Paige McKenzie mit Alyssa Sheinmel
Sunshine Girl
Die Heimsuchung
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch
von Doris Hummel
Geschichte von Nick Hagen & Alyssa Sheinmel
Nach der Webserie von Nick Hagen
Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe
bloomoon, München 2016
Copyright © 2015 by Paige McKenzie, Nick Hagen and Alyssa Sheinmel
Titel der Originalausgabe: The Haunting of Sunshine Girl
Die Originalausgabe ist 2015 im Verlag Weinstein Books, New York, erschienen.
© 2016 bloomoon, ein Imprint der arsEdition GmbH,
Friedrichstraße 9, 80801 München
Alle Rechte vorbehalten
Text: Paige McKenzie, Alyssa Sheinmel
Übersetzung: Doris Hummel
Coverfotografie: Levy Moroshan
Covergestaltung: Leigh Taylor
Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH 2016
ISBN eBook 978 - 3-8458 - 1844-3
ISBN Printausgabe 978 - 3-8458 - 1403-2
www.bloomoon-verlag.de
www.bloomoon.de
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Dieses Buch ist den Sunshiners in aller Welt gewidmet.
Egal, ob ihr von Anfang an dabei wart
oder neu im Club seid, dieses
und alle anderen Sunshine-Bücher
sind für euch.
Cover
Titel
Impressum
Widmung
Siebzehn Kerzen
Kapitel 1 Gruselig
Kapitel 2 Rosa Ironie
Kapitel 3 Vernebelt in der Schule
Kapitel 4 Zeit für ein Spielchen
Kapitel 5 Lederjacken
Kapitel 6 Schreckensnacht
Ich beobachte sie
Kapitel 7 Der Morgen danach
Kapitel 8 Altmodischer Spuk
Kapitel 9 Fotografie
Kapitel 10 Kats Augen
Kapitel 11 Allein zu Haus
Kapitel 12 Zusatzarbeit
Kapitel 13 Das Messer
Der erste Schnitt
Kapitel 14 Neue Freunde
Kapitel 15 Der Professor
Kapitel 16 Expertenhilfe
Kapitel 17 Die Luiseach
Sie kommt näher
Kapitel 18 Puzzleteile
Kapitel 19 Im Netz gefangen
Kapitel 20 Ein Zerwürfnis
Kapitel 21 Rätsel
Kapitel 22 Wofür kämpfen wir?
Ich mache mir allmählich Sorgen
Kapitel 23 Neue Hinweise
Kapitel 24 Anna
Sie hat Victoria gefunden
Kapitel 25 Victoria
Kapitel 26 Besessenheit
Kapitel 27 Der lange Weg nach Hause
Kapitel 28 Entschuldigungen
Kapitel 29 Die Waffe
Kapitel 30 Härter als Stahl
Kapitel 31 Frohes neues Jahr
Kapitel 32 Durchnässt
Kapitel 33 Blumen
Sie war erfolgreich
Kapitel 34 Der Mentor
Danksagungen
Weitere Titel
Leseprobe zu "GODDESS OF POISON"
Sie ist heute sechzehn geworden.
Ich habe dabei zugesehen. Katherine, die Frau, die sie adoptiert hat, hat einen Kuchen für sie gebacken: Karottenkuchen in verbranntem Orange unter einer dicken Schicht aus weißer Glasur. Ein Mädchen namens Ashley kam mit Kerzen zu ihr nach Hause, die sie trotz der erdrückenden texanischen Hitze angezündet haben. Dann haben sie gesungen – Happy Birthday to you, Happy Birthday to you. Unsereins feiert keine Geburtstage. Außer natürlich, wenn einer von uns sechzehn wird. Genau wie sie heute.
Auf die Sekunde genau zum Zeitpunkt ihrer Geburt – 19 : 12 Uhr, Central Standard Time, am 14. August – spürte ich die Veränderung bei dem Mädchen namens Sunshine. Ich spürte sie in dem Augenblick, in dem der Geist sie berührte. Katherine hatte gerade den Kuchen vor ihr auf den Tisch gestellt: sechzehn – nein, siebzehn … warum siebzehn? – Kerzen. Sunshine grinste, schürzte die Lippen und machte sich bereit, die Flammen auszupusten. Aber dann: ein Moment des Zögerns, und das Lächeln verschwand aus ihren Augen.
Natürlich hatte sie keine Ahnung, was sie fühlte oder warum sie es fühlte. In dem Augenblick, in dem der Geist sie berührte, sank ihre Körpertemperatur von siebenunddreißig Grad Celsius auf dreiunddreißig Grad, während ihre Herzfrequenz von achtzig Schlägen pro Minute auf einhundertzehn stieg. Sie drückte eine Hand an ihre Stirn, wie eine Mutter, die fühlen will, ob ihr Kind Fieber hat.
Vielleicht glaubte sie, sie hätte sich irgendetwas eingefangen: eine Erkältung, die Grippe – worunter auch immer die Menschen so leiden. Ich erkannte den Übeltäter jedoch sofort: ein neunundzwanzig Jahre alter Mann, der wenige Wochen zuvor nur ein paar Kilometer entfernt bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Das Blut an seinen Wunden war noch frisch, während die Glassplitter von der Windschutzscheibe noch immer in seinem Gesicht steckten. Später habe ich ihm selbst geholfen weiterzuziehen. Seine Wunden werden heilen und seine Haut wieder ganz glatt werden. Aber in jenem Augenblick musste ich mich auf Sunshine konzentrieren.
Ich zählte die Sekunden, bis sich ihr Herzschlag wieder normalisiert hatte: elf. Beeindruckend.
Sie holte tief Luft und blies ihre Kerzen aus. Katherine und Ashley klatschten. Sunshine stand vom Tisch auf, vollführte einen aufwendigen Knicks und wurde dafür mit noch mehr Applaus bedacht. Ihr Lächeln kehrte zurück, nistete sich fest in ihrem Gesicht ein und ihre leuchtend grünen Augen funkelten strahlend. Fast, als hätte sie nie etwas gespürt.
Bei meiner letzten Schülerin hat es vierundzwanzig Stunden gedauert, bis sich ihre Körpertemperatur wieder reguliert hatte. Aber Sunshines Temperatur war bereits wieder normal, als ihre Mutter begann, den Kuchen anzuschneiden.
Natürlich ist das nur ein vorbeiziehender Geist gewesen. Schon bald wird sie mit sehr viel mehr fertig werden müssen.
Gruselig
»Mom, das Haus ist gruselig.« Wir sind die Kieseinfahrt zu unserem neuen Zuhause erst halb hochgefahren, aber das erkenne ich schon jetzt. Sogar die Einfahrt ist gruselig: lang und schmal, mit hohen Büschen auf beiden Seiten, durch die ich die Vorgärten der Nachbarn nicht sehen kann.
»Ich bevorzuge gruseltastisch«, entgegnet Mom mit einem Lächeln. Ich erwidere das Lächeln nicht. »Oh, komm schon«, murrt sie. »Krieg ich noch nicht mal ein Mitleidslachen?«
»Diesmal nicht«, sage ich und schüttle den Kopf.
