Cover

Warrior Cats. Die neue Prophezeiung. Bände 1-6

WARRIOR CATS

Staffel I

In die Wildnis (Bd. 1)

Feuer und Eis (Bd. 2)

Geheimnis des Waldes (Bd. 3)

Vor dem Sturm (Bd. 4)

Gefährliche Spuren (Bd. 5)

Stunde der Finsternis (Bd. 6)

Staffel II – Die neue Prophezeiung

Mitternacht (Bd. 1)

Mondschein (Bd. 2)

Morgenröte (Bd. 3)

Sternenglanz (Bd. 4)

Dämmerung (Bd. 5)

Sonnenuntergang (Bd. 6)

Staffel III – Die Macht der drei

Der geheime Blick (Bd. 1)

Fluss der Finsternis (Bd. 2)

Verbannt (Bd. 3)

Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)

Lange Schatten (Bd. 5)

Sonnenaufgang (Bd. 6)

Staffel IV – Zeichen der Sterne

Der vierte Schüler (Bd. 1)

Fernes Echo (Bd. 2)

Stimmen der Nacht (Bd. 3)

Spur des Mondes (Bd. 4)

Der verschollene Krieger (Bd. 5)

Die letzte Hoffnung (Bd. 6)

Staffel V – Der Ursprung der Clans

Der Sonnenpfad (Bd. 1)

Donnerschlag (Bd. 2)

Der erste Kampf (Bd. 3)

Der Leuchtende Stern (Bd. 4)

Der geteilte Wald (Bd. 5)

Der Sternenpfad (Bd. 6)

Special Adventure

Feuersterns Mission

Das Schicksal des WolkenClans

Blausterns Prophezeiung

Streifensterns Bestimmung

Gelbzahns Geheimnis

Riesensterns Rache

Short Adventure

Wolkensterns Reise

Distelblatts Geschichte

Die Welt der Clans

Das Gesetz der Krieger

Alle Abenteuer auch als E-Books bei Beltz & Gelberg

www.warriorcats.de

Hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS und SURVIVOR DOGS.

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BAND 1: MITTERNACHT

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TITEL

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WIDMUNG

Für Chris, Janet und Louisa Haslum

Besonderen Dank an Cherith Baldry

DIE HIERARCHIE DER KATZEN

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SCHATTENCLAN74742_KJB_Hunter_Schattenclan.jpg

WINDCLAN74742_KJB_Hunter_Windclan.jpg

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KATZEN AUSSERHALB DER CLANS

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PROLOG

Nacht lag über dem Wald. Es schien kein Mond, aber die Lichter des Sternenvlieses gossen ihren frostigen Glanz über die Bäume. Am Grund einer felsigen Senke warf ein Teich den Sternenschein zurück. Die Luft war schwer von Düften der späten Blattgrüne.

Ein sanfter Wind seufzte leise durch die Bäume und kräuselte die stille Oberfläche des Teichs. Am oberen Rand der Senke teilten sich die Farnwedel und gaben den Blick frei auf eine Kätzin. Ihr bläulich graues Fell schimmerte, als sie von Fels zu Fels vorsichtig zum Rand des Gewässers hinabstieg.

Sie setzte sich auf einen flachen Stein, der über den Teich ragte, hob den Kopf und blickte sich um. Wie auf ein Zeichen erschienen weitere Katzen. Aus allen Richtungen glitten sie hinab in die Senke, setzten sich nahe an das Wasser und starrten in den Teich, bis die unteren Hänge mit geschmeidigen Gestalten bedeckt waren.

Die Kätzin, die als Erste erschienen war, erhob sich auf die Pfoten. »Eine neue Prophezeiung ist gekommen!«, miaute sie. »Die Sterne haben ein Geschick vorausgesagt, das alles ändern wird.«

Auf der gegenüberliegenden Seite des Teichs neigte eine Katze den rotbraunen Kopf. »Ich habe das auch gesehen. Unsicherheit wird herrschen und es wird eine gewaltige Herausforderung sein.«

»Finsternis, Luft, Wasser und Himmel werden zusammentreffen und den Wald bis in seine Wurzeln erschüttern«, fuhr die erste Kätzin fort. »Nichts wird mehr sein, wie es jetzt ist oder wie es früher war.«

»Ein großer Sturm zieht auf«, miaute eine andere Stimme. Das Wort ›Sturm‹ wurde aufgegriffen, wiederholt und im Kreis weitergegeben, bis es schien, als grolle ein ferner Donner durch die Reihen der Katzen.

