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N. Bernhardt

Buch XVIII: Chaos in Hymal

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch XVIII: Chaos in Hymal

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954187-67-6

null-papier.de/374

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Nach der Schlacht

Zwei­tes Ka­pi­tel: Neu­an­fang in Hal­fuár

Drit­tes Ka­pi­tel: Rat und Tat

Vier­tes Ka­pi­tel: Eine bit­te­re Wahr­heit

Fünf­tes Ka­pi­tel: Neue Plä­ne und neue­re Plä­ne

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein Krieg und sei­ne Fol­gen

Sieb­tes Ka­pi­tel: Der Preis der Freund­schaft

Aus­blick

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Nach der ge­won­ne­nen Schlacht muss Nik­ko erst ein­mal sei­ne Ver­bün­de­ten be­sänf­ti­gen. Schließ­lich hat­ten sich die Orks viel mehr von ih­rem Sieg ver­spro­chen. Auch die Sa­che mit dem rät­sel­haf­ten Geist dul­det kei­nen Auf­schub mehr.

Erst nach ei­ni­gen of­fe­nen Wor­ten Da­nu­wils er­kennt der jun­ge Zau­be­rer, dass sein nicht eben de­zen­tes Han­deln Kon­se­quen­zen ha­ben dürf­te. Wer­den ihm die Stän­de Hy­mals nach die­ser Ak­ti­on über­haupt noch fol­gen wol­len?

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Nach der Schlacht

Noch im­mer saß Nik­ko auf dem Kopf sei­nes Dra­chen und stier­te in das zor­ni­ge Ge­sicht des Ork­fürs­ten. Es moch­ten so nur we­ni­ge Au­gen­bli­cke ver­gan­gen sein, doch kam es ihm wie eine Ewig­keit vor. Wa­rum sag­te Krûl nichts?

Vi­el­leicht soll­te der jun­ge Zau­be­rer die Gunst der Stun­de nut­zen, um sich der Orks hier und jetzt ein für alle Mal zu ent­le­di­gen. So­lan­ge der Fürst und sei­ne Hor­de so … ein­la­dend vor ihm stan­den, könn­te er die gan­ze Brut mit dem Odem des un­to­ten Dra­chen be­stimmt ohne große Pro­ble­me be­sei­ti­gen. Aber wäre das wirk­lich ein klu­ger Zug?

Wohl kaum. Je­den­falls nicht, so­lan­ge der Ma­gier sich nicht si­cher war, dass die­ser Geist der Orks – wer oder was auch im­mer sich da­hin­ter ver­barg – ihm eine sol­che Tat nicht zür­nen wür­de.

Da be­gann Krûl, end­lich zu spre­chen. Noch be­vor Grâkh die Wor­te sei­nes Herrn über­set­zen konn­te, hat­te Nik­ko das Ge­fühl, dass es eher Ent­täu­schung war, die in den Grunz­lau­ten des Ork­fürs­ten mit­schwang, als Zorn we­gen der ei­ge­nen Krie­ger, die der Dra­che da­hin­ge­rafft hat­te.

»Gro­ße Krûl nich froh, dass Schlach so ein­fach«, mein­te Grâkh schließ­lich. »Gro­ße Biest habe alle Spaß und Ork nur zu­se­hen?«

»Ork jetz jage Res­te von Mensch«, über­setz­te er wei­ter, be­vor Nik­ko et­was er­wi­dern konn­te. »Gro­ße Biest habe Dank von Ork.«

Na, we­nigs­tens hat­te Nik­ko sich nicht den Zorn der Orks we­gen der To­ten in ih­ren ei­ge­nen Rei­hen zu­ge­zo­gen. Al­ler­dings wür­den sie nun of­fen­bar ge­nau das ma­chen, was der Zau­be­rer zu­vor be­reits be­fürch­tet hat­te. Sie woll­ten die Über­le­ben­den des Kamp­fes ja­gen, um doch noch ih­ren Spaß an der Schlacht zu ha­ben. Das muss­te der Ma­gier ir­gend­wie ver­hin­dern!

