Cover

Anita Moorjani

Finde deinen Himmel
auf Erden

Warum wir nicht sterben müssen,
um Liebe und Einheit zu erfahren

Das Selbsthilfeprogramm zu
»Heilung im Licht«

Aus dem Englischen
von Elisabeth Liebl

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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel
»What If This Is Heaven?« bei Hay House Inc. USA.
© 2016 Arkana, München
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
© 2016 der Originalausgabe Anita Moorjani
Lektorat: Antje Korsmeier
Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: Getty Images / Holger Thalmann
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN 978-3-641-19859-6
V002
www.arkana-verlag.de

Zum Gedenken an Wayne Dyer

Danke, Wayne, dass du nichts von deiner Musik mit in den Tod genommen hast. In der Stille unserer Herzen hören wir weiter dein Lied. Dein Leben wird für immer das anderer Menschen berühren. Du, mein Freund, wirst in alle Ewigkeit leben.

Inhalt

Einführung

1 Mythos: Du bekommst, was du verdienst

2 Mythos: Sich selbst zu lieben ist egoistisch

3 Mythos: Wahre Liebe erträgt alles

4 Mythos: Ich bin nicht okay, du bist nicht okay

5 Mythos: Unser Gesundheitswesen sorgt für unsere Gesundheit

6 Mythos: Alles nur Zufall

7 Mythos: Nach dem Tod zahlen wir für unsere Sünden

8 Mythos: Spirituelle Menschen haben kein Ego

9 Mythos: Frauen sind das schwache Geschlecht

10 Mythos: Denke immer positiv!

Nachwort

Danksagung

Als ich auf diese Welt kam,

war alles, was ich tat, zu lieben, zu lachen und mein Licht hell leuchten zu lassen.

Aber als ich heranwuchs, sagte man mir, ich solle nicht lachen.

»Du musst die Dinge ernst nehmen«, sagten sie,

»wenn du im Leben vorankommen willst.«

Also hörte ich auf zu lachen.

Sie sagten: »Pass gut auf, wen du liebst, sonst bricht dir jemand das Herz.«

Also hörte ich auf zu lieben.

Sie sagten: »Lass dein Licht nicht so hell strahlen, du ziehst viel zu viel Aufmerksamkeit auf dich.«

Also hörte ich auf zu strahlen.

Und wurde klein.

Und verkümmerte.

Und starb.

Nur um im Tod zu lernen,

dass alles, was im Leben zählt,

das Lieben, das Lachen und das Strahlen sind.

Anita Moorjani

Einführung

Was wäre, wenn Sie plötzlich wie aus heiterem Himmel die Erkenntnis träfe, dass dies hier der Himmel ist (oder das Nirwana) – unser ganz normales irdisches Leben, so wie wir es jetzt gerade führen? Ich weiß, das hört sich verrückt an. Sicher denken einige von Ihnen: Und wieso komme ich mir dann vor wie in der Hölle, wenn das hier angeblich der Himmel ist? Ich kann das gut nachvollziehen. Denn genau dieses Gefühl hatte ich auch, als ich als Kind schikaniert wurde, als man mich aufgrund meiner Hautfarbe und meiner Herkunft verspottete und diskriminierte – alles Dinge, auf die ich keinen Einfluss hatte. Und dieses Gefühl meldete sich wieder, als ich an Krebs erkrankte und jahrelang unter starken Schmerzen und Ängsten litt.

Aber spielen wir doch noch ein bisschen mit diesem Gedanken.

Was wäre, wenn der Grund, weshalb ich mein Leben so lange Zeit als Hölle empfand, einfach der war, dass ich nicht begriff, wie ungeheuer stark ich bin und welche Fähigkeiten in mir stecken? Schließlich hatte mir niemand je beigebracht, wie das Leben funktioniert. Wir bekommen bei der Geburt keine Gebrauchsanweisung mit. Das Leben war für mich tatsächlich ein ständiger Kampf. Bis ins Erwachsenenalter hinein war es von Angst geprägt. Ich glaubte, dass das Leben etwas sei, was uns widerfährt, und dass ich darin nur eine Opferrolle spielen konnte. Daher glaubte ich auch, ich könnte auf meine Lebensumstände bloß reagieren und sie nicht beeinflussen. Denn wer würde schon eine von gnadenlosem Mobbing bestimmte Kindheit für sich erfinden, die eine so erschreckend geringe Selbstachtung zur Folge hatte? Wer würde als Frau in eine Kultur hineingeboren werden wollen, die Frauen nach wie vor als mindere Wesen betrachtet? Wer würde in seinem Körper Krebs entstehen lassen, Tumoren, die ihn beinahe das Leben gekostet hätten? Natürlich war ich ein Opfer der Umstände und würde es bleiben, bis ich starb … dachte ich zumindest.

Den Großteil meiner Lebensgeschichte schildere ich in meinem ersten Buch Heilung im Licht. Es war der Bestsellerautor und Redner Dr. Wayne Dyer, der meine Geschichte an die Öffentlichkeit trug und mich ermutigte, das Buch überhaupt zu schreiben. Bis zu seinem Tod vor wenigen Monaten riet er seinen Zuhörern immer wieder, mein Buch zu lesen. Ich weiß, dass die maßgebliche Rolle, die er spielte, damit ich meine Lebensaufgabe erfüllen konnte, Teil einer göttlichen Regieanweisung war, aufgrund derer sich ein komplexeres Geschehen entfalten konnte. Ich bin voller Dankbarkeit und Demut für alles, was dank dieses Mannes in meinem Leben geschehen ist.