Das Geräusch erstarb und ein magerer Kater mit glänzendem schwarzem Fell am Uferrand sprach: »Kann denn nichts die Bedrohung abwenden? Nicht einmal der Mut und der Unternehmungsgeist des größten Kriegers?«

»Das Unheil wird kommen«, erwiderte die blaugraue Kätzin. »Aber wenn die Clans ihm wie Krieger gegenübertreten, könnten sie überleben.« Sie hob den Kopf und ließ ihren leuchtenden Blick über die Senke wandern. »Ihr habt alles gesehen, was eintreten muss«, miaute sie. »Und ihr wisst, was zu tun ist. Vier Katzen müssen auserwählt werden, die das Schicksal ihrer Clans in die Pfoten nehmen. Seid ihr bereit, vor dem gesamten SternenClan diese Wahl zu treffen?«

Als sie geendet hatte, kräuselte sich die Oberfläche des Teichs, obwohl kein Wind wehte, und glättete sich dann wieder.

Der rotbraune Kater erhob sich auf die Pfoten, silbern färbte das Sternenlicht sein Fell auf den breiten Schultern. »Ich werde beginnen«, miaute er und blickte einen hell getigerten Kater mit schiefem Kiefer neben sich an. »Streifenstern, gibst du mir die Erlaubnis, für den FlussClan zu sprechen?« Der nickte zustimmend und der rotbraune Kater fuhr fort: »Dann lade ich euch alle ein, meine Wahl zu begutachten und zu billigen.«

Er blickte ins Wasser hinab, stand so bewegungslos wie die Steine in seiner Umgebung. Eine hellgraue, undeutliche Gestalt erschien an der Oberfläche des Teichs, und alle Katzen beugten sich vor, um sie besser sehen zu können.

»Die?«, murmelte die blaugraue Kätzin und starrte die Gestalt im Wasser an. »Bist du dir sicher, Eichenherz?«

Die Schwanzspitze des rotbraunen Katers zuckte. »Ich hatte gedacht, diese Wahl würde dir gefallen, Blaustern«, miaute er belustigt. »Glaubst du nicht, dass man sie gut ausgebildet hat?«

»Sie hat eine hervorragende Ausbildung bekommen.« Blausterns Nackenfell sträubte sich, als hätte der Kater sie mit seinen Worten herausfordern wollen, dann glättete es sich wieder. »Stimmt der übrige SternenClan zu?«, fragte sie.

Billigendes Gemurmel erhob sich unter den anwesenden Katzen. Die hellgraue Gestalt wurde undeutlich, dann verschwand sie und das Wasser war wieder klar und leer.

Nun erhob sich der schwarze Kater und trottete dicht an den Teich heran. »Hier ist meine Wahl«, verkündete er. »Seht und billigt sie.«

Diesmal tauchte im Teich eine schildpattfarbene, schlanke Kätzin mit kräftigen, muskulösen Schultern auf. Blaustern betrachtete das Bild einige Augenblicke, bevor sie nickte. »Sie hat Kraft und Mut«, bestätigte sie.

»Aber Nachtstern – besitzt sie auch Treue?«, rief eine andere Katze.

Der schwarze Kater warf den Kopf herum und grub die Krallen in den Boden. »Willst du sie vielleicht treulos nennen?«

»Wenn ich das tue, gibt es Gründe dafür«, kam die Antwort zurück. »Sie ist nicht im SchattenClan geboren.«

»Dann könnte sie gerade deswegen eine gute Wahl sein«, miaute Blaustern ruhig. »Wenn die Clans jetzt nicht zusammenarbeiten, werden sie alle vernichtet. Vielleicht braucht es Katzen mit einer Pfote in zwei Clans, um zu wissen, was zu tun ist.« Sie wartete einen Augenblick, aber es erhob sich kein weiterer Widerspruch. »Stimmt der SternenClan zu?«

Nach kurzem Zögern kam billigendes Miauen von allen versammelten Katzen. Die Teichoberfläche kräuselte sich erneut und die schildpattfarbene Gestalt verschwand.

Ein weiterer schwarzer Kater stand auf und näherte sich humpelnd auf einer verkrüppelten Pfote dem Wasser. »Nun bin ich wohl an der Reihe«, krächzte er. »Seht und billigt meine Wahl.«

Die grauschwarze Gestalt, die im Teich erschien, war neben der Spiegelung des Nachthimmels schwer zu erkennen, und die Katzen betrachteten sie eine Weile schweigend.

»Was?«, rief der rotbraune Kater schließlich. »Das ist ja noch ein Schüler!«

»Danke, das war mir auch schon aufgefallen, Eichenherz«, miaute der schwarze Kater trocken.