»Die Schlacht ist ge­won­nen«, ver­kün­de­te Nik­ko und ver­such­te da­bei, mög­lichst im­po­sant zu klin­gen. »Der Krieg ist vor­bei. Zieht Euch nun in Eure Fes­tung zu­rück!«

Als Grâkh dem Ork­fürs­ten die­se Wor­te über­setz­te, ver­fins­ter­te sich des­sen Mie­ne aufs Neue. Am Klang der dar­auf­hin ge­grunz­ten Ant­wort konn­te Nik­ko schon erah­nen, dass Krûl die­ser Auf­for­de­rung nur wi­der­wil­lig nach­kom­men wür­de – wenn über­haupt.

»Gro­ße Krûl nich hier um nur zu­se­he«, über­setz­te Grâkh, der eben­falls nicht län­ger gu­ter Lau­ne war. »Gro­ße Krûl hier um kämp­fe und Beu­te ma­che, so wie große Geist ver­sprech.«

Kämp­fen? Beu­te? Ja, was dach­ten sich die wi­der­li­chen Bies­ter ei­gent­lich? Im­mer­hin wa­ren sie in Hal­fuár, also auf Nik­kos ei­ge­nem Grund und Bo­den. Wer hier plün­der­te – wenn über­haupt, ent­schied doch ein­zig und al­lein er selbst!

»Ihr hat­tet die Ge­le­gen­heit zu kämp­fen«, ant­wor­te­te der Zau­be­rer, der nun eben­falls wü­tend wur­de. »Dass ihr zu lang­sam wart, ist nicht mei­ne Schuld.« Mit bei­na­he be­ben­der Stim­me füg­te er hin­zu: »Ver­ge­sst auch nicht, dass Ihr auf mei­nem Land seid. Nie­mand plün­dert hier ohne mei­ne Er­laub­nis!«

Nun folg­te eine an­ge­reg­te Dis­kus­si­on zwi­schen Krûl und Grâkh, in die sich hin und wie­der auch an­de­re Orks laut­stark ein­misch­ten. Na­tür­lich ver­stand Nik­ko kein Wort, aber an­hand der all­ge­mei­nen Stim­mung er­wog er er­neut, den gan­zen Ork­hau­fen mit sei­nem Dra­chen ein für alle Mal zu ver­nich­ten. War es nicht viel zu ris­kant, die­se Bes­ti­en in Hy­mal wei­ter­hin un­be­hel­ligt ihr Un­we­sen trei­ben zu las­sen?

»Gro­ße Geist sag Macht und Beu­te«, ver­kün­de­te Grâkh schließ­lich. »Gro­ße Krûl nich gehe ohne!«

Im­mer wie­der die­ser blö­de Geist! Aber Nik­ko hat­te auch Ver­ständ­nis für den Ork­fürs­ten. Im­mer­hin hat­te er sei­ne Trup­pen ge­sam­melt und war zur Schlacht ge­eilt. Dass der Kampf ohne grö­ße­res Zu­tun sei­ner­seits ge­won­nen wor­den war, könn­te ihn in den Au­gen sei­ner Un­ter­ge­be­nen schon ei­ni­ges an An­se­hen ge­kos­tet ha­ben. Nun auch noch ganz ohne Beu­te da­von­zu­zie­hen, lie­ße ihn noch schlech­ter aus­se­hen.

Soll­te Nik­ko die Orks also doch ver­nich­ten? In die­ser Si­tua­ti­on wäre das fast schon ein Akt der Gna­de – je­den­falls für Krûl. Den­noch, der un­be­kann­te Geist der Orks ließ dem Ma­gier ein­fach kei­ne Ruhe.

»Ihr habt tap­fer ge­kämpft«, lenk­te Nik­ko schließ­lich ein, denn im­mer­hin war es am zu Be­ginn der Schlacht zu ei­nem klei­nen Ge­fecht zwi­schen der vor­ders­ten Rei­he der Orks und Fy­dals Rei­te­rei ge­kom­men. »Auch sollt Ihr nicht ohne Beu­te blei­ben.« Mit blu­ten­dem Her­zen bot er an: »Alle To­ten auf dem Feld und de­ren Be­sitz sind Euer.«

Als Grâkh mit dem Über­set­zen fer­tig war, füg­te Nik­ko noch hin­zu: »Die von der Schlacht Ge­flo­he­nen je­doch ge­hö­ren mir al­lein und wer­den von Euch nicht ge­jagt. Bis zum mor­gi­gen Son­nen­auf­gang habt Ihr Zeit, das Schlacht­feld zu plün­dern. Da­nach zieht Ihr Euch in die Ber­ge zu­rück.«

Die Ant­wort des Ork­fürs­ten klang zwar wie­der ru­hi­ger als sein hit­zi­ges Ge­grun­ze zu­vor, aber den­noch hat­te Nik­ko ein eher un­gu­tes Ge­fühl, denn Krûls Aus­füh­run­gen wa­ren ein­fach zu lang, um die­se als Zu­stim­mung deu­ten zu kön­nen.

