieses rätselhafte Gefühl eines inneren Wissens. Ich verstand es zwar überhaupt nicht, aber es vermittelte mir ein schreckliches Unbehagen, als sei ich irgendwie mitschuldig an Pop Pops Tod. Ich spürte irgendeine Verbindung zu den grausamen Mächten, die sein Leben gefordert hatten, und das flößte mir ein unvorstellbares Schuldgefühl ein.

Allmählich dachte ich, mit mir sei ernsthaft etwas nicht in Ordnung. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der spüren konnte, dass jemand bald sterben würde, und nun, wo es mir so ergangen war, verstand ich es nicht ansatzweise. Ich verstand nur eins: Dieses Wissen war schrecklich. Ich war überzeugt, dass es nicht normal war und dass ein Fluch auf mir lag.

✴ ✴ ✴

Eine Woche später hatte ich einen Traum.

In diesem Traum war ich erwachsen und Schauspielerin. Ich lebte in Australien. Ich trug ein langes, farbenprächtiges Kleid im Stil des 19. Jahrhunderts und fühlte mich wunderschön. Plötzlich empfand ich eine überwältigende Sorge um meine Familie. Es war dieselbe Familie, die ich im wirklichen Leben hatte. Im Traum griff ich mir an die Brust und brach auf dem Fußboden zusammen. Mir war bewusst, dass ich starb.

Doch ich wachte nicht auf. Der Traum ging weiter. Ich spürte, wie ich meinen physischen Körper verließ und ein frei schwebendes Bewusstsein wurde und alles um mich herum beobachten konnte. Ich sah, wie sich meine Familie in dem Raum, in dem ich zusammengebrochen war, um meine Leiche versammelte. Alle weinten. Es regte mich derart auf, sie so leiden zu sehen, dass ich versuchte, ihnen etwas zuzurufen. »Macht euch keine Sorgen, ich lebe! Es gibt keinen Tod!«, teilte ich ihnen mit. Aber es war sinnlos, weil ich keine Stimme mehr hatte. Sie konnten mich nicht hören. Ich konnte nur meine Gedanken auf sie richten. Und dann driftete ich allmählich von ihnen weg wie ein mit Helium gefüllter Ballon, den jemand losgelassen hat, und schwebte sehr hoch über ihnen in eine Dunkelheit – eine dichte, friedvolle Dunkelheit mit wunderschönen, funkelnden Lichtern. Ich fühlte, wie mich ein starkes Gefühl der Ruhe und der Zufriedenheit durchdrang.

Und in genau diesem Moment bot sich mir ein unglaubliches Bild.

Ich sah Pop Pop.

Er war da, direkt in dem Raum vor mir, wenn auch nicht in seinem physischen Körper, sondern als Geist – ein Geist, der schön und unbestreitbar ganz seiner war. Mein Bewusstsein erkannte sein Bewusstsein sofort. Er war ein Lichtpunkt, so etwas wie ein hell leuchtender Stern am dunklen Nachthimmel, aber das Licht war mächtig und magnetisch, es zog mich an und erfüllte mich mit Liebe. Es war, als würde ich Pop Pops wahres Selbst sehen – nicht seinen irdischen Körper, sondern ein größeres inneres Licht, das er wirklich war. Ich sah seine Seelenenergie.

Ich erkannte, dass Pop Pop in Sicherheit war und sich an einem schönen, von Liebe erfüllten Ort aufhielt. Ich begriff, dass er zu Hause war, und in dem Moment war mir auch klar, dass dies der Ort war, von dem wir alle kommen und zu dem wir alle gehören. Er war an den Ort zurückgekehrt, von dem er gekommen war.

Als ich erkannte, dass Pop Pop irgendwie immer noch existierte, war ich weniger traurig. Ich spürte eine große Liebe, einen großen Trost und, in diesem Moment der Erkenntnis, ein großes Glück. Und kurz bevor ich zusammen mit Pop Pop ganz nach Hause gezogen wurde, spürte ich, dass sich etwas um mich legte und mich zurückzog.