»Lahmfuß, du kannst doch nicht einen Schüler in eine solche Gefahr schicken«, rief eine Katze aus dem Hintergrund.

»Er mag noch Schüler sein«, entgegnete Lahmfuß, »aber an Mut und Geschicklichkeit kommt er manchem Krieger gleich. Eines Tages könnte er ein großartiger Anführer des WindClans werden.«

»Eines Tages ist nicht jetzt«, erklärt Blaustern. »Und die Qualitäten eines Anführers sind nicht notwendigerweise die, welche die Clans jetzt für ihre Rettung brauchen. Möchtest du nicht eine andere Wahl treffen?«

Lahmfuß peitschte mit dem Schwanz und sein Nackenfell sträubte sich, wütend funkelte er Blaustern an. »Dies ist meine Wahl«, rief er. »Wagst du – oder wagt es irgendeine andere Katze – zu behaupten, dass er es nicht verdient?«

»Was sagt ihr?« Blausterns Blick schweifte über den Kreis der Katzen. »Stimmt der SternenClan zu? Denkt daran, dass alle Clans verloren sind, falls eine der von uns auserwählten Katzen schwach wird oder versagt.«

Anstelle eines zustimmenden Gemurmels raunten die Katzen untereinander in kleinen Gruppen und warfen beunruhigte Blicke auf die Gestalt im Teich und den Kater daneben. Lahmfuß starrte mit wütenden Augen zurück, sein Fell war gesträubt, sodass er doppelt so groß wirkte wie sonst. Er schien bereit zu sein, es mit jeder Katze aufzunehmen, die ihn herausforderte.

Schließlich verstummte das Raunen und Blaustern fragte erneut: »Stimmt der Clan zu?« Die Billigung erfolgte, aber leise und zögerlich und ein paar Katzen blieben stumm. Lahmfuß stieß ein übellauniges Knurren aus, machte kehrt und humpelte auf seinen Platz zurück.

Als das Wasser wieder klar war, miaute Eichenherz: »Du hast deine Wahl für den DonnerClan noch nicht getroffen, Blaustern.«

»Nein, aber ich bin nun bereit«, antwortete sie. »Seht und billigt meine Wahl.« Sie blickte stolz hinab, als sich in den Tiefen des Teichs eine dunkle, getigerte Gestalt formte.

Eichenherz starrte sie an und riss das Maul in einem geräuschlosen Lachen auf. »Der da! Blaustern, du hörst niemals auf, mich zu überraschen.«

»Warum?« Blausterns Ton ließ erkennen, dass sie sich ärgerte. »Er ist ein edler, junger Kater und durchaus geeignet für die Herausforderungen, die diese Prophezeiung bringen wird.«

Eichenherz zuckte mit den Ohren. »Habe ich das Gegenteil behauptet?«

Blaustern hielt seinem Blick stand und schaute nicht auf die anderen Katzen, als sie fragte: »Stimmt der Clan zu?« Die Billigung erfolgte stark und überzeugt, und Blaustern schenkte Eichenherz ein verächtliches Schwanzzucken, bevor sie den Blick abwandte.

»Katzen des SternenClans«, miaute sie mit lauter Stimme. »Unsere Wahl ist getroffen. Die Reise muss bald beginnen, damit die Clans gegen den Sturm antreten können, der sich im Wald erheben wird. Geht zu euren Clans und stellt sicher, dass jede Katze bereit ist.«

Sie machte eine Pause und ihre Augen glühten in einem silbernen Licht. »Wir können einen Krieger zur Rettung jedes Clans auswählen, aber darüber hinaus können wir ihnen nicht helfen. Mögen die Geister all unserer Kriegervorfahren diese Katzen begleiten, wohin auch immer die Sterne sie führen.«

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1. KAPITEL

Blätter raschelten, als der junge getigerte Kater zwischen zwei Büschen hindurchglitt, die Schnauze weit geöffnet, um Beutegerüche einzusaugen. In dieser warmen Nacht in der späten Blattgrüne war der Wald voller Geräusche winziger dahinhuschender Tiere. Am Rande seines Blickfelds zuckten ständig Bewegungen, aber wenn er den Kopf wandte, konnte er nichts erkennen außer dicken Farnbüscheln und Brombeergesträuch mit Flecken vom Mondlicht.

Plötzlich trat er auf eine weite Lichtung hinaus und blickte sich verwirrt um. Er konnte sich nicht erinnern, schon einmal in diesem Teil des Waldes gewesen zu sein. Vor ihm glänzte kurzes Gras silbern im kalten Schein des Mondes, erstreckte sich bis zu einem glatten gerundeten Felsen. Eine Katze saß darauf, Sternenlicht glitzerte in ihrem Fell und ihre Augen leuchteten.

