Helle Helle

Wenn du magst

Roman

Aus dem Dänischen
von Flora Fink

DÖRLEMANN

Die Originalausgabe
»Hvis det er« erschien 2014
bei Samleren in Kopenhagen.



eBook Ausgabe 2017
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Copyright © 2014 Samleren, Kopenhagen
Copyright © 2016 Dörlemann Verlag AG, Zürich
Satz und eBook-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-3-03820-934-8
www.doerlemann.com

1

Das bin nicht ich. Niemals stehe ich so hinter einem Baum im Wald. Die Blätter fallen herab. Es ist Ende Oktober, es sind die letzten Blätter.

Ich dachte, ich würde immer geradeaus laufen. Aber ich kam wieder und wieder an demselben Moorloch mit dem welken Farn vorbei. Ich lief nach links und nach links und einige Zeit später erneut, oder auch nach rechts, und dann noch einmal. Das konnte ich mir merken, das war vor der Blase.

Jetzt hängt die Sonne tiefer am Himmel, und ich bin nicht allein. Eine Frau steht auf dem Weg. Sie kramt in ihrer Hosentasche, sie trägt ein Stirnband. Die Trainingsjacke um die Hüften gebunden. Sie steckt sich etwas in den Mund, dann schaut sie in meine Richtung. Ihre Kaumuskeln bewegen sich auf und ab. Doch sie hat mich wohl nicht gesehen, denn jetzt gleitet der Blick weiter hinauf zu den Baumkronen, sie legt den Kopf ganz zurück. So bleibt sie stehen, vielleicht ist dort oben irgendetwas. Sie kann selbst in dieser Haltung kauen. Ich hebe den Kopf, um zu sehen, was da sein mag, aber da ist nur blauer Himmel über all den krummen Zweigen. Der Mond ist schon aufgegangen, reichlich früh.

Als ich den Kopf senke, hat sie sich wieder in Bewegung gesetzt. Die Trainingsjacke schwingt von Seite zu Seite.

Ich will es kurz machen, ich weiß nicht, wohin mit mir. Ich habe mich in diesem großen Wald verlaufen. Ich weiß nicht viel über Wälder, ich bin kein Naturbursche. Das haben die anderen auch vorgestern beim Kaffee gemeint. Aber hier bin ich nun unter den jütländischen Hünen, in sogenannten Laufschuhen.

Es gelingt mir, gewissermaßen in Gang zu kommen, um den Baum herum und zurück auf den Weg. Ich entscheide mich, in die entgegengesetzte Richtung zu laufen, also von ihr fort. Nach einiger Zeit teilt sich der Weg in drei Richtungen, ich bewege mich nach rechts, an einer größeren Lichtung und hinter einem Stück Kiefernwald vorbei. Hier ruhe ich mich kurz auf einem Feldstein aus. Sie taucht so plötzlich von links auf, dass mir ein jähes Schnaufen entfährt. Es zuckt in meiner Schulter. Wir nicken uns zu, sagen aber nichts, sie läuft auf dem Gras in der Mitte des Weges, zwischen den Reifenspuren. Deshalb habe ich sie nicht gehört. Das war nicht gut für meine Schulter, was da passiert ist. Verwende das Wort nicht nicht so oft.

Ich gehe jetzt in die Richtung, aus der wir beide gekommen sind, um ihr nicht wieder über den Weg zu laufen. Aber schon bei der Lichtung weiß ich nicht, wohin nun weiter. Ein Raubvogel schwebt hoch oben und zieht über den Baumwipfeln seine Kreise. Ich beschließe, die Lichtung zu überqueren, vielleicht ist ja auf der anderen Seite eine Öffnung, ich stapfe durch das Gras. Es ist hoch und unwegsam, aber ich komme voran. Die Lichtung ist ausgedehnter, als ich dachte. Ich bleibe auf halbem Weg bei einem vereinzelten Baum stehen, ich sehe mich um. Aber da gibt es nicht viel zu sehen. Aber, aber, aber. Ein Laufschuh schaut unter dem niedrigsten Ast hervor, er sitzt an ihrem Fuß.

2

Sie kommt aus Aars, sie arbeitet in einem Bekleidungsgeschäft, allerdings nur übergangsweise. Sie hat sich am frühen Nachmittag verlaufen. Wie ich wohl schon bemerkt hätte, haben wir hier keinen Mobilempfang. Sie gestikuliert reichlich, ihre Hände sind kurz und viereckig.