Mom hat das Haus über eine Internet-Plattform gemietet. Sie hatte keine Zeit, wählerisch zu sein, nicht, nachdem man ihr die Stelle als leitende Oberschwester der neu gegründeten Neugeborenenstation im Ridgemont Hospital angeboten hatte. Sie hatte ja noch nicht mal wirklich Zeit, ihre einzige Tochter zu fragen, wie sie sich dabei fühlen würde, entwurzelt und aus der Stadt gerissen zu werden, in der sie ihr Leben lang gewohnt hat, um in den Nordwesten des Landes verpflanzt zu werden, wo es die meiste Zeit regnet. Natürlich habe ich ihr erklärt, dass ich sie immer unterstützen werde, ganz egal, was kommt. Es ist eine großartige Chance für sie, und ich wollte nicht der Grund dafür sein, dass sie sie nicht wahrnimmt. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ein Umzug von Texas nach Washington State auch eine großartige Chance für mich ist.
Mom parkt den Wagen und betrachtet das Haus durch die Windschutzscheibe. Zwei Etagen und eine Veranda mit einer antik anmutenden Hollywoodschaukel, die aussieht, als würde sie nicht mal das Gewicht eines Babys aushalten. Auf den Fotos im Internet sah das Haus weiß aus, aber in Wirklichkeit ist es grau, abgesehen von der Haustür, bei der irgendjemand beschlossen hat, sie knallrot anzustreichen. Vielleicht hat derjenige ja gedacht, durch den Kontrast würde es fröhlicher wirken oder so.
»Von außen kannst du doch gar nicht wissen, ob ein Haus gruselig ist«, fügt Mom hinzu.
»Doch, kann ich.«
»Und wie?«
»Genauso, wie ich weiß, dass die Jeans, die du vor unserer Abreise aus Austin gekauft hast, am Ende in meinem Kleiderschrank hängen wird anstatt in deinem. Ich bin extrem intuitiv.«
Mom lacht. Unser kleiner weißer Hund, Oscar, winselt auf der Rückbank und fleht uns an, ihn rauszulassen, damit er das neue Haus erkunden kann. Sobald Mom ihren Sicherheitsgurt geöffnet und die Tür aufgemacht hat, springt er auch schon aus dem Auto. Ich bleibe noch einen Moment lang im Wagen sitzen und atme die feuchte Luft ein, die zu mir hereinweht.
Es ist nicht nur das Haus. Seit wir die Grenze zu diesem Bundesstaat überquert haben, ist die Welt ganz grau und in so dichten Nebel gehüllt, dass Mom die Scheinwerfer anschalten musste, obwohl es mitten am Tag war. Ich hatte mir unser neues Leben in Washington nicht ganz so farblos vorgestellt. Um ehrlich zu sein, habe ich mir es gar nicht vorgestellt. Stattdessen habe ich praktisch so getan, als würde der Umzug gar nicht stattfinden, selbst als sich unser Haus in Austin mit immer mehr Kisten füllte und meine beste Freundin, Ashley, vorbeigekommen ist, um uns beim Packen zu helfen. Erst als wir tatsächlich unterwegs waren, habe ich wirklich geglaubt, dass wir umziehen.
Unser neues Haus steht in einer Sackgasse, direkt vor einem riesigen, von Nebel überfluteten Feld. Sämtliche Häuser, an denen wir vorbeigefahren sind, bevor wir in unsere Einfahrt abgebogen sind, waren ungefähr zwei Nummern zu klein für ihre Vorgärten. Ich schätze, wir haben es hier mit der Art von Nachbarn zu tun, die nichts miteinander zu tun haben wollen. Nicht ein einziges Kind spielt draußen, nicht ein einziger Dad bereitet den Grill für das Abendessen vor, und die komplette Straße ist mit den Nadeln der turmhohen Tannen übersät, die nicht mal einen Hauch von Tageslicht durchlassen. Um unseren eigenen Garten schlängelt sich ein hässlicher, verrosteter Maschendrahtzaun.
Dem bisschen nach zu urteilen, was ich bisher gesehen habe, bin ich mir ziemlich sicher, dass die ganze verfluchte Stadt Ridgemont, Washington, total gruselig ist. Ich meine, was könnte bitte gruseliger sein als ein Ort am Fuß eines Berges, in dem der Himmel selbst an den heißesten Sommertagen grau ist? Und falls es scheint, als würde ich das Wort gruselig überstrapazieren, dann liegt das nicht daran, dass ich keinen Zugang zu einem Thesaurus hätte wie alle anderen mit einem Smartphone, sondern daran, dass es einfach kein anderes Wort so gut trifft.
Ich schüttle mich, wie Oscar es tut, wenn er gebadet hat. Es sieht mir gar nicht ähnlich, so negativ zu sein, und ich bin wild entschlossen, das zu ändern. Ich atme tief ein und öffne die Autotür. Von innen ist das Haus wahrscheinlich ganz bezaubernd. Mom hätte kein Haus gemietet, das nicht auch über ein paar ausgleichende Eigenschaften verfügt. Ich lange auf den Rücksitz und schnappe mir den Korb, in dem mein Kater Lex Luthor sitzt. Dann hole ich mein Telefon heraus, halte es hoch und mache ein Foto von mir, Lex und dem Haus im Hintergrund, das ich an Ashley schicke. Wir haben einander versprochen, uns nicht auseinanderzuleben, selbst wenn ich hier oben in Washington wohne und sie weiterhin in Texas. Ich meine, wir sind seit der zweiten Klasse die besten Freundinnen. Wenn unsere Freundschaft das ganze Cliquen-Getue in der Mittelstufe überlebt hat, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass sie auch ein paar Tausend Kilometer Distanz übersteht.
Meine Chucks knirschen über den Kies in der Einfahrt, als ich auf die Haustür zutrotte. Mom und Oscar sind schon drin. Es mag zwar August sein, aber das hält Ridgemont nicht davon ab, kalt zu sein – kälter als Austin in der Weihnachtszeit –, und unglücklicherweise trage ich noch immer die zerrissenen Jeans, die ich angezogen habe, als wir heute Morgen an unserem Motel in Boise, Idaho, losgefahren sind. Der farbenfrohe Mustang auf Moms altem Highschool-T-Shirt – momentan mein absolutes Lieblingsshirt – sieht in dem Nebel völlig fehl am Platz aus: das genaue Gegenteil von Camouflage.
Ich bleibe auf der Türschwelle stehen. »Mom!«, rufe ich. Keine Antwort. Nur das Quietschen der Fliegengittertür in ihren Angeln, als ich sie aufhalte, bevor hinter mir eine Windböe pfeift, so als wollte sie mich hineinschubsen.