Die Verwirrung des jungen Katers stieg an, als er sie erkannte. »Blaustern?«, miaute er mit fassungslos schriller Stimme.

Er war noch ein Schüler gewesen, als die große Anführerin des DonnerClans gestorben war. Vor vier Blattwechseln war sie mit einer Horde blutdürstiger Hunde auf den Fersen in die Schlucht gesprungen. Wie alle Katzen ihres Clans hatte er um sie getrauert und sie dafür geehrt, dass sie ihr Leben hingegeben hatte, um sie alle zu retten. Er hatte nie erwartet, sie noch einmal zu sehen, und ihm wurde jetzt klar, dass er träumen musste.

»Komm näher, junger Krieger«, miaute Blaustern. »Ich habe eine Botschaft für dich.«

Mit ehrfürchtigem Schauder kroch der getigerte Kater über die leuchtende Rasenfläche, bis er unter dem Felsen kauerte und hinauf in Blausterns Augen blickte.

»Ich höre, Blaustern«, miaute er.

»Eine Zeit des Unheils bedroht den Wald«, erklärte sie. »Eine neue Prophezeiung muss erfüllt werden, wenn die Clans überleben sollen. Du bist auserwählt, dich mit drei anderen Katzen bei Neumond zu treffen, und ihr müsst hören, was Mitternacht euch zu sagen hat.«

»Wie meinst du das?« Der junge Kater spürte, wie eine prickelnde Angst, kalt wie die Schneeschmelze, sein Rückgrat hinabkroch. »Was für ein Unheil? Und wie kann Mitternacht uns etwas sagen?«

»Alles wird euch klar werden«, antwortete Blaustern.

Ihre Stimme verklang, sie hallte merkwürdig nach, als spräche sie aus einer Höhle unter der Erde. Auch das Mondlicht verdämmerte und ließ dichte, schwarze Schatten aus den umliegenden Bäumen kriechen.

»Nein, warte!«, rief der Kater. »Geh noch nicht!«

Erschrocken jaulte er auf, schlug mit Pfoten und Schwanz, als Finsternis sich erhob und ihn verschlang. Etwas stieß ihn in die Seite, und als er die Augen aufriss, sah er Graustreif, den Zweiten Anführer des DonnerClans, mit erhobener Pfote über sich stehen, bereit, ihn noch einmal anzustoßen. Er strampelte mit den Beinen in seinem Moosnest im Kriegerbau, während goldenes Sonnenlicht durch die Zweige über ihm blitzte.

»Brombeerkralle, du verrückte Fellkugel!«, miaute Graustreif. »Was für ein Lärm! Du vertreibst noch die ganze Beute von hier bis zum Baumgeviert.«

»Tut mir leid.« Der junge Krieger setzte sich auf und begann, sich Moosfetzchen aus dem dunklen Fell zu zupfen. »Ich habe geträumt.«

»Geträumt!«, knurrte eine weitere Stimme.

Brombeerkralle wandte den Kopf und sah das weiße Fell von Wolkenschweif, der sich neben ihm aus seinem moosgepolsterten Nest hievte und sich ausgiebig streckte. »Ehrlich, du bist so schlimm wie Feuerstern«, fuhr Wolkenschweif fort. »Als er noch hier wohnte, hat er immer im Schlaf gemurmelt und gezuckt. Keine Nacht konnte man Ruhe finden, nicht für alle Beute im Wald.«

Brombeerkralle zuckte mit den Ohren, als er den weißen Krieger so respektlos über den Anführer des Clans sprechen hörte. Aber es war ja Wolkenschweif, der da sprach, Feuersterns Verwandter und früherer Schüler, allgemein bekannt wegen seiner spitzen Zunge und seines schnell geäußerten Hohns und Spotts. Trotz seiner ungehörigen Reden war der Krieger jedoch seinem Clan treu ergeben.

Wolkenschweif schüttelte sein langes weißes Fell und schlüpfte aus dem Bau. Als er an Brombeerkralle vorbeilief, schnippte er ihm freundlich mit dem Schwanz zu, um seinen Worten den Stachel zu nehmen.

