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THOMAS RÖGNER

DER ULTIMATIVE
BIKE-WORKSHOP

ALLE REPARATUREN | KAUFBERATUNG | PROFI-TIPPS | FEDERGABEL-TUNING | FULLSUSPENSION-WARTUNG | PFLEGE UND EINSTELLUNG

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INHALT

1.Abenteuer – Aber sicher

2.Der richtige Bike-Typ/E-MTB-Kaufberatung

3.Rahmen und Komponenten

4.Rahmengeometrie und Sitzposition

5.Das richtige Werkzeug

6.Reinigung und Pflege

7.Alles über die Schaltung

8.Tretlager und Kette montieren

9.Die optimale Bremse

10.Bremsen montieren, einstellen, entlüften

11.Steuersatz: Wartung und Einstellung

12.Pedale warten und einstellen

13.Federgabel-Lexikon

14.Service für Federgabeln

15.So wartet man ein Fullsuspension

16.Alle Tricks zum Fahrwerks-Tuning

17.Rund um Laufrad und Reifen

18.Der richtige Lenker und Vorbau

19.Tipps zu Sattel und Sattelstütze

20.Basteln im Freien

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1ABENTEUER – ABER SICHER

Mountainbiken bringt Spaß, ist gesund und bietet einmalige Naturerlebnisse. Hausrunde, Hüttentour oder Transalp – mit einem optimal eingestellten und gewarteten Bike lässt sich jedes Abenteuer sicher meistern.

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Im Vergleich zur über hundertjährigen Geschichte des Fahrrads in Europa ist das Mountainbike ziemlich jung. Doch das Geländerad aus Amerika hat die Entwicklung neuer Techniken und Materialien schneller und intensiver beeinflusst als jede andere Fahrradgattung. In nur wenigen Jahren haben sich bissige Hydraulik-Scheibenbremsen, leichtgängige und sogar elektronische Rasterschaltungen mit bis zu 30 Gängen und ausgeklügelte Dämpfungssysteme, die für mehr Komfort und Sicherheit sorgen, etabliert und andere Radtypen beeinflusst. Auch die Verwendung von Carbon wurde stark vorangetrieben. Das Bike war und ist der Turbo für die Fahrradtechnik.

Der Erfolg der Gattung »Mountainbike« liegt aber auch im Menschen selbst begründet. Das Bike hat Millionen von Menschen so mobil gemacht wie kein anderes Fortbewegungsmittel zuvor. Vom schnellen Einkaufstrip in die Stadt bis zur mehrwöchigen Tour ist alles möglich. In einer zunehmend technisierten und hektischer werdenden Umwelt erfüllt das Geländefahrrad zudem ein wichtiges Bedürfnis unserer Gesellschaft: Zurück zur Natur und zu sich selbst – das Mountainbike ist das ideale Vehikel, die Welt mit neuen Augen zu sehen, im Urlaub oder daheim vor der eigenen Haustür.

Ob allein, mit Freunden oder in einer netten Gruppe – auf einem Bike ist das Erlebnis der eigenen Kräfte und der Umwelt so intensiv wie in keiner anderen Sportart. Nur so ist auch der Boom zu Extremtouren wie den zahlreichen Marathons auf der ganzen Welt, und der immer größer werdenden Nachfrage nach Alpenüberquerungen zu erklären. Mit eigener Kraft hundert und mehr Kilometer am Tag zurückzulegen und dabei Pässe mit zwei- und dreitausend Metern Höhe zu überwinden, übt eine Faszination aus, die einen nicht mehr loslässt. Wer vom Bazillus »Biken« angesteckt ist, möchte seine Grenzen immer wieder testen und hinausschieben.

Beim Mountainbike hat man noch alles im Griff

Bei all diesen Extremen ist das Geländerad jedoch einigermaßen einfach und überschaubar geblieben. Im Gegensatz zu anderen modernen Alltagsgeräten bietet das Mountainbike noch das vertraute Gefühl, die Technik verstehen und damit umgehen zu können. Ein Bike ist bei allem Hightech- und Raumfahrt-Material im Grunde immer noch ein Fahrrad und von jedermann beherrschbar und auch im Notfall soweit reparabel, um zum nächsten Stützpunkt zu gelangen. Bleibt Ihr Auto heute unvermittelt auf der Straße stehen, ist der Gang zur Notrufsäule unvermeidlich. Die Entwicklung zu funkgesteuerten, motorgetriebenen Schaltungen und E-Mountainbikes setzt den eigenen Reparaturmöglichkeiten auch Grenzen. Je weniger Elektronik, desto größer bleiben die Möglichkeiten zu (Not-)Reparaturen.

