Diethard Jakobs
Little Reo`s
Abenteuer
Kleine Krokodile weinen keine Tränen
Impressum
Cover/Illus: Karsten Sturm
Chichili Agency
Elemente Cover/Illus: fotolia.de
© 110th / Chichili Agency 2016
EPUB ISBN 978-3-95865-762-5
MOBI ISBN 978-3-95865-763-2
PRINT ISBN 978-3-95865-764-9
Urheberrechtshinweis
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Diethard Jakobs erzählt mit LITTLE REO die spannende und humorvolle Geschichte eines kleinen Krokodils, das zunächst im Ei nach Deutschland geschmuggelt wird, um dann frisch geschlüpft Reißaus zu nehmen. Unterwegs erlebt er viele aufregende Abenteuer und trifft dabei auf neue tierische Freunde.
Diethard Jakobs ist Vater von drei Kindern und hat für seine Söhne die Abenteuer des kleinen Krokodils Reo entwickelt. Abends vor dem Schlafengehen wurden diese vorgelesen und fanden großen Anklang, was ihn dazu bewegt hat, dieses Kinderbuch zu realisieren. Von Beruf ist Diethard Jakobs Diplom-Ingenieur und ist Geschäftsführer eines Astronomie-Unternehmens. Mit seiner Frau – und natürlich den Kindern – lebt er in Neuweiler/Saarland.
Vor nicht allzu langer Zeit, in einem gar nicht so fernen Ort, war die Welt um mich herum ganz Weiß.
Es war so weiß, dass ich kaum meine Augen öffnen konnte, als ich zur Welt kam. Ich wusste ja noch nicht einmal, was oder wer ich genau war und an mir herabschauen konnte ich auch nicht, so wie ich blinzeln musste. Auch wusste ich nicht, was das für ein Ding war, in dem ich da saß. Es fühlte sich kalt und nass an – irgendwie - und ich rutschte mit meinem Hintern hin und her, weil es sich so unangenehm anfühlte. „Bäh!“, dachte ich, „was ist das hier? Ist das dein Zuhause?“ Wohl kaum, wie ich später erfahren sollte. Eine Badewanne – was auch immer das für einen Sinn machte, mich in meinem Ei dort hineinzulegen. Na ja, jedenfalls meldete sich schnell mein angeborener Instinkt und teilte mir mit, was ich für ein Wesen bin.
Ich bin ein noch kleines, aber schon recht mutiges und zu allen Schandtaten und Kämpfen aufgelegtes Krokodil. Gut, das mit den „Schandtaten“ und wieviel Mut ich besitze, das konnte ich damals nur erahnen. Es fühlte sich aber gleich so an.
Dass der erste Tag meines Lebens derart beginnen sollte, hatten meine Eltern, zwei stolze große und furchteinflößende Australische Sumpfkrokodile, sich so nicht ausgedacht. Auch nicht, dass ich weit, weit weg von zuhause das Licht der Welt erblicken würde. Aber wie um alles in der Welt kam es dazu? Ich kenne es auch nur vom Hörensagen:
Nicht ganz unschuldig daran soll ein Junge namens Sam gewesen sein. Er war mit seinen Eltern in meinem Heimatland Australien im Urlaub. Und dort machten sie einen Ausflug in die Wildnis. Es gab so viel Tolles zu sehen und zu entdecken. Ein echter Ranger zog mit ihnen durch das Outback, so heißt der Dschungel dort. Er berichtete von wilden Tieren, seltenen Vögeln und Pflanzen. An einer sandigen Stelle an einem großen Fluss sah Sam dann etwas Weißes aus der Erde blitzen. Behutsam wie einen Schatz grub er es heimlich aus. Es war ein Ei. Wie sich herausstellen sollte, war ich in diesem Ei.
Dies wusste Sam natürlich nicht. Genau genommen wollte er ja den Ranger nur fragen, was in diesem Ei war. Aber bevor Sam seine Frage stellen konnte, passierte es. Sie hörten einen lauten Knall aus der Richtung wo ihr Jeep am Ufer parkte. Ein Reifen war wohl geplatzt. In all der Hektik und dem Treiben um den Radwechsel – es war auch so spannend – steckte Sam das Ei in die Bauchtasche seines Sweatshirts und vergaß es ganz einfach.