»Mom!«, wiederhole ich. Schließlich rufe ich ihren vollen Namen: »Katherine Marie Griffith!« Sie hasst es, wenn ich sie mit ihrem Vornamen anspreche, obwohl sie behauptet, dass es nicht das Geringste damit zu tun hat, dass ich adoptiert wurde. Wir haben daraus nie eine große Sache gemacht – wir hatten nie eine große Aussprache, bei der mir meine Mutter diese Tatsache feierlich mitgeteilt hätte oder so. Die Wahrheit ist, dass ich mich gar nicht an eine Zeit erinnern kann, zu der ich es nicht gewusst habe. Es gibt schon Momente, in denen ich mich frage, wer meine biologischen Eltern sind und warum sie mich weggegeben haben, aber nicht mal Mom kennt diese Einzelheiten. Sie hat als Kinderkrankenschwester in dem Krankenhaus in Austin gearbeitet, in dem ich gefunden wurde – ganz allein in der Notaufnahme zurückgelassen: in Windeln gewickelt, ohne Eltern, ohne Papiere, ohne alles –, und sie sagt, in dem Moment, in dem sie mich in den Arm genommen hat, wusste sie, dass sie mich nie wieder hergeben würde. Wir waren füreinander bestimmt, sagt sie immer, schlicht und einfach.
Mom und ich müssen immer kichern, wenn Fremde uns sagen, wie ähnlich wir uns sehen, weil wir das überhaupt nicht tun. Wir verhalten uns nur ähnlich. Aber im Gegensatz zu mir hat Mom rote Haare, beinahe graue Augen und helle, blasse Haut mit vielen Sommersprossen. Ich habe langes braunes Haar, das für gewöhnlich in einem Zustand irgendwo zwischen lockig und zerzaust gefangen ist. Außerdem sind meine Augen grün und nicht grau wie Moms. Ashley findet, sie sehen aus wie Katzenaugen. Ihr wisst doch, wie die Augen von manchen Leuten ihre Farbe verändern, je nachdem, wie das Licht darauffällt oder was für Klamotten sie anhaben? Meine nicht. Sie haben immer denselben milchig-hellen grünen Ton. Und selbst im Dunkeln vergrößern sich meine Pupillen nie. Ich habe wirklich und wahrhaftig noch nie jemanden gesehen, der die gleichen Augen hatte wie ich. Sie sind so ungewöhnlich, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass jeder, der solche Augen hat wie ich, mit mir verwandt sein muss. Also, richtig verwandt, blutsverwandt.
Wie dem auch sei, adoptiert oder nicht, ich stehe meiner Mom näher als jede andere Sechzehnjährige, die ich je kennengelernt habe. Oder zumindest bin ich mir ziemlich sicher, dass wir uns näherstehen als all die Mutter-Tochter-Gespanne, die ich immer im Einkaufszentrum in Austin beim Shoppen gesehen habe. Wenn sie sich nicht gerade gestritten haben, haben sie kaum miteinander gesprochen. Ashley holt jedes Mal, wenn ihre Mutter ins Zimmer kommt, ihr Handy raus und tut so, als stecke sie mitten in einem Telefonat, anstatt zu antworten, wenn sich ihre Mom danach erkundigt hat, wie ihr Tag gelaufen ist. Ich meine, wie viele Sechzehnjährige kennt ihr denn, die es aushalten würden, drei volle Tage lang mit ihrer Mom in einem Auto eingesperrt zu sein und quer durchs Land zu fahren? Auch wenn ich erst seit einer Woche sechzehn bin.
Irgendwo aus dem Inneren des Hauses höre ich das Geräusch einer Toilettenspülung. »Was hast du denn gedacht, wo ich bin, Sunshine?«, will Mom wissen, als sie wieder an die Haustür zurückkehrt.
»In Texas hat mein Name nie so ironisch geklungen«, murmle ich, und ein kurzes Zittern überkommt mich, als ich über die Türschwelle trete. Als die Tür hinter mir zuknallt, zucke ich erschrocken zusammen.
»Das ist nur der Wind, Schatz.« Moms Augen glitzern, so als würde sie versuchen, mich nicht auszulachen.
»Ich glaube, im Haus ist es sogar noch kälter als draußen.« Ich glaube nicht, dass ich schon mal so eine Kälte gespürt habe, nicht mal, als ich neun war und Mom mit mir zum Skifahren nach Colorado gefahren ist, wo die Temperaturen ernsthaft unter dem Gefrierpunkt lagen. Diese Kälte ist etwas ganz anderes. Sie kriecht unter meine Klamotten und breitet eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper aus. Es fühlt sich fast so an, wie wenn man Fieber hat und die ganze Zeit zittern muss, obwohl die Körpertemperatur steigt und man dick eingepackt unter mehreren Decken im Bett liegt. Es ist die Art von Kälte, die sich ganz feucht anfühlt, so als müsste man das ganze Haus mal in den Trockner stecken. Sie ist … na gut, schön, ich gebe es zu: Sie ist gruselig. Ich spreche es laut aus und Mom muss lachen.
»Ist das dein neues Lieblingswort?«, fragt sie.
»Nein«, antworte ich leise. Ich kann mich nicht daran erinnern, es früher oft benutzt zu haben. Aber andererseits hatte ich ja auch noch nie so ein Gefühl.
»In diesem Haus hat seit Monaten niemand mehr gewohnt. Es stand einfach schon zu lange leer. Wenn erst mal unsere ganzen Sachen hier drin sind, wird es sich gemütlicher anfühlen. Es wird toll, das verspreche ich dir.«
Aber unsere Sachen – der Umzugswagen mit unseren Möbeln und meinen Büchern, meinem Schnickschnack und meinen Klamotten – werden nicht vor morgen hier sein. Ich schätze, die Umzugshelfer, die ihn von Texas herfahren, hatten es nicht so eilig, hier anzukommen, wie wir. Mom und ich steigen die knarrende Treppe hinauf und erkunden kurz den ersten Stock: zwei Schlafzimmer und ein Bad mit nicht funktionierendem Schloss an der Tür – »Ich bitte den Vermieter, das zu reparieren«, verspricht Mom –, aber es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie unsere Sachen in unseren Zimmern aussehen werden, wenn der Großteil unseres Hab und Guts noch Hunderte Kilometer entfernt ist.
Ich gehe in das Zimmer, das meins werden wird, und erschauere, als ich die leuchtend pinkfarbene Tapete und den quietschrosa Teppichboden sehe. Ich bin keins von diesen Rosa-Mädchen. Ich beschließe, mein Bett rechts neben der Tür in die Ecke zu stellen und meinen Schreibtisch gegenüber davon ans Fenster. Ich stelle mich vor das schmale Fenster und schaue hinaus, aber die Äste einer Kiefer im Garten hinter unserem Haus versperren mir den Ausblick auf die Straße fast völlig. Ich bezweifle, dass, selbst wenn die Sonne scheinen würde, besonders viel Licht hereinkäme. Moms Zimmer zeigt auf den Vorgarten, aber auch ihr Fenster ist fast komplett von Ästen verdeckt.
Wir blasen unsere Doppelluftmatratze auf dem Parkettfußboden im Wohnzimmer auf und breiten Decken darüber aus, damit der Kater sie nicht aus Versehen mit seinen Krallen zerplatzen lässt, wenn er darüberklettert, was er natürlich sofort tut. Wir fahren in die Stadt, um uns eine Pizza zu holen, und das Geräusch der Kiefernnadeln, die auf unser Autodach prasseln, vermischt sich mit den Regentropfen zu einem perfekten Chor. Die Main Street ist ziemlich leer, nichts im Vergleich zu den Menschenmassen in der Innenstadt von Austin.