Selbermachen bringt Spaß

Am »normalen« Bike können Sie – ein wenig handwerkliches Geschick und das richtige Werkzeug vorausgesetzt – fast alle Reparaturen und Wartungsarbeiten selbst durchführen. So macht man sich mit seinem Sportgerät vertraut und erntet gleichzeitig die Belohnung, die Technik noch im Griff zu haben. Bei Pannen ist man nicht hilflos und kommt wieder nach Hause oder zum nächsten bewohnten Ort – ein beruhigendes Gefühl.

Wie das funktioniert und welches Werkzeug Sie benötigen, um Ihr Bike optimal in Schuss zu halten und lange Spaß daran zu haben, erfahren Sie in diesem Buch. Aus meiner 25-jährigen Praxis als Fahrradjournalist und Mountainbike-Guide und mit dem Wissen zahlreicher Profis aus der Radbranche habe ich alle notwendigen Wartungs- und Reparaturarbeiten an einem Mountainbike zusammengestellt. Diese sind in verständlichen, leicht nachvollziehbaren Schritten mithilfe zahlreicher Fotos und Grafiken erläutert. Zudem greife ich auf die umfangreiche Erfahrung der Test- und Technikabteilung des BIKE-Magazins zurück, die Tausende von Mountainbikes kritisch und ausführlich unter die Lupe genommen und bewertet hat. Zusätzlich erhalten Sie wertvolle Tipps zum Kauf eines Mountainbikes und Erklärungen über Qualitätsmerkmale und die verwendeten Materialien für Rahmen und Komponenten. Außerdem gibt’s jede Menge Informationen zum Tuning des Bikes und alle Hinweise zur optimalen Abstimmung der Dämpfung und der Federgabel.

Viel Spaß beim Lesen und Schrauben wünscht

Thomas Rögner

Weitere aktuelle Infos im Internet: www.bike-magazin.de

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Fahrspaß pur – mit dem Bike auf Single-tracks unterwegs, wie hier auf La Palma. Mit keinem anderen Sportgerät erfährt man die Natur so hautnah wie mit einem Mountainbike. Ist das Rad richtig gewartet und gut eingestellt, kann man sich auch in schwierigem Gelände sicher bewegen und die eigenen Grenzen ausloten.

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Teil-Erfolg

Ein Mountainbike ist mehr als die Summe seiner Teile. Wer sich auch durch kleine Reparaturen mit seinem Geländerad auseinandersetzt, wird bald die Freude an beherrschbarer Technik neu entdecken.

2DER RICHTIGE MOUNTAINBIKE-TYP

Touren, Race, All Mountain, Freeride – jeder Mountainbike-Typ hat einen eigenen, wenn auch großen, Einsatzbereich. Entscheidend sind Fahrwerk, Laufradgröße und Federwege.

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DIE BIKE-KATEGORIEN

Ein Bike ist grundsätzlich ein Alleskönner – aber keiner wuchtet gern Downhillboliden mit 18 Kilo dreitausend Höhenmeter nach oben. Je nach Einsatzbereich und Vorlieben sollte man aus diesen verschiedenen Kategorien wählen:

image FITNESS

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Laufen langweilt Sie, Eisenbiegen im Studio ist Zeitverschwendung? Dann ist Mountainbiken genau das Richtige: dynamisch, konditionell und koordinativ fordernd und draußen. Sie müssen nicht gleich beim nächsten Marathon antreten, auch auf der Hausrunde kann man seine Fitness trainieren, schwitzen und Spaß haben. Statt anspruchsvolle Alpen-Trails hinunterzuzirkeln, zählen Kilometer und Höhenmeter? Dann sind Sie in der Fitness-Sparte gut aufgehoben.