Dann wachte ich auf.

Ich saß kerzengerade im Bett. Mein Gesicht war ganz nass. Ich weinte. Aber ich war nicht traurig. Es waren Freudentränen. Ich weinte, weil ich Pop Pop gesehen hatte.

Ich lag im Bett und weinte lange. Mir war gezeigt worden, dass Sterben nicht bedeutet, dass wir die Menschen verlieren, die wir lieben. Ich wusste, dass Pop Pop immer noch in meinem Leben präsent war, und ich war unendlich dankbar für meinen Traum.

✴ ✴ ✴

Erst Jahre – viele Jahre – später hatte ich genug Erfahrung gesammelt, um zu verstehen, welche Bedeutung Pop Pops Tod und alles, was sich darum herum ereignete, für mein Leben hatten.

Was ich damals im Pool gespürt hatte, war der Beginn der Reise von Pop Pops Seele zu irgendeinem anderen Ort. Weil ich ihn so sehr liebte, weil ich auf so kraftvolle Weise mit ihm verbunden war, spürte meine Seele, dass sich seine Seele auf die Reise machen wollte. Und die Fähigkeit, dies zu spüren, war alles andere als ein Fluch. Sie erlaubte es mir, jenen letzten magischen Nachmittag mit Pop Pop zu verbringen. Wenn das kein Geschenk war, was ist dann eins?

Und der Traum?

Der Traum überzeugte mich davon, dass Pop Pop nicht weg war. Er war nur an einem anderen Ort. Aber wo? Wo genau war er? Auf diese Frage hatte ich keine Antwort, als ich elf war. Aber im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass sich Pop Pop auf der anderen Seite befand.

Ich möchte dies an einem einfachen Beispiel erklären, was ich mit der anderen Seite meine. Stellen Sie sich Ihren Körper als Auto vor – erst ist es neu, dann älter, dann richtig alt. Was passiert mit Autos, die richtig alt sind? Sie werden verschrottet.

Aber wir Menschen werden nicht zusammen mit den Autos verschrottet. Wir machen weiter. Wir bleiben in Bewegung. Wir sind mehr als das Auto und waren nie durch das Auto definiert. Wir sind definiert durch das, was wir mitnehmen, wenn wir das Auto zurücklassen. Wir überdauern das Auto.

Meine gesamte Erfahrung sagt mir, dass wir unseren Körper überdauern. Wir machen weiter. Wir bleiben in Bewegung. Wir sind mehr als unser Körper. Was uns definiert, ist das, was wir mitnehmen, wenn wir unseren Körper zurücklassen: unsere Freude, unsere Träume, unsere Liebe, unser Bewusstsein.

Wir sind keine Körper mit Seelen.

Wir sind Seelen in Körpern.

Unsere Seele überdauert. Unser Bewusstsein überdauert. Die Energie, die uns versorgt, überdauert.

Die andere Seite ist also der Ort, an den unsere Seele geht, wenn unser Körper versagt.

Das wirft eine Menge Fragen auf: Ist die andere Seite lokalisierbar? Ist sie eine Sphäre? Ein Reich? Ist sie materiell oder spirituell? Ist sie eine Station auf einem Weg oder dessen Ziel? Wie sieht sie aus? Wie fühlt sie sich an? Ist sie voll von goldenen Wolken und perlmutternen Toren? Gibt es dort Engel? Ist Gott dort? Ist die andere Seite der Himmel?

Ich gelangte nur sehr langsam zu meinem Verständnis von der anderen Seite und bin mir sicher, dass ich auch heute nur einen kleinen Teil von dem weiß, was es darüber zu wissen gibt. Aber wir müssen uns die andere Seite nicht umfassend vorstellen und sie auch nicht voll und ganz verstehen können, um sie als tröstlich zu empfinden. In der Tat glauben viele von uns schon jetzt, dass unsere verstorbenen Lieben immer noch bei uns sind – im Geist, im Herzen und durch unsere Erinnerungen in unserem Leben. Und dieser Glaube ist unendlich nährend.

