EINLEITUNG

Meistenteils kann man die Menschen nicht respektieren,
weil die meisten Leute keinen Respekt verdienen.

Donald Trump

Im Profil – und so sahen ihn die Fernsehzuschauer an jenem Abend – erinnerte Donald Trump am ehesten an einen Gockel im Smoking. Seine Körperhaltung, die er sich in der Militärschule angewöhnt hatte, war so aufrecht und steif, als habe er einen Ladestock verschluckt. Sein Blick war konzentriert und intensiv, mit zusammengekniffenen Augen, als nehme er einen fernen Gegner ins Visier. Und mit seinem von der Stirn bis zum Nacken geschwungenen Bogen erinnerte sein berühmter Helm aus goldenem Haar an den Kamm eines Hahns der Sorte Rhode Island Red. Bei diesem Hahn soll jenes markante Signal das Interesse von weiblichen Tieren auf sich ziehen und Feinde abschrecken. Bei Trump, der 2011 beim Korrespondenten-Dinner des Weißen Hauses zwischen Bewunderern und Kritikern saß, zog die Frisur nur den Blick der Fernsehkameras auf sich. Sie fingen seine Reaktion auf den öffentlichen Spott ein, mit dem er zur Unterhaltung des Publikums überzogen wurde, sowohl von dem Comedian Seth Meyers als auch vom Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Das einzige Anzeichen, dass Trump darunter litt, zeigte sich, als Meyers volle zweieinhalb Minuten über ihn herzog. Als die Leute lachten und die Hälse reckten, um einen Blick auf Trump zu erhaschen, fixierte er den Comedian bitterböse – »Wenn Blicke töten könnten«. Sein Gesichtsausdruck blieb unbewegt und grimmig, als selbst die Dinnergäste an seinem eigenen Tisch es nicht schafften, dem allgemeinen Drang zu widerstehen, sich vor Lachen auszuschütten. Anlass für all diesen Spott gab Meyers, als er von einer Umfrage erzählte, die ergeben hatte, dass nur 38 Prozent der Amerikaner sicher waren, dass Präsident Obama in den Vereinigten Staaten geboren worden war. Da die Verfassung vorschreibt, dass der Präsident im Land geboren worden sein muss, war diese – von Verschwörungstheoretikern konstruierte – Frage ein plumper Versuch, Obama als einen »Andersartigen« darzustellen, dessen Anspruch aufs Präsidentenamt nicht legitim sei. Durch seine anhaltenden, angestrengten Bemühungen, dieses Geburtlertum (»birtherism«) zu fördern, hatte Trump sich zum Ziel von Kritikern gemacht, die meinten, solches Gerede sei spalterisch, destruktiv und womöglich eine verdeckte Form von Rassismus. Trump wies solcherlei Kritik zurück und bestand darauf, keineswegs voreingenommen zu sein, sondern vielmehr wichtige Fragen zu stellen. »Wenn es um Rassismus und Rassisten geht«, so Trump, »bin ich die am wenigsten rassistische Person, die es überhaupt gibt.«

Als er an der Reihe war, zu den Korrespondenten und ihren Gästen zu sprechen, ging der Präsident die »birthers« frontal an, aber mit bemerkenswertem Humor. Er präsentierte sogar einen Ausschnitt aus dem Zeichentrickfilm Der König der Löwen als »das offizielle Video meiner Geburt«. Dann erwähnte Obama Trump namentlich, lobte seine Führungsqualitäten als Moderator der TV-Realityshow The Apprentice (Der Lehrling), wo er »Entscheidungen treffen muss, die mir nachts den Schlaf rauben würden«. Obama fuhr fort, da ja nun das Birther-Problem geklärt sei, könne Trump »sich wieder auf die Dinge konzentrieren, die wirklich wichtig sind – zum Beispiel, ob wir vielleicht die Mondlandung gefälscht haben?« Von einem Kritiker angegriffen, der in der Statushierarchie mehrere Stufen über ihm stand, verzichtete Trump auf seinen »Killer-Blick«; stattdessen ließ er es zu, dass seine Mundwinkel sich ein winziges bisschen hoben, wodurch die Krähenfüße rings um seine Augen noch deutlicher sichtbar wurden. Er winkte dem Präsidenten zu – ja, er konnte einen Witz auf seine Kosten vertragen. Anschließend gab er sich Mühe, unbeeindruckt zu wirken und tat so, als sei es eine Leistung, die Aufmerksamkeit des Präsidenten zu gewinnen. »Ich fühlte mich tatsächlich sehr geehrt durch die Art, wie ich behandelt wurde«, sagte er. »Sie haben mich mit großem Respekt behandelt. Sie haben Witze gemacht und herumgealbert, aber ich war das Gesprächsthema, und das ist vielleicht gar nicht so schlecht.«1

In vielerlei Hinsicht ist Donald Trump seit fast vierzig Jahren ein Gesprächsthema gewesen. Niemand in der Geschäftswelt ist schon seit so langer Zeit so bekannt – weder Bill Gates noch Steve Jobs noch Warren Buffett. Sein Name, der zuerst mit publicityträchtigen Immobilienprojekten im Manhattan der Siebzigerjahre in Verbindung gebracht wurde, entwickelte sich bald zu einem Synonym für Erfolg, der sich durch Wohlstand und Luxus definierte. Der Schriftzug TRUMP, den er auf Wolkenkratzer, Casinos und Linienflugzeuge malen ließ (meist in goldenen Großbuchstaben), wurde zu einer echten persönlichen Marke, die einen einzigen Mann mit einer scheinbar endlosen Zahl von Angeboten verknüpfte. Nach und nach wurde dieses Markenzeichen auch für Hotels, Möbel, Krawatten und Fleischprodukte verwendet – also für fast alles, was man als hochwertig, teuer und erstklassig verkaufen kann.