»Gro­ße Krûl gib Dank«, über­setz­te Grâkh dann end­lich. »Gro­ße Krûl sage ja bis große Geist sage ja oder nein. Grâkh werd spre­che mit große Geist in kom­men­de Nacht.«

»Ein­ver­stan­den«, freu­te sich der Zau­be­rer, dass er zu­min­dest et­was Zeit ge­won­nen hat­te. Im­mer­hin blieb ihm so fast ein gan­zer Tag, um die Über­le­ben­den der Schlacht in Si­cher­heit zu brin­gen.

Nik­ko hat­te mitt­ler­wei­le Stun­den da­mit ver­bracht, die Lage um das Schlacht­feld her­um un­ter Kon­trol­le zu be­kom­men. Ei­ner­seits galt es da­bei, die Über­le­ben­den mög­lichst früh­zei­tig von den Orks zu tren­nen – nicht, dass die Bies­ter doch noch in Ver­su­chung ge­rie­ten, sich an den Flie­hen­den zu ver­grei­fen. An­de­rer­seits woll­te der Zau­be­rer die Orks auch nicht all­zu lan­ge aus den Au­gen las­sen. Ir­gend­wie trau­te er dem oh­ne­hin so zer­brech­li­chen Frie­den nicht.

Das Wet­ter war ihm bei sei­nem Un­ter­fan­gen nicht ge­ra­de be­hilf­lich. So will­kom­men die trü­ben Wol­ken und Ne­bel­schlei­er ihm wäh­rend der Schlacht ge­we­sen wa­ren, so sehr be­hin­der­ten sie nun sei­ne Sicht über die wei­te Ebe­ne. Je­des Mal, wenn Nik­ko wie­der eine Grup­pe flüch­ten­der Sol­da­ten des Her­zogs auf der Ebe­ne er­späh­te und mit ei­nem Schein­an­griff sei­nes Dra­chens von den Orks weg­trieb, ver­lor er Krûls mitt­ler­wei­le oh­ne­hin weit zer­streu­te Trup­pe zeit­wei­se aus dem Blick­feld.

Am Nach­mit­tag wag­ten es ei­ni­ge be­son­ders dreis­te Orks so­gar, be­droh­lich nah an Hal­fuár her­an­zu­rück­en, wo Nik­kos Un­ter­ta­nen sich hof­fent­lich wei­ter­hin in der Burg ver­schanzt hiel­ten. Den­noch muss­te der Ma­gier nun auch noch die Orks von der Fes­tung weg­trei­ben. Na ja, Er­fah­rung aus sei­ner Zeit als Hir­te hat­te er im­mer­hin ge­nug.

Als dann ge­gen Abend die Dun­kel­heit ein­setz­te, muss­te Nik­ko es letzt­end­lich auf­ge­ben, die ver­spreng­ten Fet­zen von Fy­dals ge­schla­ge­nem Heer von den Orks weg­zu­trei­ben. Er konn­te nur noch hof­fen, dass die meis­ten der Über­le­ben­den mitt­ler­wei­le in Rich­tung Sinál un­ter­wegs wa­ren oder sich auf Hal­fuár in Si­cher­heit ge­bracht hat­ten.

So­weit der Zau­be­rer es bei der Dun­kel­heit er­ken­nen konn­te, hat­ten sich Krûls Kämp­fer nun wie­der ge­sam­melt und schie­nen sich zum Ab­marsch be­reit zu ma­chen. Hat­te also tat­säch­lich al­les so funk­tio­niert, wie Nik­ko es sich vor­ge­stellt hat­te?

