Michael D’Antonio
Die Wahrheit über
Donald Trump
Aus dem amerikanischen Englisch von
Bettina Engels, Norbert Juraschitz,
Karsten Petersen und
Thorsten Schmidt
Econ
Das Buch
Schon vor seiner Bewerbung als Präsidentschaftskandidat war Donald Trump in den USA eine Legende. Sein Name steht für Erfolg und unverfrorene Selbstdarstellung. Der Pulitzer-Preisträger Michael D’Antonio blickt hinter die Fassaden des Medienphänomens Trump. Für seine fundierte Biographie recherchierte er monatelang und sprach mit Trump selbst, seinen Ex-Ehefrauen und erwachsenen Kindern ebenso wie mit ehemaligen Kollegen, Lehrern und Wegbegleitern. Er zeichnet das so faszinierende wie verstörende Bild eines Mannes, der sich in jeder Hinsicht für überlegen hält und niemals genug bekommt. D‘Antonio erklärt aber auch, warum Trumps Beliebtheit bei den Wählern kein Zufall ist. Dass er Trumps Aufstieg, Fall und Comeback in den Kontext größerer gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen einordnet, macht seine Biographie auch für ein nicht-amerikanisches Publikum lesenswert.
Der Autor
Der Journalist und Autor Michael D’Antonio schrieb u.a. für Esquire, The New York Times Magazine, The Times of London Magazine und Politico. Gemeinsam mit einem Journalisten-Team von Newsday wurde er mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Mehrfach wurden seine Bücher von der amerikanischen Presse zum jeweils »besten Buch des Jahres« gekürt. D’Antonio lebt in New York.
Michael D’Antonio
Die Wahrheit über
Donald Trump
Aus dem amerikanischen Englisch von
Bettina Engels, Norbert Juraschitz,
Karsten Petersen und
Thorsten Schmidt
Econ
Die Originalausgabe erschien 2015
unter dem Titel Never Enough. Donald Trump and the Pursuit of Success
bei St. Martin’s Press, New York
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ISBN: 978-3-8437-1368-9
NEVER ENOUGH
© 2015 Michael D’Antonio
Published by arrangement with St. Martin’s Press, LL: All rights reserved.
© der deutschsprachigen Ausgabe
Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016
Covergestaltung: FHCM GRAPHICS, Berlin
Coverfoto: © Erik Tanner/Contour by Getty Images
E-Book (5): Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Für Toni
Über das Buch und den Autor
Titelseite
Impressum
Widmung
Vorwort
Einleitung
1. Die Trumps von Brooklyn, Queens und dem Klondike
2. Der kleine König
3. Der Lehrling
4. Stadt der Angst
5. Donald rettet Midtown
6. Turmbauer Trump
7. Medienstar Donald
8. Donald im Land der Spieler
9. Das Glück schwindet
10. Das Spektakel Trump
11. Der neue Trump
12. Der Kandidat Trump
13. Trump, die Fernsehshow
14. »Das Schöne an mir«
15. Ein nicht ganz Unschuldiger auf Reisen
Epilog. Donald Trump verstehen
Danksagung
Anmerkungen
Vorwort
Einleitung
1. Die Trumps von Brooklyn, Queens und dem Klondike
2. Der kleine König
3. Der Lehrling
4. Stadt der Angst
5. Donald rettet Midtown
6. Turmbauer Trump
7. Medienstar Donald
8. Donald im Land der Spieler
9. Das Glück schwindet
10. Das Spektakel Trump
11. Der neue Trump
12. Der Kandidat Trump
13. Trump, die Fernsehshow
14. »Das Schöne an mir«
15. Ein nicht ganz Unschuldiger auf Reisen
Epilog. Donald Trump verstehen
Bibliographie
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Empfehlung
Wie ein beleidigter Teenager hatte Donald Trump beschlossen, nie wieder mit mir zu reden. Nachdem wir fünf der vereinbarten sieben Interviews absolviert hatten, ließ der große Geschäftemacher unseren Deal durch einen Assistenten aufkündigen – er wollte nie wieder ein Wort mit mir wechseln. Und warum? Ich hatte mit jemandem gesprochen, den er hasst. Da ich ihn kannte, konnte mich das nicht wirklich überraschen. Don – so musste ich ihn nennen, er bestand darauf – fühlt sich gekränkt, wenn ihm jemand nicht zu Diensten steht. Und wenn er gekränkt ist, dann ist die betreffende Person für ihn gestorben, ein für alle Mal. Er hat mir einmal erzählt: »Wenn jemand etwas gegen mich unternimmt, ist er für mich gestorben. Es ist vorbei. Es gibt kein Zurück. Das ist okay. Es gibt Milliarden von Menschen auf der Welt. Du brauchst sie nicht.«
Es vergingen einige Monate, dann zeigte mein klingelndes Telefon mir einen Anruf aus dem »Trump Tower« an. Einer seiner Anwälte – von denen er eine ganze Menge beschäftigt – namens Michael Cohen war am Apparat. Er wollte das Manuskript für dieses Buch sehen, weil er davon ausging, dass es von Fehlern nur so strotzt. Er wollte mir »helfen« zu verhindern, dass ich unrichtige Informationen veröffentliche. Ich erklärte ihm, wie der Inhalt eines Buches vor seiner Veröffentlichung überprüft wird, und dass der Leser sich auf die Unabhängigkeit des Autors verlässt. Wenn ein Mensch, über den ein Buch geschrieben wird, das Recht bekäme, das Manuskript zu redigieren, könnte er genauso gut als dessen Koautor genannt werden, da er seine subjektiven Ansichten und Voreingenommenheiten einbringen würde. Bei Trump, der Gerichtsprozesse wie Waffen einsetzt, wäre außerdem damit zu rechnen, dass er mich wegen meiner Aussagen vor Gericht zerren würde.
