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In den nächsten zwei Wochen suchte Jonathan wie verrückt nach einer erschwinglichen Wohnung. Nach mehreren erfolglosen Tagen in Brooklyn antwortete er auf eine Anzeige für eine Wohnung in der Lower East Side, die bereits vermietet war, bevor er dort ankam. Er blieb bei einem nahe gelegenen Bioladen stehen, als ein kahlköpfiger Mann mittleren Alters im hellgrauen Anzug eine Anzeige an die Pinnwand hängte. Jonathan wartete, bis er ging, las die Anzeige, riss sie von der Wand und jagte dem Mann auf der Straße hinterher.
»Hallo!«, rief er. »Entschuldigen Sie bitte!! Ich bin an der Wohnung interessiert.«
Der Mann runzelte die Stirn. »Das ging ja schnell.«
»Könnte ich sie gleich sehen?«
Der Mann zuckte die Schultern und musterte ihn von oben bis unten. Jonathan lächelte liebenswürdig.
»Okay«, sagte der Mann schließlich. »Warum nicht? Es ist eine schöne Wohnung.« In der Nähe der Ecke Avenue C steckte er den Schlüssel in die Eingangstür eines Mietshauses. Frank (»nach dem Erzbischof Franz Josef«) wies Jonathan stolz auf die Feuertreppen hin: »Entspricht alles den Vorschriften.« Sie stiegen in den zweiten Stock, wo Frank Nummer 3D öffnete und Jonathan hineinführte. Die gesamte Wohnung war dunkelrot gestrichen, mit goldenen Zierleisten, aber wenn man die Augen zusammenkniff und sich alles weiß vorstellte, war es gar nicht so übel. Das Wohnzimmer war groß und sonnig, Schlafzimmer und Küchenzeile klein, aber ausreichend, das Bad noch original schwarz-weiß gekachelt, ganz zu schweigen von den blutroten Wänden, alles in allem jedoch konnte Jonathan sein Glück kaum fassen. Eine erschwingliche, annehmbar große Zweizimmerwohnung in Manhattan? Er hätte eher damit gerechnet, ein Einhorn zu finden.
»Ist es okay, wenn ich die Wände streiche?«
»Solange Sie es ordentlich machen.«
Er nahm die Wohnung auf der Stelle, und sie besiegelten den Deal mit einem Handschlag und fünfhundert Dollar aus dem nächsten Geldautomaten.
Jonathan wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als einem Mann zu vertrauen, der nach einem Erzbischof benannt war.
»Der erste und letzte Monat müssen im Voraus bezahlt werden«, sagte Frank. »Kündigungsfrist vierundzwanzig Stunden, wenn ich die Wohnung wieder für meinen Freund brauche. Kein Vertrag. Geht das in Ordnung?«
Jonathan zögerte. »Vierundzwanzig Stunden?«
»Hören Sie.« Frank sprach langsam, wie ein Mann, der einem kleinen Kind den Lauf der Welt erklärt. »Es handelt sich um eine Ausnahmesituation.«
Eine plötzliche Eingebung ließ Jonathan ahnen, dass Franks Freund derzeit in einer von der Regierung bezahlten Unterkunft wohnte, aus der er jederzeit entlassen werden könnte. Er fragte sich, wofür der Freund wohl im Knast saß, und hoffte, dass es nicht der Mord an einem Vormieter war.
Er schloss die Augen. Mit dem Fahrrad wären es nicht mal fünfzehn Minuten zur Arbeit.
»Okay«, sagte er.
Am nächsten Tag übergab er den Rest der Kaution, und Francis Joseph übergab die Schlüssel. Jonathan konnte nicht aufhören zu lächeln. Genauso hatte er sich das Leben immer vorgestellt: stressfreie Jobs und billige Wohnungen in Manhattan, mysteriöse Deals, die ihm in den Schoß fielen, weil das Universum ihn auserwählt hatte.