Als ich mein erstes Buch schrieb, hätte ich nie gedacht, dass ihm ein zweites folgen würde. Ich habe meine Geschichte aufgeschrieben, so dachte ich, mein Leben und insbesondere meine Erfahrungen mit meiner Krebserkrankung, die in einer Nahtoderfahrung gipfelte. Ich habe auch berichtet, welche Einsichten ich durch diese Erfahrung gewonnen habe. Was sollte es darüber hinaus noch zu sagen geben? Ich hatte tatsächlich geglaubt, alle interessanten Begebenheiten meines Lebens bereits erzählt zu haben.

Doch eine der verblüffendsten Einsichten, die ich meiner Nahtoderfahrung verdanke, ist, dass dieses Leben – das Leben, das wir jetzt hier auf diesem Planeten führen – der Himmel auf Erden für uns sein könnte, wenn wir nur wüssten, wie das geht und was wir tun müssen, um diesen Himmel für uns Wirklichkeit werden zu lassen. Einer der Hauptgründe, warum ich aus meiner Nahtoderfahrung in dieses Leben hier zurückgekehrt bin, war, dass ich begriffen hatte, dass der Himmel ein Zustand ist und kein Ort. Und dass ich den Himmel, der dieses Leben sein könnte, aus erster Hand erfahren wollte. Ich wollte diese erstaunliche Wahrheit leben und das Dasein voller Angst, Schmerz und Leid, das ich zuvor geführt hatte, verwandeln. Ich wollte im Himmel leben – hier und jetzt.

Rückweg mit Stolpersteinen

Während meiner Nahtoderfahrung erschien mir all das ungeheuer klar und einfach. Doch als ich versuchte, meine neugewonnenen Einsichten auf mein Leben nach der Nahtoderfahrung anzuwenden, stieß ich überall auf Hindernisse, besonders dann, wenn ich versuchte, mit anderen Menschen über diese Dinge zu sprechen. Meine Sicht der Wirklichkeit hatte sich komplett verändert. Sie vertrug sich einfach nicht mehr mit dem, was die meisten Leute für normal hielten.

Da ich wie früher dazugehören wollte, versuchte ich, die Leute, die meine Ansichten missbilligten, zufriedenzustellen. Ich musste also gut aufpassen, denn sonst hätte ich aus dem Bedürfnis nach sozialer Anerkennung erneut Stück um Stück mein wahres Selbst verleugnet und das herabgewürdigt, was ich durch mein Verweilen in der anderen Welt gelernt hatte. Jedes Mal wenn ich das zuließ, fühlte ich mich wieder kraftlos. Das herrliche Gefühl, unbesiegbar und Schöpferin meines eigenen Lebens zu sein, begann zu zerbröckeln, alte Denkmuster und Verhaltensweisen schlichen sich ein und trübten meine Wahrnehmung. Meine alten Ängste, »nicht das Richtige zu tun« oder andere zu enttäuschen, waren sofort wieder da, wenn ich den kritischen Stimmen in meinem Kopf nach dem Mund redete und nach ihrer Pfeife tanzte, statt auf mein Herz zu hören. (Sicher kennen auch Sie solche Gefühle!) Erneut ergriff die Angst von mir Besitz, und bald fing ich an, mich einsam und verlassen zu fühlen. Es schien, als sei ich ständig zwischen der Anpassung und dem Projekt »Himmel auf Erden« hin- und hergerissen.

Zur selben Zeit – durch Heilung im Licht hatte ich es zu einer gewissen Bekanntheit gebracht – erreichten mich immer mehr Briefe und E-Mails von Leuten, die meine Geschichte berührt hatte. Viele dieser Zuschriften rührten mich zu Tränen, so froh und dankbar war ich. Und zahllose Menschen schrieben, ich hätte ihnen aus der Seele gesprochen. Als hätte ich in ihren Herzen, in ihrem Geist gelesen.

Dieses überwältigende Echo kam für mich völlig unerwartet. Ich hatte nicht im Mindesten geglaubt, dass meine Geschichte so viele Menschen so tief berühren könnte. Darüber hinaus erhielt ich viele Einladungen zu Vorträgen und Interviews, sei es live in der Öffentlichkeit oder zu Radio- und Fernsehauftritten. Und nach jedem dieser Auftritte wollten die Leute noch mehr wissen! Sie stellten unzählige Fragen und wollten mehr über meine – und ihre – Geschichte erfahren. Viele waren entweder selbst krank oder hatten Freunde und Angehörige, die krank waren bzw. im Sterben lagen, andere hatten Beziehungs- oder Geldprobleme. Angesichts all dieser Schwierigkeiten wollten sie erfahren, wie sie jenes Stück Himmel, das ich kennengelernt hatte, in ihr irdisches Leben bringen konnten.