Als Cohen allmählich klarwurde, dass er den Text nicht bekommen würde, fing er an, Fragen zu stellen. Ob in dem Buch bestimmte prominente Damen erwähnt würden? Werde darin behauptet, Trump sei ein Rassist? Als ich mich weigerte, seine Fragen zu beantworten, wurde sein Ton immer rauer und bedrohlicher, bis er sich anhörte wie der fiktive Gangster Tony Soprano aus der Serie The Sopranos, wenn auch mit Jura-Abschluss. Als Cohen schließlich erkannte, dass er nichts erreichen würde, ließ er diese Rolle wieder fallen.
»Sie wollen mir überhaupt nichts sagen«, stellte er entgeistert fest.
»Michael, das darf ich auch nicht«, antwortete ich.
Ich glaube, an dieser Stelle hat er leise in sich hineingekichert.
Nach diesem etwas kontroversen Gespräch legte Cohen nach, indem er mehrfach die Rechtsabteilung meines Verlages anrief und ihr mindestens einen Brief schickte. Irgendwann verkündete er: »Jetzt habt ihr euch eine verdammte Klage eingehandelt.« Dies war ein klassisches Trump-Manöver. In seiner gesamten Karriere hat Trump so häufig Journalisten angedroht, sie zu verklagen, dass jeder Reporter, dem er nicht mit so etwas droht, sich vernachlässigt fühlen muss. Schon bei unserem allerersten Gespräch, zwischen Small Talk und scherzhaftem Geplänkel, hatte er darüber spekuliert, dass er mich eines Tages verklagen würde.
Aber es kam zu keiner Klage, was ebenfalls nicht überraschend war. Einige Wochen später, an einem sonnigen Tag im Juni 2015, lud Cohens Boss zu einer Pressekonferenz in die Lobby des Trump Tower ein. Zur angekündigten Zeit fuhr er eine Rolltreppe hinab, etliche Stufen hinter seiner Frau Melania, und verkündete dann, er wolle sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen. Ich hatte den Verdacht, dass dies der Grund für Cohens Anruf gewesen war – er befürchtete, Trump werde unvorteilhaft dargestellt und dachte sich, zur Verteidigung könne er mich mit einer kleinen Drohung unter Druck setzen.
Solche Drohgebärden waren schon von jeher ein charakteristisches Merkmal des trumpschen Modus Operandi gewesen. Dazu gehört zum Beispiel, dass er stämmige bewaffnete Männer beschäftigt, die unübersehbar im Vorzimmer seines Büros postiert sind – sie haben nichts anderes zu tun, als ihre Muskeln spielen zu lassen und ihre Waffen zur Schau zu stellen – und ihn zu begleiten, wenn er geht. Dieses Schauspiel, das Trump seit Jahrzehnten in Szene setzt, ist vielleicht eine seiner ganz individuellen Marotten; jedenfalls ist es bei mächtigen Managern keineswegs gang und gäbe. Trump indessen macht oft und gern auf die Mitglieder seiner Sicherheitsbrigade aufmerksam und gibt damit an, wie gut sie ausgebildet seien, als frühere Polizisten und Kriminalbeamte. Damit will er natürlich erreichen, dass andere sich körperlich schwach oder gar bedroht fühlen.