»Es ist malerisch«, sagt Mom hoffnungsvoll und zeigt auf die charmante Apotheke und das kleine Restaurant, die zu keiner Kette gehören, und ich nicke und zwinge mich zu einem Lächeln. Auf dem Nachhauseweg kühlt die Pizza auf dem Rücksitz aus, während wir am Krankenhaus vorbeifahren. Mom biegt auf den Parkplatz ab. Sie ist nicht mehr hier gewesen, seit man sie vor zwei Monaten für das Bewerbungsgespräch eingeflogen hat. Das Krankenhaus ist höchstens halb so groß wie das, in dem sie in Austin gearbeitet hat. Sie schnallt sich ab, macht jedoch keinerlei Anstalten, aus dem Auto zu steigen, genauso wenig wie ich.
»Ich nehme mal an, in Ridgemont gibt’s nicht so viele kranke Leute wie zu Hause«, sage ich und mache eine Geste über den fast leeren Parkplatz.
»Es ist eine Kleinstadt«, erwidert Mom schulterzuckend, aber sie wirkt skeptisch. In ihrem neuen Job wird sie viel mehr Verantwortung tragen als in Texas, und auch wenn sie nichts gesagt hat, weiß ich, dass sie deswegen nervös ist.
»Mach dir keine Sorgen. Du wirst sie alle umhauen.«
Mom sieht mich an und lächelt. »Das ist meine Sunshine.« Sie streckt ihren Arm aus und drückt meine Schulter, bevor sie ihren Sicherheitsgurt wieder anlegt und den Motor anlässt. Sie wendet gerade den Wagen, als das Geheul von Sirenen die Luft erfüllt. Ein Krankenwagen schießt auf den Parkplatz und rast auf den Eingang der Notaufnahme zu.
Ich schätze, in Ridgemont gibt’s wohl doch ein paar kranke Leute.
*
Wir essen unsere Pizza im Schlafanzug und sitzen dabei auf der Luftmatratze wie bei einer Übernachtungsparty.
»Diese Pizza schmeckt besser als alle, die ich je in Austin probiert habe«, sagt Mom, als wir uns um das letzte Stück streiten.
»Wer hätte das gedacht?«, erwidere ich, reiße ihr den restlichen Rand aus der Hand und kichere. »Ridgemont, Washington, Pizza-Hauptstadt der USA.«
»Siehst du? Ich wusste doch, dass du es hier mögen würdest.«
»Ich mag die Pizza. Das ist nicht das Gleiche, wie die Stadt zu mögen.«
»Aber wenn du die Pizza liebst, bist du vielleicht nur noch einen Katzensprung davon entfernt, auch die Stadt zu lieben«, kontert Mom hoffnungsvoll. Ich seufze. Die Wahrheit ist, dass wir kaum drei Stunden hier sind, und es wirklich noch viel zu früh ist, um sich in dieser Sache eine Meinung zu bilden.
»Hier drin riecht’s komisch«, sage ich und rümpfe die Nase.
»Hier drin riecht’s nach Pizza«, entgegnet Mom und deutet auf den mit abgeknabberten Resten gefüllten Karton zwischen uns.
Ich schüttle den Kopf. Es riecht noch nach etwas anderem, ein modriger, schimmeliger Geruch, so als hätte jemand die Klimaanlage zu lange angelassen. Nicht, dass man hier eine Klimaanlage bräuchte.
»Wie dem auch sei, wenn wir erst mal mit Sack und Pack eingezogen sind, wird dieses Haus nach uns riechen«, verspricht Mom, aber ich bin mir nicht sicher, dass der feuchte Schimmelgeruch wirklich so einfach verschwinden wird.
Vor dem Schlafengehen lesen wir noch ein bisschen. Mom macht sich an den Thriller, der es gerade an die Spitze der Bestsellerlisten geschafft hat – sie steht total auf diese Bücher, obwohl ich mich deswegen immer über sie lustig mache –, und ich lese Stolz und Vorurteil, inzwischen wahrscheinlich schon zum fünfzehnten Mal. Es ist unmöglich, Heimweh zu empfinden, wenn ich das vertraute Gewicht des Buches in meinen Händen spüre. Ich mag all die Wörter, die heute fast niemand mehr benutzt: Wallung und Bestürzung und Erkundigungen. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich wie eine der Bennett-Schwestern rede. Superbekloppt, ich weiß.
»Denkst du, ich war in einem früheren Leben vielleicht Jane Austen?«, frage ich schläfrig, als ich schließlich das Licht ausschalte. Es muss schon nach Mitternacht sein. Oscar ist heimlich, still und leise zwischen uns ins Bett gekrochen, aber das stört mich nicht, denn obwohl er die halbe Fläche der Matratze beansprucht, ist mir viel wärmer, wenn er sich neben mir zusammenrollt.
»Natürlich nicht«, erwidert Mom. Sie glaubt nicht an solche Sachen wie frühere Leben. Sie glaubt an Logik und Medizin, an Dinge, die mithilfe organischer Chemie bewiesen werden können.
»Okay, aber ich meine, wenn du an solche Sachen glauben würdest …«
»Was ich nicht tue …«
»Okay, aber wenn du es tätest …«
»Wenn ich es täte, würde ich dann glauben, dass du in einem früheren Leben Jane Austen warst?«
»Ganz genau.«
»Nein.«
»Warum nicht?«, erwidere ich mit gespielter Verärgerung.
Ich kann spüren, wie Mom auf ihrer Seite des Bettes mit den Schultern zuckt, so als sei die Antwort völlig offensichtlich. »Statistik. Aus mathematischer Sicht gehen die Chancen gegen null.«
»Du wendest Statistik bei meinem hypothetischen früheren Leben an?«
»Zahlen lügen nicht, Sunshine State.« Mom nennt mich manchmal so, obwohl wir noch nie in Florida waren, dem Bundesstaat, der tatsächlich Sunshine State genannt wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man in Washington so weit wie nur möglich von Florida entfernt ist, ohne das Festland der Vereinigten Staaten zu verlassen. Aber Mom hat schon immer gesagt, solange sie mit mir zusammen ist, fühlt sie sich überall so, als wäre sie in einem Sonnenschein-Staat. Sie sagt, dass sie dieses Gefühl schon in dem Moment hatte, als sie mich als Neugeborenes zum ersten Mal auf dem Arm gehalten hat. Das ist auch der Grund, warum sie mich Sunshine genannt hat.
»Gute Nacht, mein Schatz«, sagt sie in die Dunkelheit.
»Gute Nacht.«
*
Das Geräusch weckt mich. Ich bin mir nicht sicher, wie spät es ist, als ich es höre. Sie höre. Schritte. Aus dem Stockwerk über uns. Aber ich habe sowieso nicht besonders tief geschlafen. Wenn ich Stolz und Vorurteil lese und danach einschlafe, träume ich normalerweise von Mr Darcy, doch heute Nacht hatte ich wirklich merkwürdige Träume. Ich habe in der Ecke eines Badezimmers ein kleines Mädchen weinen sehen, aber ganz egal, was ich gesagt oder getan habe, seine Tränen flossen immer weiter. Ich habe versucht, einen Arm um es zu legen, aber es befand sich immer außer Reichweite, selbst wenn ich direkt neben ihm stand.