Da­rauf ver­las­sen woll­te er sich lie­ber nicht. Trotz zu­neh­men­der Mü­dig­keit soll­te er die Orks wei­ter­hin im Auge be­hal­ten. An Schlaf war in die­ser Nacht also nicht zu den­ken, schließ­lich muss­te er da­von aus­ge­hen, dass die Bies­ter die Dun­kel­heit bis zum letz­ten Au­gen­blick aus­nut­zen wür­den. Aber viel­leicht er­gab sich trotz­dem noch die Mög­lich­keit, ir­gend­wann eine klei­ne Me­di­ta­ti­on da­zwi­schen zu schie­ben.

Wäh­rend er eine Schlei­fe durch die Wol­ken­de­cke flog, mach­te Nik­ko sich und den Dra­chen wie­der un­sicht­bar. Er hat­te näm­lich das Ge­fühl, dass es bes­ser wäre, wenn die Orks nicht be­merk­ten, dass sie be­ob­ach­tet wur­den. Vi­el­leicht könn­te er so mehr über ihre wah­ren In­ten­tio­nen er­fah­ren.

Mo­ment mal! Hat­te Grâkh nicht ge­sagt, dass er in die­ser Nacht den Geist der Orks be­fra­gen wür­de? Das wäre doch die per­fek­te Ge­le­gen­heit, mehr über die­ses We­sen zu er­fah­ren. Mit et­was Glück könn­te Nik­ko sich die zur Be­schwö­rung des Geis­tes nö­ti­gen Mus­ter bei Grâkh ein­fach ab­schau­en.

Be­schwö­rung? Ja, wur­de der Geist denn über­haupt be­schwo­ren oder kom­mu­ni­zier­te der Ork auf an­de­re Art mit dem rät­sel­haf­ten We­sen? Nun, es gab nur einen Weg, das al­les her­aus­zu­fin­den. Nik­ko muss­te Grâkh ein­fach die gan­ze Nacht über be­ob­ach­ten.

Es war al­les an­de­re als ein­fach ge­we­sen, die Orks in der Dun­kel­heit des fort­ge­schrit­te­nen Abends nicht aus den Au­gen zu ver­lie­ren, ob­wohl sie mit der Beu­te vom Schlacht­feld so schwer be­la­den wa­ren, dass sie nicht be­son­ders schnell vor­an­ka­men. Glück­li­cher­wei­se stie­ßen die Bies­ter bald auf die Stra­ße nach Tel­gâr, der sie dann eine gan­ze Wei­le lang folg­ten.

Noch viel mehr Glück hat­te der Zau­be­rer, als sich die Wol­ken tief in der Nacht weit­ge­hend auf­lös­ten und den Schim­mer von Mond und Ster­nen durch­schei­nen lie­ßen, so­dass we­nigs­tens et­was Licht auf die Erde fiel. Denn nur des­we­gen ent­ging ihm nicht, dass die Orks ir­gend­wann die Stra­ße ver­lie­ßen und ih­ren Weg quer­feld­ein fort­setz­ten.

Der Pfad zu Krûls Fes­tung in den Ber­gen konn­te es je­doch noch nicht sein, denn da­für wa­ren sie viel zu nahe bei Hal­fuár. Wo aber konn­ten die Orks sonst hin wol­len?

Ver­dammt! Wo­hin wa­ren die Bies­ter jetzt so plötz­lich ver­schwun­den? Auf ein­mal schie­nen sie wie vom Erd­bo­den ver­schluckt zu sein! Nik­ko, der noch im­mer un­sicht­bar auf sei­nem Dra­chen ritt, flog meh­re­re Schlei­fen über das Ge­biet, auf dem er die Orks ver­lo­ren hat­te. Aber das half nichts. Es war ein­fach zu dun­kel, um et­was Ge­nau­e­res zu er­ken­nen.

Ver­mut­lich wa­ren Krûl und sei­ne Krie­ger in ir­gend­ei­nem Loch ver­schwun­den. Bis der Groß­her­zog das Land vor nun fast zwei Jah­ren von den Orks er­obert hat­te, war ganz Hy­mal in ih­ren Klau­en ge­we­sen. Aus die­ser Zeit kann­ten sie si­cher­lich noch alle Höh­len und sons­ti­gen Ver­ste­cke in der Um­ge­bung.

Es wäre wohl am bes­ten, den Dra­chen hier ir­gend­wo zu lan­den und dann zu Fuß wei­ter zu su­chen. Nik­ko könn­te sich da­bei auch auf Nase und Ohren ver­las­sen. Orks wa­ren ja nicht un­be­dingt die de­zen­tes­ten We­sen, die auf der Erde ihr Da­sein fris­te­ten.