»Na los, allesamt«, miaute Graustreif. »Zeit, dass ihr euch bewegt.« Er stieg durch das Moos, das auf dem Boden des Baus ausgebreitet lag, um Aschenpelz wach zu stupsen. »Die Jagdpatrouillen werden bald aufbrechen. Farnpelz stellt sie schon zusammen.«

»Bin bereit«, miaute Brombeerkralle. Blausterns Erscheinung verblasste, obwohl ihre bedrohliche Botschaft noch in seinen Ohren nachklang. Konnte es wirklich stimmen, dass es eine neue Prophezeiung vom SternenClan gab? Es schien ziemlich unwahrscheinlich. Als Erstes konnte sich Brombeerkralle nicht vorstellen, warum sie von allen Katzen des DonnerClans ausgerechnet ihn ausersehen haben sollte, um ihm diese Botschaft zu übermitteln. Heilerinnen erhielten häufig Zeichen vom SternenClan, und Feuerstern, der Anführer des DonnerClans, hatte sich oft von seinen Träumen leiten lassen. Aber sie waren nicht für gewöhnliche Krieger bestimmt. So führte Brombeerkralle seine wilden Fantasien auf zu viel Frischbeute am Vorabend zurück, leckte sich ein letztes Mal über die Schulter und folgte Wolkenschweif durch die herabhängenden Zweige nach draußen.

Die Sonne war gerade erst über die Dornenhecke gestiegen, die das Lager umgab, aber es war bereits warm. Wie Honig lag das Sonnenlicht auf der blanken Erde in der Mitte der Lichtung.

Ampferpfote, die Älteste unter den Schülern, lag ausgestreckt neben den Farnbüscheln, die den Schülerbau schützten, und gab sich mit ihren Gefährten Spinnenpfote und Weidenpfote die Zunge. Wolkenschweif war zu dem Brennnesselfleck gelaufen, wo die Krieger aßen, und verschlang bereits einen Star.

Brombeerkralle stellte fest, dass der Haufen Frischbeute nur noch sehr klein war. Wie Graustreif gesagt hatte, der Clan musste sofort jagen. Er wollte gerade zu dem weißen Krieger gehen, als Ampferpfote aufsprang und in großen Sätzen über die Lichtung auf ihn zurannte.

»Heute ist es so weit!«, verkündete sie aufgeregt.

Brombeerkralle blinzelte. »Was ist heute?«

»Meine Kriegerzeremonie!« Glücklich schnurrend sprang die schildpattfarbene Kätzin Brombeerkralle an und warf ihn durch den unerwarteten Angriff um. Sie balgten sich auf dem staubigen Boden, so wie sie es getan hatten, als sie noch Junge in der Kinderstube gewesen waren.

Die Schülerin trommelte mit den Hinterpfoten gegen Brombeerkralles Bauch, und er dankte dem SternenClan, dass ihre Krallen eingezogen waren. Ohne Zweifel würde sie eine starke und gefährliche Kriegerin sein, eine, die von jeder Katze respektiert werden musste.

»Gut, gut, das reicht.« Brombeerkralle gab Ampferpfote einen kleinen Schlag aufs Ohr und rappelte sich hoch. »Wenn du eine Kriegerin sein willst, musst du aufhören, dich wie ein Junges zu benehmen.«

»Wie ein Junges?«, miaute Ampferpfote verärgert. Sie saß vor ihm, das Fell verstrubbelt und mit Staub bedeckt. »Ich? Niemals! Ich habe lange auf diesen Augenblick gewartet, Brombeerkralle.«

»Ich weiß. Und du hast ihn auch verdient.«

Ampferpfote hatte sich einmal zu nah an den Donnerweg gewagt, während sie in der Blattfrische hinter einem Eichhörnchen hergewesen war. Ein Zweibeinermonster hatte sie gestreift und ihre Schulter verletzt. Während sie drei lange, schmerzhafte Monde in Rußpelz’ Bau lag, hingebungsvoll gepflegt von der Heilerin, waren ihre Brüder Schlammfell und Regenpelz Krieger geworden. Ampferpfote war entschlossen gewesen, ihnen nachzueifern, sobald Rußpelz ihr wieder die Aufnahme des Trainings erlaubte. Brombeerkralle hatte beobachtet, wie hart sie mit ihrer Mentorin Sandsturm an sich gearbeitet hatte, bis ihre Schulter fast wieder so stark und gelenkig wie früher war. Sie hatte nie irgendwelche Bitterkeit gezeigt, dass sie mehrere Monde über die gewöhnliche Schülerzeit hinaus trainieren musste. Sie verdiente wirklich ihre Kriegerzeremonie.

»Ich habe gerade Rauchfell Frischbeute gebracht«, miaute sie. »Ihre Jungen sind wunderschön! Hast du sie schon gesehen?«

»Nein, noch nicht«, erwiderte Brombeerkralle. Rauchfells zweiter Wurf war erst am Vortag zur Welt gekommen.