»Was zum Geier?«, flüstere ich, rolle auf die Seite und strecke eine Hand nach Oscar aus. Hunde sollen ja angeblich ein richtig gutes Gehör haben – wenn er also nichts gehört hat, dann habe ich mir das Ganze ganz bestimmt nur eingebildet, richtig? Aber Oscar liegt nicht mehr im Bett, und es ist hier drin stockfinster, deshalb kann ich nicht sehen, wo er ist. Er kann aber nicht weit sein, weil ich den Nasser-Hund-Geruch seines Fells riechen kann, das noch nicht wieder richtig getrocknet ist, seit wir hier angekommen sind. Plötzlich verstummen die Schritte.
»Mom«, flüstere ich und rüttle sie sanft an der Schulter. »Mom, hast du das gehört?«
»Hmmm?«, antwortet sie, ihre Stimme schwer vor Schlaf. Sie war furchtbar müde, nachdem sie so weit gefahren ist. Ich sollte sie schlafen lassen. Aber dann setzen die Schritte wieder ein.
Oh Gott, vielleicht fühlt sich dieses Haus ja nicht gruselig an, weil es seit Monaten leer stand. Vielleicht fühlt es sich gruselig an, weil sich ein durchgeknallter Killer im Stockwerk über uns eingenistet und nur darauf gewartet hat, dass eine nichts ahnende Familie einzieht, damit er sie im Schlaf erwürgen kann. Mein Herz pocht wie wild, und ich hole ein paar Mal tief Luft und versuche mich zu beruhigen, aber es schlägt nur umso schneller.
Die Schritte klingen aber eigentlich nicht nach einem durchgeknallten Killer. Sie klingen leicht, irgendwie verspielt – fast so, als würde ein Kind über uns durch die Räume hüpfen.
»Mom«, wiederhole ich, diesmal etwas eindringlicher. Vielleicht ist da oben ja wirklich ein Kind. Vielleicht hat er oder sie sich verirrt oder ist von zu Hause weggelaufen.
»Was ist denn?«, fragt Mom verschlafen.
»Hast du das gehört?«, wiederhole ich.
»Was gehört?«
»Diese Schritte.«
»Alles, was ich höre, ist deine Stimme, die mich wach hält«, erwidert sie, aber ich weiß, dass sie lächelt. »Wahrscheinlich ist es nur der Kater«, fügt sie hinzu, dreht sich um und legt einen Arm um mich. »Schlaf weiter. Ich verspreche dir, dass dir dieses Haus morgen früh nicht mehr so gruselig vorkommen wird.« Sie betont das Wort gruselig, als sei es ein Witz oder so.
»Das ist nicht lustig«, beschwere ich mich, aber Moms Atmung ist wieder in ihren gleichmäßigen Rhythmus gefallen – sie ist schon wieder eingeschlafen. »Das ist nicht lustig«, wiederhole ich und flüstere die Worte in die Dunkelheit.
Das Letzte, was ich erwarte, ist eine Antwort, aber ich habe das letzte Wort kaum ausgesprochen, als ich sie fast unmittelbar höre, so klar und sanft, als würde mir jemand direkt ins Ohr flüstern. Diesmal sind es keine Schritte, sondern das Lachen eines Kindes: Ein Kichern, so hell und klar wie Kristall, schwebt durch die Nacht.
Ich kneife die Augen ganz fest zusammen und zwinge mich, an etwas anderes zu denken: an Elizabeth Bennett und Fitzwilliam Darcy, an Jane und Mr Bingley oder wenigstens an Lydia und Mr Wickham. Ich versuche mir vorzustellen, wie sie beim Ball in Netherfield tanzen – obwohl ich weiß, dass Mr Wickham an jenem Abend gar nicht da war –, aber alles, was ich stattdessen sehen kann, ist das kleine Mädchen aus meinem Traum. Sein dunkles Kleid ist alt und zerschlissen und es spielt im Stockwerk über mir Himmel und Hölle. Und dann höre ich wieder das Lachen. Das Lachen eines Kindes hat bestimmt noch nie so furchteinflößend geklungen.
Bevor ich eigentlich weiß, was ich tue, krabble ich aus dem Bett und husche zur Treppe. Wenn da oben wirklich ein kleines Mädchen ist, dann hat es wahrscheinlich genauso große Angst wie ich, richtig? Auch wenn die Kleine nicht ängstlich geklungen hat. Ich meine, sie hat schließlich gelacht.
Ich setze einen Fuß auf die unterste Stufe und schaue nach oben. Über mir ist nichts als Dunkelheit. Oscar taucht neben mir auf und lehnt seinen warmen Körper an mein Bein. »Braver Junge.« Meine Stimme klingt atemlos, so als wäre ich gerannt.
Als ich meinen Fuß auf die zweite Stufe stelle, knarrt sie laut. Danach folgt nichts als Stille – kein Lachen, keine Schritte, kein Hüpfen. Mein Herz hämmert, aber als ich ganz tief einatme, fällt es wieder in einen langsameren, gleichmäßigen Rhythmus.
»Vielleicht ist es ja vorbei«, sage ich. Oscar keucht zustimmend. Abgesehen von unseren Atemgeräuschen ist das Haus ganz still. »Gehen wir wieder ins Bett«, seufze ich schließlich und drehe mich um.
Oscar rollt sich neben mir auf der Luftmatratze zusammen und ich streichle mit meinen Fingern über sein Fell. Eigentlich erwarte ich, noch stundenlang wach zu liegen und an die Decke zu starren, aber stattdessen werden meine Augenlider ganz schwer, und meine Atmung wird immer langsamer, bis sie im Einklang mit Moms ist.
Aber ich schwöre, dass ich, als ich gerade in die Bewusstlosigkeit abdrifte – in diesen Zustand, in dem man schon mehr schläft, als wach zu sein –, noch etwas anderes höre. Die Stimme eines Kindes, nicht mehr als ein Flüstern:
Gute Nacht.
Rosa Ironie
»Wie rosa kann es denn schon sein?« Ashley klingt beinahe so skeptisch, was die Farbe meines neuen Zimmers betrifft, wie Mom angesichts der Möglichkeit, dass es in diesem Haus spuken könnte.
Obwohl sie mich durchs Telefon gar nicht sehen kann, schüttle ich den Kopf. Die Umzugshelfer sind vor einer Stunde gegangen und Mom und ich sind seither mit Auspacken beschäftigt. Mein neues Zimmer ähnelt einem verschobenen Rechteck. Ich dachte, ich würde endlich sehen können, wie gut unser Leben in diese Räume passt, wenn erst mal all unsere Habseligkeiten hier sind – wie gut mein Leben in mein neues Zimmer passt –, aber ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ich jemals in einen Raum passen werde, der so aussieht.