Nach­dem er den Dra­chen ge­lan­det hat­te, über­trug Nik­ko den Un­sicht­bar­keits­zau­ber nur auf sich. Zwar könn­te er die Ech­se auch wei­ter­hin tar­nen, be­fürch­te­te je­doch, sie spä­ter nicht ohne Pro­ble­me wie­der­zu­fin­den.

Sei­ne Hoff­nung, die Orks über ih­ren Ge­stank und ihre ek­li­gen Geräusche auf­spü­ren zu kön­nen, stell­te sich schon bald als be­rech­tigt her­aus. Tat­säch­lich hör­te er aus ei­ner Rich­tung nicht nur die krat­zi­gen Lau­te der Bies­ter be­son­ders laut, son­dern dazu noch das Knur­ren ih­rer gräss­li­chen Wargs. Auch der Ge­stank schi­en sich von dort her in­ten­siv aus­zu­brei­ten.

Schon we­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter er­kann­te der Ma­gier, dass die Wargs vor ei­nem Höh­len­ein­gang war­te­ten. Die­ser wur­de von zwei Orks mit … ver­mut­lich Keu­len be­wacht. Genau konn­te Nik­ko es bei der Dun­kel­heit nicht se­hen. Aus dem In­nern der Höh­le ließ sich das üb­li­che Ge­grun­ze ver­neh­men. Half ihm drau­ßen noch das spär­li­che Licht von Mond und Ster­nen, wür­de er in dem stock­fins­te­ren Loch so gut wie blind sein. Wie soll­te er sich dort drin­nen nur zu­recht­fin­den?

Die blaue Di­men­si­on? Wenn es Nik­ko ge­lin­gen wür­de, die rich­ti­ge Ent­rückung zu fin­den, müss­te es doch mög­lich sein, die Orks im bläu­li­chen Schein die­ser fas­zi­nie­ren­den Welt zu be­ob­ach­ten. So be­stün­de auch kei­ne Ge­fahr, sich durch sei­nen Ge­ruch oder ir­gend­wel­che Geräusche zu ver­ra­ten. Gera­de die Wargs hat­ten ja aus­ge­zeich­ne­te Na­sen. So je­den­falls hat­te Da­nu­wil es ihm vor lan­ger Zeit ein­mal er­zählt.

Nik­ko hat­te sich die Ein­zel­hei­ten über ei­ni­ge der Ent­rückun­gen ge­merkt, in de­nen der Dra­che in der blau­en Welt sicht­bar war. Wenn der Ma­gier au­ßer­dem einen Schwe­be­zau­ber wirk­te, be­stand auch kei­ne Ge­fahr, dass er durch even­tu­ell durch­läs­si­ges Ge­stein hin­durch­fiel.

Also ver­setz­te er sich di­rekt aus sei­ner Un­sicht­bar­keit her­aus in die blaue Welt, wirk­te schnell noch einen Schwe­be­zau­ber und be­gann dann mit der Ent­rückung. Zu­erst wähl­te er eine Pha­se, in wel­cher der Dra­che in der blau­en Di­men­si­on sicht­bar blieb. Ein Blick über die Schul­ter in die Rich­tung, in der er die Ech­se war­ten ließ, be­stä­tig­te dies. Lei­der war nun we­der von den Wargs noch von den Orks et­was zu se­hen.

Der Meis­ter muss­te eine gan­ze Rei­he von Kom­bi­na­tio­nen durch­pro­bie­ren, fand letzt­lich aber eine, in der skur­ri­ler­wei­se nur die Orks er­kenn­bar wa­ren, al­les an­de­re er­schi­en bes­ten­falls als blass­blau­er Schim­mer. Das hat­te je­doch den großen Vor­teil, dass Nik­ko sich kei­nen Weg in die Höh­le su­chen muss­te. Nein, er konn­te ein­fach durch die Fel­sen zu den Bies­tern hin schwe­ben.

Als er dann ganz in der Nähe der Orks an­kam, muss­te er ent­täuscht fest­stel­len, dass er nicht hö­ren konn­te, was die Bes­ti­en sag­ten, ob­wohl sie sich an­ge­regt zu un­ter­hal­ten schie­nen. Na ja, er ver­stand ihre Spra­che oh­ne­hin nicht. Den­noch stör­te er sich ir­gend­wie an der Stil­le.