– Das ist schon ein bisschen scheiße, sagt sie.

Wir stehen noch immer mitten auf der Lichtung, wir sehen uns in verschiedene Richtungen um. Wir gehen nicht weiter darauf ein, dass sie in diesem Baum saß. Es wird langsam dunkel, das hohe Gras wogt in vielerlei Nuancen von Blassgelb. Eine schwach erkennbare Spur zeigt an, wo ich gegangen bin, aber ihre kann ich nicht sehen.

– Ich bin mit dem Rufbus gefahren. Also das letzte Stück hierher. Im Dezember ist es ein Jahr her, dass ich mit dem Laufen angefangen habe, sagt sie.

Wenn sie ja sagt, sagt sie jea. Ich betrachte ihr Stirnband, sie berührt es:

– Das ist von meinem Stiefsohn, er ist Pfadfinder.

Dann entsteht eine Pause im Gespräch. Sie hat offenbar einen Schnürsenkel zu straff gebunden, sie beugt sich nach vorne und lockert ihn. Sie trägt eine Art Gürtel um die Taille mit einer Wasserflasche an jeder Seite, sie kehrt in die Senkrechte zurück und löst eine der Flaschen, trinkt, wischt sich über den Mund.

– Willst du auch einen Schluck? Hier, trink einfach.

Sie hält sie mir entgegen, ich lehne dankend ab. Sie trinkt selbst noch einen kleinen Schluck, schiebt die Flasche dann wieder an ihren Platz zurück.

– Ich glaube, die Richtung ist am besten, sagt sie, den Arm nach dorthin ausgestreckt, wo Osten sein muss, jedenfalls geht die Sonne etwa gegenüberliegend unter.

Wir überqueren die Lichtung in der vorgeschlagenen Richtung. Unsere Schatten sind lang, meiner etwas länger als ihrer. Aber sie ist in der Mitte breiter, auch wegen der Wasserflaschen und mit der um sie schwingenden Trainingsjacke. Von ihr kommt ein rhythmisches Klicken, sicher irgendetwas am Reißverschluss. Dann stolpert sie beinahe über etwas im Gras, sie kreischt laut, was auch mich aufschreien lässt. Sie findet schnell das Gleichgewicht wieder, wir bleiben kurz stehen und verschnaufen.

– Schreck auch, haha, sagt sie, bevor wir weitergehen.

Auf der anderen Seite der Lichtung ist der Waldweg breit und mit Schotter bedeckt. Sie löst die Trainingsjacke von den Hüften und zieht sie an, der Reißverschluss macht Probleme. Ich nutze die Wartezeit, um meine Socke zurechtzurücken, ich ziehe und zerre, sie stößt eine Reihe rhythmischer Laute aus:

– Menno, menno.

Aber dann schafft sie es endlich mit der Jacke, und wir setzen uns wieder in Bewegung. Sie weist mit einem Nicken auf meinen Fuß:

– Hast du dir Blasen gelaufen? Dann ist es wohl fast besser, sie auszuziehen, sagt sie, und ich schüttele den Kopf, was wohl ihrer Aufmerksamkeit entgeht, denn sie fährt fort:

– Okay, vielleicht nicht direkt hier. Wer kommt überhaupt auf die Idee, so was auf einen Waldweg zu kippen?

Sollte es in Gebüsch und Gesträuch rascheln, sind wir nicht imstande, es zu hören. Unter unseren Füßen lärmt und rasselt der Schotter. Wir gehen beide recht wackelig, sie mit ihrem einen Arm halb zu mir herübergestreckt, sie hebt die Stimme:

– Das ist ja schlimmer als bei Jens Vejmand, so heiße ich auch fast mit Nachnamen, ein trauriger Straßenarbeiter, nur ohne Lied. Pass mit denen da auf.

Wir manövrieren um ein paar größere Steine herum, jetzt greift sie kurz nach meinem Ärmel, dann lässt sie los und bleibt für einen Augenblick stehen:

– Und wie heißt du?

– Roar.

– Roear?

– Ja, mit a, sage ich, und sie nickt ein paarmal.

– Das ist schon sehr speziell. Jea, sagt sie.

Dann gehen wir weiter.