Die Art von Klasse, die Trump bieten wollte, definierte sich nicht über sozialen Status, sondern über Geld. In seinem Eifer, sich mit seinen Angeboten an Neureiche und Möchtegerne zu wenden, ließ er diejenigen links liegen, die Mitglieder des von ihm so genannten »lucky sperm club« (sinngemäß etwa: Club der durch Geburt Privilegierten) waren. Dabei ignorierte er den Umstand, dass er selbst in eine der reichsten Familien des Landes hineingeboren worden war. Trump stellte sich als der reiche Freund eines jeden Normalbürgers dar, der Mitglieder der High Society mied – wenn er sie nicht gerade brauchte, um teure Apartments zu verkaufen. Bei solchen Gelegenheiten ließ er die Rolle des Anti-Snobs fallen und bezog sich bereitwillig auf die Astors, Whitneys, Vanderbilts und andere Mitglieder des Geldadels eines vergangenen Zeitalters. Es verstand sich jedoch von selbst, dass er diese Namen aus kommerziellem Interesse im Munde führte und sein Herz eigentlich für die Mittelklasse schlug – also für die Menschen, die seine Fernsehsendungen sahen, seine Produkte kauften und ihn vielleicht sogar wählen würden, falls er sich jemals für die Präsidentschaftskandidatur entscheiden sollte.

Nach den besten verfügbaren Daten kennen heute 96 Prozent der US-Bevölkerung den Namen »Trump«, aber die meisten mögen ihn nicht. Henry Shafer von der Firma, die Prominente mit dem »Q Score« einstuft, bezeichnet Trump als einen »Quasi-Prominenten, den zu hassen die Leute lieben«. Im Jahr 2014 hatten 61 Prozent der in Trumps Heimatstadt New York befragten Umfrageteilnehmer eine negative Meinung von ihm. Für Comedians ist er eine unwiderstehliche Zielscheibe. Jon Stewart, der ehemalige Star der jahrelang ausgestrahlten satirischen Nachrichtensendung The Daily Show, machte ihn routinemäßig zum Ziel seiner Attacken – so nannte er ihn zum Beispiel einmal »Fuckface von Clownstick«. Bekanntlich hat der Fernsehmoderator und Comedian Bill Maher Trump fünf Millionen Dollar angeboten, falls er beweisen könne, dass er nicht »das Ergebnis einer sexuellen Begegnung zwischen seiner Mutter und einem Orang-Utan« sei.2

Das Niveau der Kommentare von Stewart und Maher sagt eine Menge darüber aus, wie boshaft die Umgangsformen heutzutage geworden sind. Es fällt schwer, sich Äußerungen von Mark Twain vorzustellen, die durch solche Pieptöne zensiert werden müssten, wie sie Stewarts Tiraden begleiten. Natürlich kann es gut sein, dass Twain nie einem Menschen wie Trump begegnet ist. In seiner hämisch-aggressiven Art sucht Trump ständig nach Gelegenheiten, sich beleidigt zu fühlen und dann mit seinem vermeintlichen Gegner eine Schlammschlacht zu beginnen. Als Stewart einmal eine allgemeingehaltene spöttische Bemerkung auf Teenager-Niveau über ihn machte, antwortete Trump, als habe er sich zutiefst persönlich angegriffen gefühlt: »Wenn er so über den Dingen steht und wenn er so cool ist, warum hat er dann seinen ursprünglichen Namen Jonathan Liebowitz geändert? Er sollte stolz sein auf sein Erbe! Jon Stewart @TheDailyShow ist ein totaler Blender. Er sollte seine Herkunft in Ehren halten, nicht vor ihr davonlaufen.« Nach Mahers Kommentar reichte Trump eine Klage über fünf Millionen Dollar ein; obwohl er sie letztlich wieder zurückzog, erforderte sie die Bearbeitung durch ein Gericht, auf Kosten des Steuerzahlers, und eine Verteidigung von Maher.3

Aber selbst, als er mit seinen Kritikern wieder Frieden geschlossen zu haben schien, machten Trumps Ansichten und seine rabaukenhafte Persönlichkeit ihn bei jenen Menschen extrem beliebt, die in ihm wichtige Ideale sahen, vor allem das amerikanische Versprechen, durch großen Wohlstand repräsentierten Erfolg erreichen zu können. Dieses Image wurde noch verstärkt, als er als Gastgeber der TV-Gameshow The Apprentice auftrat und im sozialen Netzwerk Twitter sehr aktiv wurde, wo Millionen seinen Kommentaren folgten und zahlreiche Fans ihn bedrängten, sich um die US-Präsidentschaft zu bewerben.4

Trump provozierte ständig und erregte Aufmerksamkeit, indem er rohe und ungehobelte Ideen statt differenzierter Überlegungen von sich gab. Aus seiner Sicht kommt Ehrlichkeit aus jener Ecke des Herzens, die auch Beleidigungen hinausschleudert und die Welt in Freund und Feind aufteilt. In den Augen der altgedienten Klatschkolumnistin Liz Smith wird Trump häufig von dem bedürftigen Kind gesteuert, das in seiner Psyche wohnt und lieber negative Aufmerksamkeit bekommt, als völlig ignoriert zu werden. Natürlich profitiert Trump auch finanziell, wenn er diesen Teil seiner Persönlichkeit von der Leine lässt, und fürs Nachdenken oder Analysieren bringt er kaum die Geduld auf. Er redet einfach weiter und ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse, wenn er Impfungen für Kinder kritisiert oder die Fakten zum Klimawandel bestreitet.

