ISBN: 978-3-95428-639-3
1. Auflage 2016
© 2016 Wellhöfer Verlag
Titelgestaltung: Uwe Schnieders, Fa. Pixelhall, Mühlhausen
All rights reserved – Alle Rechte vorbehalten
www.wellhoefer-verlag.de
Die Erzählungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit wirklichen Personen oder tatsächlichen Ereignissen sind nicht beabsichtigt und somit rein zufällig.
Das vorliegende Buch einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig.
Fideuà de marisc - Paella mit Nudeln und Fisch
Juans Kaninchenrezept
Cassola de Xot - Lammragout
Estilo mallorquin guiso de pescado - Fischeintopf auf mallorquinische Art
Dátiles con bacon - Datteln im Speckmantel
Magdalenas
Amanida amb Llangostins i vinagreta de mango - Blattsalat mit Langustinos und Mangovinaigrette
Churros con chocolate - Frittiertes Teiggebäck mit Schokolade
Gató de almendra - Mallorquinischer Mandelkuchen
Ajo Blanco -Weißer Gazpacho
Pa amb oli - Mallorquinisches Bauernbrot mit Tomaten und Knoblauch
Conill amb bledes
Geschmortes Kaninchen mit Mangold
Sopa mallorquin - Mallorquinische Gemüse-Brot-Suppe
Coca de Patata - Mallorquinisches Kartoffelbrötchen
Paella con pollo y gambas - Spanische Reispfanne mit Hühnchen und Garnelen
Sopa fria de melón con langostinos fritos - Melonenkaltschale mit gebratenen Gambas
Escaldums - Herzhafte Hühnerfleischpfanne
Ensaimada de Mallorca
Pimientos de Padrón - Bratpaprika mit Meersalz
Tumbet - Mallorquinisches Gemüsegericht
Pan de Limón - Zitronenkuchen
Rape con almendrado in Mandelsauce - Seeteufel in Mandelsauce
Pau hatte ihn von Beginn an nicht ausstehen können.
Was für ein armseliger Trottel, dachte er sich, nachdem er Leutnant Francisco Montero in der Bar Ca na Bel zum ersten Mal begegnet war.
Zuvor war er wie gewöhnlich kurz vor Sonnenaufgang mit seinem kleinen Fischerboot Meeresblume auf das Meer hinausgefahren und gegen Mittag wieder durch die geschlungene Bucht in den Naturhafen von Porto Cristo zurückgekehrt. Anschließend brachte Pau den Fang an Land und breitete die Netze in der Sonne zum Trocknen aus, während sein Blick immer wieder auf die zahlreichen kleinen Höhlen fiel, die sich am Fuße der Steilküste befanden.
Ihn fröstelte allein schon bei dem Gedanken, dass in den feuchten Coves Blanques, die vom Land aus zugänglich waren, früher einmal Menschen gehaust hatten. Wesentlich angenehmere Erinnerungen hingegen weckte in ihm die Cova des Correu, zu der Pau in seiner Jugend unzählige Male mit Freunden hinausgeschwommen war. Ihr hoher, gewölbter Eingang konnte nur vom Wasser aus erreicht werden, da er sich ebenso wie das unbegehbare Höhleninnere auf Höhe des Meeresspiegels befand. Die steilen, glitschigen Wände der Cova des Correu hatten die Jugendlichen einst auf die Idee zu ihrem Lieblingsspiel Überleben gebracht. Dabei galt es, sich so lange wie möglich an den rutschigen, nur wenige Hand breiten Felsvorsprüngen der Höhle festzukrallen, bis man entkräftet in das tiefe, erfrischende Wasser fiel.
»Was soll das heißen?« Das Geschrei des Leutnants Montero, der von den neuen Machthabern in Madrid zum vorläufigen Militärverwalter der Ostküste Mallorcas bestimmt und vom Festland in das entfernte Porto Cristo entsandt worden war, holte Pau jäh in die Gegenwart des Hochsommers 1939 zurück.