»Ich schwöre es, Ashley.« Ich habe den Lautsprecher an meinem Telefon eingeschaltet, während ich mich durch all die Sachen arbeite, die ich erst vor ein paar Tagen so sorgfältig in Austin eingepackt habe: meine antike Schreibmaschine, die jetzt neben meinem Laptop auf dem Schreibtisch steht, meine ausgestopfte Eule – Dr. Hoo –, die momentan auf einem Regal über meinem Schreibtisch sitzt, als würde sie jede Sekunde heruntersegeln und sich meine Sammlung mit Glasfiguren schnappen. »Du hast noch nie ein so rosa Zimmer gesehen. Du hast noch nie ein so rosa Rosa gesehen.« Ashley lacht, aber ich meine es todernst. Das Rosa in meinem neuen Zimmer ist überall: in den Rosen auf der Tapete und im zerzausten Teppich auf dem Boden. Sogar der Lichtschalter ist rosa angestrichen.
Als ich heute Morgen aufgewacht bin, bin ich sofort die Treppe hochgerannt, um nach irgendeiner Spur zu suchen, die darauf hindeutet, dass sich dort oben ein Kind versteckt. Aber da war nichts. Keine Fußabdrücke, kein Schmutz auf dem Teppichboden, keine klebrigen Fingerabdrücke an den Fenstern und definitiv kein kleines Mädchen, das sich in den Schränken oder im Badezimmer verbirgt.
Mom meinte, was immer ich auch glaube, letzte Nacht gehört zu haben, war wahrscheinlich nur ein böser Traum. Aber ich habe den Kopf geschüttelt. Ich weiß, dass ich mir das nicht eingebildet habe. Außerdem ist es im ersten Stock dieses Hauses sogar noch kälter als im Erdgeschoss. Ich halte es sogar für möglich, dass die Luft hier einfach zu feucht ist, um sich zu bewegen. Und der schimmelige Geruch ist im ersten Stock auch stärker und der Teppichboden irgendwie klamm, so als hätte er vor ein paar Monaten unter Wasser gestanden und nie die Möglichkeit gehabt, wieder vollständig auszulüften.
»Mein Zimmer war auch mal rosa«, sagt Ashley. Ganz eindeutig hat sie den Ernst der Lage noch immer nicht erfasst.
»Ja, bis du dreizehn wurdest und aus dieser Phase rausgewachsen bist.«
»Habt ihr denn keine Fotos von dem Haus im Netz gesehen, bevor ihr eingezogen seid?«
»Ganz offensichtlich haben sie es versäumt, auch Bilder von diesem Zimmer einzustellen.«
»Dann zieh doch in ein anderes Zimmer.«
»Es gibt kein anderes Zimmer. Es gibt Moms Schlafzimmer und dieses Zimmer und dazwischen ein Bad.«
»Und was ist mit einem Gästezimmer, wenn deine beste Freundin zu Besuch kommt?«
Ich lache. »Nein. Du wirst mir in dieser gigantischen Vanish-Oxi-Action-Flasche Gesellschaft leisten.«
Ich greife nach meinem wahrscheinlich wertvollsten Besitz und schäle ihn aus einem Kokon aus Bläschenfolie: die Nikon-F5-Kamera, die mir meine Mutter zum sechzehnten Geburtstag geschenkt hat. Ich lege sie behutsam aufs Bett. Ashley fand, ich hätte mir ein Auto wünschen sollen. Jeder Teenager in Amerika wünscht sich zum sechzehnten Geburtstag ein Auto, hat sie gesagt. Sie hat auch eins gekriegt: einen leuchtend blauen, glänzenden Hybrid-Viertürer, mit dem sie dann ganz stolz durch die Stadt gefahren ist, mit heruntergelassenen Fenstern und lauter Musik. Aber was ich wirklich wollte, war eine altmodische Kamera, um mit echtem Film zu fotografieren. Und Junge, Mom hat echt so was von abgeliefert.
An meiner Highschool in Austin wurden Fotokurse angeboten und ich habe mich gleich am ersten Tag in meinem ersten Schuljahr dafür angemeldet und mir eine Kamera von unserer Fotografie-Lehrerin Mrs. Soderberg ausgeliehen. Sie hat mir in der Dunkelkammer im Keller der Schule geduldig beigebracht, wie man Filme entwickelt. Fast alle anderen benutzten Digitalkameras, aber diese Bilder sahen für mich nie so wahrhaftig aus wie die auf Film.
Ashley hat mich immer aufgezogen, weil ich lieber stundenlang mit einer Lehrerin in der Dunkelkammer zugebracht habe, statt auf einen Bildschirm zu glotzen und die Status-Updates von Leuten zu verfolgen, die ich sowieso den ganzen Tag in der Schule sehe. Sie meinte, das sei der Grund, warum ich nicht mehr Freunde hätte. Und sie meinte, meine Sammlung mit ausgestopften Vögeln sei auch nicht gerade hilfreich. Normale Mädchen ekeln sich vor toten Tieren.
Es ist nur ein ausgestopfter Vogel, habe ich mich verteidigt. Mom und ich hatten Dr. Hoo in einem Antiquitätenladen ganz in der Nähe von Austin entdeckt. Ich kann es selbst nicht erklären, aber in dem Moment, als ich ihn sah, wusste ich einfach, dass ich ihn haben musste. Er war schneeweiß mit schwarzen Sprenkeln auf seinem weichen Kopf und seinen Flügeln, und auch wenn er ganz offensichtlich schon seit langer Zeit tot war, fühlte er sich für mich irgendwie so lebendig an.
Außerdem ist es auch nicht so, dass ich mehr Freunde gebraucht hätte. Ashley und ich waren zwar verschieden, aber wir hatten in der zweiten Klasse über unsere gemeinsame Liebe für Tonpapier und Glitzerklebstoff zueinandergefunden und stehen uns seitdem sehr nahe. Außerdem hatte ich immer das Gefühl, mit ihr und meiner Mom sei mein Bedarf an Freunden gedeckt.
Mom hat immer gesagt, ich sei alles, was sie brauche, und um die Wahrheit zu sagen, scheint sie zwischen mir und ihrer Arbeit sowieso nicht viel Zeit für was anderes zu haben. Aber wie dem auch sei, warum sollte ich Freunde wollen, vor denen ich mich verstellen muss? Ich will nicht so tun, als hätte ich Angst vor toten Dingen und würde Digitalaufnahmen Filmen vorziehen. Es macht mir nichts aus, altmodisch zu sein.
»Versprich mir einfach, dass du in Ridgemont nicht genauso ungesellig sein wirst wie in Austin.«
»Ich wohne noch nicht mal vierundzwanzig Stunden in Ridgemont. Ich hatte noch gar keine Zeit, ungesellig zu sein.«
»Kannst du mir wenigstens versprechen, dass du an deinem ersten Schultag was Normales anziehen wirst?«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Definiere normal.«
»Es ist für eine Sechzehnjährige nicht normal, einen Schlafanzug mit Füßen zu tragen.«
»Das war eine Übernachtungsparty, und damals waren wir in der achten Klasse!«
»Hast du ihn noch?«, will Ashley wissen, obwohl sie die Antwort kennt.