Trump hat zeit seines langen und hyperaktiven Lebens immer wieder Tatsachen bestritten, die allgemein anerkannt sind, und sich dabei hart an den Grenzen des Anstands bewegt. Im Elternhaus, in der Schule und in der Welt von Wirtschaft und Politik hat er ständig seine Überlegenheit behauptet, kaum jemals von einem Anflug von Zweifel getrübt. Vielleicht ist nichts in der Natur unersättlicher als der Hunger dieses Mannes nach Reichtum, Macht und Ruhm. Und es ist diese Kraft, die ihn in die Lage versetzt, allerlei Spott und schmerzliche geschäftliche Rückschläge zu ertragen, sich aber immer wieder aufzurappeln und noch mehr zu wollen. In der Tat, nach den Demütigungen beim Korrespondenten-Dinner im Weißen Haus nährte Trump seinen Ehrgeiz, eine Kampagne für seine eigene Bewerbung um die US-Präsidentschaft auf die Beine zu stellen – eine echte Kampagne, nicht nur eine weitere seiner oberflächlichen Spielereien – und so das höchste Ziel anzustreben, das ein normaler Sterblicher im 21. Jahrhundert erreichen kann.

Trumps Kandidatur sollte für 2016 geplant und organisiert werden; er wollte sie seinen Unterstützern und zahlreichen Journalisten bei einer Pressekonferenz in der Lobby seines Wolkenkratzers Trump Tower in Manhattan offiziell ankündigen. Trumps Ansprache war seit vielen Wahlperioden der unkonventionellste Auftakt eines Wahlkampfs – vor allem mit seiner Behauptung, Mexiko würde scharenweise Kriminelle über die US-Grenze »schicken« – und bildete den Start eines rapiden Aufstiegs an die Spitze der Kandidatenriege der Republikanischen Partei. Fortan würde Trump über viele Wochen immer wieder seine Kritiker empören und seine Gegner verblüffen, indem er die Aufmerksamkeit der Nation mit einem ungeheuerlichen Statement nach dem anderen fesselte. Während manche Republikaner spekulierten, er sei ein Agent der Demokratischen Partei, sagten viele Liberale, Trumps Beliebtheit reflektiere die irrationalen Ängste der GOP-Parteibasis. Sie alle konnten sich jedoch darauf einigen, dass seine Fähigkeit, den Status quo zu stören, atemberaubend war in ihrer Wirksamkeit und Effizienz. Trump war, so schien es, konkurrenzlos in seiner Fähigkeit, das Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit auf sich zu ziehen und zu fesseln.

Obwohl er wie eine einzigartige und völlig moderne Figur wirkt, entstammt Donald Trump tatsächlich der langen Tradition des Landes mit ihren reichen, aber rauen Leistungsmenschen, über die Alexis de Tocqueville 1831 schrieb: »Die Liebe zum Geld ist entweder das Hauptmotiv oder der Hintergedanke bei allem, was ein Amerikaner tut.« Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren die Reichen in den Vereinigten Staaten dermaßen wohlhabend geworden, dass ihre Macht und ihr Einfluss der europäischen Aristokratie gleichkamen. Dank der massenhaften Verbreitung von Zeitungen wurden die Superreichen zu einer Quelle allgemeiner Faszination; die Presse war voll von Geschichten aus dem Alltagsleben der Carnegies, Rockefellers, Goulds und anderen, die enormes Vermögen in die Lage versetzte, einen unglaublichen Luxus zur Schau zu stellen. (Daher auch Mark Twains Bezeichnung für diese Ära, die aus seinem Buch The Gilded Age [Das vergoldete Zeitalter] stammt.) J. P. Morgan legte sich immer größere Yachten zu, die stets auf den Namen Corsair getauft und in bedrohlichem Schwarz lackiert wurden, um mit seinem ständig wachsenden Reichtum zu prahlen. Auch die Vanderbilts besaßen riesige Yachten, waren allerdings besser bekannt für ihre Villen. Im Jahr 1883 erstaunten sie das Land mit dem größten Haus, das jemals in New York City gebaut worden war. Dieser Familie gehörte außerdem ein »Ferienhaus« in Newport, das immerhin 70 Zimmer hatte und »The Breakers« genannt wurde, sowie Biltmore Estate in North Carolina mit seinen über 220 Zimmern.

Die reichen Männer dieses vergoldeten Zeitalters wussten, dass ihre Landsleute zwar das Geld liebten, aber auch die Exzesse der High Society als fremdartig und suspekt empfanden. Wilbur Fisk Crafts, ein beliebter Schriftsteller aus dieser Zeit, hat es so ausgedrückt: »Gibt es etwas Unamerikanischeres als die Gesellschaft, die wir ›High Society‹ nennen und deren aristokratisches Gebaren aus Paris und London nach New York importiert und von dort aus über die anderen großen Städte unseres Landes verbreitet wurde?« Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, sorgten die großen Männer des Landes dafür, dass die großen Bälle und Galen von der Öffentlichkeit als Sache der Damen wahrgenommen wurden, an denen sie nur teilnahmen, um ihre Frauen und Töchter zu erfreuen. In ihren Biographien und öffentlichen Äußerungen stützten sie sich auf Tugenden wie Fleiß und Entschlossenheit. Andrew Carnegie gab den Rat, dass Erfolg eher auf Motivation denn auf Talent beruhe, und John D. Rockefeller, der Gründer von Standard Oil, empfahl »Zielstrebigkeit«.

In ähnlicher Weise spielten die Führungspersönlichkeiten der Geschäfts- und Finanzwelt ihre intellektuellen Beschäftigungen und ihre gute Bildung herunter. Es war genug für einen Mann, das College besucht zu haben – wenn er das denn hatte –, aber es musste nicht sein. Wenn jemand seine Schulbildung oder sein Studium beendet hatte, tat er gut daran, über praktische Dinge zu reden und die Welt der Kunst und Literatur jenen zu überlassen, die mit dem Chaos der Geschäftswelt überfordert waren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Elbert Hubbard den Begriff »school of hard knocks« (etwa: Die harte Schule des Lebens) prägte, wurden praktische Erfahrungen und gesunder Menschenverstand weithin als ebenso gut – oder sogar besser – wie das Lernen aus Büchern angesehen. Diese Sicht der Dinge stand sowohl mit einem amerikanischen Gefühl von Gleichheit in Einklang als auch mit der immer beliebter werdenden Idee, dass das Anhäufen von Reichtümern das erfolgreiche Leben eines Menschen ausmacht.5