3

Niemals gehe ich so mit einer Frau mit Stirnband in rasch zunehmender Dämmerung, ganz ohne Ziel und Zweck. In Schuhen aus der Stadt Arden, ich habe sie vorgestern gekauft. Sie lagen in einem Metallkorb vor dem Sport- und Parfümgeschäft, es gab nur dieses eine Paar. Leider zwei verschiedene Größen, das habe ich in der Eile nicht bemerkt. Die Verkäuferin kam mit einem Lappen hinaus auf den Gehsteig, sie wischte den Metallkorb ab. Ich folgte ihr in das Geschäft, die Schuhe in der Hand, sie waren zusammengeheftet, sie schnitt sie auseinander. In einem Fenster des Ladens stand ein Podest, darauf saß ein kleiner Hund, er sah mich lange an und wandte sich dann ab. Ich bezahlte mit Karte. Es dauerte lange, bis die Bezahlung erfolgt war, wir standen da und warteten. Die Verkäuferin faltete den Lappen zusammen, er war gelb. Ich hatte niemals zuvor jemanden einen Lappen falten sehen. Sie faltete ihn wie eine Tischdecke, strich ihn auch glatt. Ich ging von dort fort, die Schuhe in einer Tüte, ich ging durch die Straßen. Da hätte ein Bäcker sein sollen. Ich ging ins Bahnhofsgebäude, weil die Straße aufhörte. Ein paar junge Menschen mit Plastikflaschen schauten auf und rauchten dann weiter. Auf dem Bahnsteig kündigte die Anzeigetafel den nächsten Zug in vierzig Minuten an, das war der Zug Richtung Norden. Ich bewegte mich um das Gebäude herum, die Luft war nasskalt. Die Verkäuferin schlappte mit dem kleinen Hund den Gehsteig entlang, jetzt in einen Hundemantel gekleidet. Sie ließ ihn an etwas unter einer Bank schnüffeln, studierte währenddessen ihre Handfläche. Als ich mich näherte, hob sie den Blick und sah mich direkt an, ohne einen bestimmten Gesichtsausdruck. Ich setzte zu einem Gruß an. Aber noch bevor daraus etwas wurde, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Handfläche.

Gegenüber dem Bahnhof war ein Immobilienmakler. Ich sah mir im Fenster Häuser an, ich las jede einzelne Beschreibung mit sämtlichen Beträgen und Finanzierungsvorschlägen. Ich war der letzte am Auto, die Sonne hatte auf dem Parkplatz eine glühend orangefarbene Spur hinterlassen.

4

Das Dunkel liegt dicht zwischen den Fichten, keiner von uns kommentiert es. Aber wir haben die Geschwindigkeit etwas erhöht, das führt in meinem Fall ein gewisses Unbehagen mit sich. Ich versuche, den Blasenschmerz zu mindern, indem ich das rechte Bein leicht steif mache und es bei jedem Schritt in einem kleinen Bogen schwinge, so kann ich das Tempo halten.

– Du solltest sie jetzt wirklich ausziehen, hier ist es ja weich, sagt sie.

Wieder ist ununterbrochen dieses Klicken von ihr zu hören. Ich frage mich, ob sie es selbst gar nicht bemerkt, wir bewegen uns ansonsten lautlos vorwärts.

– Wie lange läufst du denn schon?, fragt sie.

– Vielleicht eine halbe Stunde.

– Okay. Also heute.

– Ja.

– Und sonst?

– Ich bin vorher noch nie richtig gelaufen. Oder na ja, Dingen hinterher natürlich schon.

– Klar.

Sie lacht ein kleines jähes Lachen, eine Ausatmung nach einem sehr kurzen ö.

– Ziemlich gut, wenn du dann gleich eine halbe Stunde laufen kannst, sagt sie.

– Vielleicht war es auch nur eine Viertelstunde.

– Ja, aber selbst das, sagt sie.

Zum Glück teilt sich der Weg nirgends. Aber er wird schmaler und schließlich zu vier großen Trittsteinen durch einen kleinen plätschernden Bach. Sie geht voran, ich bemerke einen Reflektorstreifen hinten an ihrem Oberschenkel. Als sie auf der anderen Seite ist, dreht sie sich um und wartet einen Augenblick, dann laufen wir Seite an Seite weiter.

– Hast du eigentlich irgendwo dein Auto stehen?, fragt sie.

– Nein, leider nicht.

– Wie bist du dann hierhergekommen?

– Ich habe mich absetzen lassen.

– Also mit einem Auto?

– Ja.

– Wo hast du dich absetzen lassen?

– An einer Straße. Von da führte ein Weg hier rein.