Im Hotel angekommen, legte er, ordentlich, wie Sam nun mal war – was keineswegs normal für einen zwölfjährigen Jungen ist – das Ei in seinen Koffer. Da es sein Lieblingsshirt war, kam es zur Spielkonsole und dem Fotoapparat in die Plastikkiste. So waren nicht nur die beiden Geräte gegen Kaputtgehen geschützt, sondern unfreiwillig auch ich oder besser gesagt das, was ich einmal sein sollte. Schön warm war es mir, noch im Ei, somit auch.
Es kam, wie es kommen musste.
Tage brachte ich in der Kiste zu, nichts ahnend, dass ich plötzlich von einem Koffer umgeben, im Bauch eines Flugzeugs auf dem Weg nach Deutschland war. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte der nette Zollbeamte etwas genauer hingesehen und mich einfach ausgesondert und weggeworfen. Ich wäre jämmerlich zugrunde gegangen. Niemals hätte ich die Welt oder sie mich kennen gelernt.
Es war wohl Schicksal, dass ich auf diesem Wege in das Elternhaus von Sam kam. Sam’s Mutter hatte nach dem Urlaub einen riesigen Berg an schmutziger Wäsche. In dem kleinen Bad, in dem auch die Waschmaschine stand, fanden so die Pullis, Hosen, Socken und Hemden allesamt erst einmal Platz in der Badewanne. Nach und nach wanderte ein Kleidungsstück nach dem anderen in die Waschmaschine. Nur irgendwie dieses Sweatshirt nicht. Sam hatte seiner Mutter nachdrücklich ans Herz gelegt: „Pass auf mein Lieblingsshirt auf und wasch es bitte nur von Hand!“. Das sollte mein Glück und meine Rettung bedeuten. Nicht auszudenken, was die Waschmaschine aus mir gemacht hätte, vermutlich Kroko-Rührei…
Nun, Sam‘s Mama fand mich, wunderte sich kurz, um mich dann erst einmal auf den Wäschekorb zu legen.
Wenig später kam sie erneut, um dann die Wäsche in die Badewanne zu kippen. An mich dachte sie bei der vielen Arbeit natürlich nicht mehr. Beim in die Wanne plumpsen bekam meine Schale einen Riss und ich war unfreiwillig meines Hauses beraubt.
Laut meckernd und wäääähhhhhh schreiend lief ich in der Badewanne auf und ab. Diese Laute blieben Sam’s Familie nicht verborgen. Schnell standen Papa, Mama, Lena, Sam’s Schwester und Sam um mich herum. Ich hörte Worte und Sätze wie: „Wo kommt der Kleine denn her, ist das ein Krokodil?“
„Natürlich bin ich ein Krokodil!“, dachte ich.
„Was machen wir denn jetzt?“, wollte der Vater wissen.
„In den Zoo“, sagte Lena.
Zoo? Ich wusste zwar noch nicht, was das war, aber es klang beängstigend. Also tot stellen, vielleicht vergessen sie mich ja.
Sam holte ein dickes Buch und las vor: „Krokodile schlüpfen aus Eiern und suchen dann den Weg zum Wasser. Nur dort können sie überleben.“ Noch bevor mir klar war, was Sam da sagte, wurden meine kleinen Füßchen nass. Dieses Zeug, was sie Wasser nannten, fühlte sich gut an, irgendwie vertraut. Wie für mich gemacht. Es gefiel mir und ich konnte sogar zu meinem eigenen Erstaunen schwimmen. Was einem so alles in die Wiege gelegt wurde…
Da in diesem dicken Buch auch stand, dass ich mich von Fleisch und Fisch ernähre, wurde ich mit etwas Rindfleisch und einem kleinen Fisch gefüttert. Sehr lecker! Nur diese weißen Wände überall… gar nicht schön. Sam bettelte an seinen Eltern, mich behalten zu dürfen.
„Das geht nicht, Sam“, meinte sein Vater. Er war Rechtsanwalt und kannte sich aus mit Recht und Ordnung.
„Lass uns dem Tier einen Namen geben“, meinte Lena. Sam redete auf seinen Papa ein, mich doch wenigstens diese Nacht (der Zoo habe doch ohnehin gleich geschlossen) zu behalten.