Über kurz oder lang brachte Amerikas erste große Ära des Reichtums zahllose Bücher hervor, die sich ums Geldverdienen drehten. Im Jahr 1914 stellte der Prediger und Schriftsteller William Woodbridge die Frage des Tages: »Was ist es, was die oberen Zehn besitzen, die unteren Zehntausend dagegen nicht?« In seinem Buch That Something (Das gewisse Etwas) ging es um eine fiktive Begegnung zwischen einem Bettler und einem Finanzier, der dem Bettler seine Visitenkarte gibt und ihm sagt, er brauche kein Essen, sondern vielmehr »jenes gewisse Etwas«, das alle erfolgreichen Männer besitzen. Der junge Bettler fühlt sich inspiriert und entdeckt den Wert von »Glaube, Selbstbewusstsein, Macht, Ehrgeiz …« – und, zu guter Letzt, die Macht seines eigenen Willens: »Den Talisman des Erfolgs«. Es sei die Willenskraft der Seele, so schrieb Woodbridge, die erkläre, warum einige wenige Männer dazu berufen seien, »auf unser aller Muskeln« getragen zu werden, wie ein Mann auf dem Rücken eines Pferdes. In einem weiteren Buch dieser Art, Letters from a Self-Made Merchant to His Son (Briefe eines Dollar-Königs an seinen Sohn), betonte der Chicagoer Fleischgroßhändler John Graham die Wichtigkeit von Persönlichkeit und Aussehen und erklärte: »Zwei Drittel deines Erfolgs sind, die Leute glauben zu machen, dass es dir gut geht.«

Während die Massen versuchten, hinter die Geheimnisse des Erfolgs zu kommen – Willenskraft? Persönlichkeit? Glaube? Selbstbewusstsein? –, gelangten einige an der Spitze zu der Überzeugung, ihr Erfolg sei von Gott gesandt oder eine Frage ihrer überlegenen Moral. John D. Rockefeller behauptete: »Gott hat mir mein Geld gegeben.« Als J. P. Morgan nach seinem Imperium gefragt wurde – das er zum großen Teil durch Aktien-Manipulationen aufgebaut hatte –, sagte er, dessen Fundament sei »Charakter«.

Das erste Gilded Age schwand in diversen Rezessionen und Börsenpaniken und verging schließlich, als es ungefähr 65 Jahre alt war, nach dem Börsencrash von 1929. Aus den Ruinen der darauffolgenden Weltwirtschaftskrise erwuchs ein sichereres Finanzsystem, ein progressiveres Steuersystem und die US-Sozialversicherung. In den nachfolgenden Jahrzehnten wuchs die Mittelklasse mit beispielloser Geschwindigkeit. Eine neue Ära des Wohlstands brach 1946 an, also dem Jahr, in dem Donald Trump geboren wurde. (Was ihn zu einem Gründungsmitglied der Babyboomer-Generation macht.) Als der Zweite Weltkrieg beendet war, lagen die wirtschaftlichen Konkurrenten der Vereinigten Staaten in Ruinen, und über zehn Millionen US-Soldaten kehrten heim, um sich wieder in einem zivilen Leben einzurichten. Als die Exportmärkte nach immer mehr Waren verlangten und die inländische Nachfrage nach Konsumgütern explodierte, begann eine goldene Ära. Millionen von heimgekehrten Soldaten gründeten Familien, die Wohnungen brauchten, und Immobilienentwickler wie Trumps Vater Fred wurden reich, indem sie sie bauten. Durch clevere Geschäftspraktiken und schiere Entschlossenheit hatte Fred es bis 1975 – dem Jahr, in dem er siebzig wurde – zu einem Vermögen von schätzungsweise 100 Millionen Dollar gebracht.6

Die goldenen Nachkriegsjahre, die es Männern wie Fred Trump ermöglicht hatten, ein finanzielles Wunder zu erleben, waren gekennzeichnet durch ein beispielloses Maß an Gleichheit, da die verschiedenen Einkommensgruppen – Ober-, Mittel- und Unterschicht – jeweils einen angemessenen Anteil der expandierenden Wirtschaft für sich beanspruchen konnten und die Einkommensunterschiede, die sie trennten, weitgehend konstant blieben. Dieser erfreuliche Zustand hielt bis zur Rezession der Jahre 197375 an. Dann ließen jahrelange wirtschaftliche Stagnation und Krisen eine konservative politische Bewegung erstarken, die entschlossen war, durch Steuersenkungen und Deregulierung das Entstehen neuer großer Vermögen zu fördern. Theoretisch sollte eine Flut des Wohlstands, die einigen wenigen zufloss, »alle Boote heben« und so die Mittelschicht retten.

Als Ronald Reagan 1980 zum Präsidenten gewählt wurde, bekamen zündelnde Konservative, was sie wollten. Washington begann die Steuersätze, die Reichen auferlegt wurden, zu senken und die Regulierungen für Industriebetriebe und Finanzinstitutionen zu lockern. Das alles wurde im Namen von Wachstum und Gerechtigkeit für die Reichen getan. Um den letzteren Punkt zu betonen, schenkte Präsident Reagans Budgetdirektor David Stockman jedem Kabinettsmitglied ein Exemplar seines neuen Lieblingsbuches Wealth and Poverty (Reichtum und Armut) von George Gilder, das die moralische Rechtfertigung für das Anhäufen großer Reichtümer verkündete. Gilder feierte die Unternehmer und verunglimpfte die Armen mit der Behauptung, »die heutigen Armen – die Weißen noch mehr als die Schwarzen – weigern sich, hart zu arbeiten«. Um Gilders Überzeugungen in praktische Politik umzusetzen, beschnitt die Reagan-Regierung soziale Programme, senkte Steuern und strebte danach, die Unternehmen von lästigen Regulierungen zu befreien. So begann das zweite Gilded Age der Vereinigten Staaten.7