Häufig lag etwas Bedrohliches in der Luft, als Trump den vielleicht bizarrsten Präsidentschaftswahlkampf führte, den Amerika jemals erlebt hat. Er zog über Immigranten ohne Aufenthaltsgenehmigung her und drohte ihnen, sie millionenweise abzuschieben. Er entrüstete sich über Muslime, denen er generell die Einreise in die USA verwehren wollte. Der Kandidat Trump war sich für kaum etwas zu schade; so retweetete er zum Beispiel eine rassistische Falschmeldung über Morde in Amerika. Laut den falschen, von einem nicht existierenden »Crime Statistic Bureau« stammenden »Daten«, waren für 81 Prozent der Morde an weißen Amerikanern schwarze Täter verantwortlich. (Tatsächlich zeigt die vom FBI veröffentlichte Kriminalstatistik für 2014, dass 82 Prozent der weißen Opfer von Gewaltverbrechen von weißen Tätern getötet wurden.) Trump verbreitete diese rassistisch motivierte Lüge nur wenige Tage nachdem ein schwarzer Protestierender ihn bei einer Wahlkampfrede in Birmingham, Alabama, unterbrochen hatte und dafür von einigen Trump-Anhängern getreten und geschlagen worden war. Trump rief ins Publikum (und meinte damit anscheinend alle und jeden): »Schafft ihn hier raus, verdammt noch mal, würdet ihr ihn bitte rausbringen? Schafft ihn raus, schmeißt ihn raus!« Einer seiner Sprecher sagte später zu CNN, das Trump-Wahlkampfteam würde »ein solches Verhalten nicht dulden«, aber Trump selbst formulierte es etwas anders: »Vielleicht hätte man ihn etwas rauer anfassen sollen, weil es absolut widerwärtig war, wie er sich verhalten hat.« Bei einem anderen Wahlkampfauftritt benutzte er sein Mikrophon, um zu kommentieren, wie ein einsamer Kritiker hinausgeführt wurde: »Die Ordner gehen sehr sanft mit ihm um«, sagte er bei dieser Gelegenheit, »ich würde ihm am liebsten eine runterhauen, mitten ins Gesicht, das kann ich euch sagen.«1
Trumps Wahlkampfreden, die er ohne Manuskript und anscheinend völlig unvorbereitet hielt, waren frei von tiefergreifenden politischen Inhalten und glichen Comedy-Auftritten für begeisterte Fans, die im Übrigen ihre Eintrittskarten kostenlos bekamen. Er verunglimpfte andere Politiker, dämonisierte Journalisten und bejubelte Umfrageergebnisse, die zeigten, dass er vor seinen Rivalen lag. Das alles und mehr lieferte er ab im Stakkato-Stil einer »insult comedy« (Beleidigungscomedy). Hier ein Auszug aus einem Bericht der Zeitung The Kansas City Star über Trumps Wahlkampfauftritt am 20. Januar 2016 in South Carolina:
Seht euch nur mal diesen Burschen Jeb Bush an. Er hat 59 Millionen Dollar für seinen Wahlkampf ausgegeben und ist so gut wie tot. Er ist erledigt. Nein, nein, denkt mal drüber nach – eigentlich muss er viel mehr ausgegeben haben. Es ist schon eine Weile her, dass es 59 Millionen waren.
Jedes Mal, wenn ich Werbung von ihm sehe, geht es darin um Trump. Und ich finde, die Werbung ist gar nicht mal schlecht. Sie ist – na ja, ihr wisst schon.
(Lachen im Publikum)
Wenn du Werbung für dich machen willst, dann mach Werbung. Aber er ist ein Mensch, der zu wenig Energie hat, das müssen wir uns klarmachen. Wir brauchen keine schlaffen Leute – wir brauchen jemanden mit viel Energie.
(Applaus)
Aber er hat – denkt nur mal drüber nach. Denkt mal drüber nach. Er hat 59 Millionen Dollar ausgegeben. Ich habe keinen Cent ausgegeben, oder? Keinen Cent.
(Applaus)
Aber ich werde jetzt anfangen, Geld auszugeben. Wahrscheinlich habt ihr schon gemerkt, dass ich jetzt Geld ausgeben werde – wir werden jetzt anfangen, eine Menge Geld auszugeben, weil ich kein Risiko eingehen will. Wisst ihr, es ist – ich liebe es, voranzukommen – und in den letzten Monaten habe ich praktisch immer vorn gelegen, seit ich meine Kandidatur angekündigt habe, oder? Und im letzten – sogar mit großem Abstand vorn gelegen. Darüber will ich reden, weil bei mir alles über Meinungsumfragen läuft. Ich liebe Umfragen. Ich liebe Umfragen.2
Trumps Kampagne, ein Spektakel von Verfälschungen, bruchstückhaften Wortfetzen und einem extrem emotional aufgeheizten Stil, trotzte den üblichen Arten politischer Analyse. Wenn er über seinen immensen Reichtum, seine überlegene Intelligenz und seine angeborene Fähigkeit sprach, bei allem und jedem zu »gewinnen«, wirkte er eher wie eine Figur aus einer Hollywood-Farce denn als legitimer Kandidat. Er setzte sein gummiartiges Gesicht ein, um Abscheu, Verärgerung, Wut und Selbstzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Und er setzte seinen Körper ein, um Aussagen zu unterstreichen, die er betonen wollte. Als er über einen Reporter sprach, der zufällig körperlich behindert war, machte er sich über ihn lustig, indem er seine Bewegungen nachäffte. Um seine Behauptung zu unterstreichen, dass ein anderer Kandidat – Marco Rubio – während einer Debatte geschwitzt hatte, verspritzte er Wasser und tat dann so, als würde er gierig aus einer Plastikflasche trinken.