Trotz der Ver­schwom­men­heit der bläu­li­chen Ge­stal­ten konn­te Nik­ko zu­min­dest Krûl und Grâkh in der Mas­se er­ken­nen. Die bei­den hat­ten da­bei nicht nur die im­po­san­tes­ten Fi­gu­ren, sie wa­ren es auch, die sich am hef­tigs­ten mit­ein­an­der un­ter­hiel­ten – wenn nicht gar strit­ten.

So ging das eine gan­ze Wei­le lang, bis Nik­ko ir­gend­wann die ers­ten Zwei­fel ka­men, ob er auf die­se Wei­se über­haupt et­was über den Geist der Orks her­aus­fin­den konn­te. Al­ler­dings hat­te Grâkh ja ge­sagt, dass er das We­sen noch in der Nacht be­fra­gen wür­de. Dann aber schie­nen die bei­den sich zu tren­nen.

Der Ork­fürst ließ Grâkh al­lein und ent­fern­te sich mit al­len sei­nen Krie­gern. Mehr konn­te Nik­ko nicht er­ken­nen. Grâkh je­doch mach­te kei­ne An­stal­ten, sich eben­falls zu ent­fer­nen. Nein, nun fing er so­gar an, sich vor ir­gen­det­was oder ir­gend­wem zu ver­beu­gen und wild zu ges­ti­ku­lie­ren.

War das Glück Nik­ko also doch noch hold? Ja, es sah fast so aus, als wür­de der Ork nun den Geist her­bei­ru­fen oder an­ru­fen – oder was auch im­mer. Aber was war das? Der Ma­gier konn­te zwar er­ken­nen, dass reich­lich Ener­gi­en flos­sen, Mus­ter wa­ren dem Gan­zen je­doch nicht zu ent­neh­men. Was konn­te das be­deu­ten?

Meh­re­re Mi­nu­ten lang zog sich das Schau­spiel hin, doch noch im­mer er­kann­te Nik­ko kei­ne kla­re Struk­tur. We­der be­kam er ein Ge­fühl da­für, wer oder was die­ser Geist nun war, noch sah er einen Hin­weis, wie er un­ter Um­stän­den selbst mit ihm Kon­takt auf­neh­men könn­te. Dann schi­en Grâkh sein Ri­tu­al zu be­en­den. Ob der Ork mit dem Er­geb­nis zu­frie­den war, war je­doch nicht aus­zu­ma­chen. Dazu war sein Eben­bild in die­ser Welt viel zu ver­zerrt und ver­schwom­men.

Plötz­lich er­tön­te ein gräss­li­ches La­chen! Ein­fach so. Wo kam das denn her? Die Lau­te der Orks konn­te der Ma­gier hier doch gar nicht hö­ren. Es muss­te also ein an­de­res We­sen sein, das sich so amü­sier­te. Mo­ment mal, war das etwa der Geist der Orks, der Nik­ko da aus­lach­te?

Der Zau­be­rer hat­te den Rest der Nacht in ei­ni­ger Ent­fer­nung von der Ork­höh­le ver­bracht, war aber nicht rich­tig zur Ruhe ge­kom­men. Erst eine aus­gie­bi­ge Me­di­ta­ti­on am Mor­gen brach­te et­was Er­ho­lung und auch wie­der einen frei­en Kopf. Den konn­te Nik­ko jetzt gut ge­brau­chen!

Da­ran, was nach dem scheuß­li­chen Ge­läch­ter in der Höh­le ge­sche­hen war, konn­te der Ma­gier sich selt­sa­mer­wei­se kaum mehr er­in­nern. Dass Grâkh ir­gend­wann zu den an­de­ren Orks ge­gan­gen war, wuss­te er zwar noch, aber wie lan­ge er selbst dann wie an­ge­wur­zelt dort ver­weilt hat­te … es könn­ten Mi­nu­ten aber auch Stun­den ge­we­sen sein.

Mit ei­nem kräf­ti­gen Schüt­teln ver­such­te Nik­ko nun, die Ge­dan­ken an das gru­se­li­ge Ge­läch­ter los­zu­wer­den. Schließ­lich galt es, mit küh­lem Kopf über das ges­tern Er­leb­te nach­zu­den­ken. Soll­te die stun­den­lan­ge Beo­b­ach­tung der Orks um­sonst ge­we­sen sein?