Zunächst bemerkte kaum jemand, dass irgendetwas Wichtiges geschah. Anfang der Achtzigerjahre machten dem US-Normalbürger hauptsächlich zweistellige Inflationsraten und Arbeitslosenquoten um die zehn Prozent zu schaffen. Als diese Probleme allmählich zurückgingen, wurde das von vielen Beobachtern auf eine Politik zugunsten der Reichen zurückgeführt, und trotz diverser Finanzkrisen, die zumeist auf Spekulation und lasche Regulierung zurückzuführen waren, wurde das »zweite Gilded Age« erst 1990 als solches bezeichnet, als Kevin Phillips sein Buch The Politics of Rich and Poor (Die Politik von arm und reich) veröffentlichte. Phillips verkündete, über die Vereinigten Staaten sei »eine plutographische Revolution hinweggefegt, die derjenigen des späten 19. Jahrhunderts vergleichbar ist«, und obwohl er vorhersagte, dass dieser Trend früher oder später zu seinem Ende kommen würde, konnte er nicht sagen, wann das geschehen würde – bis 2015 war es jedenfalls noch nicht so weit. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gingen die Einkommen der Mittelschicht sogar zurück, und das oberste ein Prozent gewann die Kontrolle über mehr Wohlstand als die unteren 90 Prozent. Im Jahr 2014 besaßen die 500 reichsten Menschen der Welt 4,4 Billionen Dollar an Vermögenswerten. Dieser Betrag übersteigt die Summe der jährlichen Wirtschaftsleistung von Indien (Bevölkerung: 1,2 Milliarden Menschen) und Brasilien (Bevölkerung: 200 Millionen Menschen).

Wie bereits in der Vergangenheit finden große Vermögen ihren Ausdruck in großen Villen – in »Mega«- oder »Monster«-Villen – und opulenten Partys, zum Beispiel der drei Millionen Dollar teuren Geburtstagsfeier, die Investor Stephen Schwarzman sich 2007 gönnte. Erneut zeigen gigantische Yachten wirtschaftlichen Erfolg; ein hervorragendes Beispiel ist die stahlgepanzerte Rising Sun, die 2004 zu Wasser gelassen wurde. Ihre Eigner sind Larry Ellison und David Geffen. Das Schiff hat 83 Räume, einen überdachten Swimmingpool und einen Schacht für ein privates U-Boot. Im Vergleich dazu ist Donald Trumps Yacht ein bescheidener, gut 90 Meter langer, traditioneller Dampfer. Da Trump für Luxusreisen seinen Privatjet bevorzugt, verbringt er nur wenig Zeit an Bord der Trump Princess. Heutzutage ziehen private Flugzeuge, die wohlhabende Amerikaner mit Hilfe großzügiger Steuererleichterungen erwerben, mehr öffentliches Interesse auf sich. Immer häufiger staut sich der Verkehr privater Jets auf Flughäfen in der Nähe von Urlaubsorten wie East Hampton, New York, oder Aspen, Colorado, und Milliardäre versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie immer schnellere und immer luxuriösere Flugzeuge kaufen. Donald Trump machte sein Statement mit einer 100 Millionen Dollar teuren Boeing 757. Ein solches Flugzeug ist darauf ausgelegt, im Liniendienst 200 oder mehr Passagiere zu befördern; in Trumps Fall wurde es für nur 43 Personen ausgestattet, deren Sitzgurte mit vergoldeten Verschlüssen zusammenklicken.

Trumps Boeing 757, die oft am LaGuardia-Flughafen an einer Stelle geparkt wird, wo sie so auffällig ist wie ein Werbeplakat, verkündet seinen Status als reicher und erfolgreicher Mann. Kaum jemand würde heute bestreiten, dass Reichtum gleichbedeutend mit Erfolg ist. Im neuen Gilded Age haben im Jahr 2006 in einer von der Pew Organization durchgeführten Umfrage 81 Prozent der befragten Studenten, die ein College-Studium beginnen, angegeben, ihr wichtigstes Ziel im Leben sei es, reich zu werden; das ist ein ungefähr doppelt so hoher Anteil wie in den Sechzigerjahren. In derselben Umfrage antwortete über die Hälfte der Teilnehmer, eines ihrer wichtigsten Ziele sei es, berühmt zu werden. Weniger als ein Drittel gaben an, sie wollten »anderen Menschen helfen, die Hilfe brauchen«.8

Begabung und Intelligenz werden im Streben nach Erfolg nach wie vor für notwendig gehalten, aber wie schon in der Vergangenheit wird höherer Bildung und Intellektualität weit weniger Wert beigemessen. Unternehmer und Erfinder, die ihr Studium abbrachen und unglaublich erfolgreich wurden, werden bewundert. (Microsoft-Gründer Bill Gates ist einer von ihnen.) Mit noch mehr Aufmerksamkeit werden Menschen überhäuft, die nicht nur Reichtum, sondern auch großen Ruhm erlangen. Niemand hat diese Ziele in so hohem Maße erreicht wie Donald Trump, der – fast buchstäblich – zum Gesicht des modernen Erfolgs wurde.

Dutzende von Männern und Frauen, deren Vermögen um ein Vielfaches größer ist als jenes von Trump, sind außerhalb der Welt der Milliardäre völlig unbekannt. Donald Bren, Dan Duncan und Leonard Blavatnik waren im Jahr 2014 allesamt über 50 Ränge weiter oben auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt zu finden, aber sie können in jeder amerikanischen Stadt durch die Straßen gehen, ohne bemerkt oder behelligt zu werden. Trump kann nirgendwo hingehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Bemerkenswerter ist jedoch, dass seine Berühmtheit bereits seit über vier Jahrzehnten anhält, über diverse Phasen von Erfolg, Versagen, Schande und Triumph hinweg. Indem er sich in ein Problem nach dem anderen stürzt und sich mit beispielloser Unverfrorenheit äußert, hat er sich zu einem der meistzitierten Männer seiner Zeit gemacht. In den frühen Jahren seiner Bekanntheit genoss Trump so breite öffentliche Zustimmung, dass die US-Gallup-Umfrage ergab, dass er in der Liste der meistbewunderten Männer der Achtzigerjahre an siebter Stelle landete – nur der Papst, der polnische Volksheld Lech Walesa und die vier noch lebenden US-Präsidenten liefen ihm den Rang ab.