Das zustimmende Gelächter und die Beifallsbekundungen, die er für seine Show mit der Wasserflasche erntete, gingen auf den Umstand zurück, dass Rubio – ein amtierender Senator der Vereinigten Staaten – mit dem ganzen Gerede über Körperflüssigkeiten begonnen hatte. Von Trump – der bereits in drei Bundesstaaten die Vorwahlen gewonnen hatte – im Wahlkampf deklassiert, übernahm Rubio im Februar 2016 dessen Stil. Bei einem seiner Auftritte erzählte er seinem Publikum, Trump habe während einer Pause bei einer im Fernsehen übertragenen Debatte »nach einem Ganzkörperspiegel verlangt … vielleicht, um sich davon zu überzeugen, dass seine Hose nicht nass ist«. So weit war der Präsidentschaftswahlkampf schon heruntergekommen: Zwei erwachsene Männer, die darüber redeten, wer wie stark geschwitzt oder sich in die Hose gemacht haben könnte. Aber dann wurde es noch schlimmer.
Als Trump und seine Rivalen um die Gunst der Wähler im tiefen Süden der Vereinigten Staaten buhlten, sagte der bekannteste Rassist der US-Politik, wenn weiße Amerikaner Trump ablehnen, sei das »ein Verrat an eurem Erbe«. David Duke ist ein ehemaliger Chef des Ku Klux Klan, einer Gruppe, die fanatisch an die Überlegenheit der weißen Rasse glaubt und in ihren diversen Inkarnationen Schwarze, Juden, Katholiken und andere Minderheiten in Schrecken versetzt und terrorisiert hat. Im Jahr 2000 hatte Trump selbst Dukes Namen erwähnt, als er die Gründe aufzählte, warum er, Trump, die Reform Party verlassen hat. (Er sagte damals, Duke sei »eine bigotte Person, ein Rassist, ein Problem«.) Als jedoch im Jahr 2016 die Vorwahlen im tiefen Süden näher rückten, schien Trump sich nicht mehr daran erinnern zu können, wer Duke ist. Er sagte außerdem, er könne das Wesen der Bewegung, die sich die Überlegenheit der weißen Rasse auf die Fahnen geschrieben habe, nicht verstehen. In einem live ausgestrahlten Interview mit CNN-Reporter Jake Tapper sagte Trump: »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden – weiße Überlegenheit oder deren Verfechter? … Also, ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht – hat der sich hinter mich gestellt oder was? Ich weiß nichts von einem David Duke; ich weiß nichts von weißer Überlegenheit und deren Verfechtern.«3
Als Trump es nicht hinbekam, ganz einfach die Unterstützung rassistischer Organisationen abzulehnen und behauptete, nichts zu wissen von einem Mann, den er zuvor als bigotte Person verdammt hatte, waren viele seiner Genossen in der Republikanischen Partei entsetzt. Paul Ryan aus Wisconsin, Sprecher des Repräsentantenhauses, sagte: »Wenn jemand zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei nominiert werden will, darf es kein Ausweichen und keine Spielchen geben. Er muss jede Gruppe und jede Sache, die sich auf Intoleranz gründet, ohne Wenn und Aber ablehnen. Unsere Partei lehnt es ab, sich die Vorurteile der Menschen zunutze machen zu wollen.« In der erhitzten Kontroverse um diese Sache wies Trump auf andere Gelegenheiten hin, bei denen er sich von Duke distanziert hatte.4
Diese Debatte löste eine Lawine an Presseberichten aus, bei denen Trump nicht gut wegkam. Dessen ungeachtet hielt er auch weiterhin Reden vor großen Menschenmengen, und am sogenannten »Super Tuesday«, an dem Vorwahlen in elf Bundesstaaten stattfinden, gewann er sieben davon. Führende Persönlichkeiten aus der politischen Mitte der Republikanischen Partei mussten sich mit dem Gedanken vertraut machen, dem polarisierendsten Kandidaten seit Jahrzehnten in die Präsidentschaftswahl im November folgen zu müssen. Sie mussten befürchten, dabei nicht nur das Rennen ums Weiße Haus zu verlieren, sondern auch die Mehrheit im Senat der Vereinigten Staaten. In dieser albtraumhaften Vision der Zukunft war es durchaus denkbar, dass die Partei selbst auseinanderbrechen und untergehen würde wie ein Schiff, das sich gegen die Gewalt einer sturmgepeitschten See nicht behaupten kann.
Trumps Wahlkampf war ein sorgfältig geplanter und durchaus erfolgreicher Versuch, die Sorgen und den Zorn verunsicherter Menschen auszunutzen, denen ein politisches System zutiefst suspekt war, das von Menschen dominiert wurde, die den Parteien riesige Wahlkampfspenden zukommen ließen.