Trotz dieser ausgesprochen positiven Reaktion der Öffentlichkeit auf mein Buch spürte ich, dass ich für meine eigene Entwicklung zu einem tieferen Grad an Gewahrsein finden musste. Gerade angesichts der vielen Auftritte in der Öffentlichkeit wurde es für mich immer wichtiger, Zeit alleine zu verbringen. Sobald ich allein war, ließ ich meine Gedanken zur Ruhe kommen und versetzte mich in den Zustand, den ich während meiner Nahtoderfahrung erlebt hatte, den Zustand reiner Bewusstheit, in dem wir erkennen können, dass wir alle eins sind. In jenem Zustand konnte ich fühlen, was andere fühlten – sogar den Schmerz und den Kummer meiner Familie angesichts meines drohenden Todes –, als wäre ich selbst es, die diese Emotionen hatte. Doch jetzt empfand ich nicht mehr nur den Schmerz meiner Familie, ich fühlte den Schmerz der ganzen Welt in meinem Herzen, wenn ich die Geschichten las, von denen die Menschen mir schrieben und erzählten.

Sie wollten, dass ich in ihre Stadt, ihre Kirche, ihren Aschram oder zu ihnen nach Hause käme. Sie wollten mit mir reden. Ich wollte ihnen allen helfen, und es schmerzte mich, dass ich dazu nicht in der Lage war. Egal, mit wie vielen Leuten ich redete und wie viele Briefe ich beantwortete, es war nie genug. Es waren immer mehr Anfragen da, als ich beantworten konnte. Ich fühlte das Leid der Menschen und zugleich meinen Schmerz, dass ich nicht allen helfen konnte. An manchen Tagen war mir alles einfach zu viel. Allmählich erstarb die Freude in mir, und mir wurde bewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. Mit meinem Buch hatte ich den Leuten zeigen wollen, wie sie ihr Leben mit Freude erfüllen können, aber wie sollte ich Freude in die Welt bringen, wenn ich die meiste Zeit am Schmerz der anderen litt?

Eine neuer Weg zur Heilung

Eines Tages ging ich wieder einmal an meinem Lieblingsort spazieren – dem Strand in der Nähe meiner Wohnung. Ich setzte mich in den Sand und schaute auf den Meeresstreifen hinaus, der die Insel, auf der ich in Hongkong lebte, vom Festland trennt. Die Sonne hatte sich an jenem Tag hinter Wolken versteckt. Ich war hergekommen, um mich in den Anblick der Natur zu versenken, wie ich es immer tat, wenn mich etwas bedrückte. In der Natur und besonders am Meer kann ich die unglaubliche Verbindung, die zwischen uns und dem Universum besteht, körperlich spüren, als würde alles harmonisch ineinandergreifen, um dieses gewaltige Mosaik zu formen, das wir Leben nennen. Ganz egal, was mich beschäftigte, ich hatte immer schon das Gefühl, draußen in der Natur eine Antwort zu finden, sei es im Wispern des Windes, im Rauschen der Wellen oder im Rascheln von Zweigen und Blättern. Und so saß ich also wieder am Strand und ließ meinen Blick über das Meer und den Himmel schweifen, während ich leise mit dem Universum Zwiesprache hielt.

»Ich bin vom Tod zurückgekommen«, sagte ich. »Und was jetzt? Es bricht mir schier das Herz. Wie soll ich mit meiner mickrigen physischen Existenz all diesen Menschen und mir selbst helfen? Wäre ich in jener Welt geblieben, die sich mir während meiner Nahtoderfahrung eröffnet hat, könnte ich vielleicht mehr tun. Aber jetzt spüre ich einfach nur für jeden Menschen, dem ich nicht helfen kann, einen Stich im Herzen.«

Tränen rannen mir über das Gesicht, während ich mich in meinem Schmerz ganz dem Universum überließ und mir die Frage stellte, welchen Sinn meine Rückkehr in dieses Leben hatte. Warum nur musste ich diesen Schmerz erfahren? Und warum gab es überhaupt so viel Leid in unserer Welt?

Da vernahm ich wie aus dem Nichts ein Wispern, keine reale Stimme, eher ein Raunen, das aus dem Rauschen der Wellen zu kommen schien und in meinem Herzen widerhallte. »Erinnerst du dich an die wichtigste Botschaft, die du während deiner Nahtoderfahrung bekommen hast«, fragte die wispernde Stimme, »die Botschaft, von der du in deinem ersten Buch geschrieben hast?«

»Dass ich mich bedingungslos lieben soll«, erwiderte ich. »Dass ich, so gut ich kann, ich selbst sein soll. Dass ich mein Licht so hell wie möglich scheinen lassen soll.«

»Und das ist alles, was du tun oder sein musst. Nicht mehr. Liebe dich selbst bedingungslos, immer, und sei, wer du bist.«

»Aber wir leben doch in einer Welt, die diese Art zu denken oder zu fühlen gar nicht zulässt. So wie es aussieht, ähnelt diese Welt doch mehr der Hölle als dem Himmel«, schleuderte ich der unsichtbaren Stimme provozierend entgegen. Mein Blick ruhte auf den Wellen, die sich am anderen Ende des Strandes an den Felsen brachen. »Die Menschen in meinem Umfeld schlagen sich Tag für Tag mit einem Haufen Probleme herum. Ich begreife wirklich nicht, wie es ihnen helfen soll, wenn ich mich selbst liebe!«

»Wenn du dich selbst liebst und deinen wahren Wert kennst, dann gibt es nichts, was du nicht tun oder heilen kannst. Du hast das an dir selbst erkannt, als du entgegen allen medizinischen Vorhersagen von Krebs im Endstadium geheilt wurdest. Der Krebs verschwand, als du dir deines Wertes gewahr wurdest.«

So war es in der Tat gewesen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem man bei mir Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert hatte, war mein Leben ständig von Angst erfüllt gewesen, aber ich lernte, mich selbst zu lieben, und das hat mir das Leben gerettet. Es klang so simpel, doch warum war es so schwer, diese Botschaft anderen Menschen zu vermitteln, die sich mit dem Leben plagten? Und warum hatte ich meine Erkenntnis so schnell wieder aus den Augen verloren?