Obwohl er häufig versucht hat, seine Prominenz zu nutzen, um Einfluss auf öffentliche Angelegenheiten auszuüben, hat Trump immer wieder behauptet, dass seine Allbekanntheit auch einen echten finanziellen Wert hat. Seiner Meinung nach macht der Name Trump – wie der von Disney oder Ford – die Produkte, Leistungen und Vermögenswerte, die er auf dem Markt anbietet, wertvoller. Markennamen sind viel Geld wert. Apple ist der wertvollste Markenname der Welt, der 2013 nach einer Schätzung des Meinungsforschungsinstituts Interbrand 28 Milliarden Dollar wert war. Gleichzeitig bezifferte Interbrand den Wert der Bekleidungsmarke Gap auf 3,9 Milliarden Dollar. Der Name Trump taucht in den veröffentlichten Interbrand-Ranglisten mit wertvollen Namen nicht auf, aber in einem Schriftsatz von 2010 gab Trump an, eine unabhängige Einschätzung habe dessen Wert bei drei Milliarden Dollar angesetzt. Dieser Betrag würde seinen Namen zum wertvollsten Einzelposten in seinem Portfolio machen.9

Trump hat betont, dass seine Marke am ehesten für »Luxus« steht. Allerdings hat er sich stets Mühe gegeben, nicht als zu elitär wahrgenommen zu werden, um auch für die Massen attraktiv zu bleiben. Diese Sensibilität, die ihm gute Dienste leistete, als er Angebote für Spielsüchtige in Atlantic City machte, lässt sich zurückführen auf Trumps Vater Frederick, der sich stets »Fred« nennen ließ. Er war ein Mann, der durch die harte Schule des Lebens gegangen war und der ein privates Vermögen von über 100 Millionen Dollar anhäufte, indem er Wohnungen an Menschen aus der New Yorker Arbeiterklasse verkaufte und vermietete. Trump senior wollte, dass seine Kinder College-Abschlüsse machen. Allerdings waren ihm Intellektuelle generell suspekt, harte Arbeit bedeutete ihm mehr als alles andere. Donald Trump, ganz der Vater, entwickelte eine exquisite Kombination von Eigenschaften, die es ihm erlaubte, mit seinem Ivy-League-Abschluss zu prahlen, aber auch nach dem Vorbild des Vaters seine Ellenbogen einzusetzen, um sich gegen Konkurrenten und Gegner durchzusetzen.

Anscheinend überzeugt von der Idee, dass jede Form von Publicity gute Publicity sei, zeigte Trump eine Persönlichkeit, die praktisch nur aus dem freudschen »Es« bestand – und zwar immer –, und ein echter Ausdruck des amerikanischen Drangs war, aus Ehrgeiz ein Imperium zu formen. Er flog in seinem Trump-Hubschrauber und seinem Trump-Jet von Ort zu Ort, äußerte ungefragt seine Meinung zu allem und jedem, von Politik bis Sex, und verkündete ständig, in jeder Hinsicht überlegen zu sein. Häufig erwähnte er die vielen Menschen, die meinten, er solle sich ums Präsidentenamt bewerben, und manchmal benahm er sich, als sei er ein echter Kandidat. In einem besonders angespannten Moment des Kalten Krieges bot er sich der Welt gar als Vermittler für einen Atomwaffensperrvertrag an. Sein Argument? Nun, ein Mann, der erfolgreich Geschäfte mit Luxus-Immobilien abschließen kann, sollte auch in der Lage sein, die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion zu einer Einigung zu bringen.

Hätte er etwas mehr Humor an den Tag gelegt, hätte Donald Trump zu einem P. T. Barnum seiner Zeit werden können, der trotz seiner pompösen Art von allen geliebt wurde, weil jeder verstand, welch ein Witz er war. Aber die Zeitgenossen, die ihn mit dieser Show-Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts verglichen – die bekannter war als jeder Präsident ihrer Zeit –, lagen um einiges daneben. Trump lächelte zwar hin und wieder auf eine Art, die den Eindruck erweckte, er wisse, wie lächerlich er ist, aber es fehlte ihm Barnums sonnige Verspieltheit. Stattdessen war er oft streitlustig und manchmal richtiggehend fies. Er verklagte alle, die ihm zu nahe traten (oder drohte es an), und er erklärte, bestimmte weibliche Kritiker seien unwürdig, weil sie »grotesk« oder »fett« oder »hässlich« seien. Einmal schickte er der New York Times-Journalistin Gail Collins eine Kopie ihrer Kolumne, auf der ihr Foto eingekreist und von Hand danebengekritzelt worden war: »Das Gesicht eines Hundes!«10