»Was soll das heißen«, wiederholte Montero mit schwerer Zunge, »dass es in Ihrer beschissenen Spelunke kein Lammfleisch gibt? Was für eine gottverdammte Scheiße ist das in diesem gottverdammten Kaff! Kümmern Sie sich gefälligst darum, dass sich das ab morgen ändert«, blaffte er Bel an, »ab morgen, haben Sie verstanden?«
Der verblüfften Wirtin, die eigentlich Isabel hieß und von jedermann im Ort einfach nur Bel genannt wurde, blieb keine Zeit zur Antwort. Bevor sie irgendetwas hätte sagen können, war Montero bereits wütend aus ihrem Lokal gestürmt und hatte sich fluchend auf den Weg in einen feuchten Verschlag am Hafen gemacht. Dieser diente ihm als vorläufiger Unterschlupf, bis er etwas anderes gefunden hätte.
Pau hatte sich während Monteros Wutausbruch seinem Glas Rotwein zugewandt. Ihn plagten im Moment ganz andere Sorgen als ein übergewichtiger Leutnant, dem offensichtlich die Macht zu Kopf gestiegen war und der meinte, seine fehlende Autorität durch Lautstärke, derbe Flüche und die beständige Wiederholung seiner Worte ausgleichen zu können.
Wenn die Insel seit dem Mittelalter etliche Pestepidemien überstanden hat, dachte er sich, dann wird sie auch noch einen cholerischen Militär vom Festland überdauern. Außerdem vertraute er fest einer mallorquinischen Erkenntnis, laut der mit der Zeit einem jeden genau der Platz zugewiesen wird, den er sich verdient hat.
Paus Gedanken beschäftigten sich mit seiner vor wenigen Wochen verstorbenen Mutter, die ihm ihr kleines Haus hinterlassen hatte, in dem er vor rund vierzig Jahren zur Welt gekommen war. An seinen Vater, der früh einer schweren Grippeepidemie zum Opfer gefallen war, konnte er sich kaum mehr erinnern. Als ewiger Junggeselle hatte Pau bis zum Tod seiner Mutter in der Nachbarschaft gewohnt, jetzt arbeitete er gerade daran, das Haus für sich selbst herzurichten. Neben den Gemüsebeeten im Garten stand noch immer der Blechzuber, in dem er einst als Kind von seiner Mutter gebadet worden war und der später als Waschtrog gedient hatte.
Jeden Sonntag zog durch die engen Gassen am Hafen von Porto Cristo ein würziger Duft, wenn Bel vor dem Lokal auf offenem Feuer ihre allseits gerühmte Fideuà de marisc zubereitete. Während die Nudeln im Sud vor sich hin köchelten, konnten es die hungrigen Fischer kaum erwarten, bis ihnen Bel endlich die dampfenden Teller vorsetzte. Ungeduldig saßen sie beim Wein zusammen, spielten Karten und strichen sich dabei bedächtig durch ihre dichten Bärte, die nach Meer rochen.
Einzig und allein Montero konnte mit diesem »Fischfraß«, wie er sich auszudrücken pflegte, nichts anfangen. Er bestand auf sein Lammfleisch, das er von Bel nahezu roh serviert bekam, um es genüsslich zu fasrigen Fetzen auseinanderzuziehen und begierig in die Blutlache auf seinem Teller zu tunken.
Die Rauchschwaden und das Aroma von Safran, Paprika, Knoblauch und den verschiedenen Meeresfrüchten der Fideuà verliehen dem kleinen Fischerort eine würdige Sonntagsruhe. Diese wurde allerdings seit einigen Wochen gestört, wenn der von einer durchzechten Nacht noch schwer angeschlagene Montero gegen Mittag in das Lokal wankte. Ein dumpfer Geruch von billigem Tabak, Alkohol und Schweiß, der aus jeder Pore seines aufgedunsenen Körpers strömte, haftete ihm an. Tag für Tag trug er ein und dieselbe bereits steif gewordene Uniform, die noch aus dem Bürgerkrieg stammte und ihm längst zu eng geworden war. Hinzu kam, dass der Leutnant es tunlichst vermied, sich wie die Einheimischen im Meer zu baden. Er konnte, ebenso wie viele andere Festlandspanier, nicht schwimmen und war zu stolz, dies einzugestehen. Jeder im Ort wusste allerdings von diesem offenen Geheimnis, denn er hatte bereits einige Male in höchster Not aus dem Wasser gerettet werden müssen, nachdem er sturzbetrunken ins Hafenbecken gefallen war.
Der verkaterte Montero hatte es besonders auf die anwesenden Fischer abgesehen. »Ihr Lumpenpack, ihr wart doch alle aufseiten der Roten. Nichts weiter als rotes Lumpenpack seid ihr, jawohl, das seid ihr«, ereiferte er sich.