»Wir verlieren das Wissen um unsere innere Macht schnell, wenn wir von Menschen umgeben sind, die entweder nicht daran glauben oder sie nie kennengelernt haben – was mitunter auf die meisten Menschen zuzutreffen scheint«, hörte ich die Stimme sagen, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Und wenn du weiter deine Aufmerksamkeit auf die Gefühle und Wünsche anderer konzentrierst, wirst du dich wieder in der Welt der Angst verlieren, obwohl du das ja eigentlich nicht willst.

Vergiss nie: Deine einzige Aufgabe ist es, dich selbst zu lieben und wertzuschätzen sowie Selbstliebe und eigene Wertschätzung zu verkörpern, sodass du tätige Liebe sein kannst. Das ist wahrer Dienst an dir selbst und an den Menschen um dich herum. Weil du erkannt hast, wie sehr du geliebt und geschätzt wirst, bist du von deiner Krebserkrankung genesen. Das Wissen um diese Wahrheit wird dir helfen, hier auf Erden ein Stück Himmel zu schaffen. Es hilft niemandem, wenn du dich in den Problemen anderer Menschen verlierst. Die einzige Frage, die du dir stellen musst, wenn du glaubst, nicht mehr weiterzuwissen, ist: In welcher Hinsicht liebe ich mich nicht? Wie kann ich mich selbst noch mehr schätzen und würdigen?«

Das waren genau die Dinge, die ich während meiner Nahtoderfahrung gelernt hatte und die mich genesen ließen, doch es schien ganz so, als hätte ich sie wieder vergessen, weil ich mich so sehr in den Schmerz und Kummer anderer Menschen versenkt hatte. Nun saß ich da wie vom Donner gerührt, so intensiv war die augenblickliche Erfahrung gewesen. In jenem Moment hatte ich das Gefühl, den Schlüssel zu allen Fragen, die mich beschäftigten, in der Hand zu halten. Was die Wellen mir zugeraunt hatten, war so einfach und doch so tiefgründig!

Diese Erfahrung zeigte mir aber auch in aller Deutlichkeit, wie leicht es für uns ist, unsere wahre Bestimmung aus den Augen zu verlieren und uns in dem Netz an Geschichten und Widrigkeiten zu verfangen, das wir weben, um unsere Existenz zu rechtfertigen. Genau das aber geschieht mit uns, wenn wir uns auf die Glaubenssätze der Gesellschaft, in der wir leben, einlassen.

Wie elektrisiert saß ich da im Sand, während ich im Geist die Worte wiederholte, die ich eben gehört hatte: Deine einzige Aufgabe ist es, dich selbst zu lieben und wertzuschätzen sowie Selbstliebe und eigene Wertschätzung zu verkörpern, sodass du tätige Liebe sein kannst. Das ist wahrer Dienst an dir selbst und an den Menschen um dich herum.

Ich blickte wieder aufs Meer hinaus, dann schloss ich die Augen. Voller Dankbarkeit faltete ich vor dem Herzen die Hände: »Danke. Ich habe verstanden.« Dann erhob ich mich und machte mich auf den Heimweg.

Mein Leben hatte wieder einen Sinn und eine Richtung. Ich spürte ein tiefes Vertrauen in mir, dass mein Leben sich genau so entfalten würde, wie es gedacht war. Ich fühlte mich verjüngt und erneut eins mit dem Universum, und ich wusste: Solange ich mir selbst treu blieb und meine Kraftreserven wieder auflud, indem ich mir meine unverbrüchliche Verbundenheit mit dem Universum bewusst machte, solange würden sich die Dinge in der rechten Weise und zur rechten Zeit entfalten.

Worum es in diesem Buch geht

Dieses Buch entspringt dem innigen Wunsch, Freude in das Leben jener Menschen überall auf der Welt zu bringen, deren Leid ich so deutlich spüre. Finde deinen Himmel auf Erden ist mein Versuch, einige Mythen zu widerlegen, denen wir gemeinhin aufsitzen. Diese hindern uns oft daran, unser Leben in seiner ganzen Fülle zu leben, aus dem einfachen Grund, dass sie Denkmuster sind, die unsere gesamte Kultur prägen. Und so wie mein Herz wieder frei wurde, als ich am Strand im Gespräch mit dem Universum an die ungeheuer einfache Wahrheit erinnert wurde, so hoffe ich, dass auch Sie, während Sie diese Worte lesen, in Ihrem Herzen den Widerhall jener Wahrheit vernehmen, die Sie tief in Ihrem Innern schon immer gekannt haben, und dass Sie dabei dieselbe Freiheit, dieselbe Freude empfinden wie ich.

Ich glaube, dass wir zur Welt kommen mit dem Wissen, wer wir in Wahrheit sind. Doch während wir heranwachsen, lernen wir, dieses Wissen mehr und mehr zu verleugnen, weil wir versuchen, uns den Normen der Gesellschaft anzupassen. Wir suchen in der Außenwelt nach Orientierung und machen dabei die Erwartungen anderer zu unserem Maßstab. Und wenn wir diesen Erwartungen dann nicht gerecht werden, fühlen wir uns minderwertig.