Zu den Ängsten, die Trump für sich ausnutzte, zählten (neben anderen) die folgenden:
Trump nutzte die Wut und das Misstrauen der Menschen aus, indem er:
Die Quintessenz von Trumps Attraktivität war im Titel seines schnell zusammengestückelten Wahlkampfprogramms wiederzufinden, einem Buch mit dem Namen Crippled America: How to Make America Great Again (Verkrüppeltes Amerika: Wie wir Amerika wieder zu alter Größe führen). Bei seinen Wahlkampfveranstaltungen schwenkten die Menschen Plakate, die sich auf die Wendung »Schweigende Mehrheit« der Nixon-Ära bezogen, und die Formel »Wir müssen unser Land zurückerobern« war ein häufig zu hörender Refrain. Die implizite Botschaft war, dass Millionen von Amerikanern sich machtlos und sogar geknebelt gefühlt hatten durch eine fremde Macht, die das Land übernommen hatte – aber mit Trump hätten sie eine Stimme gefunden. Die Trump-Wählerin Patricia Aguilar aus Everett, Massachusetts, sagte der New York Times, Trump würde ausdrücken, was »die Menschen wirklich fühlen«, aber »was wir uns alle nicht zu sagen trauen«.5
Inspiriert durch Trumps Rhetorik und seinen pompösen Stil, durch den er sich von der Masse abhob, liefen die Menschen in Scharen in seine Reden und Wahlkampfauftritte. Die TV-Produzenten räumten ihm in ihren Programmen wesentlich mehr Zeit ein als den anderen Kandidaten. Wann immer er im Fernsehen auftrat, schossen die Einschaltquoten derart in die Höhe, dass Trump begann, sich über diese sprudelnde Einnahmequelle für die Fernsehsender zu beklagen. In der Online-Welt fanden sich Trump-Unterstützer zu Tausenden in Gruppen zusammen und verbreiteten Falschmeldungen und Solidaritätsbekundungen. Es tauchten mit Bildbearbeitungssoftware gefälschte Bilder von Trump-Unterstützern auf. (Eines dieser manipulierten Fotos zeigte einen schwarzen Mann, der ein T-Shirt mit einem Pro-Trump-Slogan trägt.) Manche Blogger fälschten Artikel unter den Namen etablierter Autoren, die für The Wall Street Journal und The New Yorker schreiben. Im gesetzlosen Raum des Internets wurden solche Lügen weithin für akzeptabel gehalten, und sie standen im Einklang mit Trumps eigenen Botschaften in sozialen Medien, die häufig Verunglimpfungen, Wutausbrüche und Verfälschungen enthielten. Im Online-Portal Reddit beschrieb es einer seiner Anhänger – anscheinend voller Bewunderung – so: »Er betreibt ›shitposting‹, ganz so, wie er es jeden Tag und den ganzen Tag lang macht.«6
Konventionelle Politiker verstanden nicht, dass Trump durch sein »shitposting« (Scheiße posten) seine Jünger zusammenschweißen und sie gegen den störenden Einfluss von Fakten, die von außen in die Diskussion getragen werden, immunisieren konnte. In solchen Trump-Fangruppen wurde kein Außenseiter angehört, und interne Abweichler wurden mit einer Flut beleidigender Kommentare abgestraft. Meinungsforscher und politische Strippenzieher, die blind waren für die Macht, die diesem alternativen Universum innewohnt, unterschätzten Trump monatelang. Im Juni 2015 sagte Mara Liasson vom National Public Radio: »Ich glaube, dies ist Donald Trumps größter Tag. Und von heute an wird man ihn ignorieren.« Im November sagte der angesehenste politische Jounalist des U.S. News & World Report voraus, dass »Trumps Vorsprung schrumpfen wird«, und der Meinungsforscher Nate Silver riet der Presse, »sich wieder einzukriegen«, da Trumps Stammgefolge kaum acht Prozent der Wählerschaft ausmache. Noch im Januar 2016 setzten die Buchmacher, die Wetten auf den Ausgang des Nominierungsverfahrens für den Präsidentschaftskandidaten anboten, auf Marco Rubio.7,8
Die Wahrheit über Trumps Anziehungskraft begann solchen Experten zu dämmern, als er die Vorwahlen in New Hampshire mit einem Vorsprung von fast 20 Prozent gewann. Dann kamen die Siege in South Carolina und Nevada. Am ersten Dienstag im März gewann Trump sieben von elf Vorwahlen und schien auf dem besten Weg zu seiner Nominierung zu sein. Diese Realität, die ihnen noch wenige Monate zuvor unvorstellbar erschien, war so alarmierend für das Partei-Establishment, dass sie in ein kopfloses Gerangel verfielen, um Wege zu finden, Trumps Nominierung zu verhindern. Ihre Sorge war, dass es ihm trotz der Unbeirrbarkeit seiner Hardcore-Unterstützer womöglich nicht gelingen würde, genug Wechselwähler und Demokraten auf seine Seite zu ziehen, um gegen die wahrscheinliche Kandidatin der anderen Partei, Hillary Clinton, das Rennen zu machen.