Ihm stieß bitter auf, dass sich Porto Cristo zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs einige Wochen lang in der Hand der Republikaner befunden hatte und deshalb auch den Spitznamen Porto Rojo, der Rote Hafen, trug.
»Wenn ihr mir nicht bald sagt, wo die restlichen Waffen versteckt sind, lasse ich euch allesamt an die Wand stellen. An die Wand gestellt gehört ihr, allesamt«, schrie er und streckte dabei energisch seinen Arm durch, als wollte er postwendend diese Drohung umsetzen.
Pau war wie immer teilnahmslos sitzen geblieben, doch als Montero direkt vor ihm stand und ihn anbrüllte, konnte er nicht einfach weiter so tun, als würde er keine Notiz von ihm nehmen.
Notgedrungen erhob er sich und erwiderte gelassen: »Das Einzige, was wir wollen, ist, so weiterzuleben wie bisher. Meer und Fische verstehen nichts von Politik, und nur wegen eines neuen Machthabers werden unsere Fänge auch nicht besser.«
Der Leutnant stemmte die Hände in die Hüften. »Was glaubt ihr denn, für wen wir das machen und all die Mühen auf uns nehmen, ihr blödes Pack!«, schrie er auf Pau und die übrigen Fischer ein.
»Aber, aber, meine Herren«, versuchte die herbeigestürmte Bel, die sich zwischen die beiden gestellt hatte, die Gemüter zu beruhigen. Entschieden zog sie den schwankenden Montero an die Theke zurück und redete beschwichtigend auf ihn ein. »Herr Leutnant, verrichten Sie nur Ihre Arbeit, schließlich ist nicht jeder für das Gleiche berufen.«
Doch Bels Bemühungen blieben nutzlos. Montero hatte bereits jegliche Kontrolle über sich verloren. »Das Einzige, als was ihr zu gebrauchen seid, ist Fischfutter. Selbst Schweine wären sich für euch noch zu schade. Fischfutter ist das Einzige, wozu ihr taugt! Fischfutter!«
Mit hochrotem Kopf stolperte er aus der Bar. Während sein Gebrüll noch eine Zeit lang zu vernehmen war, hatten sich die Männer schon längst wieder ihren Karten zugewandt.
Nicht nur, dass die Fischer sich Montero gegenüber schweigsam zeigten, auch verstand dieser das wenige, das er in dem Lokal aufschnappte, nur bruchstückhaft. »Sprecht gefälligst Spanisch, ihr Dummköpfe, die Sprache des Reiches, und nicht eure Affensprache«, blaffte er sie an.
Ab und an gelang es dem Leutnant aber doch, einige Wortfetzen des breitgezogenen Mallorquí der Fischer zu entschlüsseln. Durch das Belauschen einer Unterhaltung in Bels Bar hatte er schließlich davon erfahren, dass Pau dabei war, das Haus seiner verstorbenen Mutter für sich selbst herzurichten. Ohne weitere Nachfrage entschied Montero, noch am selben Tag dort einzuziehen, auch den Mietpreis bestimmte er willkürlich. Pau blieb nichts anderes übrig, als gedemütigt hinzunehmen, aus seinem eigenen Haus geworfen worden zu sein.
Schon nach wenigen Wochen hatte sich Paus Ablehnung gegenüber Montero in blanken Hass gewandelt. Mit Schrecken musste er feststellen, wie das vertraute Heim in Windeseile verkam, ohne dass es den Leutnant auch nur im Geringsten gekümmert hätte.
Bereits am Eingang des Hauses stank es erbärmlich. Mehrfach hatte Pau über leere Weinflaschen und Erbrochenes hinwegsteigen müssen, als er zum Einkassieren der Miete kam. Aus einem überfüllten Eimer in der Küche quollen abgenagte Schafsknochen, auf denen sich eine Heerschar von Fliegen befand.
Das Schlimmste aber war der Garten.
Die noch von seiner Mutter angelegten Gemüsebeete waren durch ein halbes Dutzend verdreckter, kleiner Milchlämmchen, die sich verschreckt in eine Ecke drängten, bis zur Unkenntlichkeit zertrampelt worden. Den Hof überzog eine Schicht von übel riechendem Schafsdreck, den Montero mit seinen Militärstiefeln auch ins Haus getragen und dort verteilt hatte.