Das bedeutet aber, dass die Glaubenssätze, mit denen wir durchs Leben gehen und die unser persönliches Wertesystem darstellen, samt und sonders falsch sind! Egal wie viele Workshops zur Persönlichkeitsentfaltung wir besuchen und wie viele Selbsthilfebücher wir lesen – wir suchen dabei immer nach Antworten außerhalb unser selbst. Doch das hilft uns nicht nur kein bisschen weiter, es behindert uns sogar! An den zerstörerischen Mustern ändert sich nichts, wenn wir nicht die grundlegenden Mythen zerschlagen und die Lügen entlarven, welche unsere Gedanken vergiften.

Jedes Kapitel nimmt einen Mythos, den die meisten von uns unhinterfragt hinnehmen, unter die Lupe und zeigt, wie der jeweilige Glaubenssatz in jede Ritze unseres Daseins vordringt, ohne dass uns dies bewusst ist. Zu diesem Zweck werde ich Geschichten und Beispiele aus meinem Leben erzählen und erklären, wie ich herausfand, was an diesen Mythen falsch ist und was für mich stimmt. Am Kapitelende finden Sie jeweils einen Abschnitt mit der Überschrift »Lebe deinen Himmel hier und jetzt«. Dort versuche ich Denkanstöße zu geben, durch die Sie den Bann des Mythos brechen können, damit Sie endlich aus Ihrer eigenen Wahrheit heraus leben können.

Wären die vergangenen Jahre für mich reinstes Honigschlecken gewesen, dann würde es dieses zweite Buch wahrscheinlich gar nicht geben – zumindest noch nicht jetzt. Daher möchte ich allen danken, die mich an ihrem Leben haben teilnehmen lassen und mir ihr Herz und ihre Seele geöffnet haben. Sie haben mich inspiriert, dieses Buch zu schreiben. Wir sind alle miteinander verbunden, und ich fühle, was Sie fühlen. Dieses Buch ist mein Geschenk an Sie, von Herz zu Herz.

Kapitel 1

Mythos: Du bekommst, was du verdienst

»Sambo, Sambo, kleiner schwarzer Sambo« – mit diesen Worten umtanzten mich die Kinder auf dem Schulhof. Sie machten sich über meine dunklere Hautfarbe und meinen Wuschelkopf lustig. Der »kleine schwarze Sambo«, ein dunkelhäutiger Junge aus Südindien, war die Hauptfigur eines Kinderbuchs, das wir gerade in der Schule lasen. Der gnadenlose Spott meiner Mitschüler war der Preis, den ich dafür bezahlte, eine britische Privatschule besuchen zu dürfen.

Mein Gesicht brannte vor Scham, während mein achtjähriges Selbst immer ratloser wurde. Der Reigen schloss sich um mich, und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Warum tun die das?, fragte ich mich und fühlte mich unendlich hilflos. Ich kann doch nichts dafür, wie ich aussehe! Was soll ich bloß tun? Zurückschreien? Versuchen, sie zu treten? Der Lehrerin Bescheid sagen?

Ich hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Es gab kein Entkommen. Mein Blick irrte umher und suchte die Lehrerin, die Pausenaufsicht hatte. Da war sie. Sie stand lachend auf der anderen Seite des Schulhofes bei ein paar Kindern, die gerade Fingertwist spielten und wollten, dass sie mitmachte. Sie würde mich nicht bemerken. Sie hätte mich auch gar nicht hören können bei all dem Lärm, den mehrere Hundert Kinder hier auf dem Pausenhof machten. Meine Peinigerinnen hatten wohlweislich darauf geachtet, dass die Lehrerin weit genug weg war, bevor sie anfingen, ihre Schmähungen auf mich niedergehen zu lassen.

Ich kämpfte die Tränen nieder und versuchte, den Kreis zu durchbrechen, der sich enger um mich zusammenzog. Ich versuchte, zwischen ihnen hindurchzuschlüpfen, doch sie hielten mich eingekreist und rissen an meinem Rucksack, damit ich ihnen nicht entkam: Langsam kam die steinerne Mauer des Schulgebäudes, das neben dem Pausenhof lag, immer näher.

Sechs kleine Quälgeister

Wie sehr wünschte ich mir, der Himmel möge sich mit einem Donnerkrachen auftun und einer der Superhelden aus den Fernsehserien, die ich so gerne guckte, käme angeflogen, würde die sechs Quälgeister niederstrecken und sich mit mir auf dem Arm wieder in die Lüfte erheben, während ich die Mädchen verlachte! Ehrlich gesagt hätte ich mich in dem Moment auch mit einer weniger dramatischen Rettungsaktion zufriedengegeben – zum Beispiel, dass sich eines der anderen Mädchen gegen ihre Mitschülerinnen stellte und für mich Partei ergriff. Meine Fantasie gab mir im Sekundentakt neue Wunschbilder ein, doch keines davon wurde wahr.