HARDTAIL

MARATHONFULLY

Hinten hart, vorne Federgabel: Hardtails sind die ursprünglichste Gattung und erlebten mit dem 29er-Laufrad-Trend in den vergangenen Jahren einen neuen Aufschwung. Durch ihr geringes Gewicht lassen sie sich leicht beschleunigen, klettern leichtfüßig und bieten auf Schotterabfahrten und sanften Trails ein direktes Fahrgefühl. Perfekt für Rennen und Einsteiger mit geringem Budget.

Racefullys kommen mit 100 mm Federweg hinten und vorn aus. Die Geometrien sind sportlich, Effizienz dominiert das Fahrwerk. Das Mehrgewicht zum Hardtail wird durch mehr Komfort und Traktion in ruppigem Terrain kompensiert. Empfehlenswerte Modelle mit guter Ausstattung und akzeptablem Gewicht starten bei 2000 Euro. Auch im Mittelgebirge machen sie eine gute Figur.

image ERLEBNIS

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Einmal im Leben eine Alpenüberquerung – über diesen Traum entdecken viele Einsteiger das Mountainbiken. Wer Naturerlebnis, Bergpanoramen und kilometerlange Abfahrten in den Vordergrund stellt, passt in die Erlebniskategorie. Ob Tages-Tour im Mittelgebirge, Hütten-Wochenende in den Alpen oder mehrtägige Unternehmungen in einer Gruppe: vollgefederte Bikes aus dem All-Mountain-Segment sind ideal. Wer die Abfahrt in den Fokus rückt, nimmt mehr Federweg bis 150 Millimeter.

ALL MOUNTAIN

FATBIKE

Die Touren-Bikes schlechthin laufen unter All Mountains. Mit Federwegen von 120-150 Millimetern sind sie sehr vielseitig: vom Marathon bis zur Trail-Tour im Hochgebirge. Gemäßigte Winkel, kompakte Sitzposition und absenkbare Sattelstützen zeichnen sie aus. So kann man bequem klettern und bergab richtig Gas geben. Für leichte, hochwertige Modelle muss man um 3000 Euro rechnen, Einsteiger sind mit 2000 Euro dabei.

Mit 4,8-Zoll-Reifen sind Fatbikes der letzte Schrei unter den Bikes. Die Geschichte ist noch jung, die Anzahl der Hersteller überschaubar und die Meinungen darüber kontrovers. Durch die federnde Bereifung kann man sich (fast) Federelemente sparen. Deshalb sind Fattys meist Hardtails. Bei extremen Bedingungen (Schnee, Sand) spielen sie ihre Stärken aus. Fatbikes sind Allrounder mit Fahrspaß-Garantie.

image ACTION

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Geschwindigkeit, Adrenalin und Fahrkönnen erzeugen bei Downhills Glücksmomente. Experten sprechen vom »Flow«. Wenn Sie aufs Bike steigen, wollen Sie mit breitem Grinsen über technische Singletrails jagen und auch mal abheben. Wie man auf den Berg kommt, ist nicht so wichtig – es darf auch gern die Gondel sein. Hauptsache, bergab geht die Post ab. Dann sind Bikes mit viel Federweg (160–200 Millimeter), fetten Reifen und sattem Fahrwerk der perfekte Untersatz.

ENDURO

FREERIDE

Ab 160 Millimetern darf sich ein Mountainbike Enduro nennen. Bergauf etwas gemütlicher, im Vordergrund stehen Fahrspaß auf technischen Trails, Sprünge und der Kampf gegen die Uhr bergab. Bremsen und Fahrwerk haben echte Nehmerqualitäten, auch Reifen und Komponenten sind massiv gebaut. Top-Enduros wiegen um 13 Kilo, kosten aber auch 4000 Euro und mehr. Solide Bikes mit 14,5 Kilo kosten ab 3000 Euro.

Freeride-Bikes ist kein Gelände zu steil, kein Trail zu rumpelig und kein Sprung zu weit. Sie schlucken mit 180 Millimetern und mehr jedes Hindernis und scheren sich einen Dreck darum, ob sie sich gut pedalieren lassen. Um auf den Berg zu kommen, benutzt man Gondel oder Shuttle. Haltbarkeit geht bei allen Komponenten vor Gewicht. 16 Kilo kommen dabei schnell zusammen. Einfache Freerider erhält man ab 3000 Euro.