»Dann geh jetzt«, drängte ihn Ampferpfote. »Du hast gerade noch Zeit, bevor wir zur Jagd aufbrechen.« Sie sprang auf und tänzelte ein paar Schritte seitwärts, als müsse sie ihre ganze Energie irgendwie loswerden.

Der junge Krieger machte sich auf den Weg zur Kinderstube, die in der Tiefe eines Brombeerdickichts nahe der Mitte des Lagers verborgen lag. Er zwängte sich durch den schmalen Eingang und zuckte zusammen, als Dornen sich in dem Fell seiner breiten Schultern verfingen. Innen war es warm und still. Rauchfell ruhte auf der Seite in einem tiefen Nest aus Moos. Ihre grünen Augen leuchteten, während sie ihre drei Jungen betrachtete, die zusammengerollt in der Beuge ihres Körpers lagen. Eines war hellgrau wie sie selbst, die beiden anderen waren braun gestreift wie ihr Vater Borkenpelz. Auch er befand sich in der Kinderstube, kauerte neben Rauchfell und hatte die Pfoten unter sich gesteckt. Gelegentlich fuhr er mit seiner Zunge liebevoll über ihr Ohr.

»Hallo, Brombeerkralle«, miaute er, als der jüngere Krieger auftauchte. »Bist du gekommen, um dir die Jungen anzuschauen?« Er sah aus, als würde er gleich vor Stolz platzen.

»Sie sind wunderschön«, miaute Brombeerkralle und berührte Rauchfell mit seiner Nase. »Habt ihr schon Namen für sie ausgewählt?«

Rauchfell schüttelte den Kopf und blinzelte schläfrig zu ihm auf. »Noch nicht.«

»Dafür ist noch Zeit.« Goldblüte, die älteste Königin des DonnerClans und Brombeerkralles eigene Mutter, sprach von ihrem moosgepolsterten Nest aus. Sie hatte keine eigenen Jungen zu pflegen, sich aber entschlossen, in der Kinderstube zu bleiben und sich an der Versorgung der Neuankömmlinge zu beteiligen, statt wieder die Aufgaben einer Kriegerin zu übernehmen. Bald würde sie zu den Ältesten in deren Bau ziehen, weil ihr Gehör und ihr Augenlicht nicht mehr scharf genug waren, um mit den besten Jagdrotten mitzuhalten. »Es sind kräftige, gesunde Junge, darauf kommt es an, und Rauchfell hat ausreichend Milch.«

Brombeerkralle neigte respektvoll den Kopf vor ihr. »Sie hat Glück, dass du ihr bei der Pflege hilfst.«

»Nun ja, ich habe, was dich betrifft, keine allzu schlechte Arbeit geleistet«, schnurrte Goldblüte stolz.

»Du könntest etwas für mich tun«, miaute Borkenpelz Brombeerkralle zu, als der gerade gehen wollte.

»Natürlich, wenn ich kann.«

»Kümmerst du dich ein wenig um Eichhornpfote? Ich möchte einen oder zwei Tage bei Rauchfell verbringen, solange die Jungen noch so klein sind, aber Eichhornpfote sollte nicht zu lange ohne Mentor sein.«

Eichhornpfote! Brombeerkralle stöhnte innerlich. Feuersterns Tochter, acht Monde alt, kürzlich Schülerin geworden – und der größte Quälgeist im DonnerClan.

»Es wäre eine gute Übung für später, wenn du einen eigenen Schüler hast«, fügte Borkenpelz hinzu, als spürte er das Zögern seines Clan-Kameraden.

Brombeerkralle wusste, dass Borkenpelz recht hatte. Er hoffte, Feuerstern würde ihn bald als Mentor auswählen und ihm einen eigenen Schüler zuteilen. Aber er hoffte auch, dass sein Schüler nicht eine neunmalkluge, rotbraune Kätzin wäre, die alles besser wusste. Ihm war klar, dass Eichhornpfote nicht begeistert sein würde über Anordnungen, die von ihm kamen.