Er strich alles weiß. Ins Schlafzimmer passten nur eine Doppelmatratze auf Milchkisten und eine kleine Kommode für seine Kleider, doch das störte ihn nicht. Die Matratze kaufte er bei Dream Shack um die Ecke, bei Craigslist fand er eine alte Ledercouch und eine Kinderkommode, ergatterte einen Beistelltisch aus dem Sperrmüll auf der Straße, und für die Ecke im Wohnzimmer kaufte er ein gebrauchtes Zeichenbrett. Seine Eltern schenkten ihm einen viereckigen roten Resopaltisch aus den 1950ern, wie sie gerade wieder in Mode waren, und die vorhandenen eingebauten Bücherregale boten genügend Platz für seine Comicsammlung und sein persönliches unveröffentlichtes Archiv. Es war perfekt.
Von da an erhielt er jeden Monat die Mietrechnung, geschrieben mit rotem Kugelschreiber auf liniertem Notizblockpapier. Nicht unbedingt die übliche Vorgehensweise, aber es funktionierte. Das Konto, auf das er die Miete einzahlen sollte, wechselte zwar alle paar Monate, doch solange er sich nicht persönlich mit jemandem herumschlagen musste, war ihm das recht. Wenn er schon in einer Art konspirativem Mafiahaus zur Untermiete wohnte, während Lefty Gambino seine Strafe absaß, war etwas Abstand gar nicht schlecht.
Woche um Woche rechnete er mit der Auflösung des Deals, doch am Fünfzehnten jeden Monats lag das linierte Papier im Briefkasten. Vielleicht war Lefty ja doch kein mustergültiger Häftling.
Mit der Zeit betrachtete er 3D als sein Zuhause.
Nachdem die Hunde eingezogen waren, war die Wohnung noch gemütlicher. Jonathan fragte sich, warum eigentlich alle behaupteten, ein Heim würde erst durch Pflanzen und Aquarien gemütlich, wenn doch zwei Hunde fast so etwas wie eine fertige Familie waren, nur ohne den Stress. Sissy liebte ihr weiches Bett, während Dante die Couch bevorzugte, die maximalen Komfort bot und die richtige Höhe hatte, außerdem konnte er von dort die gegenüberliegende Wohnung, auf dem Fensterbrett landende Tauben und das rege Treiben unten auf der Straße sehen.
Jonathan studierte Handbücher für Hundeerziehung. »Border Collies gehören zu den intelligentesten Hunden«, hieß es im ersten Buch. »Sie sind nur glücklich, wenn man ihnen Pflichten und Aufgaben überträgt.« Dieses Thema wurde ausführlich abgehandelt: bla, bla, Schafe, bla, bla Hüteinstinkt, und am Ende wurde daran erinnert, dass »selbst der intelligenteste Border Collie die Leitung und Unterweisung seines Besitzers sucht«. Er schaute kurz zu seinem eigenen Collie, der eher an alten Filmen interessiert war und so gut wie nicht an Leitung und Unterweisung.
Irgendetwas störte ihn an Dante. Jonathan konnte es nicht genau benennen, aber nach nur einer Woche in der Wohnung verströmte der Collie die Aura eines Chefs. Nein, nicht unbedingt eines Chefs. Eines Vorstandsvorsitzenden.
Er las weiter.
»Collies bevorzugen ein aktives Leben mit Verantwortung und Aufgabenautonomie, um ihr genetisches Schicksal zu erfüllen.«
Es beeindruckte ihn, dass Dante Aufgabenautonomie brauchen könnte, was immer das auch war, und dass er außerdem ein genetisches Schicksal hatte. Vermutlich war auch Jonathan ein genetisches Schicksal beschieden, obgleich völlig offen war, wie es aussehen könnte. Er wollte Dante helfen, sein Schicksal zu erfüllen, und auch wenn er nicht bereit war, ein echtes Schaf zu erwerben, hatte er immerhin ein batteriebetriebenes Lamm gekauft, das durch die Wohnung hoppelte und gelegentlich einen Rückwärtssalto machte. Dante starrte Jonathan nur an und blinzelte langsam.
Sissy hingegen folgte ihm mit treuherzigem Blick überallhin, lag manchmal einfach nur neben ihm und leckte ihm den Fuß. Vielleicht war das genetische Schicksal von Spaniels weniger anspruchsvoll.