Ein Mountainbike ist schon lange kein schnöder Gebrauchsgegenstand mehr wie ein ganz normales Rad. Es ist ein Kultobjekt, Spaßmobil in vielen Bereichen und gleichzeitig eine Spielwiese für neue Technik und Fans von Experimenten. Der Markt ist schwer überschaubar und die Bikes scheinen komplizierter geworden zu sein. Gleichzeitig ist damit aber die Auswahl für Biker und solche, die es werden wollen, erheblich gewachsen. Und damit haben sich die Chancen vermehrt, das beste Mountainbike für die eigenen Vorlieben und den optimalen Einsatzbereich zu finden. In diesem Kapitel sind die Vor- und Nachteile sowie die Unterschiede zwischen den einzelnen Kategorien erklärt.

Tobte früher der Glaubenskrieg zum Thema Alu oder Stahl, wurde später daraus die Gewissensfrage Hardtail oder Fullsuspension und dann – ganz wichtig – die Länge des Federwegs. Alles passé. Nach über 30 Jahren der fortschreitenden Evolution gelten neue Entscheidungskriterien: die Laufradgröße, ganz wichtig, und der gewünschte Einsatzbereich (siehe links und nächste Seite). Dabei bedingen sich diese beiden Faktoren gegenseitig.

Grundsätzlich sollte man sich die Frage nach dem richtigen Bike anhand der eigenen Zielsetzung beantworten. Durch den Entscheidungsbaum auf der linken Seite wird man schon einmal auf den richtigen Weg geführt.

Manche der Bikemodelle werden von Herstellern auch noch parallel in zwei Laufradgrößen angeboten, dem nun populären 29 und der Ergänzung mit Größe 27,5. Als Faustregel lässt sich festhalten: 29er kommen für alle in Frage, die schnell, ausdauernd oder auf langen Touren unterwegs sein wollen. Geht der Mountainbike-Einsatz mehr in Richtung Spaß, Action, Bikepark und technische Trails, bewegt man sich zum Mittelformat 650B (so die andere Bezeichnung für 27,5 Zoll) bzw. den dickeren Vertretern, B+ hin. Das ursprüngliche Massenbike mit 26-Zoll-Laufradgröße ist abgeschoben in den unteren Preisbereich oder in Nischen wie Downhill oder die Sparte Dirt, wo es auf hohe Sprünge, Wendigkeit und maximale Robustheit ankommt.

Meist aus sportlichen Gründen, wie Teilnahme an Bike-Marathons oder Rennen, greift man zum ehemals bewährten Hardtail, dem Starr-Rahmen mit Federgabel. Der Begriff kommt, wie so häufig, aus dem Amerikanischen und bezieht sich auf das unbewegliche Heck des Mountainbikes. Hardtails sind durch die 29er-Laufräder wieder salonfähig, denn die großen Laufräder rollen besser über Hindernisse und bieten schon von daher einen leichten Komfortvorteil. Inzwischen gibt es 29er-Hardtails auch im wieder in Mode kommenden Werkstoff Stahl, der ebenfalls komfortverbessernd gestaltet werden kann. Auch für reine Fitnessfreunde ist diese Gattung interessant, denn man kann sowohl auf Straße und Schotterwegen als auch im Gelände damit richtig Gas geben.

Ansonsten haben sich Fullsuspensions, vollgefederte Mountainbikes, auf breiter Front durchgesetzt. Die technischen Vorteile eines guten Fahrwerks, vorne und hinten beweglich und gedämpft, sind undiskutierbar: Mehr Komfort, größere Fahrsicherheit, höhere Geschwindigkeiten sind Argumente, die man nicht ignorieren kann. Zudem sind die Systeme ausgereift und leichter geworden.

Fullys sind ausgereift

Das Vorurteil »Fullsuspension schluckt Kraft« ist nicht mehr haltbar. Moderne Fullys gleichen durch bessere Traktion und durch die geringere Ermüdung der Muskulatur das Mehrgewicht sehr gut aus, wie sogar Messungen des BIKE-Magazins ergeben haben. Ausgeklügelte Dämpfersysteme vermeiden das früher so gefürchtete Wippen der Dämpfer. Dass man mit dem Fully in andere Geschwindigkeits-Dimensionen vorstößt, vor allem bergab, ist ein (positiver) Nebeneffekt.