»In Ordnung, Borkenpelz«, miaute er. »Ich werde mein Bestes tun.«

Als er aus der Kinderstube trat, sah er, dass inzwischen weitere Katzen auf der Lichtung aufgetaucht waren. Lichtherz, eine hübsche, weiße Kätzin mit goldbraunen Flecken wie gefallene Blätter auf dem Fell, hatte sich gerade ein Stück Frischbeute ausgewählt und trug es hinüber zu der Stelle, wo Wolkenschweif noch neben dem Brennnesselfleck saß. Die unverletzte Seite ihres Gesichts war Brombeerkralle zugewandt, sodass er die entstellenden Verletzungen fast vergessen konnte, die sie erlitten hatte, als die Hundemeute im Wald über sie hergefallen war. Eine Seite ihres Gesichts war von Narben bedeckt und ihr Ohr zerfetzt; wo ihr Auge hätte sein sollen, befand sich nur ein Krater. Obwohl sie den bösartigen Angriff überlebte, hatte der Clan befürchtet, dass sie nie eine Kriegerin werden könnte. Doch Wolkenschweif hatte mit ihr trainiert und Möglichkeiten entwickelt, wie sie ihre Blindheit auf der einen Seite ausgleichen, sie sogar in eine Stärke verwandeln konnte. Und so gelang es ihr, so gut wie jede andere Katze zu kämpfen und zu jagen. Wolkenschweif begrüßte sie mit einem Schwanzschnippen und sie setzte sich neben ihn zum Essen.

»Brombeerkralle! Da bist du ja!«

Der junge Krieger drehte sich um und sah einen langbeinigen, goldbraunen Kater vom Bau der Krieger auf sich zukommen. Er trottete ihm entgegen. »Hallo, Farnpelz. Graustreif hat mir schon gesagt, dass du die Jagdrotten zusammenstellst.«

»Richtig«, miaute Farnpelz. »Kannst du heute Morgen bitte mit Eichhornpfote losziehen?«

Er deutete mit den Ohren auf den Schülerbau, und Brombeerkralle bemerkte erst jetzt Eichhornpfote, die im Schatten des Farns halb verborgen war. Sie saß aufrecht da, den Schwanz um die Pfoten geringelt, und verfolgte mit den Augen einen Schmetterling. Als Brombeerkralle sie mit einem Schweifwedeln herbeirief, erhob sie sich und schlenderte über die Lichtung, den Schwanz hoch erhoben und das dunkelrote Fell leuchtend im Sonnenlicht.

»Jagdpatrouille«, erklärte Farnpelz knapp. »Borkenpelz ist beschäftigt, daher wirst du mit Brombeerkralle gehen. Kannst du eine weitere Katze finden, die euch begleitet?«

Ohne auf eine Antwort zu warten, eilte er hinüber zu Sandsturm und Ampferpfote.

Eichhornpfote gähnte und streckte sich. »Also dann«, miaute sie, »wohin sollen wir gehen?«

»Ich dachte, zu den Sonnenfelsen«, begann Brombeerkralle. »Dort können wir ...«

»Sonnenfelsen?«, unterbrach ihn die Schülerin mit ungläubig aufgerissenen Augen. »Bist du mäusehirnig? An so einem heißen Tag wird sich alle Beute in den Spalten verstecken. Wir werden da nicht einmal ein Schnurrhaar fangen.«

»Es ist noch früh«, erwiderte Brombeerkralle verärgert. »Die Beute wird noch eine Weile draußen sein.«

Eichhornpfote stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ehrlich, Brombeerkralle, du weißt immer alles besser als sonst jemand.«

»Ich bin immerhin ein Krieger«, stellte er klar und erkannte sofort, dass es falsch war, so etwas zu sagen.

Eichhornpfote verbeugte sich in tiefem und übertriebenem Respekt vor ihm. »Jawohl, oh großer Krieger«, miaute sie. »Ich werde genauestens ausführen, was du befiehlst. Und wenn wir mit leeren Pfoten zurückkommen, vielleicht gibst du dann zu, dass ich recht gehabt habe.«

»Na gut«, miaute Brombeerkralle, »wenn du so schlau bist, wo glaubst du, sollten wir jagen?«

»Oben beim Baumgeviert am Bach«, antwortete Eichhornpfote, ohne zu zögern. »Das ist eine viel bessere Stelle.«

Verärgert erkannte Brombeerkralle, dass sie recht haben könnte. Trotz der endlosen, heißen Tage der Blattgrüne plätscherte der Bach noch kühl und tief zwischen dichten Schilfbüscheln, in denen sich Beute verbergen mochte. Er zögerte und überlegte, wie er seine Meinung ändern könnte, ohne vor der Schülerin das Gesicht zu verlieren.