– Waren da zwei so rote Pfosten?

– Ich glaube nicht. Zumindest sind mir keine aufgefallen.

– Dann war das nicht da, wo ich hergekommen bin. Na ja. Kann ja auch egal sein.

Wir gehen eine Weile, ohne etwas zu sagen. Das Licht schwindet drastisch.

Am Ende können wir beinahe die Hand vor Augen nicht mehr sehen, schließlich ist es unvermeidlich, es zur Sprache zu bringen.

– Ja, ich weiß nicht, sage ich.

– Vielleicht hilft uns das weiter, sagt sie und greift in ihre Tasche, aktiviert ihr Telefon und hält es vor uns in die Höhe, es sendet einen hilflosen blauen Lichtschein aus.

– Vielleicht ist deines ja besser, sagt sie.

– Mein Akku ist leer.

– Na ja, dann sollte ich wohl zusehen, dass ich meinen schone.

Sie steckt das Telefon zurück in die Tasche. Wir bleiben stehen. Etwas flattert im Gesträuch auf und fliegt vor uns vorbei, es klingt wie ein kleines Segel.

5

Es brennt in meiner Ferse, jetzt sehe ich mich selbst durch die Dunkelheit von oben. Gestern stand ich am unteren Ende unseres Ferienhausgrundstücks in zweiter Reihe, ich blickte hinaus auf den Fjord, drinnen im Haus wurde gerade alles für den Kaffee vorbereitet. Das Wasser war ganz grünlich. Eine Jolle schaukelte ein kleines Stück draußen, jemand saß darin, dieser Jemand winkte und wollte gar nicht mehr aufhören. Ich stand lange da und schaute, ich schaute mich auch um und hinter mich, ich konnte niemanden sonst sehen, schließlich winkte ich zurück. Dann gab es Kaffee, ich trank ihn in einem gewissen Zustand von Heiterkeit, es gab auch Rumkugeln, nach dem Kaffee ging es gemeinschaftlich hinunter ans Wasser, und es stellte sich heraus, dass dieser Jemand zwei Bierkästen und ein Stück Stoff war. Die anderen sprachen über die Freiheit, sich in einer solchen Jolle treiben zu lassen, oder noch besser in einem Wohnmobil, einfach losfahren, ohne zu wissen, wohin, und irgendwo auf einem kanadischen Rastplatz übernachten, mit Aussicht auf Berge und Gänse. Dasitzen und, wie man so sagt, müßig sein. Erbseneintopf auf dem Gaskocher, mittelfeine Leberwurst. Dann war es Zeit für den nächsten Punkt auf der Tagesordnung, wir gingen gemeinsam zurück zum Haus. Die Sonne schien durch das Fenster herein, Staubkörnchen schwebten, ich schäme mich, es zuzugeben, ich studierte mein Gesicht in einem Teelöffel.

6

– Wie alt bist du?, fragt sie ins Blaue hinein.

– Achtundvierzig.

– Dann bist du zehn Jahre älter als ich. Das ist ein guter Zeitpunkt, um mit dem Laufen anzufangen, am besten fängt man vor fünfzig damit an, sagt sie und macht ein Manöver, vielleicht einen Schlenker mit dem Oberkörper, sie trifft mich jedenfalls hart gleich unter dem Brustbein.

– Entschuldige bitte, das tut mir wirklich leid, sagt sie.

– Man sieht ja auch nichts, sage ich, als ich wieder Luft bekomme, mein Hals ist jetzt trocken, ich bereue, zuvor den Schluck Wasser abgelehnt zu haben.

– Als würde das mit dem Fuß nicht reichen, es tut mir so leid.

Dazu ist nicht mehr viel zu sagen, also sagen wir auch nicht mehr.

– Schon lustig, man gewöhnt sich dann doch an die Dunkelheit, sagt sie wenig später.

Ich nicke. Mir scheint, ich nicke reichlich und noch dazu recht sinnfrei, aber es ist ja tatsächlich möglich, die unterschiedlichen Konturen der Bewachsung zu erahnen. Manche der Stämme verströmen sogar ein weißliches Licht. Vielleicht Birken.

– Was ist denn das da drüben?, fragt sie.

– Wo?

– Da drüben. Zwischen den Bäumen.

– Da links?