Der Waschtrog aus Paus Kinderzeiten war vom Leutnant dazu missbraucht worden, um die von ihm eigenhändig geschlachteten Jungtiere darin ausbluten zu lassen und anschließend auszunehmen. Eine undefinierbare, geronnene Masse aus Blut und Gedärmen füllte den Blechzuber bis zum Rand.
Verzweiflung und ohnmächtige Wut stiegen in Pau hoch. Doch es war nicht ratsam, sich über Montero bei dessen Vorgesetzten zu beklagen. Die einflussreiche Position des Leutnants würde lediglich dazu führen, dass eine Beschwerde noch ernsthaftere Konsequenzen für Pau nach sich zöge.
Allerdings konnte er auch unmöglich weiter tatenlos dabei zusehen, wie das Andenken an seine Mutter von Montero mit Füßen getreten wurde.
*
Sanft tauchten die Ruder der Meeresblume ins Wasser und schoben das Boot gleichmäßig durch die Dunkelheit der Bucht von Porto Cristo in Richtung Meer. Im schwachen Mondlicht der bewölkten Nacht konnte Pau dennoch die Unruhe in Monteros Gesicht erkennen, der ihm gegenübersaß und sich ängstlich an der Holzbank festkrallte.
»Was ist denn jetzt, wie lang dauert das zum Teufel noch?«, wollte der Leutnant zum wiederholten Mal wissen.
»Bald haben wir’s geschafft«, versicherte ihm Pau ruhig.
»Und wie sollen wir die ganzen Waffen in dieser wackligen Nussschale transportieren?«, hakte Montero nach.
»Heute Nacht bergen wir den ersten Teil, und morgen holen wir den Rest«, antwortete Pau. »Uns darf bloß niemand zusammen sehen. Sonst ist klar, wer verraten hat, wo die restlichen Waffen aus dem Bürgerkrieg versteckt sind. Dann bin ich geliefert.«
»Keine Sorge. Als Gegenleistung ziehe ich aus deinem Haus aus, versprochen ist versprochen«, sagte Montero, sichtlich bemüht, so überzeugend wie möglich zu klingen.
Pau wusste, dass dies nicht mehr als eine dreiste Lüge des Leutnants war, um an die Waffen zu kommen. Doch auch er selbst hielt es nicht so genau mit der Wahrheit, denn ihm war völlig unbekannt, ob und wo die republikanischen Soldaten bei ihrem Rückzug von der Insel einen Teil ihrer Waffen versteckt hatten.
»Da vorne ist sie«, sagte Pau triumphierend und wies mit dem Finger in die Finsternis. »Die Höhle, in der die Kisten mit den Waffen versteckt sind.«
Langsam glitt das Boot in das dunkle Innere der Cova des Correu. Als sie an der steilen Felswand angelangt waren, wandte sich Pau dem Leutnant zu. »Hier müssen wir raus. Wollen Sie zuerst?«
Montero nickte. »Aber natürlich!«, sagte er mit militärischem Unterton. Hastig setzte er einen Fuß auf den kleinen Felsvorsprung, während ihm Pau von hinten mit einem entschiedenen Schub nachhalf. Mit aller Kraft krallte sich der Leutnant unsicher am kühlen, glitschigen Gestein fest.
Währenddessen hatte Pau der Meeresblume einen kräftigen Stoß nach hinten gegeben und sich mit seinem Boot etwas von Montero entfernt. Nur wenige, für den Leutnant jedoch unüberbrückbare Meter trennten sie nun voneinander.
»Was soll das? Komm sofort wieder zurück, oder ich lasse dich standrechtlich erschießen, sobald wir wieder an Land sind, so wahr ich Francisco Montero heiße!«, schrie er rasend.
Pau ließ die Meeresblume ungehindert immer weiter abtreiben.
Als sich Montero schlagartig seines Schicksals und der Aussichtslosigkeit seiner Drohung bewusst wurde, begann er verzweifelt zu flehen: »Hör zu, Pau, du kannst haben, was du willst! Schon morgen lasse ich dir einen hohen Posten zukommen und du wirst für immer ausgesorgt haben.«
Wortlos ruderte Pau weiter.