Er mochte die Hunde, ihm gefiel diese junger-trendiger-Mann-mit-Hunden-Stimmung. Er mochte die Gesellschaft. Er war noch neu in New York und hatte den Eindruck, dass alle ständig zu interessanten Events rannten, Designmöbel und die richtigen Schuhe kauften, Kunstvernissagen besuchten und sich Fickfreunde hielten. Dagegen war das Leben mit Hunden fast eine Erleichterung. Sie beschäftigten ihn in seiner Freizeit und gaben ihm einen Grund, am Samstagabend zu Hause zu bleiben.
Jonathan hatte sein Leben schon immer wie einen Comicstrip gesehen, ein bisschen zweidimensional, gewiss, aber bevölkert von exzentrischen Figuren mit besonderen Talenten – manche konnten fliegen, andere wie Fische sprechen. Das unterschied ihn von Leuten, die ein Dasein wie im Fernsehen führten – normalen Leuten mit Lieblingssongs und passenden Handtüchern. Er hatte eine Wohnung, eine Freundin und einen Job, doch alles kam ihm irgendwie dürftig vor. Nur auf dem Fahrrad fühlte er sich wirklich frei: Geschwindigkeit verwandelte ihn in etwas Leichtes und Scharfes, das wie ein Samuraischwert durch die engen Höhlen New Yorks sauste.
Wie war er an diesen Punkt gekommen? Noch vor wenigen Minuten war er ein Kind gewesen, war auf dem Fahrrad zur Schule gefahren, hatte Comics gesammelt, Hausaufgaben gemacht und ferngesehen. Im Lauf der Jahre hatten sich einige Fangstricke des Erwachsenenalters in sein Leben geschlichen, ohne jedoch einschneidende Veränderungen zu hinterlassen. Das echte Erwachsenenleben schien woanders stattzufinden, weit entfernt und unerreichbar wie der Uranus. Er hatte keine Ahnung, wie andere dorthin gelangten oder warum – er fand die Anforderungen des Erwachsenseins anstrengend. Sieh doch, wie viel ich arbeite. Schau dir meine seidenglatte Freundin an. Und wie ich Geld für Essen eintausche. Bewundere meinen Blutdruck.
Er fragte sich, warum noch niemand ein Buch mit dem Titel Wie werde ich ein Mensch? geschrieben hatte.
Seine Freundin Julie beherrschte dieses Menschsein weit besser als er. Sie hatten sich kennengelernt, als sie zwanzig war und er neunzehn, und weil sie phantastisch und unabhängig war und, im Gegensatz zu ihm, nicht unorganisiert und pleite, waren seine Hoffnungen auf ein Date mit ihr ziemlich gering gewesen. Ihr erstes Treffen in einem sehr lauten Club ein paar Blocks außerhalb des Campus war so verlaufen:
JONATHAN: BIST DU NICHT IN DEM KURS
THEORIE UND PRAXIS IM GRAFIKDESIGN?
JULIE: WAS?
JONATHAN: BIST DU NICHT IN DEM KURS
THEORIE UND PRAXIS IM GRAFIKDESIGN?
JULIE: NEIN.
JONATHAN: MÖCHTEST DU TROTZDEM EINEN DRINK?
JULIE: OKAY.
Er wusste, dass sie nicht in dem Kurs war, aber etwas Besseres fiel ihm auf die Schnelle nicht ein. Sie wirkte so absolut selbstbeherrscht, als würde sie Betriebswirtschaft studieren (tat sie) und sich nur mit anderen Betriebswirtschaftsstudenten treffen (tat sie auch), was Jonathan als kolossale Verschwendung zweier äußerst organisierter und höchst motivierter Individuen empfand.
Bei ihren ersten Dates schleppte er sie in Filme mit Untertiteln und in Comicläden, zu Kunstvernissagen und Bands, in denen seine Freunde spielten. Hinterher war sie meistens verwirrt, aber sie kam gern mit einer Seite des Lebens in Berührung, die ihr keine Leistungskurven und Entwicklungsberichte abverlangte.
Julie stammte aus gediegenen Mittelwesten-Verhältnissen, die zwar nicht unbedingt streng religiös, aber durchaus christlich geprägt waren. Sie glaubte an mittelhohe Absätze, einen ordentlichen Haarschnitt und sichere Rentenfonds mehr oder weniger von Geburt an. Sie wusste, wohin sie im Leben wollte und wie sie dorthin gelangte.