Nur über eines muss man sich als Fully-Käufer im Klaren sein: Die Vollgefederten brauchen regelmäßige Pflege und Wartung. Dämpfer und Lager sollten einmal im Jahr in der Werkstatt gecheckt werden. Mit den Anleitungen ab Seite 114 können Sie die grundlegenden Wartungsarbeiten auch selbst erledigen, die das Leben der Dämpfer entscheidend verlängern. Eine gut ausgestattete eigene Werkstatt (Seite 40) ist dafür ebenfalls Voraussetzung. Bei den Dämpfern hat sich in den letzten Jahren viel getan, und es wurden verschiedene Systeme entwickelt, um das lästige Wippen abzustellen, wie das Pro Pedal Damping (PPD) von Fox, abgelöst vom CTD (Climb-Trail-Descend) oder das Stable Platform Valve (SPV) von Manitou. Sollte man auf einen Dämpfer mit diesen Features umrüsten wollen, muss man dazu die entscheidenden Maße wie Einbaulänge, Hub und Breite berücksichtigen (dazu mehr ab Seite 114). Viele Dämpfermodelle, beispielsweise von Scott oder von RockShox, arbeiten mit Blockierhebeln vom Lenker aus (Remote Lock): eine gute Steuerungsmöglichkeit, die vor allem an langen Anstiegen den Federweg minimieren oder den Dämpfer komplett ausschalten wollen. Hier haben diese Systeme Vorteile gegenüber den Plattform-Systemen, da sie meist über ein echtes Lock-out, eine Blockierfunktion verfügen.

Wenn Sie nun Ihren Einsatzbereich gewählt und ein entsprechendes Bike gefunden haben, heißt das nicht, dass Sie nun absolut festgelegt sind. Mit jedem Biketyp kann man fast alles machen, was beim Mountainbiken möglich ist. Nun gut, mit dem 9-Kilo-Hardtail sollte man nicht in den Bike-Park shredden gehen. Aber man kann beispielsweise auch mit einem erträglich schweren Freerider die Alpen überqueren.

Damit wären wir bei einem immer noch relativ wichtigen Punkt: dem Gewicht. Ein Kriterium, das für alle Räder gilt, gilt bei den Fullys umso mehr: Je leichter, desto teurer. Dies liegt natürlich zum einen an den verwendeten Materialien für den Rahmen. Aluminiumfahrwerke unterschiedlicher Güte und Bearbeitungsmethoden sind Standard (siehe dazu auch Kapitel 4). Um das Gesamtgewicht zu drücken, greifen Hersteller verstärkt zum High-Tech-Stoff Carbon. Hier sind schon die Grundmaterialien, die Fasern, teurer und die Verarbeitung ist kostenintensiver, sowohl in der Entwicklung als auch bei der Herstellung.

Bei den Komponenten wie Schaltung, Antrieb und Anbauteile das gleiche Spiel. Exotisches Material, Ingenieurskunst, um trotz Belastung leichte Teile haltbar zu konstruieren – das zahlt man letztendlich als Kunde mit. Heftige Preise knapp unter und bis zu 10 000 Euro, vor wenigen Jahren noch die absolute Ausnahme, findet man nun bei mehreren Modellen.

Wer Geld sparen will liebäugelt mit Versendern und profitiert von der Preistransparenz im Internet. Das ist nicht verwunderlich, sahnen doch einige Versand-Marken regelmäßig vorderste Plätze in Vergleichstests ab. Die Argumente Pro und Contra Bike-Shop und Kauf im World Wide Web findet man im unten stehenden Kasten.

Um nicht das Bike aus dem Karton, oder die Katze aus dem Sack zu kaufen, empfehlen sich Besuche von Festivals und Test-Wochenenden, wo man häufig mehrere Stunden Probe fahren kann. Schon mancher soll vom gedachten Günstig-Hardtail auf ein richtig krasses Enduro-Monster umgeschwenkt sein.

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Sehr sportliche Biker und Rennfahrer bevorzugen immer noch die sogenannten Hardtails, auch bei ruppigen Rockgardens auf den Rennstrecken. Hauptargument ist das geringere Gewicht und die direkte Umsetzung der eigenen Kraft durch den starren Hinterbau.