Als er bereits ein gutes Stück in Richtung Hafen vorangekommen war, schien es ihm, als ob der Wind einen zwischen dem Rauschen des Meeres kaum vernehmbaren Schrei herangetragen hätte.
Pau saß gerade bei Bel, als einige Fischer schreiend in die Bar gerannt kamen. »Der Leutnant ist tot! Er wurde angespült – ertrunken!«
Nachdem sie den aufgedunsenen Leichnam Monteros mühsam an Land gezogen hatten, zweifelte niemand in Porto Cristo daran, dass der Leutnant abermals im Vollrausch ins Wasser gefallen und unbemerkt ertrunken war.
Während Pau gemächlich zum Haus seiner Mutter schlenderte, um dort für Ordnung zu sorgen, pfiff er leise und vergnügt vor sich hin und murmelte: »Fischfutter, wer von uns beiden ist jetzt Fischfutter?«
Paella mit Nudeln und Fisch
Dieses Gericht stammt ursprünglich aus Gandia in der Nähe von Valencia. Der Überlieferung nach ist die Entstehung der Fideuà de marisc einem Zufall zu verdanken. Da die Besatzung eines dortigen Fischkutters den Reis für die Paella an Land vergessen hatte, machte sie auf offenem Meer aus der Not eine Tugend, indem sie den Reis kurzerhand durch Nudeln ersetzte, die an Bord vorhanden waren.
Zutaten (für 4 Personen):
400 g Fideos
8 große Garnelen
200 g Miesmuscheln
1 Seeteufelfilet
1 Tintenfisch
1 Zwiebel
1 rote Paprika
2 Knoblauchzehen
1 Liter Fischfond
Olivenöl, Salz, Safran
Zubereitung:
Paprika, Zwiebel und Knoblauch klein schneiden und in der Pfanne mit etwas Olivenöl anbraten.
Dann den gesäuberten und gewürfelten Tintenfisch ebenso wie das Seeteufelfilet dazugeben und alles gemeinsam mit dem Safran schmoren lassen.
Fideos in die Pfanne geben, den Fischfond dazugießen und das Ganze samt den bereits vorweg zubereiteten Miesmuscheln und Garnelen köcheln lassen, bis die Nudeln die Brühe aufgesogen haben.
Neben den bekannten, touristisch erschlossenen Coves del Drach und Coves dels Hams ist auch ein Großteil der Steilküste von Porto Cristo mit vielen kleineren Höhlen durchsetzt.
Manche ihrer Eingänge sind von Land aus zu erreichen (Coves Blanques), andere wiederum liegen auf Meeresniveau (Cova des Correu) oder teilweise sogar darunter (Cova del Dimoni).
Die Cova des Correu verdankt ihren Namen der Tatsache, dass in früheren Jahren das Postschiff dort bei starkem Wellengang Zuflucht suchte und den Fischern auf ihren kleinen Booten die Zusendungen aushändigte.
Auch der Name des Ortes Porto Cristo hat einen maritimen Ursprung und stammt aus dem Lateinischen. Im Jahre 1260 erfüllte die Besatzung eines Schiffes nach einem schweren Sturm ihr Versprechen und stellte an Land eine an Bord mitgeführte Christusfigur als Zeichen ihrer Dankbarkeit für das Überstehen der Seenot auf.
Es ist ein guter Trick. Manche sagen, er sei mies. Das sind die Neider. Früher hat er allerdings problemloser funktioniert. Da besaß ich die Leichtigkeit der Jugend, das Verspielte, das jeder so mag. Mittlerweile gehöre ich zu der gesetzteren Altersklasse, die gerne seufzt und gedankenverloren sagt: »Früher war sowieso alles besser.«
Die Sonne schien öfter, das Meer war blauer, die Mandelblüte schöner, die Touristen waren netter und die Strände sauberer. Früher zeigten die Kinder mit ihrem Zeigefinger auf mich und riefen: »Wie süß!«, »how cute!« oder »quelle douceur!« Je nachdem, welcher Nationalität sie angehörten. Spanisch hingegen hörte und höre ich immer seltener. Was natürlich auch an der Einstellung der Spanier zu Hunden liegt.
Doch auch die Kinder haben sich verändert. Heute gibt es tatsächlich welche, die mich sehen und sich hinter dem Hosenbein von Papa oder Mamas Sommerrock verstecken, schluchzen und mit Panik in der Stimme um Hilfe schreien. Das ist der Grund, warum ich mich nicht mehr so gerne an der Promenade aufhalte.
