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Michael Rieth und Norbert Krämer

Hygiene in der Arzneimittelproduktion

Sterile und nicht-sterile Arzneiformen

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Autoren

Michael Rieth

Merck KGaA

Frankfurter Str. 250

64293 Darmstadt

Deutschland

Norbert Krämer

Merck KGaA

Frankfurter Str. 250

64293 Darmstadt

Deutschland

Titelbild

Veronika Emendörfer/VERO

www.veronika-emendoerfer.de

Vorwort

„Die Theorie träumt, die Praxis belehrt.“

Karl von Holtei (1798–1880)

Nach der guten Aufnahme des 2012 erschienenen Fachbuchs Pharmazeutische Mikrobiologie entschlossen sich der Verlag und die Autoren, ein Buch über die mikrobiologischen und hygienischen Anforderungen in der Arzneimittelproduktion herauszugeben. Dazu war ein Autorenteam aus Apotheker und Mikrobiologe nötig. Während die Pharmazeutische Mikrobiologie aus der Perspektive der Qualitätsprüfung/Qualitätssicherung geschrieben wurde, soll dieses Buch hauptsächlich die Sichtweise und Belange der Produktion widerspiegeln. Infolgedessen berichten beide Autoren, die dem obigen Zitat des deutschen Schriftstellers Karl von Holtei aus eigenen Erfahrung nur zustimmen können, aus ihren langjährigen Tätigkeiten und Erlebnissen. Dabei beleuchtet der Mikrobiologe die hygienischen Aspekte aus der Sicht Bakteriologie, während der Apotheker mit seinem Arbeitsgebiet Sterilproduktion/keimarme Herstellung die Schwerpunkte auf die produktionstechnischen Abläufe sowie auf Validierung/Qualifizierung legt. Dazu werden auch Praxisbeispiele vorgestellt.

Die Autoren möchten den folgenden Kollegen danken:

Dr. Michael Lohmeyer, Mikrobiologisches Labor, Münster, Dr. Armin Quentmeier, TU Dortmund, Prof. Dr. Manfred Rohde, HZI Braunschweig, Prof. Dr. Hans-Detlef Römermann, Fachhochschule Münster, Dipl.-Ing. Udo Zachert, Merck KGaA, für die freundliche Überlassung von Fotos und Abbildungen. Herzlicher Dank gebührt der Künstlerin VERO/Veronika Emendörfer, Darmstadt für die Gestaltung des Titelbilds.