Die Realität dessen, was passiert, wenn unsere Lieben sterben, ist jedoch unendlich viel tröstlicher, als den meisten Menschen klar ist, weil uns die dahingeschiedenen Seelen viel näher sind, als wir denken.

Hier sind die ersten beiden Wahrheiten, die ich durch meine Gabe gelernt habe:

Unsere Seele überdauert den Tod und kehrt an einen Ort zurück, den wir als die andere Seite oder Jenseits bezeichnen.

Die andere Seite ist uns wirklich sehr nah.

Wie nah? Versuchen Sie dies: Nehmen Sie ein gewöhnliches Blatt Papier in die Hand. Halten Sie es so vor sich, als würden Sie etwas davon ablesen. Stellen Sie sich vor, dass das Blatt Papier zur Grenze wird, die den Raum, in dem sie sich befindet, aufteilt. Sie ist vielleicht dünn und durchscheinend und besteht aus ein paar winzigen, miteinander verbundenen Zellstofffasern, aber sie ist dennoch ohne Zweifel eine Grenze. Sie trennt eine große Menge an Molekülen, Atomen und subatomaren Teilchen voneinander. Wenn Sie diese Grenze vor sich halten, sind Sie und unzählige Dinge auf der einen Seite, und unzählige andere Dinge – Stühle, Fenster, Autos, Menschen, Parks, Berge und Ozeane – sind auf der anderen Seite.

Und doch können Sie die andere Seite von Ihrer Seite des Papiers aus ganz leicht sehen und hören und Zugang zu ihr bekommen. Einige Ihrer Finger sind sogar schon dort und halten das Papier auf der anderen Seite fest. Die Seiten mögen voneinander getrennt sein, aber in der Praxis sind sie ein und dasselbe. Die andere Seite des Papiers ist gleich da drüben.

Denken Sie an dieses Blatt Papier, wenn Sie im weiteren Verlauf des Buches auf den Begriff »andere Seite« stoßen. Fragen Sie sich: Was, wenn die Grenze zwischen unserem irdischen Leben und dem Leben nach dem Tod so dünn und durchlässig wäre wie ein einziges Blatt Papier? Was, wenn die andere Seite gleich da drüben wäre?

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Das Mädchen im Supermarkt

Schon lange vor dem Zwischenfall im Pool war ich ein seltsames kleines Kind.

Ich war hyperaktiv und sprunghaft. Ich reagierte auf ganz gewöhnliche Dinge extrem. »Wenn Laura fröhlich ist, ist sie fröhlicher als jedes Kind, das ich je gesehen habe«, schrieb meine Mutter in mein Babybuch, als ich ein Jahr alt war. »Aber wenn sie traurig ist, ist sie trauriger, als ein Kind jemals sein kann.«

Viele Kinder sind zappelig und energiegeladen, aber ich hatte so eine Art Motor in mir, der permanent alles aufwühlte und den ich nicht ausschalten konnte. In der ersten Woche nach meiner Einschulung bekam meine Mutter einen Anruf von der Schulkrankenschwester. »Die gute Nachricht zuerst«, sagte sie. »Wir konnten die Blutung stillen.«

Ich war auf dem Spielplatz in eine Leiter gelaufen und hatte mir eine klaffende Wunde auf der Stirn zugezogen. Meine Mutter brachte mich zum Arzt. Die Wunde wurde mit sieben Stichen genäht.

Eine Woche später hatte ich einen üblen Wutanfall in meinem Zimmer, weil meine Schwester in den Pool eines Nachbarhauses eingeladen worden war und ich nicht. Ich warf die schwere Holzleiter unseres Stockbettes um und sie fiel mir auf den Hinterkopf. Wieder brachte mich meine Mutter zum Arzt, der diese Wunde mit drei Stichen nähte. Anschließend setzte er sich mit meiner Mutter zusammen und stellte ihr viele strenge Fragen.