Ich lache und schließe die Augen. Ich kann Ashley genau vor mir sehen, wie ihre hübschen blauen Augen leuchten und ihr blondes, glatt geföhntes Haar lang und weich über ihren Rücken fällt. Wahrscheinlich sitzt sie direkt neben der Lüftung der Klimaanlage in ihrem – normal angestrichenen – Zimmer und trägt normale Jeansshorts und ein normales T-Shirt. Sie hat sich immer geweigert, mich zu begleiten, wenn ich im Secondhandladen nach Blusen, Stiefeln oder Taschen fahnden wollte. Ich ziehe mich nicht wie irgendeine Irre an oder so, ich trage nur nicht die gleichen Klamotten wie die meisten anderen Teenager, die ich kenne. Ich mag Häkelmützen und Schals, T-Shirts mit lustigen kleinen Aufdrucken und Langarmshirts, deren Ärmel über meine Handgelenke reichen.
»Vielleicht ziehen sich die Schüler in der Ridgemont High ja genauso an wie ich.«
»Vielleicht«, erwidert Ashley, obwohl ich hören kann, dass sie das nicht wirklich glaubt. »Oder vielleicht glauben sie auch, dein Style sei ein echt cooler neuer Trend aus der Großstadt. Du könntest so tun, als kämst du aus New York. Oder London!«
»Wer würde denn schon glauben, dass ich aus London komme?«
»Du könntest dir einen britischen Akzent zulegen. Jungs lieben britischen Akzent.«
Ich schüttle den Kopf. »Wenn ich mich für britisch entscheide, dann nur wegen britischer Sachen wie Fünf-Uhr-Tee und Kutschfahrten durch den Schlosspark.«
»Dann willst du also nicht nur britisch sein, sondern gleich noch zur Königsfamilie gehören?«
»Wenn ich schon eine neue Realität erfinde, dann kann ich es auch gleich richtig machen.«
»Damit wirst du im Nullkommanichts das beliebteste Mädchen der Schule.«
Ich nicke zustimmend. »Die Jungs werden mir in Scharen zu Füßen liegen, sobald ich meinen britischen Akzent zum ersten Mal auspacke!«
Ashley kichert. »Was ist denn so lustig?«, frage ich.
»Gar nichts«, antwortet sie, aber ihr Gekicher wird nur noch lauter. Ich wette, dass ihre Wangen inzwischen fast so pink sind wie mein Teppich. Als sie weiterspricht, bekommt sie die Worte kaum über die Lippen. »Ich versuche nur gerade, mir vorzustellen, wie du versuchst, heimlich einen Jungen auf dein Zimmer zu schleusen. Was wäre erschreckender – der tote Vogel oder die pinken Wände?«
»Er würde so schnell davonrennen, wie ihn seine Füße tragen können«, stimme ich ihr zu und lache mit. Schon die bloße Vorstellung von einem Jungen in meinem Zimmer ist völlig absurd. Ashley weiß ganz genau, dass ich noch nicht mal einen Jungen geküsst habe.
Von unten ruft meine Mutter nach mir. »Ash, ich muss auflegen«, sage ich. »Mom braucht mich.«
»Grüß Kat schön von mir.«
»Mach ich«, verspreche ich. »Ich vermisse dich.«
»Ich dich auch«, erwidert Ashley, bevor sie auflegt.
Ich trete in den Flur. Der Teppichboden hier draußen hat eine schöne neutrale Farbe: hellbraun. Nicht zu vergleichen mit der rosa Ungeheuerlichkeit in meinem Zimmer.
Moment mal. Im Flur liegt Teppichboden. Genau wie in Moms Zimmer. Und in meinem. Ich gehe auf und ab, hüpfe ein bisschen und versuche, die Geräusche nachzuahmen, die ich gestern Nacht gehört habe.
»Hey, Mom, hörst du das?«, rufe ich.
»Hör ich was?«
Ich hüpfe noch mal, erst in mein eigenes Zimmer, dann in Moms und dann wieder zurück in den Flur. Der Teppichboden ist so dick, dass ich seinen weichen Plüsch sogar durch die Schuhe spüren kann. »Hörst du das?«
»Ich höre deine Stimme, die mich anbrüllt!«, ruft sie zurück, beinahe ein Echo der Worte, die sie zu mir gesagt hat, als ich sie gestern mitten in der Nacht aufgeweckt habe. Ich renne die Treppe hinunter und nehme zwei Stufen auf einmal. Meine Mutter ist in der Küche und lehnt sich an die riesige Kochinsel in der Mitte des Raumes, umgeben von halb ausgepackten Kisten mit Töpfen, Pfannen und Plastikdosen. Der Kater miaut zu ihren Füßen und fragt sich, in welcher Kiste sich sein Futter befindet. Die Küchentheke war wahrscheinlich irgendwann mal weiß, hat sich inzwischen aber grau verfärbt, genau wie die Fassade des Hauses. Mom hat sämtliche Lichter angeschaltet, aber es wirkt hier drin trotzdem noch dunkel. Regen prasselt gegen das Fenster über dem Spülbecken. Donner grollt in der Ferne.
»Ich schreibe eine Einkaufsliste«, verkündet Mom. »Was brauchst du?«
»Es ist Teppichboden«, antworte ich.
»Was?«
»Oben. Hier unten ist Parkett, aber im gesamten ersten Stock liegt Teppichboden.« Lex miaut sofort und schmiegt sich an meine Beine. Ich beuge mich nach unten, um ihn zu streicheln. Auf seiner Brust und auf seinem Gesicht hat er einen kleinen weißen Fleck, aber ansonsten ist sein Fell komplett schwarz. Früher hatte ich noch nie das Gefühl, eine schwarze Katze zu haben könnte Unglück bedeuten.
»Ich weiß«, erwidert Mom schulterzuckend. »So stand’s auch im Internet.«
»Stand im Internet auch, dass die Farbe Rosa ihren Ursprung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im zweiten Schlafzimmer da oben hat?«
Mom rümpft die Nase. Sie hasst Rosa genauso sehr wie ich. »Ich frage den Vermieter, ob wir die Tapete überstreichen dürfen.«
»Warum sollte jemand rosa Rosen überstreichen wollen, die so groß sind wie mein Kopf?«, scherze ich.
»Sei einfach froh, dass sie nicht so groß sind wie dein Kopf inklusive Haare.«
»Jetzt bist du einfach nur gemein.« Mom weiß, dass ich neidisch auf ihre Haare bin, die immer perfekt glatt aussehen – im Gegensatz zu meinen, die sofort zu einem Krauskopf explodieren, sobald auch nur ein Kubikmillimeter Feuchtigkeit die Stirn hat, in die Atmosphäre einzudringen. »Dieses Klima tut meinem Haar wirklich keinen Gefallen.«
»Du musst dich schon für eine Sache entscheiden, über die du dich beschweren willst, Schatz. Ich kann mir das sonst nicht alles merken.«
»Ich beschwere mich doch gar nicht«, entgegne ich, schiebe jedoch meine Unterlippe mit einem schmollenden Ausdruck nach vorne und bringe Mom damit zum Lachen. Ich beschwere mich natürlich, und das weiß ich auch. Das Wetter, die Geräusche, das Gruselige. Das Rosa.