Nun ja, so ein­fach, wie Nik­ko sich das al­les vor­ge­stellt hat­te, war es of­fen­bar doch nicht. Er hat­te ja ge­hofft, sich bei Grâkh ir­gend­wel­che Mus­ter zur Kom­mu­ni­ka­ti­on mit die­sem Geist ab­gu­cken zu kön­nen. Was der selt­sa­me Ork da aber ge­trie­ben hat­te, muss­te eine gänz­lich an­de­re Art der Ma­gie ge­we­sen sein. Von Mus­tern hat­te der Zau­be­rer je­den­falls kei­ne Spur er­ken­nen kön­nen.

Vi­el­leicht soll­te er den Ort des Ge­sche­hens ja mal in der Wirk­lich­keit ge­nau­er un­ter­su­chen. Es war durch­aus mög­lich, ja so­gar wahr­schein­lich, dass er in der blau­en Welt nicht das gan­ze Ge­sche­hen mit­be­kom­men hat­te. War es etwa ein Feh­ler ge­we­sen, das Ri­tu­al aus ei­ner an­de­ren Di­men­si­on her­aus zu ver­fol­gen?

Was war über­haupt mit den Orks? Hat­ten sie den Rest der Nacht in der Höh­le ver­bracht oder wa­ren sie nach dem Ri­tu­al wie­der los­ge­zo­gen? Ein Blick in den heu­te hei­te­ren Him­mel ließ ver­mu­ten, dass die licht­scheu­en Bies­ter sich an die­sem Tag viel lie­ber ver­bor­gen hal­ten wür­den. Wa­ren sie also noch in der Höh­le?

Als Nik­ko sich we­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter vor­sich­tig dem Loch nä­her­te, stell­te er mit Er­leich­te­rung fest, dass die Wargs nicht mehr am Ein­gang wach­ten. Das hieß wohl, dass die Orks doch schon ab­mar­schiert wa­ren. Aber wo­hin?

Es gab ei­gent­lich nur zwei Mög­lich­kei­ten. Ent­we­der sie hat­ten sich dazu ent­schlos­sen, wie­der in ihre Berg­fes­tung zu­rück­zu­keh­ren, oder aber doch noch zu plün­dern. Ob­wohl, die­se Ent­schei­dung dürf­te wohl eher von dem Geist ge­trof­fen wor­den sein. In letz­te­rem Fall wür­den sie es al­ler­dings mit Nik­ko und sei­nem Dra­chen auf­neh­men müs­sen.

So oder so, der Zau­be­rer soll­te bes­ser nicht noch mehr Zeit ver­geu­den und die Spur der Orks mög­lichst schnell fin­den. Es wäre ja nicht aus­zu­den­ken, wenn Krûls Hor­de ohne Ge­gen­wehr in Hal­fuár wü­ten wür­de. Den­noch, Nik­ko woll­te sich vor­her die Höh­le noch ge­nau­er an­se­hen. So viel Zeit muss­te sein!

Im In­nern war von den Orks nichts mehr zu hö­ren, nichts zu se­hen und zum Glück auch nur noch we­nig zu rie­chen. Trotz­dem hielt der Ma­gier sei­nen Un­sicht­bar­keits­zau­ber vor­erst auf­recht, gönn­te sich aber et­was ma­gi­sches Licht, um in dem fins­te­ren Loch über­haupt et­was se­hen zu kön­nen.

Vom Ein­gang aus führ­te der Gang ihn zu­nächst ein Stück nach un­ten und mün­de­te dann in ei­ner grö­ße­ren Höh­le, von der ei­ni­ge Ab­zwei­gun­gen aus­zu­ge­hen schie­nen. Zahl­lo­se Kno­chen auf dem Bo­den lie­ßen ver­mu­ten, dass die Ka­ver­ne den Orks auch frü­her schon als Un­ter­schlupf ge­dient hat­te.

Nik­ko ver­such­te sich dar­an zu er­in­nern, in wel­cher Rich­tung Grâkh ge­stan­den hat­te, als er ges­tern Nacht den Geist be­schwor. Dort war tat­säch­lich ein Durch­gang zu er­ken­nen, dem der Zau­be­rer nun folg­te.