Ich war ein Hänfling, zu klein für mein Alter und spindeldürr, ein kleiner blonder Fratz mit Stirnfransen. Aber ich konnte der blanke Terror sein. Meine Mutter musste mich an einem Arm oder Bein festhalten, um mich anziehen zu können. Wenn sie mich auch nur eine Sekunde losließ, war ich weg. Ständig lief ich gegen irgendwelche Dinge: Türen, Wände, Briefkästen, parkende Autos. Wenn meine Mutter mich auch nur einen Moment aus den Augen ließ, war das Nächste, was sie hörte, ein Krachen oder Rumsen. Zunächst umarmte sie mich und tröstete mich, aber nach einiger Zeit sagte sie nur noch: »Oh, Laura Lynne ist wieder einmal gegen eine Wand gelaufen.«

Wenn ich mich über meine ältere Schwester Christine aufregte, stampfte ich mit den Füßen auf, senkte den Kopf und ging wie ein Stier auf sie los. Entweder rannte ich in sie hinein und stieß sie um, oder sie sprang mir aus dem Weg, und ich flog durch die Gegend.

»Geh auf dein Zimmer«, sagte meine Mutter dann, »und komm erst zurück, wenn du dich wieder wie ein Mensch benehmen kannst.«

Die schlimmste Bestrafung von allen war jedoch die Aufforderung, still zu sitzen.

Wenn ich mich ganz besonders schlecht aufgeführt hatte, befahl mir meine Mutter, mich auf einen Stuhl zu setzen und mich nicht zu bewegen. Nicht eine Stunde oder auch nur zehn Minuten lang. Meine Mutter wusste sehr wohl, dass das nicht klappen würde. Nein, meine Strafe bestand darin, eine Minute still auf einem Stuhl zu sitzen.

Und selbst das war viel zu lange. Ich schaffte es nie.

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Wir halten uns für feste, stabile physische Wesen. Aber das sind wir nicht.

Wie alles im Universum bestehen auch wir aus Atomen und Molekülen, die permanent schwingen und in Bewegung sind. Diese Atome und Moleküle schwingen mit unterschiedlicher Intensität. Wenn wir uns einen fest dastehenden Stuhl anschauen, macht es nicht den Eindruck, als würden sich die Atome und Moleküle, aus denen er besteht, bewegen. Aber sie bewegen sich. Alle Materie, die ganze Schöpfung, alles Leben befindet sich in dieser Schwingungsbewegung. Wir sind nicht so fest und solide, wie wir denken. Im Grunde sind wir Energie. Und ich nehme mal an, dass meine Schwingungsbewegungen einfach etwas intensiver waren als die anderer Kinder.

Doch abgesehen davon hatte ich eine ziemlich normale Kindheit. Ich wuchs in einem idyllischen Dorf namens Greenlawn auf Long Island auf, dessen Bewohner vorwiegend der Mittelschicht angehörten. Mein Vater, ein ungarischer Einwanderer der ersten Generation, unterrichtete an der Highschool Französisch. Meine Mutter, deren Eltern aus Deutschland stammten, war Englischlehrerin, ebenfalls an der Highschool. Solange wir drei Kinder noch klein waren, blieb sie zu Hause und kümmerte sich um unsere Erziehung, bevor sie wieder in ihren Beruf zurückkehrte.

Wir waren nicht arm, aber das Geld war knapp. Ich musste immer einige Zeit auf meinen nächsten Haarschnitt warten und trug die abgetragenen Kleidungsstücke meiner älteren Schwester. Meine Mutter tat viel dafür, uns Kindern eine besonders schöne Kindheit zu schenken. Wenn sie sich keine neuen Spielsachen für uns leisten konnte, bastelte sie erstaunliche Autos, Züge und sogar ganze Dörfer aus bunt bemaltem Karton. Jeden Morgen malte sie kleine Szenen und Figuren auf unsere Brottüten aus braunem Papier. An Feiertagen und Geburtstagen schmückte sie das ganze Haus, und zu einer von Christines Partys hatte sie hübsche Hüte für sie und all ihre Freunde gebastelt. Sie hielt uns vom Fernseher fern und förderte unsere Kreativität. Christine und ich malten und zeichneten und eröffneten unsere eigene kleine Kunstgalerie (zehn Cent pro Meisterwerk). Meine Mutter sorgte dafür, dass sich unsere Kindheit magisch anfühlte.