Und so stand ich da mit dem Rücken zur Wand, während die sechs Biester sich vor mir aufbauten. Außer diesen sechs Mädchen konnte mich niemand sehen, da sie viel größer waren als ich. Ich überlegte kurz, ob ich sie vielleicht gegen das Schienbein treten sollte, um mich zu befreien. Aber alles, was ich konnte, war, mich immer fester gegen die Mauer zu drücken, die Augen zusammenzupressen und abzuwarten, was nun Schlimmes mit mir passieren würde. Plötzlich packte das größte der sechs Mädchen, sie hieß Lynette, die Riemen meines Rucksacks und hob mich daran fast in die Luft. Ich konnte gerade noch auf meinen Zehenspitzen balancieren, während sie an den Riemen riss, mir direkt in die Augen sah und fauchte: »Gib uns dein Pausengeld, Sambo!«

Ich schluchzte nur und konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Meine Beine zitterten, als sie mich wieder losließ, damit ich das Geld hervorholte, das mir mein Vater am Morgen für Saft und etwas zu essen gegeben hatte. Gerade als ich Lynette das Geld hinhielt, läutete die Schulglocke. Lynette riss mir die Münzen aus der Hand, dann liefen sie und die anderen Mädchen in Richtung Schule, wo sie so tun würden, als wäre nichts passiert. Während sie davonrannten, gaben meine Beine nach, und ich sank zu Boden. Von Weinkrämpfen geschüttelt blieb ich dort liegen.

Schwarzer Fleck auf weißem Grund …

Als indisches Kind an einer britischen Schule zu einer Zeit, als Hongkong noch britische Kronkolonie war, war ich eher die Ausnahme. Ich kann mich noch gut an den Tag etwas früher im Jahr erinnern, als meine Mutter mit mir zum Aufnahmegespräch mit der Schuldirektorin ging – einer streng dreinblickenden Dame mit Pagenkopf. Ihr ganzes Gebaren gab mir zu verstehen, dass ich mich glücklich schätzen durfte ob der einmaligen Chance, an einem derart noblen Institut zugelassen zu werden, und dass ich für dieses Privileg dankbar zu sein hatte.

Vom ersten Tag an verspotteten mich die anderen Kinder nicht nur als »kleiner schwarzer Sambo«, sondern riefen mich auch – nach dem Protagonisten einer berühmten Kinderbuchreihe – »Golliwog«, eine Figur mit schwarzer Haut, wulstigen roten Lippen, riesigen Knopfaugen und Wuschelkopf. Da ich auch ohne viel zu lernen gute Noten schrieb, beschimpften sie mich als Streberin. Sie brachen sogar meinen Spind auf und stahlen meine Sachen – zum Beispiel meine neuen Buntstifte –, nur um mir zu zeigen, dass ich nichts dagegen machen konnte. Ich war so schüchtern, dass ich alles ohne Gegenwehr über mich ergehen ließ, was mich erst recht zur leichten Beute machte.

Manchmal setzten sie mir mit ihren Schikanen so zu, dass ich mich im Mädchenklo einschloss und bitterlich weinte. Ich erinnere mich an unzählige Nächte, in denen ich mich in den Schlaf weinte. Mir kam es vor, als wäre ich in ein tiefes schwarzes Loch gefallen, aus dem es kein Entkommen gab. Obwohl ich gute Noten hatte, hasste ich die Schule von ganzem Herzen.

Das ewige Verspottetwerden setzte mir auch deswegen so zu, weil es mir das Gefühl gab, ich hätte mich für meine dunklere Hautfarbe zu schämen. Ich war mir sicher, dass etwas an dem, was ich sagte oder tat, falsch sein musste, sonst würden sich die anderen Kinder doch nicht so benehmen. Aber ich kam einfach nicht drauf, was ich hätte anders machen können, damit mich die anderen Kinder mochten. Bald war ich zutiefst davon überzeugt, eine echte Niete zu sein.

Da ich mir so sicher war, dass all das irgendwie meine eigene Schuld war, redete ich mit niemandem darüber, weder mit meinen Lehrerinnen noch mit meinen Eltern. Vor allem wollte ich meinen Vater und meine Mutter nicht enttäuschen, die dachten, ich mache mich prächtig in der Schule. Vielleicht dachte ich auch, dass die Mädchen, die mich schikanierten, es mir erst recht heimzahlen würden, wenn ich ihr Verhalten meldete.

Dass ich obendrein aus einer Kultur kam, in der weitgehend Ungleichheit zwischen den Geschlechtern herrscht und Frauen als Bürger zweiter Klasse betrachtet werden, machte es nicht besser. Schon als junges Mädchen war ich mir dieser Ungleichheit deutlich bewusst. Dies stand zwar in keinem direkten Zusammenhang mit den Schikanen in der Schule, denn die, die mich verspotteten, waren schließlich auch Mädchen, aber es schwächte meine ohnehin geringe Selbstachtung in Situationen, in denen ich schlecht behandelt wurde, noch mehr.

Riyanas Verrat

Irgendwann im Laufe jenes Schuljahrs freundete ich mich mit einem anderen indischen Mädchen an. Sie hieß Riyana und ging in die Klasse über mir. Auch sie wurde von ihren Mitschülerinnen schikaniert, und das machte uns zu Verbündeten. Es fühlte sich toll an, endlich eine beste Freundin zu haben. Zum ersten Mal konnte ich jemand anderem alles erzählen, was mir zustieß. Wir steckten dauernd zusammen und dachten, so könnten wir uns die Bullys vom Hals halten. Die eine würde die andere verteidigen und auf sie aufpassen.