Beide Freundeskreise waren völlig platt, als sie anfingen, miteinander zu gehen. »Was siehst du bloß in dem?«, fragten Julies Mitbewohnerinnen, die bisher nur ihre Vorliebe für Jungs aus ähnlichen Verhältnissen kannten, Jungs, die Khakihosen trugen und lockere Poloshirts über breiten Schultern, mit derart blondem Haar und derart normalen Gesichtszügen, dass man sie nur schwer auseinanderhalten konnte. Die meisten würden später bei Baker & McKenzie arbeiten, in mäßig teure Vororte aufstrebender mittelgroßer Städte ziehen, teure Autos anschaffen, um ihre Midlife-Crisis zu überstehen, und sich irgendwann fragen, warum ihr Leben nicht lustiger gewesen war, ehe sie vorzeitig an Herzkrankheiten starben.
Jonathan dagegen hatte eine blasse, irgendwie nervöse Art. Seine Schultern waren etwas schmal, sein Haar war widerspenstig, und sein Blick blieb immer ein wenig zu lange an scheinbar nutzlosen Dingen hängen. Sein Interesse für völlig banale Gegenstände verstörte Julie, die sich mitunter fragte, ob sie beim Anblick der Welt eigentlich dasselbe sahen. »Was ist?«, fragte sie etwa, wenn er stehen blieb und einen Türknauf oder einen Baum betrachtete. »Ach nichts«, sagte er dann, besann sich wieder und kehrte in den Strom des Lebens zurück.
Sein Anderssein faszinierte sie. Vielleicht war es ein biologischer Impuls, der sie zu genetischer Vielfalt trieb, zu einem Mann, der ganz anders war als ihr Vater, ihre Onkel, ihre Exfreunde und all die Männer, die das Schicksal für sie bestimmte, Männer, mit denen sie leben, die sie gebären, mit denen sie Grillpartys besuchen und die sie wählen sollte.
Im Gegensatz zu den Männern ihres Stamms nahm Jonathans Gesicht in den heißen Sommern des Mittelwestens keine tiefe Bräune an, und in den eisigen Schneestürmen wurde es nicht rot. Er ging nicht wie ein Mann mit großen Schritten, nannte keinen großen Geländewagen sein eigen und saß im Kino nicht mit gespreizten Beinen da.
Julies aufgeräumter Verstand ließ sich von Jonathans Anderssein still und leise erobern. Sie hatte keine Ahnung, was er als Nächstes tun oder sagen würde, und genau das erregte sie insgeheim. Als sie sich das erste Mal küssten und er mit den Gedanken offenbar völlig woanders war, erschrak sie fast, als er sich ihr plötzlich mit übermäßiger Aufmerksamkeit widmete. Sie errötete und schaute weg, sodass er ihr Gesicht zwischen seine Hände nehmen und es festhalten musste, um sie zu küssen. Seine Lippen fühlten sich fremd und fiebrig an. Und Julie, die in ihrem Leben nie sehr weit oder sehr hart gefallen war, verfiel Jonathan mit Haut und Haar. Er wiederum stellte fest, dass etwas Unerwartetes zwischen ihnen geschah und er einen kaltäugigen Raubvogel aus einem Baum gelockt hatte, der nun still und gelassen auf seiner Faust saß, und dass (bar jeglicher Logik) ihrer Verbindung ein merkwürdiger Zauber anhaftete.
In den ersten Tagen der Beziehung saß Jonathan in der Nacht da und sah ihr beim Schlafen zu, während Julie ihre Zuneigung durch teure Pullover ausdrückte, die seine uralten mottenzerfressenen Pullis ersetzten.
»Aber die sind immer noch unglaublich warm«, protestierte Jonathan.
Julie schüttelte den Kopf. »Der löst sich schon auf, Jonathan. Probier mal den an«, sagte sie und reichte ihm eine schwere Einkaufstüte, die einen wunderschönen, sorgsam in Seidenpapier eingewickelten Kaschmirpullover enthielt.
Und weil er schöne Dinge liebte, behielt er ihn und ihre anderen Geschenke; er zog sie gerne an, weil ihn die federleichte Wolle auf der Haut an sie erinnerte.