Dennoch war nicht zu leugnen, dass ich schwierig und anders als andere Kinder war.

Als ich sechs Jahre alt war, nahm mich meine Mutter eines Tages mit in den Supermarkt. Während wir in der Schlange an der Kasse standen, wurde ich plötzlich von Emotionen überwältigt. Am liebsten wäre ich in Tränen ausgebrochen. Mir war, als stünde ich an einem Strand und würde von einer riesigen Welle aus Emotionen überrollt und umgeworfen, so kraftvoll und verunsichernd fühlte sich das an. Ich stand da und war unerträglich traurig und verwirrt. Meiner Mutter sagte ich nichts davon. Dann wurde meine Aufmerksamkeit plötzlich von der Kassiererin angezogen.

Sie war jung, vielleicht um die zwanzig, und unauffällig. Weder runzelte sie die Stirn noch weinte sie. Sie sah vielmehr gelangweilt aus. Aber ich wusste, dass sie nicht einfach nur gelangweilt war. Ich wusste, dass sie die Quelle dieser schrecklichen Traurigkeit war, die ich gerade empfand.

Für mich stand außer Frage, dass ich gerade die Traurigkeit der Kassiererin in mich aufnahm. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte oder warum es passierte. Ich wusste noch nicht einmal, ob es ungewöhnlich war oder nicht. Ich wusste nur, dass ich ihre Traurigkeit spürte, und das war extrem unangenehm und verwirrend, und ich konnte es nicht abstellen.

Ich machte noch viele andere derartige Erfahrungen. Manchmal wurde ich, wenn ich auf der Straße an einem Fremden vorbeiging, von einer mächtigen Ladung Wut oder Angst getroffen. Zu anderen Zeiten nahm ich die Emotionen meiner Freunde und Klassenkameraden in mich auf. Und meist waren diese Erfahrungen schwierig und unerfreulich. Aber ich spürte auch positive Emotionen.

Jedes Mal, wenn ich mich in der Gesellschaft von jemandem befand, der besonders glücklich war, fühlte ich mich beschwingt. Es war, als würden die Gefühle nicht nur auf mich übertragen, sondern auf dem Weg zu mir auch noch intensiviert. Manchmal erlebte ich in Momenten, in denen eine weniger ekstatische Reaktion eindeutig angebrachter gewesen wäre, eine reine, unbändige Freude. In einfachen Glücksmomenten – wenn ich mit Freunden ein Eis aß, an einem Sommertag schwimmen ging, mit meiner Mutter zusammen lachte – konnte es passieren, dass ich von Euphorie geradezu überflutet wurde und meine Seele zu schweben begann.

Noch heute kann ich diese Momente der Glückseligkeit heraufbeschwören, und meine Neigung zur Überreaktion ist immer noch vorhanden. Manchmal brauche ich nur ein Lied oder die Rezitation eines Gedichts zu hören, mir ein Gemälde anzuschauen oder einen Bissen von etwas besonders Köstlichem zu essen, um eine Explosion der Freude und des Wohlbefindens zu spüren. Es ist, als könne ich in diesen einfachen Momenten meine Verbindung mit der ganzen Welt sehr intensiv spüren.

Als ich noch ein Kind war, bedeutete dies, dass ich zwischen extremen Glücksgefühlen und schlimmen Depressionen schwankte, je nachdem, wer gerade in meiner Nähe war. Ich war himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt und dann dasselbe noch einmal von vorn – eine Achterbahn der Stimmungen. Nach und nach gewöhnte ich mich an diese wilden emotionalen Wechselbäder und lernte, ihr Ende abzuwarten, um mein Gleichgewicht wiederzuerlangen.