In dem weitläufigen Labyrinth der Schule mit seinen zahllosen Gängen und Nischen fanden wir geheime Verstecke, Orte, an denen wir uns sicher fühlten. Dort aßen wir unsere Pausenbrote und unser Mittagessen, weil wir wussten, dass uns dort niemand entdecken und uns etwas wegnehmen würde. Nach der Schule gingen wir zu Riyana oder zu mir und übernachteten an den Wochenenden abwechselnd bei ihr oder bei mir zu Hause. Wir waren zwei richtige Wildfänge, fuhren gern Rad, liefen Rollschuh und spielten Kricket und Fußball miteinander.

Doch eines Tages änderte sich alles schlagartig. Offensichtlich hatten sich Lynette und ihre Bande Riyana während der Pause geschnappt und ihr gedroht, sie zu verprügeln. Riyana bekam Angst und sagte, sie würde ihnen verraten, wo sie mich finden könnten, wenn sie sie dafür in Ruhe ließen. Sie benutzte mich als Faustpfand – ja, sie opferte mich gewissermaßen –, um sich selbst zu retten, und Lynette und ihre Freundinnen waren einverstanden.

Sie können sich vorstellen, wie entsetzt ich war, als Lynette und ihre Bande mich in einem unserer Lieblingsverstecke aufstöberten und ihre üblichen »Sambo, Sambo!«-Spottgesänge losließen. Doch dieser Schock war nichts im Vergleich zu dem Schreck, der mich packte, als ich sah, dass Riyana mitsang! Statt mir zu helfen und sich auf meine Seite zu stellen, hatte meine beste Freundin meine Peinigerinnen direkt zu mir geführt. Ihr Verrat war für mich tausendmal schlimmer als alles Schikaniertwerden. Diese Begebenheit gab mir mehr als alles andere das Gefühl, völlig wertlos zu sein.

Aus der Rückschau erkenne ich heute, wie sehr mich die Schikanen meiner Mitschülerinnen seelisch verwundet und im Innersten verändert haben. Am liebsten wäre ich unsichtbar geworden, um unbemerkt von anderen vor mich hin zu leben. Andere Menschen machten mir Angst, und ich achtete peinlich darauf, nicht aufzufallen. Ich hielt mich von allen schulischen Aktivitäten wie der Theatergruppe oder der Schülervertretung fern, um keinerlei Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ich kleidete mich wie die sprichwörtliche graue Maus und machte keinen der Trends mit wie die anderen Mädchen. Ich hasste jede Form von Mannschaftssport, weil ich mich darauf verlassen konnte, dass keiner mich im Team haben wollte. Aus dem gleichen Grund hasste ich Gruppenarbeit.

Obwohl meine Mutter unermüdlich versuchte, mich aus dem Schneckenhaus zu locken, blieb ich für den Großteil meiner Kinder- und Jugendjahre eine extrem schüchterne und verschlossene Einzelgängerin, weil ich das Gefühl hatte, nicht liebenswert, minderwertig, hässlich, abstoßend und wertlos zu sein. Mehr als einmal spielte ich mit dem Gedanken an Selbstmord als einzigen Ausweg. Dann werden sie schon sehen!, dachte ich damals häufig, vor allem als ich so um die dreizehn war. Die Vorstellung hatte fast schon etwas Heroisches, als würde ich mein Leben opfern für jedes einzelne Kind, das je schikaniert worden war. Meine Tat würde mit Sicherheit die Behörden auf den Plan rufen – besonders wenn ich einen Abschiedsbrief hinterließe, in dem ich die Gründe für meinen schrecklichen Entschluss erklärte. Sogar die Quälgeister würden entsetzt sein, vielleicht so entsetzt, dass sie beschlössen, sich zu bessern.

Aber schon im nächsten Moment musste ich an meine Mutter denken, die mich, wie ich wusste, über alles liebte und am Boden zerstört wäre, wenn ich mich umbrächte. Das genügte, um alle Selbstmordgedanken zu vertreiben. Stellte ich mir nur eine Sekunde lang vor, wie sie über meinen Tod trauerte, vergoss ich noch mehr Tränen. Und in all dem Wasser lösten sich auch meine Selbstmordpläne auf, noch ehe ich sie ernsthaft in Erwägung gezogen hatte.

Zudem hatte ich es bereits miterlebt, dass meine Mutter ein Kind verloren hatte. Als ich acht war, starb mein kleiner Bruder im Alter von zwei Jahren. Er litt am Down-Syndrom und war mit einem Loch in der Herzwand geboren worden. Ich werde nie vergessen, wie sehr sein Tod meinen Eltern zu schaffen machte und wie lange meine Mutter gebraucht hat, um über den Verlust hinwegzukommen. Der bloße Gedanke daran ist vermutlich der Hauptgrund, warum ich heute noch hier bin.

Teenagerängste

Als ich ins Teenageralter kam, versteckte ich meinen sich verändernden Körper unter weiten Schlabbergewändern, um nur ja keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ich ließ mir die Haare wachsen, denn hinter meiner dichten Mähne verschwinden zu können gab mir Sicherheit. Ich schlich durch die Schule in der Hoffnung, dass mich niemand bemerken würde, denn dann könnte mich auch niemand piesacken.