– Siehst du es nicht? Das Viereckige da. Ich finde, das sollten wir uns anschauen, sagt sie und biegt vom Weg ab, und ich hinterher. Von überall schlagen uns Zweige entgegen, ich halte beim Gehen beide Hände vor mir ausgestreckt. Unter uns kracht und knackt es, ich stolpere beinahe über etwas.

– Alles okay?, ruft sie, ohne stehenzubleiben.

– Ja, da war nur eine Wurzel.

– Was war da?

– Egal, rufe ich zurück, aber dann wird es still, jetzt ist sie stehengeblieben.

– Dachte ich es mir doch, sagt sie, als ich neben ihr stehe.

– Das ist eine Schutzhütte. Mein Stiefsohn hat einmal in so einer geschlafen, bei Korsør.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es pfeift von einem Nasenloch, wohl meinem eigenen.

– Ich glaube zumindest, dass es Korsør war. Also auf Seeland. Gleich bei der Brücke, sagt sie.

7

In der Schutzhütte inspiziert sie meine Blase, sie leuchtet sie mit ihrem Telefon an:

– Das sieht nicht gut aus. Gar nicht gut.

Sie zieht ein wenig an meiner Socke, die zum Teil festhängt, sie ist dabei sehr vorsichtig.

– Ich kenne da einen Trick mit einem Nähfaden, aber dafür ist es jetzt leider zu spät, du bist schon zu lange damit weitergelaufen.

– Ich glaube, sie braucht nur ein bisschen Luft.

– Es ist schon so eine Blutblase, wie man das nennt. Aber das ist auch eine schlechte Acrylsocke, sagt sie und sucht nach etwas in ihrer Tasche.

– Wir müssen den Schuh ein wenig auspolstern, wenn wir dann weitergehen, damit dein Fuß nicht herumrutscht. Willst du einen Kaugummi?

– Ja, gerne.

– Ich sterbe gleich vor Durst. Du nicht auch? Na ja, sterben, sagt sie.

Wir sind uns einig, dass die Hütte sehr solide und geschickt gebaut ist. Die Latten liegen dicht an dicht, und es gibt sogar eine Extrawand auf der einen Seite, sodass man dort ganz vor Wind und Wetter geschützt ist. Wir sitzen auf dieser Seite, beide gegen die Rückwand gelehnt und emsig kauend, in völliger Dunkelheit.

– Das war Glück im Unglück, das mit der Hütte hier, sagt sie.

Man hört ein Knittern von ihrer Kleidung, wenn sie sich bewegt. Hinter diesem Knittern und dem Kauen ein schwaches Rauschen von den Baumkronen draußen. Jetzt macht sie sich daran, ihre Ecke abzusuchen, sie tastet sich voran, dann aktiviert sie wieder ihr Telefon, kriecht herum und leuchtet in alle Winkel. Sie ruft laut aus:

– Schau.

Ganz hinten unter dem Dach ist ein kleiner Absatz, beinahe wie ein Regalbord. Dort hineingequetscht ist eine gut gefüllte Plastiktüte. Sie richtet sich rasch halb auf und greift nach der Tüte, zieht sie heraus und dreht sie um. Der Inhalt landet lautlos, es stellt sich heraus, dass es sich um drei Decken und einen einzelnen Wildlederhandschuh handelt.

– Ein Depot, dachte ich es mir doch, sagt sie.

Die Decken riechen nach verrottetem Gras. Der Handschuh ist vollkommen steif.

– Wenn du die hier nimmst, sagt sie. – Dann nehme ich die. Und mit der dritten können wir uns dann abwechseln.

– Nein, nimm du zwei, sage ich.

– Ich finde, wir sollten uns wirklich abwechseln. Es ist wichtig, dass keiner von uns beiden friert.

– Ich friere nicht.

– Aber das wirst du. Wir wechseln uns ab, sagt sie und hebt die zwei oberen Decken hoch, reicht sie mir und nimmt sich selbst die letzte. Wir richten uns wieder wettergeschützt an der Rückwand ein, sie löscht das Licht ihres Telefons.

– Wir haben auch wirklich Glück mit dem Wetter, sagt sie. – Vor einer Woche erst hatten wir schon Nachtfrost.

– Ja?

– Mm. Deshalb sind auch all die Blätter abgefallen. Und dann natürlich auch wegen dem Sturm.

– Na.

– So gesehen haben wir also auch Glück. Also dass es wieder so mild und ruhig ist. Es könnte schlimmer sein, und viel kälter. Jetzt klebe ich aber meinen Kaugummi an die Wand, sagt sie.