Die Führer der »Grand Old Party« (GOP, gebräuchliche Bezeichnung für die Republikanische Partei) hatten durchaus Anlass zur Sorge, weil bei einer offiziellen Wahlanalyse nach der Wahl 2012 festgestellt worden war, dass die Partei es sich mit bestimmten großen Wählergruppen – Latinos, Schwarzen, Frauen, Asiatischstämmigen und anderen – verscherzt hatte, die ausschlaggebend für den Wahlerfolg eines Kandidaten auf der nationalen Ebene sind. Je mehr Trump diese Wähler von der GOP entfremdete, desto alarmierter wurden langjährige Parteiführer, vor allem jene, die im Präsidentschaftswahlkampf des Kandidaten Mitt Romney im Jahre 2012 eine Rolle gespielt hatten. Einer von ihnen, Kevin Madden, meinte, man müsse Trumps Kandidatur als »Charakter-Lackmustest« ansehen und jeder, der ihn unterstütze, sei bei diesem Test durchgefallen. Ein anderer, Stuart Stevens, beschwor seine Parteifreunde, Hillary Clinton zu wählen, die Kandidatin der Demokratischen Partei, weil sie eine bessere Präsidentin abgeben würde. Meg Whitman, eine frühere Kandidatin für den US-Senat, hat Trump als »unehrlichen Demagogen« bezeichnet.9
Als Trump immer weiter gewann, kamen die besonneneren Mitglieder des GOP-Establishments zusammen, um ihn davon abzuhalten, der Führer ihrer Partei zu werden. Es bildete sich eine von Romney und anderen geführte Koalition unter dem Motto »Jeder, bloß nicht Trump«, um ihn entweder im weiteren Verlauf der Vorwahlen zu stoppen, oder, falls das misslingen sollte, auf dem Parteikonvent, wo die Regeln des Auswahlverfahrens für die Vereitelung seiner Kandidatur genutzt werden konnten. »Trumps charakteristisches Merkmal ist Unehrlichkeit«, sagte Romney. (Worauf Trump mit der scherzhaften Bemerkung reagierte, Romney hätte ihn, als die beiden sich 2012 begegneten, sogar oral befriedigt, um seine Unterstützung zu gewinnen.) William Kristol, der Herausgeber des konservativen Weekly Standard, sagte, er würde im Rennen ums Weiße Haus einen alternativen unabhängigen Kandidaten oder den Kandidaten einer anderen Partei unterstützen. Der GOP-Kongressabgeordnete Scott Rigell aus Virginia erklärte: »Ich sehe mich nicht nur außerstande, für ihn zu stimmen, sondern ich kann auch nicht stillsitzen und zusehen, wie er seinen Vorsprung immer weiter ausbaut.« Ganz ähnlich äußerten sich die sechzig Außenpolitik-Experten der Republikanischen Partei, viele von ihnen ehemalige Diplomaten und Berater des jeweiligen Präsidenten, die Trump als Bedrohung für das Ansehen der Vereinigten Staaten in der Welt anprangerten.10,11
Diese außenpolitischen Experten, die endlich erkannt hatten, welch ein Problem Trump für die Interessen der Vereinigten Staaten auf der weltpolitischen Bühne darstellte, bezogen ihre Informationen von den TV-Nachrichtenteams und Auslandskorrespondenten, die seit Anfang 2016 ihre Bedenken wegen Trump in meine Heimat in den Vororten von New York mitgebracht hatten. Viele von ihnen, etwa Suh Yong Ha vom Korean Broadcasting System, waren bei Trumps Wahlkampfauftritten dabei gewesen, bei denen er mit dem Finger auf Reporter gezeigt und sie als »Abschaum« bezeichnet hatte, worauf seine Unterstützer mit Buhrufen und Pfiffen reagiert hatten. Andere hatten miterlebt, wie Trump-Fans Protestierende packten und sie mit Gewalt aus solchen Veranstaltungen entfernten. In ihren Gesprächen mit mir verwendeten drei verschiedene Reporter aus Deutschland das Wort »Nazi«, um zu beschreiben, was sie in Trump sahen. Jeder Einzelne von ihnen bedrängte mich, ihm zu erklären, was hier vor sich gehe und wie dieser Mann zu verstehen sei.
Ist er ein Rassist?
Ist er geisteskrank?
Ist er böse?
Im Gegensatz zu Trump weigere ich mich, mit Plattitüden zu antworten – das ist sein Stil. Allerdings ist es durchaus möglich, Trumps Verhalten zu beobachten und dadurch zu begründeten Erkenntnissen zu kommen. Ich habe drei Jahre dafür aufgewendet, sein Privatleben, seine geschäftlichen Unternehmungen und vieles mehr zu recherchieren. Ich habe die Einflüsse und Erlebnisse ausfindig gemacht, die augenscheinlich seine Neigung erklären können, andere Menschen zu schikanieren, zu manipulieren und zu täuschen – und auch seinen Größenwahn.