Der Gang führ­te wei­ter hin­ab und en­de­te schließ­lich in ei­ner mit­tel­großen Höh­le, viel­leicht zwei oder drei Schrit­te breit, da­für je­doch be­stimmt einen hal­b­en Stein­wurf lang. Am an­de­ren Ende des Raums schi­en et­was ge­baut zu sein, doch Ge­nau­e­res konn­te der Ma­gier bei dem fah­len Licht nicht er­ken­nen. Den fau­li­gen Ge­stank, der den gan­zen Raum er­füll­te, konn­te er aber auch so noch gut ge­nug rie­chen.

Das roch doch bei­na­he so wi­der­lich wie bei ei­ner Dä­mo­nen­be­schwö­rung, oder nicht? Es war zwar schon eine Wei­le her, dass Nik­ko das letz­te Mal mit ei­nem Dä­mon zu tun hat­te, aber den Ge­ruch die­ser Bies­ter wür­de er wohl nie­mals ver­ges­sen. Den­noch, ir­gend­wie roch es hier ein we­nig an­ders. Au­ßer­dem ver­flog der Ge­stank nach ei­ner Be­schwö­rung doch ei­gent­lich so­fort.

Der Zau­be­rer ver­stärk­te nun sein ma­gi­sches Licht, um sich die Sa­che ge­nau­er an­se­hen zu kön­nen. Ir­gen­det­was stimm­te hier nicht. Wenn Grâkh tat­säch­lich einen Dä­mon be­schwo­ren hat­te, müss­te sich der Ge­ruch ja längst wie­der ver­zo­gen ha­ben. Es sei denn, der Ork hät­te den Ri­tu­al­platz nicht rich­tig ge­bannt und ge­rei­nigt. Das aber könn­te hei­ßen …

Nein, die Ur­sa­che des Ge­stanks ließ sich in Nik­kos ma­gi­schem Licht jetzt leicht er­ken­nen. Auf ei­nem Stein­qua­der kurz vor der hin­te­ren Wand der Höh­le lag ein To­ter! Ein gan­zer Schwarm Flie­gen stieg wü­tend em­por, als der Zau­be­rer sich nä­her­te. Nun sah er auch, wie sich un­zäh­li­ge Ma­den im Fleisch der Lei­che krin­gel­ten.

Der fau­li­ge Ge­stank war kaum noch aus­zu­hal­ten und der ek­li­ge An­blick tat sein Üb­ri­ges. Nik­ko war kurz da­vor, sich zu über­ge­ben, und wür­de die­sen wi­der­li­chen Ort am liebs­ten so­fort ver­las­sen. Doch es schi­en so, als sei er hier auf der rich­ti­gen Spur. Das al­les konn­te ja kein Zu­fall sein!

Mit zu­ge­hal­te­ner Nase schau­te sich der Zau­be­rer wei­ter um, doch fühl­te er die fau­li­ge Luft bald auch in sei­nem Mund. Er sah, dass hin­ter dem of­fen­bar als Al­tar die­nen­den Qua­der eine grob­schläch­ti­ge Sta­tue stand, die mit ei­ner ge­hö­ri­gen Men­ge Blut be­sprengt war, an ei­ni­gen Stel­len schie­nen so­gar Fleisch­fet­zen zu hän­gen. Mo­ment mal, was war denn das? Igitt, ein ech­tes Herz lag in ei­ner Öff­nung der Sta­tue, un­ge­fähr dort, wo sich ihr ei­ge­nes Herz be­fin­den wür­de.

An­ge­wi­dert dreh­te sich Nik­ko weg und er­kann­te, dass auch die Sei­ten­wän­de des Raums be­schmiert wa­ren. Aber sa­hen die Fle­cken nicht wie mit Blut ge­zeich­ne­te Sym­bo­le aus? Nein, es war ein und das­sel­be Sym­bol – wie­der und wie­der! An al­len Wän­den fand es sich. War das etwa das Sie­gel des rät­sel­haf­ten Geis­tes?

Das könn­te durch­aus sein. Vi­el­leicht hat­te Grâkh das We­sen ja ge­ru­fen, in­dem er des­sen Sie­gel mit Blut an die Wän­de zeich­ne­te. Es schi­en auch so, als sei­en vie­le der Sym­bo­le be­reits äl­ter, nur ei­ni­ge we­ni­ge wa­ren frisch.

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