DIESE BIKE-KATEGORIEN GIBT ES

Vom puristischen Hardtail bis zum langhubigen Enduro – im großen Angebot am Markt findet jeder Fahrer das passende Bike.

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ENDURO

Ab 160 Millimeter Federweg geht es los mit der Enduro-Kategorie. Durch robuste Rahmen und Komponenten geht das Gewicht schnell über die 14-Kilo-Marke, Carbon macht mittlerweile leichte Bikes möglich. Die Bikes sind downhill-lastig ausgelegt, allzu lange Bergaufstrecken mögen sie nicht. Für Rennen oder Spaß mit Gondel und Shuttle gedacht. Ab 2500 Euro erhält man solide Modelle, 13-Kilo-Enduros ab 3500 Euro.

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HARDTAIL

Gute Hardtails mit Federgabel gibt es in den Preisklassen 1000 (Einsteiger) bis 2500 Euro. Sündteure Top-Modelle für den Renneinsatz erreichen auch 10 000 Euro. Ab etwa 1600 Euro treten Hardtails mit Carbon-Rahmen an. Bei Racebikes geht Gewicht (fast) über alles. Bei preisgünstigen Modellen genau auf die Qualität der Ausstattung (Bremsen, Schaltung, Gabel) achten, um ständige Ersatzteil-Nachrüstung zu vermeiden.

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MARATHON-BIKE

Vollgefederte, sportlich orientierte Bikes (Fullys) mit Federwegen um 100 Millimeter. Je teurer, desto leichter und renntauglicher sind sie. In der Luxusklasse die Werkzeuge der Profi-Racer. Ein steifes, antriebsneutrales und leichtes Fahrwerk ist die Basis. Schnelle Reifen, eine sportliche Sitzposition und hohe Fahrsicherheit bergab stehen im Vordergrund. Die Ausstattung hängt von der Preisklasse ab, unter 2500 bis 3000 Euro geht grundsätzlich wenig.

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FATBIKE & PLUS-FORMATE

Modeerscheinung oder Trendsetter? Fatbikes kommen aus den schneereichen Regionen der USA, Plus-Bikes starten seit 2016 und haben noch keine klare Zielgruppe. Beiden gemein: die dickeren Reifen (2,8 bis 4,8 Zoll). Fatbikes und Plus-Hardtails sind aber verschieden; Knackpunkte sind: Q-Faktor, Handling, Reifen und Bremsen. Wer ein Plus-Format-Bike kauft, hat weniger Spielraum mit der Ausstattung da der Markt noch nicht groß ist.

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TRAILBIKE

Früher als All Mountain Sport bezeichnet, firmiert die Kategorie der 120/130-Millimeter-Fullys jetzt unter dem Begriff »Trailbike«. Agiler und Touren-tauglicher Charakter. Wichtig: die Fahrwerksfunktion, das Gewicht und die Ausstattung. Teleskopstützen sind erwünscht, Reifenbreite: nicht unter 2,2 Zoll. Das Fahrverhalten bergauf und bergab wird gleich stark gewichtet. Das ausgewogenste Bike erhält die meisten Punkte im Test.

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ALL MOUNTAIN

Ab 140 Millimeter Federweg (bei 29er-Bikes) geht der Spaß los. Bikes in 27,5 Zoll haben meist mehr Federweg – bis zu 160.
All Mountain heißt: Das Bike darf ruhig einen Tick mehr auf Downhill-Fahrspaß getrimmt werden. Im Handling gewichten wir die Abfahrt stärker. Auch vom Fahrwerk ist mehr Leistung als beim Trailbike zu verlangen. Eine Teleskopstütze ist Pflicht! Die Reifen sollten mindestens 2,35 Zoll breit sein. Ab 2000 Euro gibt es gute Modelle.

EXTREM: FREERIDE UND DOWNHILL

Lange Federwege, extrem robuste Rahmen und Komponenten. Diese Bikes haben Nehmerqualitäten, machen aber nur für versierte Fahrer Sinn.