Trump glaubt, das vieles von dem, was eine Persönlichkeit ausmacht, in den Genen und in der frühen Kindheit der betreffenden Person zu finden ist. Er wurde als Kind einer Mutter geboren, die süchtig nach Aufmerksamkeit war, zwanghaft auf sozialen Status achtete und so knickerig war, dass sie persönlich in die Waschkeller der trumpschen Gebäude hinunterging, um dort die Münzen aus Waschmaschinen und Trocknern einzusammeln. Außerdem war sie über ausgedehnte Zeiträume im frühen Leben des jungen Donald krank. Sein Vater Fred war zahlreichen Berichten zufolge extrem streng und fordernd, aber auch eingebildet, manipulativ und heuchlerisch. Zwei von der Regierung angestrengte Untersuchungen ergaben, dass er ständig die Gesetze beugte, um exzessive Profite aus staatlichen Programmen zu schlagen, die darauf ausgelegt waren, Kriegsveteranen und Mittelklasse-Amerikaner mit erschwinglichem Wohnraum zu versorgen.
Fred Trumps kreativste geschäftliche Aktivität war nicht etwa das Errichten seiner Nullachtfünfzehn-Wohnblocks, sondern vielmehr das Spinnen eines Firmennetzwerks, mit dem er verschleiern wollte, was er mit seinen staatlich subventionierten Finanzen anstellte. Als man ihn zur Rechenschaft zog, stand er zu seinem gierigen und unschicklichen Verhalten und bot dafür die unmoralische Erklärung an, das System habe sein Verhalten überhaupt erst ermöglicht – es sei nichts verwerflich daran, den Geist staatlich finanzierter Wohnungsbauprogramme mit den Füßen zu treten, solange es denn legal sei.
Zu Hause führte Trump senior seine Methoden und Prioritäten vor, wenn er bis spät in die Nacht seine Geschäfte machte. Einer seiner Tricks am Telefon bestand darin, seine Identität zu verleugnen – er pflegte sich als »Mr Green« zu melden –, um sich irgendeinen Vorteil über den Angerufenen zu verschaffen. Wenn er sich denn tatsächlich einmal mit seinen Sprösslingen beschäftigte, brachte er ihnen bei, sich ebenso skrupellos, ehrgeizig und aggressiv zu verhalten. Von Donald erwartete er, sowohl zu einem »Killer« als auch zum »King« zu werden. Statusgemäß wurde Donald in einer großen Limousine auf seine tägliche Routinerunde chauffiert – und so ist es kein Wunder, dass er sich zu einem streitsüchtigen, tyrannischen und körperlich aggressiven kleinen Jungen entwickelte.
Donald besuchte eine vornehme Privatschule, wo er jeden Tag ein kleines Jackett und einen Schlips tragen musste. Er störte ständig den Unterricht und war ausgesprochen aufsässig, und der Kew-Forest School gelang es nicht, ihm diese Unarten abzugewöhnen. Trump ließ sich auch durch die geistlichen Lehren nicht bändigen, die in der Marble Collegiate Church gepredigt wurden und denen er hin und wieder mit seiner Familie beiwohnte. Diese Kirchengemeinde war der Sprengel des bekannten Reverend Norman Vincent Peale, der lehrte, dass Geschäftstüchtigkeit gottgefällig sei und Ehrgeiz praktisch eine Art Gottesdienst. Peale sprach so gut wie nie von Sünde oder moralischen Pflichten; als eingefleischter Anti-Katholizist lehnte er die Bewerbung des römisch-katholischen John F. Kennedy um das Präsidentenamt zutiefst ab. Die Gefolgschaft dieses Priesters begründete so etwas wie einen Kult, der sich um die Botschaften seines Buches The Power of Positive Thinking (Die Kraft positiven Denkens) scharte.