„O.k.“, willigte Sam’s Papa ein. In dubio pro reo – was so viel bedeutet wie „Im Zweifel für den Angeklagten“. Mit Angeklagtem war wohl ich gemeint. Ich, dieses kleine, unschuldige Krokodil!
„Das ist es!“ rief Lena. „Nennen wir ihn Reo!“
Hier beginnt nun meine Geschichte:
Doch bevor es los geht, noch ein paar wichtige Informationen zu Krokodilen generell. Man sollte ja schließlich wissen, mit was oder wem man es zu tun hat.
So, jetzt aber kann es – nachdem ihr nun einiges über Krokodile wisst – losgehen!
Es war finstere Nacht. Ich, Reo, das Baby-Sumpfkrokodil, war immer noch in der Badewanne in Sam’s Haus gefangen. Morgen, so hatte ich verstanden, sollten zwei wichtige Herren vom Zoo kommen, mich ansehen und dann mitnehmen. Das gefiel mir gar nicht. Keines meiner zwei Knopfaugen hatte ich seit Stunden zugemacht.
Krokodile sind doch zum Jagen und Schwimmen in den Flüssen bestimmt und nicht um in einem Becken im Zoo für Fotos zu posieren. Ok, ich war ein sehr schönes Krokodil und sicher würden viele Menschen sich freuen, mich zu sehen, aber das alles konnte doch kein Grund sein, in den Zoo zu gehen. Das wäre ja wie ein Gefängnis! Lena, Sam’s Schwester, hatte zwar versucht, es Sam schmackhaft zu machen, indem sie sagte: „Sieh mal, Sam. Reo wird es dort gut haben. Jeden Tag genug zu essen, immer bestes Wasser und er wird auch nicht gejagt und zur Handtasche oder gar ein paar Stiefeln werden.“ Soviel hatte ich verstanden, es war also nicht erstrebenswert. Später sollte ich lernen, dass ich dafür sogar hätte mein Leben lassen müssen. Ganz klar – nicht mit mir! Reo ist ein Kämpfer. Und überhaupt, es musste doch mehr geben als diese Badewannenwelt. Irgendwo soll es doch noch andere Krokodile geben.
Ich musste also schnellstens hier weg, bevor mich morgen die Zoowärter einfangen würden. So viel war meinem Krokodilverstand sofort klar: jetzt abhauen ist allemal besser und einfacher, als es im Zoo zu probieren. Dort gibt es hohe Mauern und Gitter, Gefängnis eben!
Aber ich konnte hin und her überlegen, Sam und Lena noch so nett finden, es gab keine Alternative. Also sagte ich mir: „Reo, du haust jetzt ab. Sofort!
Doch zu jeder guten Flucht gehört ein Plan. Dies hier war meiner:
Erster Schritt: raus aus der Wanne
Zweiter Schritt: Haus erkunden und raus aus der Bude
Dritter Schritt: Schauen, wo ich bin und nächsten Fluss suchen
Vierter Schritt: Überleg ich mir noch, dachte ich. Rom ist ja auch nicht an einem Tag erbaut worden
Jeder Weg, auch wenn er noch so weit ist, beginnt mit einem ersten Schritt. Also: Verlassen der Wanne ist angesagt! Nur wie? Nach fünf, sechs vergeblichen Sprungversuchen mit meinen kurzen Beinchen war klar: so nicht. Für den Abfluss war ich zu fett. Durch dieses Rohr passt allenfalls eine Eidechse, aber niemals ein Kroko von meinem Format! Also umschauen… es findet sich doch überall etwas, das man gebrauchen kann. Und siehe da! Wie eine leuchtende Glühbirne kam mir die Idee. In der Wanne lag so eine Antirutschmatte. Mit aller Kraft zog ich sie mit meinen Zähnen vom Boden der Wanne und schob sie mit meinem Maul bis über den Rand.
Der Rest war kinderleicht. Mit flinken Füßchen war ich auf dem Wannenrand. Ein mutiger Sprung und schon landete ich auf dem Badezimmervorleger! Weiche Landung, dachte ich, Gott sei Dank haben diese Leute Geschmack.