Wenn man ihn zu solchem Verhalten befragt, rechtfertigt Trump es wie ein Junge, der sich prügelt und darüber klagt, der andere habe angefangen. Comedians, Politiker und andere haben sich tatsächlich über vieles an ihm lustig gemacht, von seinem Ego bis hin zu seiner extravaganten hellblonden Windkanal-Frisur. Aber seine Angewohnheit, jede kleine Spitze mit einem K.-o.-Schlag zu beantworten, zeigt eine erstaunliche Empfindlichkeit für jemanden, der verbale Gefechte so gewohnt ist. Als ein Mann, der sagt, für ihn sei Geld eine Methode, um »den Punktestand« im Leben festzuhalten, hat er sich besonders an Personen gerieben, die behauptet haben, er sei gar nicht so immens reich. Gail Collins erhielt den Hundegesicht-Zeitungsausschnitt, nachdem sie ihn als »Tausendär in finanzieller Bedrängnis« bezeichnet hatte. Als der Schriftsteller Timothy L. O’Brien ein Buch veröffentlichte, in dem er ungenannte Quellen zitierte, die Trumps Nettovermögen auf unter 250 Millionen Dollar geschätzt hatten, verklagte Trump Buchautor und Verlag und verlangte fünf Milliarden Dollar Schadensersatz. Trumps große Bekanntheit macht es schwierig für ihn, in solchen Fällen zu gewinnen, weil ihn das Gesetz als »Person des öffentlichen Lebens« nicht vor solchen Angriffen schützt. Das Gericht wies Trumps Klage ab, nachdem es zu dem Schluss gekommen war, dass Trump nicht genügend Beweise dafür geliefert hatte, dass O’Brien wusste, dass die Informationen von seinen Quellen falsch waren oder dass er ernsthafte Zweifel an ihrer Richtigkeit hatte. Aber schon das Einreichen einer Klage verursacht dem Gegner finanzielle – und womöglich auch emotionale – Schmerzen, und daran delektiert Trump sich vermutlich. Natürlich will er am liebsten gewinnen, aber ein Sieg ist nicht notwendig. »Ich habe schon immer gern gekämpft«, hat er mir in einem Gespräch über seine Jugend erzählt, »auf alle möglichen Arten, auch körperlich.«

Was soll man nur von einem erwachsenen Mann halten, der, wenn er sich mit einer Frau streitet, so tief sinkt, dass er über ihr Aussehen spottet, und der so stolz von seiner früheren Kampflust spricht? Und welchen Schluss soll man daraus ziehen, wenn derselbe Mann einer der prominentesten Menschen der Welt ist und privat so großzügig, dass er einmal einem todgeweihten Kind einen Scheck über 50 000 Dollar in die Hand gedrückt hat, damit es die letzten Monate seines Lebens genießen kann? Wenn man dieses Bild um seine Unverwüstlichkeit ergänzt, die es ihm ermöglicht hat, nach zahllosen Niederlagen immer wieder ein Comeback hinzulegen, und um seinen grenzenlosen Optimismus, erhält man eine so bezwingende Figur, dass man ihn nicht einfach wegen seiner prahlerischen Persönlichkeit abtun kann.

Tatsächlich ist Donald Trump trotz all seiner Exzesse ein perfekt an seine Zeit angepasster Mensch. Nachdem er in Tom Wolfes »Me Decade« (Ich-Jahrzehnt) der Siebzigerjahre herangewachsen war, hat er einen sehr effektiven Selbstdarsteller aus sich gemacht, in einer Stadt, in der es von solchen Leuten nur so wimmelt. In den Achtzigerjahren, als der fiktive Gordon Gekko seinen Leitspruch »Gier ist gut« verkündete, lud Trump die Presse – und durch sie die Öffentlichkeit – , ein, seinen luxuriösen Lebensstil zu beobachten und zu beneiden, den er seinem eigenen kompromisslosen Profitstreben zu verdanken hatte. Dann, nach ein paar Skandalen und sehr öffentlich ausgelebten geschäftlichen Schwierigkeiten, verbrachte er die Neunzigerjahre damit, die amerikanischste aller Leistungen ins Werk zu setzen – ein Comeback. In dieser Hinsicht hatte er eine Menge mit anderen bemerkenswerten Männern gemein, so zum Beispiel mit kompromittierten Evangelisten, dem verurteilten Anleihenhändler Michael Milken und dem aus seinem Amt enthobenen Präsidenten Bill Clinton. In den Neunzigerjahren bewiesen diese Männer, dass Bekanntheit einem Menschen helfen kann, fast jede Blamage hinter sich zu lassen.

In jeder Phase seines erwachsenen Lebens führte Trump hauptsächlich sein Immobiliengeschäft, aber im Laufe der Zeit dilettierte er nebenbei auch in allerlei anderen Aktivitäten, von Sportveranstaltungen bis hin zu Schönheitswettbewerben. Das eine stetige Element bei allen diesen Interessen war, dass er immer großen Wert auf Publicity legte, die er mit der Geschicklichkeit eines Menschen sucht, der verstanden hat, dass Berühmtheit gleich Macht ist, Reporter manchmal zu faul zum Recherchieren sind und ein glanzvolles Image die Wirklichkeit überstrahlen kann. Er avancierte von jemandem, der die Presse mit Zitaten und Interviews versorgt, zu einem Mann, der in dem 1987 erschienenen Buch Trump: The Art of the Deal (Trump: die Kunst des Erfolges) seine eigene Geschichte erzählt (mit der Hilfe eines professionellen Ghostwriters).

Auf dieses erste von Trump veröffentlichte Buch folgten über ein Dutzend weitere. Jedes von ihnen beförderte die Vorstellung, er sei brillant und erfolgreich. Auf jedem Schutzumschlag erschien sein Gesicht, was bedeutete, dass er von den Regalen in Tausenden von Buchläden und Flughafen-Zeitungskiosks in den gesamten Vereinigten Staaten hinabstrahlte. Aber die Anerkennung, die diese Bücher erzeugten, verblasste im Vergleich zu der Aufmerksamkeit, die seine häufig verkündeten politischen Ambitionen erregten. Obwohl viele politische Beobachter Trumps Bestrebungen abtaten, erzeugten seine Liebäugeleien mit einem politischen Amt wertvolle Publicity. Außerdem bereiteten seine politischen Aktivitäten Trump auf die größte Rolle seines Lebens vor – nämlich in der TV-Unterhaltungsserie The Apprentice sich selbst zu spielen.