Die Erkenntnis, dass ich die Gefühle anderer Menschen in mich aufnehme, war ein großer Schritt in Richtung eines Verstehens, warum ich emotional derart sprunghaft war. Aber es sollte noch Jahre dauern, bis ich erkannte, dass diese merkwürdige Fähigkeit, die ich besaß, gar nicht so merkwürdig war und sogar einen Namen hatte: Empathie.

Der Begriff Empathie bezeichnet die Fähigkeit, die Emotionen anderer zu verstehen und zu teilen. Es sind bahnbrechende wissenschaftliche Experimente durchgeführt worden, vor allem von den beiden Neurowissenschaftlern Giacomo Rizzolatti und Marco Iacoboni. Durch sie wurde herausgefunden, dass die Gehirne mancher Tiere und fast aller Menschen Zellen enthalten, die Spiegelneuronen genannt werden. Spiegelneuronen feuern sowohl beim Ausführen als auch beim Beobachten einer Aktivität. »Wenn Sie sehen, wie der emotionale Stress mir fast die Kehle zuschnürt, simulieren Spiegelneuronen in Ihrem Gehirn meinen Stress«, erklärt Iacoboni. »Sie wissen, wie ich mich fühle, weil Sie buchstäblich fühlen, was ich fühle.«

Empathie ist eine Möglichkeit, wie wir uns als Menschen zutiefst miteinander verbinden können. Sie ist der Grund, warum wir uns so sehr freuen, wenn unser Lieblingsteam gewinnt. Denn auch wenn wir nicht selbst mitspielen, empfinden wir die Begeisterung der Spieler, und das macht uns glücklich. Empathie bringt uns auch dazu, für die Opfer von Tragödien am anderen Ende der Welt Geld zu spenden, weil wir uns dadurch in völlig fremde Menschen hineinversetzen und ihre Not nachempfinden können.

Mit anderen Worten: Menschliche Wesen sind zutiefst miteinander verbunden. Es gibt sehr reale und grundlegende Verbindungen zwischen uns.

Zunächst erlebte ich diese Verbindungen als geteilte Traurigkeit und geteiltes Glück. Später sah ich die Lichtschnüre, die uns verbinden. Die Erkenntnis, dass wir alle miteinander verknüpft sind, kam mir zum ersten Mal damals in jenem Supermarkt, und jede weitere Erfahrung, die ich in dieser Hinsicht machte, hat mein Verstehen des Lichts zwischen uns vertieft.

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Australien

Zu der Zeit, als Pop Pop starb, war mir bereits klar, dass ich eine starke Verbindung zu den Menschen um mich herum habe – so stark, dass ich ihren Emotionen nicht ausweichen kann. Und nachdem Pop Pop gestorben war und ich ihn im Traum gesehen hatte, wurde mir bewusst, dass ich auf irgendeine Weise auch mit den Verstorbenen in Verbindung stehe.

All das war sehr verwirrend. Obwohl es ein Geschenk war, Pop Pop wiederzubegegnen, empfand ich meine Fähigkeiten nach wie vor mehr als Fluch denn als Segen. Meine Gaben verwirrten mich, und oft waren sie einfach nur überwältigend. Was hatten diese Verbindungen zu bedeuten, und warum war ich in der Lage, sie wahrzunehmen? War ich einfach irgendwie verschroben und seltsam? Oder war da noch etwas anderes am Werk?

Ich musste einen Namen für das finden, was mit mir nicht in Ordnung war. Und dann wartete ich, ohne zu wissen, was genau das Wort bedeutete, mit einer Diagnose auf. Als meine Mutter eines Tages die Geschirrspülmaschine einräumte, ging ich zu ihr und sagte: »Mama, ich glaube, ich bin eine Hellseherin.«

Ich weiß nicht mehr, wann oder wie ich aufgeschnappt hatte, was Hellsehen ist. Vielleicht war es in einer Fernsehsendung erwähnt worden, oder ich hatte in einem Buch darüber gelesen. Was damit gemeint war, verstand ich trotzdem nicht wirklich. Mir genügte es jedoch zu wissen, dass eine Hellseherin in die Zukunft schauen konnte. War es nicht das, was auch ich konnte?