Darmstadt, im November 2015

Norbert Krämer und Michael Rieth

Abkürzungen

A. Aspergillus
AMG Arzneimittelgesetz
AL Aktionslimit (action level)
AMWHV Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung
AP Aqua purificata
at Atmosphäre
ATCC American type culture collection
aw Wasseraktivität
B. Bacillus
BAC Benzalkoniumchlorid
BG Berufsgenossenschaft Chemie
BI Bioindikator
BIER biological indicator evaluation resistometer
BP British Pharmacopeia, oder bubble point
BSE Bovine spongiforme Enzephalopathie
C. Clostridium oder Candida
°C Grad Celsius
CaSo Casein-Sojamehl-Pepton (tryptic soy, TS)
CCIT Container Closure Integrity Test
CDC Centers for Disease Control and Protection (amerikanische Gesundheitsbehörde in Atlanta, Georgia)
cft cubic feet
CIP cleaning in place
cm Zentimeter
CSA Casein-Sojamehl-Pepton-Agar
CSB Casein-Sojamehl-Pepton-Bouillon (TSB)
d Tag oder Durchmesser
D. Desulfotomaculum
DAB Deutsches Arzneibuch
°dH Grad deutsche Härte
D-Wert dezimale Abtötungszeit (Destruktionswert)
DEHS Diethylhexylsebacinsäure
DIN Deutsche Industrie Norm
DoE design of experiments
DQ design qualification
DSMZ Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen
E. Escherichia
ELC endotoxin limit concentration
ELISA enzyme linked immune stimulation assay
EN europäische Norm
EPA Environmental Protection Agency
EtOH Ethanol
EU endotoxin unit (= Endotoxineinheit)
F0 Letalitätswert eines Sterilisationsverfahrens
FDA Food and Drug Administration
G. Geobacillus
GMP good manufacturing practice
GVPC Glycin-Vancomycin-Polymyxin B-Cycloheximid
h Stunde
HAA haloacetic acids
HACCP hazard analysis and critical control points
HDPE Vliesstoff aus Polyethylen hoher Dichte
HEPA high efficiency particulate airfilter
HPV Herstellungsprozessvalidierung
HPW highly purified water
ICH International Council for Harmonisation
IfSG Infektionsschutzgesetz
IPK In-Prozess-Kontrolle
ISO International Standardization Organization
IU international unit (= internationale Einheit)
JP japanische Pharmakopöe
KBE koloniebildende Einheiten (engl. CFU)
λ Lysatempfindlichkeit Lambda
l Liter
LAL Limulus Amoebocyten Lysat
LF laminar flow (unidirektionale Verdrängungsströmung)
LKS Luftkeimsammlung (air sampling)
LPS Lipopolysaccharid
LRW low reagent water (Endotoxinarnmes Wasser)
min Minute
mm Millimeter
μm Mikrometer
μS Mikrosiemens
MPN most probable number method
NKG nicht kondensierbare Gase
P. Pseudomonas
OOL out of limits
OOS out of specification
Pa Pascal
PAA peracetic acid (Peressigsäure)
PBS phosphate-buffered saline (phosphatgepufferte Kochsalzlösung)
PCD process challenge device
PCR polymerase chain reaction (Polymerasekettenreaktion)
PDA Parenteral Drug Association
PDE permitted daily exposure
PE Polyethylen
Ph. Eur. Europäische Pharmakopöe
PP Polypropylen
ppb parts per billion
ppm parts per million
PVC Polyvinylchlorid
QRK Qualitätsregelkarte
RABS restricted area barrier system
RCA reinforced clostridial agar
RD Reindampf/Reinstdampf
REM Rasterelektronenmikroskop
RKI Robert Koch Institut
RRK Reinraumklasse
RV Reinigungsvalidierung
S. Staphylococcus
s Sekunde
Σ Summe
SAL sterility assurance level
SOP standard operation procedure (Standardarbeitsanweisung)
SPC statistical process control
STA slit-to-agar
t Zeit oder Temperatur
TAMC total aerobic microbial count
TOC total organic carbon
THM Trihalogenmethane
TSA tryptic soy agar
TSB tryptic soy broth (oder Bouillon)
TSE transmissible spongiforme enzephalopathie
TÜV Technischer Überwachungsverein
TVO Trinkwasser-Verordnung
TYMC total yeast and mould count
Upm Umdrehungen pro Minute
USP United States Pharmacopeia
VAH Verband Angewandte Hygiene
VE vollentsalzt
WfI Wasser für Injektionszwecke
WHO World Health Organization
VI Vorbeugende Instandhaltung
Z. Zygosaccharomyces
WL Warnlimit (Warnlevel, engl. alert level)

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Einleitung

In diesem Buch werden alle relevanten hygienischen Aspekte der Pharmaproduktion mit Schwerpunkt auf flüssige, sterile und nicht sterile Arzneiformen sowie auf feste Oralia beschrieben. Im Kapitel 2 Hygiene in der Arzneimittelproduktion steht der Mitarbeiter im Vordergrund. Erläutert wird die medizinische Überwachung der Produktionsmitarbeiter aufgrund von gesetzlichen Regelungen und Guidelines (herausgegeben von WHO und EU). Des Weiteren werden Hygieneschulungen und Bekleidungskonzepte vorgestellt. Intensiv wird im Abschn. 2.1.6 auf den Menschen und seine Körperflora eingegangen. Abgeschlossen wird das Kapitel 2 von der pest control (Schädlingsbekämpfung).

Im Kapitel 3 Herstellung flüssiger, steriler Arzneiformen wird auf das Zonenkonzept und das damit verbundene mikrobiologische Umgebungsmonitoring eingegangen. In der Herstellung der flüssigen, sterilen Arzneiformen wird zwischen aseptischer Produktion und Herstellung mit terminaler Sterilisation unterschieden. Bei letzterem wird die Qualifizierung von Dampfsterilisatoren (Autoklaven) vorgestellt sowie der Einsatz von Bioindikatoren beschrieben. Im Teil Aseptische Herstellung werden verschiedene Indikationstests für die Filterintegrität diskutiert. Im Abschn. 3.5.2 Qualifizierung eines Heißlufttunnels wird die mikrobiologische Qualifizierung mithilfe von bakteriellen Endotoxinen, die als Bioindikatoren eingesetzt werden, vorgestellt. Im Abschn. 3.6 Media Fill wird ausführlich die Durchführung der Prozesssimulation dargelegt. Das Kapitel schließt ab mit einer grafischen Übersicht über die essenziellen Prozessschritte.