Als sich ihr Studium dem Ende näherte, führten sie lange Diskussionen über die nächsten Schritte. Jonathan, der in einem peinlichen Vorort aufgewachsen war, sehnte sich nach einer echten New York-Erfahrung, Julie hingegen war sich nicht so sicher. Der Mittelwesten war schließlich ihr Zuhause, hier lebten alle ihre Freunde. Es folgten lange Gespräche bis tief in die Nacht, Gespräche, bei denen sie Händchen haltend versuchten, sich eine Zukunft vorzustellen, die sie beide einschloss. Am Ende entschied Julie, fürs Erste zu bleiben, während Jonathan schon mal vorgehen und in New York die Lage sondieren sollte.
»Ebne du den Weg«, sagte sie und zweifelte insgeheim ziemlich an Jonathans Fähigkeit, ohne fremde Anleitung einen Weg zu ebnen.
Er hatte sich darauf gefreut, endlich zu arbeiten – die Zielstrebigkeit, die gemeinsame Anstrengung, der ganze atemlose Rausch einer beruflichen Karriere. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Trivialität des Bürolebens, die Sinnlosigkeit seiner täglichen Routine, die Sachen, die man für Geld von ihm erwartete. Die Kunden waren wie Enten, die ihm Unsinn in die Ohren quakten und seine besten Ideen zu Tode knabberten. Aber Max saß am Schreibtisch neben ihm, die anderen Kollegen waren recht nett, und trotz des wachsenden Verdachts, dass Arbeit an sich nur ein Trick war, um die Zeit zwischen Geburt und Tod auszufüllen, erledigte er seine Aufgabe mit Stolz. Er fand es schön, dass ihm jemand nach jahrelangem Hausarbeiten schreiben und Prüfungen ablegen bereitwillig ein Gehalt zahlte.
Und so lebten er und Julie sechs lange Monate getrennt. Sie hatten sich darauf geeinigt, ihre ersten Gehälter nicht für Flüge und Besuche auszugeben, sondern spätabends zu skypen und sich über tausend Meilen leeren Luftraums hinweg zu küssen.
Eines Abends rief Julie mit einer tollen Neuigkeit an. »Ich hab einen neuen Job! Im New Yorker Büro!«, sagte sie. »Und ich verdiene mehr! Freust du dich nicht?«
Natürlich freute er sich. Wer würde sich nicht freuen? Er hoffte, dass ihr seine Wohnung gefallen würde. Und die Hunde. Julie wusste von den Hunden, hatte sich aber nicht näher dazu geäußert.
»Wie lange bleiben sie?«
»Sechs Monate. Du wirst sie mögen. Es sind brave Hunde.«
Dann hatten sie das Thema gewechselt.
Insgeheim fürchtete Jonathan, dass Julie die Hunde als überflüssig und störend empfinden würde, weil sie Geld kosteten und Platz wegnahmen. Er fürchtete, dass Julie in Restaurants und Bars gehen wollte, wo Hunde nicht erlaubt waren, dass er sie tagsüber allein lassen musste, wenn er arbeitete, und dann wieder abends, wenn er mit Julie ausging.
Er skypte mit Julie, während Sissy und Dante neben ihm saßen, damit sie sich langsam kennenlernten, aber das machte alle nur mürrisch.
»Wer ist denn jetzt wer?«
»Das ist Dante«, sagte Jonathan und zeigte auf den Collie, der entschlossen die Kamera mied, »und das ist Sissy.« Er wuschelte Sissys Ohren und versuchte, sie davon abzuhalten, den Bildschirm zu lecken, worauf Julie angewidert zurückschreckte.
Von alldem erzählte er nichts seinem Bruder, in dessen Augen die Beziehung zwischen Hund und Mensch ein unkomplizierter Tanz sein sollte, getragen von gegenseitiger Zuneigung – man liebte seine Hunde, nahm sie überallhin mit und trennte sich von jeder Freundin, die sie nicht genauso liebte.
»Wo keine Hunde erlaubt sind, will man gar nicht hingehen«, hatte er zu Jonathan gesagt.
In Gedanken listete Jonathan Kinos auf, Restaurants, Clubs, Konzerte, Bars, Kaufhäuser, öffentliche Verkehrsmittel, Arbeit, Flugzeuge und Dubai; das war nur die Spitze des Eisbergs und schloss so ziemlich jeden Ort ein, wo er je hinwollen könnte.