Während die anderen Jugendlichen miteinander herumhingen und an allen möglichen außerschulischen Aktivitäten (zum Beispiel im Sportverein) und Wochenendvergnügungen (wie Schulbällen) teilnahmen, hielt ich mich von all dem fern. Ich hatte keine Lust hinzugehen, nur um mich dann ausgeschlossen zu fühlen. Lieber ging ich nach der Schule sofort nach Hause und verbrachte meine Zeit entweder mit meiner Familie oder allein mit Lesen und Musikhören. Manchmal machten wir auch zusammen mit anderen Familien einen Ausflug, was ich immer sehr genoss. Doch nie erwähnte ich auch nur mit einem Wort, was ich in der Schule durchmachte. Das blieb mein beschämendes kleines Geheimnis.

Natürlich war nicht alles in meiner Kindheit schlimm, sondern ich erlebte viele magische und wunderbare Momente. In einer Stadt wie Hongkong mit ihren vielen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen aufzuwachsen ist eine Erfahrung, die ich um nichts in der Welt missen möchte. Doch meine Seele hatte schon Schaden genommen, und die Zeitbombe, die später einmal in meinem Leben explodieren sollte, tickte bereits.

Gewalt in der Schule hinterlässt wie jede Missbrauchserfahrung, die wir als Kinder machen, tiefe Spuren in uns. Sind wir ihr schon früh und über einen längeren Zeitraum ausgesetzt, kann diese Erfahrung dauerhaft unseren Blick aufs Leben prägen. Das Gleiche gilt für die Art und Weise, wie wir uns selbst in Bezug auf andere wahrnehmen – auch wenn die Rowdys unserer Schultage uns schon lange nicht mehr tyrannisieren. Wird ein Kind schon früh Opfer derartiger Schikanen, beeinflusst das seine Vorstellung von seinem späteren Leben. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch ich als junges Mädchen regelrecht erwartete, abgelehnt zu werden. Der Umstand, dass ich das immer wieder zuließ, spiegelt nur meine Gefühle mir selbst gegenüber wider – Gefühle, die ich noch viele, viele Jahre mit mir herumschleppen sollte.

Infolge dieser Erfahrungen wuchs ich mit dem Bewusstsein heran, dass ich mich stets besonders anstrengen musste, um mich zu beweisen – meinen Wert an sich und die Tatsache, dass ich das Gute, das meinen Weg kreuzte, tatsächlich verdiente. Diese Grundeinstellung machte mich extrem empfindlich gegenüber Kritik, die in meinem Kopf stets überdimensionale Ausmaße annahm. Die gravierendste Nebenwirkung dieser Schulhofschikanen war jedoch, dass ich immer glaubte, ich verdiente keine Anerkennung. Wenn mir also jemand seine Aufmerksamkeit schenkte, tat ich das Ganze entweder schulterzuckend ab oder überschlug mich vor Dankbarkeit. Natürlich gab ich mir dann besondere Mühe, um mich der Aufmerksamkeit als würdig zu erweisen – und machte mich damit nicht selten zum Fußabtreter anderer.

Kurz: Die Schikanen auf dem Schulhof raubten mir jedes Selbstwertgefühl.

Die Wahrheit über die Liebe erkennen

Sie können sich also mein grenzenloses Staunen vorstellen, als ich während meiner Nahtoderfahrung erkannte, dass ich nicht nur um meiner selbst willen bedingungslos geliebt wurde, sondern dass ich in Wahrheit ein schönes, herrliches und machtvolles Geschöpf des Universums war – einmalig, einzigartig und in jeder Hinsicht geschätzt. Ich musste nichts tun, um dieses Geschenkes würdig zu sein. Ich musste nicht erst säen, um die tiefe, unbegrenzte Liebe des Universums zu ernten. Ich musste nichts beweisen, nichts leisten, nichts werden. Das war ganz einfach Fakt, so wie die Sonne am Abend untergeht und am nächsten Morgen wieder am Himmel aufsteigt.

Im kristallklaren Licht der Nahtodwelt erkannte ich, dass nichts von dem, was ich in der Schule erdulden musste, etwas mit mir zu tun hatte. Diese Kinder hatten einfach ihre eigene Unsicherheit an mir ausgelassen, weil sie sich selbst ungeliebt und machtlos fühlten. Dabei liebte das Universum sie ebenso sehr wie mich. Auch sie waren schön und herrlich – doch genau wie ich wussten sie das nicht. Sie hatten ihr eigenes Gefühl der Wertlosigkeit auf mich projiziert, aber nicht weil ich das irgendwie verdient hätte, sondern nur weil sie die Möglichkeit dazu hatten.

Zu meinem Erstaunen erkannte ich auch, dass nichts von dem, was sie oder ich getan hatten, Vergebung forderte. Alle Beteiligten hatten bloß aus Unwissenheit gehandelt, nämlich so, wie es uns die Gesellschaft quasi mit der Muttermilch eingeflößt hatte – eine Gesellschaft, die ihr Wissen um das Göttliche verloren hat. Was wir als Kinder erfahren hatten, mit all seinen unschönen Seiten, war nötig, damit wir den Weg zurück zum Zustand bedingungsloser Liebe fanden.

 Lebe deinen Himmel hier und jetzt

Wenn »Du bekommst, was du verdienst« ein Mythos ist, wie könnte dann die Wahrheit aussehen?

Heilsame neue Glaubenssätze

Tipps und Übungen

Fragen zum Weiterdenken:

Ich weiß, dass ich, so wie ich bin, genüge und meinen Wert nicht unter Beweis stellen muss, wenn