»Moment mal.« Ich unterbreche meinen eigenen Gedankenfluss. »Ich wollte dir doch von dem Teppichboden erzählen.«
»Was ist denn mit dem Teppichboden?«
»Oben liegt Teppichboden. Du hast nicht gehört, wie ich rumgehüpft bin, oder?«
»Nein.«
»Und wie konnte ich dann letzte Nacht diese Schritte hören?«
Mom lächelt, durchquert den Raum und legt einen Arm um meine Schultern. »Sunshine, ich weiß, dass du glaubst, du hättest letzte Nacht was gehört …«
»Ich hab was gehört.«
»Okay«, lenkt sie ein. »Du hast was gehört. Aber denkst du nicht, dass es viel wahrscheinlicher ist, dass das nur ein Ast war, der oben gegen ein Fenster geschlagen hat, oder der Wind, der durch die Bäume gerauscht ist, oder …?«
»Ich kenne den Unterschied zwischen Ästen und Schritten. Zwischen dem Wind und einer richtigen Stimme.«
»Okay«, erwidert Mom geduldig. »Aber wie du schon gesagt hast: Es wäre praktisch unmöglich, Schritte im ersten Stock zu hören.«
»Ganz genau.« Ich nicke, schnippe mit den Fingern und wirble in dem nicht sonderlich anmutigen Versuch eines Siegestanzes herum.
»Ganz genau was?«
Ich höre auf, mich zu drehen. »Ich sag das doch schon, seit wir hier angekommen sind: Dieses Haus ist einfach total merkwürdig.«
»Ich weiß, dass das für dich eine schwierige Veränderung ist.« Mom streckt eine Hand aus und streicht an meinem Rücken auf und ab. »Gestern Nacht war die erste Nacht in einem neuen Haus. Es wird eine Weile dauern, bis du dich daran gewöhnt hast.«
Ich schüttle den Kopf. Es ist ja nicht so, dass ich noch nie woanders als bei uns zu Hause geschlafen hätte. Ich habe schon öfter bei Ashley übernachtet, als ich zählen kann. Mom und ich sind in den Urlaub gefahren und haben uns das Hotelzimmer geteilt. Was ich letzte Nacht gespürt habe, war nicht nur Heimweh. Bei Heimweh ist man traurig, nicht verängstigt.
»Ich hab was gehört. Und nicht nur Schritte. Ich hab’s dir doch gesagt – ich hab auch Lachen gehört. Da oben war ein kleines Mädchen. Das weiß ich.«
»Ein kleines Mädchen?«
»Na ja, vielleicht auch der Geist eines kleinen Mädchens.«
Mom schüttelt den Kopf. Sie glaubt nicht an Geister. Ich war mir auch nicht ganz sicher, ob ich an sie glaube. Bis jetzt.
»Ich werde es dir beweisen«, verspreche ich.
»Und wie?«
Ich habe keine Ahnung, wie ich beweisen könnte, dass es in einem Haus spukt, also rümpfe ich genauso die Nase, wie sie es vor ein paar Minuten getan hat.
Schließlich seufzt Mom und fragt: »Willst du mit mir zum Supermarkt fahren?«
»Ich muss noch jede Menge Zeug auspacken.« Mein Bedürfnis, alles an seinen richtigen Platz zu stellen, sticht meine Angst aus. Außerdem, wie soll ich ihr beweisen, dass hier irgendwas Seltsames vor sich geht, wenn ich nicht im Haus bin, um es mitzuerleben?
»Und du fühlst dich auch ganz bestimmt sicher, wenn ich dich in einem Spukhaus allein lasse?«, fragt Mom und greift nach ihren Autoschlüsseln. »Mua-ha-haaa«, fügt sie in einer lächerlichen Stimme wie Graf Zahl aus der Sesamstraße hinzu und zappelt mit ihren Fingern in der Luft herum.
»Ich bin nicht allein«, entgegne ich und versuche, die Tatsache zu ignorieren, dass meine Stimme zittert. »Ich hab Oscar und Lex, die mich beschützen.«
Mom küsst mich auf den Kopf, bevor sie zur Tür hinausgeht. Oscar und ich steigen die Treppe wieder hinauf und gehen zurück in mein Zimmer, wo ich die Tür hinter uns schließe. Man sollte annehmen, dass das Zimmer durch all das Rosa weniger gruselig wirkt, aber wenn überhaupt, dann erzielt es eher die gegenteilige Wirkung.
Wieder grollt Donner, diesmal etwas näher. Ich drehe mich zu meinem Schreibtisch um, mit dem Rücken zum Fenster. In Austin hatte ich meine Glas-Einhörner der Größe nach in einer Reihe aufgestellt, das größte ganz links, das kleinste ganz rechts. Hier beschließe ich, sie nach der Farbe sortiert aufzustellen. Ich sammle schon Einhörner, seit ich fünf bin und meine Kindergärtnerin uns Das letzte Einhorn vorgelesen hat. Mom schenkt mir jedes Jahr zu Weihnachten eine neue Figur. Insgesamt habe ich elf, und da sind die, die im Laufe der Jahre zerbrochen sind, noch gar nicht mitgezählt. Sie sind alle aus Glas, und sie haben alle unterschiedliche Farben, von violett über grün und blau bis hin zu durchsichtig, und, ja, eins ist auch rosa. Das stelle ich ganz vorne in die Mitte.
Plötzlich spüre ich, wie mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft, so als würde durch das Fenster hinter meinem Schreibtisch eine Brise hereinwehen. Aber das Fenster ist zu. Nicht nur zu – abgeschlossen. Ich presse meine Hände an die Glasscheibe: Sie ist eiskalt, aber es dringt keine Brise herein. Ich schätze, bei einem Klima wie dem in Ridgemont muss ein Haus gut isoliert sein.
»Was meinst du, Oscar?«, frage ich unseren Hund, als könnte er mich verstehen – und als sei er nicht farbenblind. Ich widme mich wieder meinen Einhörnern auf dem Regal über meinem Schreibtisch. »Findest du, das violette gehört neben das rosafarbene oder neben das rote? Das rosafarbene? Okay, wenn du meinst.«
Wieder dieser kalte Schauer. Diesmal ist die Brise so stark, dass sie mir sanft das Haar aus dem Gesicht streicht.
»Was glaubst du, woher das kommt, Oscar?« Ich versuche, so fröhlich zu klingen wie bei meinen Einhörnern. Ich will nicht, dass der arme Oscar Angst bekommt. »Das hier ist ein altehrwürdiges Haus, stimmt’s? Vielleicht zieht’s hier einfach oder so. Du hast doch auch schon mal von zugigen altehrwürdigen Häusern gehört.« Zugige altehrwürdige Häuser klingt, als könnte es auch Jane Austen gesagt haben. Das ist doch gar nicht so schlimm. Ich stelle mir vor, wie Oscar mir zustimmend zunickt.
Ich rücke das rosa Einhorn zurecht und versuche, die Tatsache zu ignorieren, dass meine Hände zittern. Die Brise weht wieder, diesmal noch stärker, und bläst mein Haar von meinen Schultern. Ich mache einen Schritt von meinem Schreibtisch zurück und lasse das Einhorn fallen. Sein Horn bricht sofort mit einem traurigen kleinen Pling