Aber nun zu meinem Trick. Ich liege auf der Lauer und schaue mir die Touristen an, die die Promenade entlanglaufen. Nicht gegen Abend, sondern am späten Nachmittag, wenn es nicht zu voll ist.
Ich werfe mich dann, maximal einen Meter entfernt, vor die Füße derer, die sympathisch aussehen. Strecke die Läufe weit von mir und schaue mit halb zusammengekniffenen Lidern, wie sie reagieren. Normalerweise habe ich jetzt schon Aufmerksamkeit und bekomme ein paar liebe Worte oder Streicheleinheiten. Wenn ich mit dem Schwanz wedele und einschmeichelnd grunze, gibt es meist etwas zu essen. Ein Stück Brötchen, Reste vom Burger oder Hot-Dog-Würstchen. Falls nicht, gebe ich mehr Laute von mir, mache Sitz oder Platz oder lege mich auf den Rücken, was die Menschen zu Begeisterungsrufen animiert. In dieser waagerechten Lage bin ich auch für ängstliche Kinder kein Schreckgespenst.
Natürlich habe ich noch mit ganz anderen Menschen zu kämpfen und muss höllisch aufpassen, dass ich denen nicht in die Arme laufe. Als mallorquinischer Hund, der seine Freiheit liebt, muss man sich die Tierschützer vom Leib halten. Allzu gerne glauben sie, jeder Hund wollte eine Familie haben und versorgt sein. Ich liebe meine Freiheit, das Selbstbestimmtsein, das Tun und Lassen, was ich will. Die Vorstellung, vierundzwanzig Stunden mit einer Familie eingesperrt zu sein, finde ich grässlich. Genauso, wie an einer Leine laufen zu müssen und Frauchen oder Herrchen gefällig zu sein. Und dann die Kinder! Alles ertragen, selbst wenn sie mich am Schwanz oder an den Ohren ziehen – gibt es Schlimmeres? Oder als Schoßhündchen einer alten Dame zu enden, die ständig mit einem redet und einen von morgens bis abends mit Leckerlis füttert. Das ist ja mal ganz nett, aber nicht als Dauerzustand.
In unserer Gruppe sind nicht alle meiner Meinung, aber ich bin tolerant, soll jeder so leben, wie er mag.
In letzter Zeit habe ich jedoch immer häufiger Sehnsucht nach jemandem, der sich um mich kümmert. Heute ganz besonders. Mein rechtes Hinterbein schmerzt wieder. Es ist ein unangenehmer, stechender Schmerz, ausgelöst durch einen neuen Arthroseschub. Mein Vater litt ebenfalls daran. Bewegung hilft, und ich entscheide spontan, mich durch den Naturpark zur Bar Es Castell zu begeben. Dort habe ich mehr Auslauf und kann die Touristen beobachten, die erst den Wehrturm besuchen und dann den Blick auf die Bucht genießen. Die Bar liegt leicht erhöht auf der Halbinsel Punta de n’Amer zwischen Cala Millor und Sa Coma, einen guten Kilometer von meinem Stammplatz entfernt.
Diese Spaziergänge helfen mir – körperlich und seelisch. Ein wenig Einsamkeit, allein mit der Natur. Ich kann durchatmen und trotz der Bewegung schmerzt das Bein kaum noch, wenn ich am Ziel bin.
Gegen Mittag bin ich da. Natürlich nicht allein. Aber es ist noch Nebensaison und nicht ganz so viel los wie im Hochsommer. Ein älteres Ehepaar sitzt auf einer Picknickdecke, umgeben von kleinen kulinarischen Köstlichkeiten. Der Duft von Gebratenem zieht mich magisch an und ich schleiche mich heran. Auf meine Nase kann ich mich verlassen.
Aus sicherer Distanz beobachte ich das Pärchen. Auf den ersten Blick wirken sie sehr sympathisch. Doch bei genauerem Hinsehen entdecke ich Unstimmigkeiten. Der Ausdruck in den Augen des Mannes gefällt mir nicht. Ich krieche näher, um zu verstehen, was sie sagen.
»Es tut mir wirklich leid. Ich hoffe, dieser Ausflug ist eine kleine Entschädigung für mein blödes Verhalten«, sagt er.