Diese Sendung wurde zum ersten Mal 2004 ausgestrahlt, als ein neues Format, die sogenannten »Reality-Shows«, immer bessere Einschaltquoten erzielte. Diese Show war als Wettbewerb zwischen zwei Teams konzipiert, in dem es letztlich einen einzigen Gewinner geben würde, der dann einen Job bei Trump bekommen sollte. Der Höhepunkt jeder Folge war der Moment, wenn Trump verkündete: »Du bist gefeuert«, woraufhin einer oder mehrere der Teilnehmer aus dem Spiel ausscheiden mussten. The Apprentice war ein echter Hit und landete in der ersten Staffel unter den zehn beliebtesten Sendungen; die letzte Folge der Staffel wurde von beinahe 30 Millionen Zuschauern gesehen. Trumps Spruch »Du bist gefeuert« wurden zu einer solchen Sensation, dass ein Spielzeughersteller eine mit blauem Anzug und rotem Schlips angezogene Puppe kreierte und verkaufte, die auf Knopfdruck diesen Spruch aufsagt.

The Apprentice fügte Trumps langem Lebenslauf den Eintrag »Fernsehstar« hinzu und bestätigte endlich, dass er ebenso sehr Entertainer wie Geschäftsmann war. In der Sendung zeigte er sein erstaunliches Gespür für Popkultur und was es wert war, prominent zu sein. Außerdem machte sie ihn einer neuen Generation von Amerikanern bekannt. Trump stellte für sie eine Mischung aus Reichtum, Vulgarität und einem erfrischend ehrlichen Hedonismus dar. Wie die Spielfigur »Uncle Pennybags« mit ihrem Zylinderhut aus dem Brettspiel Monopoly wurde Trumps Image in den Nachrichtenmedien häufig verwendet, um zu signalisieren, dass es im folgenden Bericht um Geld, Reichtum oder Luxus ging. Das Wort »Trump« wurde zu einem Synonym für schamlosen Erfolg und unverfrorene Selbstdarstellung. Zu sagen, jemand sei »der Donald Trump« von diesem oder jenem – was ziemlich häufig passierte –, war entweder ein schmeichelhaftes Kompliment oder eine Beleidigung. Bis 2014 war Trump zu einem wandelnden Rorschachtest geworden; man konnte ihn jeweils als extremes Beispiel für Ehrgeiz, Obsession, Aggression und Unsicherheit sehen. Außerdem zeigte er sich kreativ, stark und offen. Trumps Kollegen in der Geschäftswelt berichten, er sei ehrenwert und zuverlässig, obwohl er manchmal dafür kritisiert wurde, Rechnungen verspätet zu zahlen (aber wem ist das nicht schon einmal passiert?). Mit wenigen Ausnahmen haben seine Angestellten ihn als fordernd, aber auch großzügig im Hinblick auf Bezahlung und Sonderleistungen beschrieben. In unseren Gesprächen fand ich ihn schlagfertig, witzig und charmant. Er redet wie ein Wasserfall, wenn er auch einige seiner Anekdoten schon seit Jahrzehnten wiederholt.

Trump hat auch die Vorstellung widerlegt, dass es ihm egal sei, was die Menschen von ihm halten. Seine vielen Fehden und Konflikte lassen vermuten, dass ihm viel daran liegt, wie er wahrgenommen wird und ob man ihn als Gewinner oder Verlierer sieht, als attraktiv oder abstoßend, stark oder schwach. Er sagt zwar, ihn treibe der Nervenkitzel des Wettbewerbs an, aber sein rabaukenhaftes Verhalten ist ein Zeichen dafür, dass auch noch etwas anderes ihn dazu drängt, seine Gegner zu überrennen, Punkte zu machen und Kritik beiseitezuschieben.

In seinem Büro im 26. Stock, hoch über den Straßenschluchten von Manhattan, grummelt Trump, dies werde zweifellos ein »schlechtes Buch« werden, womit er meint, dass es wahrscheinlich seine Geschichte nicht als glänzendes Beispiel eines unternehmerischen Genies erzählen wird. »Die Leute wollen inspiriert werden«, sagt er, »sie wollen aufgebaut werden. Wenn man ihnen das gibt, dann bekommt man einen Bestseller.« Aber ein »gutes Buch« liegt im Auge des Lesers, und Donald Trump ist vielleicht am wenigsten qualifiziert, um sich selbst zu beurteilen. Dennoch mag sein Gespür für das, was die Öffentlichkeit haben will, in unserer Zeit unübertroffen sein. Seit Jahrzehnten hat niemand mehr so hartnäckig wie er die Aufmerksamkeit der Nation gefesselt. Trump beginnt jeden Tag damit, einen Pressebericht zu sichten, in dem genau aufgeführt ist, wo und wie oft sein Name in der weltweiten Presse erwähnt wurde. Diese Berichte sind meist so umfangreich, dass er sie nicht wirklich durchlesen kann, aber das Gewicht des Papierstapels gibt seinem empfindlichen Ego ein Gefühl dafür, wie wichtig er an jenem Tag ist. Dieses Bedürfnis, bemerkt zu werden, und sein Drang, es zu befriedigen, macht ihn zu einer einzigartigen Figur, die genau zu betrachten sich lohnt.

Wer waren die Menschen, die ihn in seinen frühen Jahren geprägt und ihm als Erwachsenem geholfen haben? Welche Wertvorstellungen leiteten ihn durch seine berufliche und persönliche Entwicklung? Ist Donald Trump ein Produkt seiner Zeit, geprägt durch Strömungen in unserer Kultur und Wirtschaft? Und inwieweit hat er, kraft seiner verschiedenen Identitäten – Geschäftsmann, politische Nervensäge, Entertainer – unsere Gesellschaft beeinflusst? Da er zu einem Symbol für einen Satz von Idealen und Einstellungen geworden ist, habe ich, als ich mich mit Trumps Leben beschäftigte, versucht, ihn als Idee zu verstehen. Was hat es zu bedeuten, dass dieser erstaunliche Mann, der zugleich so bewundert und verabscheut wird, die bekannteste Wirtschaftspersönlichkeit unserer Tage ist? Wie konnte er so viele Menschen vor den Kopf stoßen und dabei weiterhin so viel Aufmerksamkeit auf sich lenken? Und warum finden seine Feinde es so schwierig, ihn zu ignorieren?