»Eichhornpfote.« Eine neue Stimme rettete ihn. Sandsturm, Eichhornpfotes Mutter, war zu ihnen getrottet. »Lass Brombeerkralle endlich in Ruhe. Du keckerst wie ein Nest voller Dohlen.« Ihr ärgerlicher grüner Blick wandte sich Brombeerkralle zu und sie ergänzte: »Und du bist genauso schlimm. Andauernd streitet ihr euch. Man kann euch nicht zusammen jagen lassen, wenn ihr es nicht einmal schafft, die Lichtung zu verlassen, ohne die halbe Beute zwischen hier und dem Baumgeviert zu verscheuchen.«

»Tut mir leid«, murmelte Brombeerkralle und verlegenes Kribbeln schoss von den Ohren bis zur Schwanzspitze durch sein Fell.

»Du bist ein Krieger, du solltest es besser wissen. Geh und frage Wolkenschweif, ob du mit ihm jagen kannst. Und was dich betrifft«, fuhr Sandsturm ihre Tochter an, »du kommst mit mir und Ampferpfote auf die Jagd. Farnpelz wird das nichts ausmachen. Und du wirst tun, was dir gesagt wird.«

Ohne zurückzublicken, lief sie auf den Ginstertunnel zu, der aus dem Lager führte. Eichhornpfote blieb einen Augenblick stehen, einen trotzigen Blick in den grünen Augen, und kratzte mit den Vorderpfoten den Boden.

Ampferpfote kam und stupste sie freundschaftlich an. »Komm jetzt«, drängte sie. »Das ist meine letzte Jagd als Schülerin. Und es soll eine gute werden.«

Widerstrebend nickte Eichhornpfote und die beiden Katzen gingen zusammen hinter Sandsturm her. Die dunkelrote Schülerin warf Brombeerkralle im Vorbeigehen einen letzten, funkelnden Blick zu.

Brombeerkralle zuckte resigniert mit dem Schwanz. Eichhornpfote würde in ihrer Mutter eine erfahrenere Mentorin haben als in ihm, also ließ er Borkenpelz nicht im Stich, obwohl der Krieger ihn selbst gebeten hatte, ein Auge auf seine Schülerin zu haben. Und er würde sich nicht den ganzen Morgen ihr ärgerliches Geplapper anhören müssen. Er wunderte sich also, warum er trotzdem leicht enttäuscht war, dass er einer anderen Patrouille zugeteilt wurde.

Er verdrängte dieses Gefühl und lief in großen Sätzen zu dem Brennnesselfleck, neben dem Wolkenschweif und Lichtherz ihre Mahlzeit beendeten. Ihr einziges Junges Weißpfote war gerade zu ihnen hinübergetrabt, und Brombeerkralle hörte sie sagen: »Geht ihr auf die Jagd? Bitte, bitte, kann ich mitkommen?«

Wolkenschweif schnippte mit dem Schwanz. »Nein.« Weißpfote schaute enttäuscht, doch ihr Vater fuhr schon fort: »Farnpelz hat angekündigt, dass er dich mitnimmt. Er ist schließlich dein Mentor.«

»Er hat mir gesagt, er ist wirklich stolz auf dich«, schnurrte Lichtherz.

Weißpfotes Miene hellte sich auf. »Toll! Ich geh ihn suchen.«

Wolkenschweif gab ihr mit der Pfote einen liebevollen Klaps aufs Ohr, bevor sie mit aufgeregt wedelndem Schwanz losrannte.

Brombeerkralle hoffte, das bedeutete nicht, dass Wolkenschweif und Lichtherz allein losziehen wollten. »Macht es euch etwas aus, wenn ich mich euch anschließe?«, fragte er.

»Überhaupt nicht, du kannst gerne mitkommen«, erwiderte Wolkenschweif. Er sprang auf und nickte seiner Gefährtin zu, dann trotteten die drei Katzen zusammen über die Lichtung zum Ginstertunnel.

Unmittelbar bevor Brombeerkralle in das dichte Dornengebüsch eintauchte, blickte er über die Schulter zurück auf das ruhige Lagerleben. Alle Katzen wirkten wohlgenährt mit ihrem glatten Fell und zuversichtlich in ihrem sicheren Territorium. Blausterns Botschaft hallte plötzlich in seinen Gedanken nach. Konnte es wirklich sein, dass ein großes Unheil über den Wald hereinbrach? Brombeerkralle spürte in unheilvoller Vorahnung sein Fell kribbeln. Er beschloss, keiner Katze von seinem Traum zu erzählen. Das schien ihm die einzige Möglichkeit, sich selbst davon zu überzeugen, dass der Traum nichts zu bedeuten hatte und keine neue Prophezeiung kommen würde, um das Leben, wie sie es kannten, zu stören.

Ein guter TagSo sollte das Leben sein.