Aha, ein Wiedergutmachungsessen. Was wohl passiert ist? Während ich überlege, mit was der Mann die Frau verärgert haben könnte, steigt ein Duft in meine Nase, der mich überrascht. Ich schließe die Augen und seufze verzückt. Erinnerungen an meine Kindheit kommen mir in den Sinn. Es riecht nach ... Ich kann es nicht fassen, es duftet tatsächlich nach Kaninchen! Und zwar genau so, wie Juan sein Kaninchengericht immer zubereitet hat. Juan! Ich sehe ihn vor mir, wie er mit Kochmütze und -jacke vor seinem Restaurant steht und uns Hunde füttert. Sein Kaninchenrezept war eine kulinarische Offenbarung, stets ohne Rosinen zubereitet. Ich bin überzeugt, er tat es für uns, weil Rosinen für uns Hunde giftig sind. Es ist eine Ewigkeit her, dennoch rinnt der Speichel in Fäden an meinen Lefzen herunter. Ich kann kaum an etwas anderes denken als an Juan und seine Kaninchen.
Wie durch einen Nebel folge ich dem Gespräch des Ehepaars.
Die Frau hat einen traurigen Unterton in ihrer Stimme. »Es ist zu spät. Mein Entschluss steht fest.«
Hunde haben ein Gespür für Stimmungen. An der Stimme und der Körpersprache können wir viel über die Menschen erfahren. Manche Hunde mehr, andere weniger. Ohne Übertreibung kann ich behaupten, dass ich ein Meister darin bin.
»Du kannst mich doch nicht einfach so abservieren.« Seine Stimme klingt zuckersüß, doch sein Blick ist eiskalt.
»Ich kann«, sagt sie mit zitternder Stimme. »Der Anwalt weiß bereits Bescheid.« Ich rieche ihre Angst.
»Das kann nicht sein, du hast gar keine Zeit dafür gehabt.«
Sie wirkt ertappt. Ich schaue sie mir genauer an und verdränge für einen Moment den Gedanken an Kaninchen. Es fällt mir schwer, doch es gelingt.
»Ich fürchte mich nicht vor dir.«
»Brauchst du auch nicht.«
Ich bin alarmiert. Der Inhalt des Gesagten und sein Tonfall passen nicht zusammen. Seine Körpersprache droht, zeigt Überlegenheit. Hier stimmt etwas nicht.
Noch immer betört mich der Duft von gebratenem Kaninchen, der zunimmt, als der Mann eine Plastikdose öffnet und ihr hinhält.
»Hier, eine Besonderheit. Nach original mallorquinischem Rezept. Zur Versöhnung.«
Wieder denke ich an Juan, die schönen Abende vor seinem Restaurant, mein Speichelfluss verstärkt sich. Plötzlich erstarre ich. Ein weiterer Geruch mischt sich unter den nach Knoblauch und Thymian. Neben einem Hauch von Zimt und Nelken erkenne ich noch etwas anderes. Etwas Abartiges, Böses und Tödliches. Die Erinnerung jagt mir einen Schrecken ein. Ich zittere, mein Fell stellt sich auf. Ich denke nur noch: Gefahr!
Dieser ekelhafte Geruch ist Nikotin. Ich habe es in der Tötungsstation gerochen, als mir mein Vater sie vor Jahren gezeigt hat und mich davor warnte. Aber Nikotin ist auch für Menschen giftig – was hat dieser Mann vor?
Entsetzt sehe ich, wie die Frau gerade ein Stück Fleisch nehmen will, und ohne weiter nachzudenken, springe ich los.
Ich knurre den Mann an, fletsche die Zähne, belle, was das Zeug hält. Immer wieder schaue ich zu der Frau, gebe Beschwichtigungsgeräusche von mir, um sie zu beruhigen. Hoffentlich versteht sie mich.
Aber ich muss aufpassen. Der Mann springt auf, tritt nach mir. Im letzten Moment kann ich ausweichen, schnappe nach seiner Wade. »Du blöder Köter, ich bring dich um«, schreit er herum. Sein Gesicht gleicht einer wutverzerrten Fratze.
Ich belle, fletsche und knurre, bekomme endlich sein Hosenbein zu fassen. Aus seinen Augen blickt Angst. Todesangst.