Da so vieles von dem, was er außerhalb der Schule erlebte, ihn darin bestärkte, sich anderen Menschen überlegen zu fühlen, schikanierte Donald Trump seine Schulkameraden und Lehrer. Für die achte Klasse wurde er deswegen fortgeschickt an die weit entfernte New York Military Academy (NYMA), wo man ihn in eine Uniform steckte und in einer leerstehenden kleinen Kammer unterbrachte – fort waren die Familie und Freunde und die Opulenz der Trump-Villa, und an ihre Stelle waren ein hierarchisches System und autoritäre Disziplin getreten. Die Erwachsenen an der NYMA – viele von ihnen Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg – herrschten mit körperlicher und psychischer Brutalität; Donald hat es mir so geschildert: »Sie prügelten dir die Knochen aus dem Leib.«
Die NYMA bestätigte nicht nur, dass Tyrannei die Welt beherrscht, sondern bestärkte Trump auch in seiner Vorstellung, dass es ausschließlich auf Wettbewerb und Ehrgeiz ankommt. Sein alter Mentor in der militärischen Anstalt, »Colonel« Theodore Dobias, hat mir erzählt, dass Trump bei allem, was er tat, der Erste sein musste – auch der Erste, der in der Warteschlange vor der Essensausgabe im Speisesaal vordrängelt. Außerdem erinnert er sich, dass Donalds Vater »sehr streng mit dem Jungen umging. Er war sehr deutsch.«
Zum Corps der Kadetten an der NYMA zählten auch Söhne von Mafiabossen und Sprösslinge, deren Väter einem lateinamerikanischen Diktator dienten – aber kein einziger schwarzer oder asiatischstämmiger Schüler. In Donalds letztem Schuljahr wurden die Demütigungsrituale unter den Schülern der Abschlussklasse so schlimm, dass ein jüngerer Schüler ins Krankenhaus musste, nachdem er von einem älteren mit einer schweren Kette zusammengeschlagen worden war. Als die brutalen Umgangsformen an der Akademie öffentlich bekannt wurden, traten drei führende Offiziere an der Schule zurück.12
Nachdem er sich an der NYMA durchgesetzt hatte, ging Donald Trump ans College heran, als sei es eine Handelsschule. Jedes Wochenende fuhr er nach Haus, um im Geschäft der Familie zu lernen. Dort konnte er beobachten, wie sein Vater diverse Politiker durch Spenden für seine Zwecke einspannte und seine Beziehungen spielen ließ, um immer reicher zu werden. Während junge Männer aus armen Bevölkerungsschichten und aus Minderheiten in Vietnam kämpften und starben, konnte er sich mit einem kleinen gesundheitlichen Problem um den Militärdienst drücken. (Seine Fersenbeinsporne hinderten ihn keineswegs daran, Sport zu treiben, aber irgendwie machten sie es ihm unmöglich, als Soldat zu kämpfen.)
Nach seinem Studium am College ließ Donald sich in Manhattan nieder, wo er sich in den Niederungen von Gier, Täuschung und Verworfenheit herumtrieb. Nach eigenem Bekunden beobachtete er Orgien im Hauptquartier der Prominenz, der angesagten Diskothek Studio 54, und wurde zum Augenzeugen der in der politischen Szene von New York grassierenden Korruption. (Später äußerte er einmal, dass Gouverneur Hugh Carey für eine Wahlkampspende »alles« tun würde.) Einer von Trumps frühesten engen Kumpanen war Roy Cohn, Gangster-Advokat und politischer Mann fürs Grobe, der berüchtigt war für seine rassistischen und antisemitischen Statements (obwohl er selbst Jude war). Unter Cohns Anleitung perfektionierte Trump bald die Kunst, die Presse zu benutzen, um ein falsches Image von Erfolg aufzubauen. Mit ein bisschen Manipulation errang er das Wohlwollen der New York Times, die ihn als attraktiv und brillant darstellte, und die Produzenten der wichtigsten TV-Talkshow der Stadt wurden auf ihn aufmerksam. Die Presse brauchte gute Storys, ob sie nun ganz stimmten oder nicht, und dabei konnte es auch nicht schaden, dass Donald durchaus fotogen war.
An jeder Weggabelung sah der junge Trump, ob er nun danach Ausschau hielt oder nicht, dass jeder, der bereit war, altmodische Vorstellungen von Recht und Anstand zu missachten, sich bereichern konnte. In seinem New York der Siebzigerjahre gewährten Zeitungskolumnisten ihre Gunst gegen gewisse Gefälligkeiten, Gangster genossen eine Prominenz, die mit derjenigen von Sport-Stars vergleichbar war, und Werte wie Treue und Redlichkeit waren Relikte der Vergangenheit. Seine Welt war eine vergoldete Gosse, in der er zu der Überzeugung gelangte, dass der Mensch im Wesentlichen eine käufliche Kreatur ist. Je gieriger und egozentrischer er sich zeigte, desto mehr Menschen schien das zu gefallen. Er hatte jemanden angeheuert, um ein Buch zu schreiben, gerierte sich daraufhin als Schriftsteller, und das Buch wurde zu einem Bestseller. In aller Öffentlichkeit betrog er seine erste Frau, und im darauffolgenden Skandal wurden seine Kinder mit Spott und Verachtung überzogen. Seine Firmen machten vier massive Insolvenzen durch, und er scheiterte mit unzähligen Unternehmungen. Und zahllosen Klagen, Zeitungsreportagen und persönlichen Berichten zufolge haben er und seine Unternehmen Tausende von Investoren, Konsumenten und Unbeteiligte zu Opfern gemacht.
Und heute, im November 2016, ist Trump der neu gewählte US-Präsident, der keine Ideale kennt und der sich außer seinem Machtwillen kaum etwas verpflichtet fühlt. Ohne ein solides Fundament aus Mitgefühl und Ethos zu besitzen, macht er sich rassistischen Hass zunutze, ergeht sich in Frauenfeindlichkeit und ermutigt stillschweigend gewalttätiges Verhalten. Je näher die Wahl heranrückte, desto häufiger bestätigte sich seine abscheuliche Sicht des menschlichen Wesens. Und die wichtigen Fragen, die sich uns stellen, drehen sich nicht etwa um Trump – was in ihm lauert, ist offensichtlich. Weniger gewiss ist dagegen, was in uns selbst zu finden ist.