Meine Mutter hörte mit dem Geschirreinräumen auf und beugte sich zu mir herunter. Und plötzlich brach alles aus mir heraus, und ich erzählte ihr alles – dass ich gewusst hatte, dass Pop Pop sterben würde, wie ich ihm im Traum begegnet war und dass ich nun unter Ängsten und Schuldgefühlen litt.

Und während ich sprach, spürte ich, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. »Was stimmt eigentlich nicht mit mir?«, fragte ich meine Mutter. »Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich das gewusst habe? War es meine Schuld, dass er gestorben ist? Bin ich verflucht? Warum kann ich nicht einfach nur normal sein?«

Meine Mutter legte mir die Hand auf die Schulter und setzte sich mit mir an den Küchentisch. Dann nahm sie meine Hand in ihre.

»Hör zu«, sagte sie. »Es ist nicht deine Schuld, dass Pop Pop gestorben ist. Und du bist auch nicht verflucht. Es gibt überhaupt nichts, weswegen du dich schuldig fühlen müsstest. Du hast eine besondere Fähigkeit – das ist alles.«

Es war das erste Mal, dass jemand meine Verfassung als Fähigkeit bezeichnete.

»Es ist einfach ein Teil von dir, und jedes Teil von dir ist schön«, sagte meine Mutter. »Es ist etwas ganz Natürliches. Du brauchst keine Angst davor zu haben. Das Universum ist größer, als wir denken.«

Dann erzählte mir meine Mutter etwas, das alles veränderte. Die Fähigkeiten, die ich hatte, waren in ihrer Familie anscheinend schon seit Generationen vorhanden. Ihre Mutter, Babette, die ich als Omi kannte, war als eines von zehn Kindern in einem winzigen Bergdorf in Bayern aufgewachsen. Als Omi ein Kind war, kam es oft vor, dass starke Gewitter zwischen den Bergen hängen blieben und sich mit aller Kraft über dem Tal entluden. Oft wurde meine Großmutter mitten in der Nacht von ihren Eltern geweckt und angezogen, damit sie fluchtbereit war, falls ihr Haus vom Blitz getroffen wurde.

Die Abgeschiedenheit ihres Dorfes schränkte Omis Kontakt zur Außenwelt stark ein. Es gab keine Telefone und keine Radios. Omi wuchs mit Legenden, Überlieferungen und Aberglauben auf. Man hatte ihr noch beigebracht, dass der Anblick einer Spinne am Morgen den ganzen Tag Kummer und Sorgen bringt. Links an einem Schaf vorbeizugehen brachte Glück, rechts vorbeizugehen eher nicht.

Ich bin immer noch bei dir, Kind?

Jetzt, nach so vielen Jahren, habe ich immer noch sehr lebendige Träume über Pop Pop. Diese Träume fühlen sich besonders real an, als würden sie tatsächlich passieren. Ich nenne sie 3-D-Träume. In diesen Träumen fühle ich mich so leicht wie der Wind, als sei ich nicht mehr in meinem Körper. Und immer ist Pop Pop mit dabei, strahlend vor Freude und Licht wie eh und je. Wir besuchen uns gegenseitig, sprechen miteinander, hängen einfach ab, und obwohl ich mich später nicht daran erinnern kann, worüber wir gesprochen haben, weiß ich immer ganz genau, dass es wieder einmal schön war, mit ihm zusammen zu sein.

Und immer, wenn ich aus diesen Träumen aufwache, weine ich. Ein wenig aus Traurigkeit, weil ich ihn immer noch vermisse. Aber hauptsächlich aus Freude und Liebe und Glück, weil ich weiß, dass ich noch immer mit Pop Pop verbunden bin.