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FREERIDE

Aluminium beim Rahmenmaterial hat sich bewährt und wird in dieser Bike-Klasse kaum in Frage gestellt. Die Geometrien unterscheiden sich nur wenig. Der Lenkwinkel ist oft minimal flacher (-0,5° Grad). Gabel & Dämpfer sind wichtig. 170–190 mm Hub im Heck beweisen echte Nehmerqualitäten. Vorn sorgt eine potente 180-mm-Gabel für Laufruhe auf ruppigen Abfahrten. In dieser Bike-Klasse ist der Kampf zwischen 26 und 27,5 Zoll noch nicht entschieden. Bei vielen aktuellen Freeridern vertrauen Hersteller immer noch auf die verspieltere Laufradgröße 26 Zoll.

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Freerider lieben die Abfahrt und bewegen sich hauptsächlich in Bikeparks. Bei Sprüngen, Drops und brutalen Abfahrten wollen sie keine Angst haben, dass das Bike einknickt. Noch mehr: sie wollen ein Bike, das den ein oder anderen Fahrfehler für sie ausbügelt. Dafür gehen sie gern einen Kompromiss bei der Berg-Tour oder der Hausrunde ein und nehmen ein Gewicht um die 15 Kilo in Kauf. Schließlich haben sie genug Schmackes in den Waden. Und mal ehrlich 15 Kilo sind ja so viel auch nicht.

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BIGBIKE/DOWNHILL

Downhillern ist nichts zu viel. Kein Sprung, kein Steinfeld. Sie sind so stabil wie ein Amboss, oder sollten es zumindest sein. Mit mindestens 200 Millimetern Federweg an Heck und Front poltern sie über alles, was im Weg liegt. Ihre Geometrie ist aufs Runterfahren getrimmt – pedalieren lässt sich damit nur mühsam. Moderne Bigbikes schaffen es unter die 16,5-Kilo-Grenze. Gute Downhill-Modelle gibt es bereits ab 3000 Euro.

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FAST AUSGESTORBEN
Wuchtige Freerider über 16,5 Kilo: zu schwer, zu speziell

Der klassische Freerider mit seiner robusten Bauweise und schweren Stahlfederelementen wie abgebildet ist der Verlierer der letzten Jahre. Ihn findet man kaum noch, denn selbst Gravity-Biker wissen: leichter ist besser. Auch sie wollen einen breiten Einsatzbereich und besseres Handling. Die Gattung Freeride-Bikes lebt dennoch weiter. Die Bikes kommen nun deutlich leichter daher, definieren sich aber immer noch durch ihren üppigen Hub. Mindestens 170 Millimeter hinten und 180 Millimeter vorn. Kurzum: Die beiden Bike-Klassen Freerider und Enduros liegen heute deutlich näher zusammen als noch früher.

Welche Laufradgröße passt zu mir?

27,5 und 29 Zoll haben die Karten in den letzten Jahren neu gemischt. Bikes mit 26-Zoll-Laufrädern spielen fast ausschließlich im Einsteiger-Segment und bei viel Federweg (Action-Segment) eine Rolle. Aber viele Modelle gibt es in mehreren Laufradgrößen.

26 ZOLL

Bei Neuentwicklungen übergeht die Bike-Industrie die guten, alten 26-Zöller fast gänzlich. Deshalb finden Sie Bikes mit dieser Laufradgröße fast ausschließlich bei Einsteigermodellen und Enduro-/Freeride-Bikes.

27,5 ZOLL

Mit dem jüngsten der drei Laufradformate versuchen die Hersteller die Vorteile von 26 und 29 Zoll zu vereinen. Das gelingt jedoch nur begrenzt, da sich die Größe und die Fahreindrücke nur geringfügig von 26-Zoll-Bikes unterscheiden.

29 ZOLL

Die großen Laufräder haben Vorteile beim Überfahren von Hindernissen, bieten mehr Laufruhe und verbessern die Traktion beim Klettern. Doch 29er sind etwas schwerer und träger als Bikes mit kleineren Laufrädern.

Vor- und Nachteile: Shop oder Versender

Wo kaufen? Shops um die Ecke bieten Service und Beratung, Direktversender locken im Internet mit günstigen Preisen.

FACHHANDEL/SHOP

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DIREKTVERSAND/INTERNET

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DICKE DINGER – B+

Die Lawine war nicht aufzuhalten: Nach 29er kamen 27,5 (B650) und danach B+-Bikes, die spezielle Rahmen für die breiten Gummis benötigen. Was bringt das dickere Laufradformat?