Kapitel 4 Herstellung flüssiger, nicht steriler Arzneiformen beschreibt die Herstellung flüssiger, nicht steriler Arzneiformen. Schwerpunkt ist hier der Konservierungsmittelbelastungstest mit mehreren Praxisbeispielen. Anhand eines Tropfenpräparates wird exemplarisch die Herstellprozessvalidierung erläutert.

Im Kapitel 5 Herstellung fester Arzneiformen wird das Zonenkonzept mit seinem mikrobiologischen Umgebungsmonitoring für orale Darreichungsformen präsentiert. Eine Besonderheit dieser Arzneiformen ist ihre niedrige Wasseraktivität (aw), die ihren mikrobiologischen Verderb limitiert. Vorgestellt werden Mikroorganismen mit ihren Anforderungen an bestimmte aw-Bereiche.

Kapitel 6 führt die Reinigungsvalidierung gemäß internationaler Vorschriften an. Die Akzeptanzkriterien werden vorgestellt. Beispielhaft werden die Durchführung und der Erfolg einer mikrobiologischen Reinigungsvalidierung in der Wirkstoffherstellung mittels Endotoxinbestimmung (LAL-Test) beschrieben.

Im Kapitel 7 Verpackung Tabletten/Glas werden die Anforderungen für die Primärverpackung von pharmazeutischen Darreichungsformen dargelegt. Weiterführende Literatur zum Thema Packmittel und Packmittelprüfung wird angegeben.

Im umfangreichen Kapitel 8 Wasser werden Trinkwasser und alle pharmazeutischen Wasserqualitäten vorgestellt. Dazu werden ihre Arzneibuchspezifikationen in Tabellen übersichtlich präsentiert. Auf die Besonderheiten des Musterzugs/Mustertransport für Wasserproben wird in den Abschn. 8.1.1 und 8.1.2 eingegangen. Die deutsche Trinkwasserverordnung einschließlich der neuen gesetzlich vorgeschriebenen Legionellenprüfung wird mit Praxisbeispielen beschrieben. Das Rouging-Phänomen wird in seiner Entstehung beschrieben und gängige Derouging-Methoden werden beispielhaft diskutiert. Als Praxisbeispiel wird ein betroffener WfI-Lagertank gezeigt. Im Abschn. 8.8 Biofilme wird seine Entstehung erläutert und seine Bekämpfungsmaßnahmen werden vorgestellt. Eine rasterelektronische Aufnahme zeigt beispielhaft die Struktur eines im Labor künstlich hergestellten Biofilms. Im Abschn. 8.9 Qualifizierung von Wassersystemen werden die zeitlichen Phasen der Qualifizierungsarbeiten aufgezeigt und die kritischen Parameter diskutiert. Das Wasserkapitel schließt ab mit den Abschn. 8.10 Six Sigma im Wassermonitoring und 8.11 Einsatz der Real-Time PCR als Schnellbestimmungsmethode. Diese PCR-Methode kann für die rasche Detektion von Mikroorganismen, insbesondere Bakterien, eingesetzt werden.

Kapitel 9 Medien beschäftigt sich mit den in der pharmazeutischen Praxis eingesetzten Gasen, Schmier-, Reinigungs- und Desinfektionsmitteln. Im Abschn. 9.3.1 wird die Qualifizierung der Desinfektionsmittelwirkung aufgezeigt.

Kapitel 10 listet alphabetisch über 50 Familien von Mikroorganismen (Bakterien, Pilze und Hefen) auf, die häufig im Umgebungsmonitoring und als Kontaminanten identifiziert werden.

Am Ende des Buches finden sich ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie eine Zusammenstellung wichtiger Formeln, die in der pharmazeutischen Praxis oft Anwendung finden.