Im Plus-Format steckt eine Menge Potenzial. Allerdings zeigen Messungen, dass das Fahrgefühl und die Ausführung von Plus-Reifen extrem unterschiedlich sein können. Bei schmaleren und wenig dämpfenden Reifen gibt es kaum Nachteile hinsichtlich Gewicht, Trägheit und Rollverhalten, dafür hebt sich die Traktion aber auch nicht entscheidend von einem guten 29er-Reifen ab. Mit schweren und deutlich besser dämpfenden Plus-Reifen als anderem Extrem lautet das Fazit: Plus-Reifen bieten einen spürbaren Gewinn an Traktion, Komfort und Sicherheit, beschneiden aber deutlich die Agilität eines Bikes. Aufgrund der Dimension der neuen Plus-Reifen fallen die Unterschiede in Sachen Reifenaufbau und Gummimischung noch stärker ins Gewicht als bislang. Wo das Optimum hinsichtlich der Reifen- und Felgenbreite, des Außendurchmessers und der Gummimischung liegt, muss sich aber noch herauskristallisieren.

Ebenfalls stellt sich die Frage, für welche Mountainbiker das neue Reifenformat eine echte Bereicherung darstellt. Ob Touren-Fahrer Nutzen aus mehr Traktion und damit Sicherheit ziehen können, dafür aber mehr Gewicht mitschleppen müssen, hängt stark von dem jeweiligen Einsatzbereich und den persönlichen Anforderungen an ein Bike ab. Auch wenn die Reifentechnologie weiter voranschreitet, werden breite Reifen immer schwerer als schmale bleiben. Zudem ist die durch Reifenfreiheit und Einbaubreite der Naben fehlende Kompatibilität mit bestehenden Bikes ein echter Schwachpunkt beim dickeren Plus-Format.

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Dicker ist besser – aber auch schwerer. Wer mit dem Laufrad-Format B+ liebäugelt, sollte sich über die Nachteile, vor allem höheres Gewicht, im Klaren sein. Kauft man ein entsprechendes Bike, ist man darauf festgelegt. Einfach B+-Laufräder nachzurüsten funktioniert wegen zu schmaler Gabeln und Hinterbauten nicht.

Die neuen Größen im Vergleich

Vom Umfang unterscheiden sich die drei Maße 29 (in Wirklichkeit eine 28-Zoll-Felge), 27,5 (=650B) und 27,5+ (auch B+ genannt) kaum. Das neue B+-Format bringt vor allem mehr Grip und Komfort durch die größere Breite, beschleunigt dafür etwas schlechter. Man sollte jedoch auf das Reifenmodell achten und nach aktuellen Tests aussuchen, da der Markt in diesem Bereich noch wachsen wird.

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MIT NEUEM ANTRIEB

Der klassische Dreifach-Antrieb scheint zu verschwinden. Zweifach- und Einfach-Lösungen sind auf dem Vormarsch. Was bringt was?

Schon beim Kauf eines neuen Mountainbikes sollte man auf den verbauten Antrieb achten, denn ein Umrüsten des gesamten Antriebs ist meist teuer und auch technisch schwierig. Die Anbringung des Umwerfers unterscheidet sich inzwischen erheblich, je nach Anlenkung des Schaltzugs und der Rahmenkonstruktion. Zehn Zahnkränze hinten (Ritzel) sind mittlerweile Standard, nur im Einsteigerbereich gibt es noch »nur« Neunfach-Kassetten.

Die klassische Dreifach-Kettenblattschaltung bringt zwar die größte Übersetzungs-Bandbreite, aber auch den anfälligsten Umwerfer und das größte Gewicht mit sich. Bandbreite bezieht sich auf den Unterschied vom Größten zum kleinsten Gang. Ein noch verbliebener Pluspunkt von 3x10 ist die engere Gangabstufung.

Einfach-Kettenblätter vorn harmonieren am besten mit Fullsuspension-Systemen, weil man die Kinematik darauf abstimmen kann. Zudem gibt es weniger Kettenverschleiß und natürlich geringeres Gewicht – und keinen Umwerfer, der kaputt gehen kann. Für Touren und Alpenüberquerungen benötigt man eine 1x12-Übersetzung – und hier sind die Kassetten, das Verschleißteil, meist um einiges teurer als bei den andere Systemen.