Während er versucht, mich abzustreifen, irgendwie loszuwerden, beschimpft er mich, doch ich lasse nicht ab. Er stolpert, stürzt. Die Gefahr, dass er auf mich fällt, ist zu groß. Jetzt muss ich loslassen. Bevor ich nachfassen kann, rutscht er auf Knien einen Meter zurück, versucht auf die Beine zu kommen und flüchtet. Sicherheitshalber belle ich noch laut hinter ihm her, damit kein Zweifel aufkommt, wer hier das Sagen hat.
Was ist das für ein Waschlappen, der sich von mir in die Flucht schlagen lässt, ohne sich um seine Frau zu kümmern?
Langsam drehe ich mich zu ihr um. Sie schaut fassungslos drein, blickt abwechselnd auf die Picknickdecke und auf mich. Um uns herum herrscht Chaos. Umgeworfene Plastikdosen und Becher. Lebensmittel liegen zerstreut umher. Kuchenreste, Obst und natürlich das Kaninchen. Die Gefahr ist noch nicht vorüber. Ich schupste die Dose von ihr weg, versuche, mit den Pfoten ein Loch zu scharren, um das Fleisch zu vergraben. Doch der Boden ist zu hart, es klappt nicht. Ich schüttele den Kopf, versuche ihr deutlich zu machen, dass sie das Fleisch nicht essen darf. Sie sagt kein Wort, will das Kaninchen anfassen, und ich beginne von Neuem mit Bellen und Knurren. Ganz langsam scheint sie zu begreifen.
Es gibt Menschen, die verstehen uns Hunde nicht. Mit Frauke habe ich Glück gehabt. Sie hat – wenn auch nicht sofort – begriffen, dass ich ihr Leben gerettet habe.
Stücke des Kaninchens hat sie in eine Tüte gepackt und untersuchen lassen. Es war versetzt mit reinem Nikotin. In einer Dosis, die absolut tödlich ist.
Nun habe ich also ein Zuhause. Frauke weicht mir nicht mehr von der Seite. Ihren Mann hat sie angezeigt, sie lebt in Scheidung. Er wollte sie umbringen, weil er eine andere Frau kennengelernt hatte, aber Fraukes Geld als Witwer erben wollte.
Frauke besitzt zu meinem Glück hier in der Nähe eine Finca. Auch in Cala Millor gibt es schöne Ecken abseits der Touristenzentren. Mir bleibt das Schicksal erspart, ins kalte Deutschland zu müssen, von dem ich schon so viel Furchtbares gehört habe.
Allerdings gibt es auch hier einiges, was mir nicht gefällt. Anti-Floh-Shampoo zum Beispiel. Und die Tierärztin, die mich einmal im Monat untersucht. Die Spritzen gegen meine Arthrose. Jedoch geht es mir körperlich besser als je zuvor. Ich bekomme regelmäßige Mahlzeiten, die Ruhe tut mir gut.
Was ich jedoch schmerzlich vermisse: Kaninchen. Frauke scheint eine Abneigung dagegen zu haben, was ich irgendwie verstehen kann. Wenn ich in der Sonne liege, träume ich von Juans Kaninchengericht. Ich seufze dann und Frauke krault mich hinter den Ohren.
Nett – ersetzt aber nicht die Köstlichkeiten der Straße.
Zutaten:
1 Kaninchen
12 Knoblauchzehen
eine Handvoll Rosinen (optional)
frischer Rosmarin und Thymian
eine Prise Zimt
1 gemahlene Nelke
2 EL scharfes Paprikapulver
frisch gemahlener Pfeffer
Meersalz
125 ml Olivenöl
300 ml trockener Weißwein
1 TL Essig
Fett, am besten Butterschmalz (zum Braten)
Zubereitung:
Das Kaninchen in kleine Stücke schneiden.
Die gehackten Knoblauchzehen und die anderen Zutaten mit einem Pürierstab pürieren. In dieser Marinade das Kaninchen mindestens zehn Stunden ziehen lassen, am besten über Nacht.
Anderntags die Kaninchenstücke gut anbraten, dabei immer wieder wenden. Die Sauce hinzugeben und das Fleisch mindestens eine halbe Stunde auf kleiner Flamme fertig garen.
Als Beilage eignen sich Rosmarinkartoffeln.
Das Castell liegt mitten auf der 200 Hektar großen Halbinsel Punta de n’Amer, die sich in Privatbesitz befindet und 1985 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Die Bauarbeiten des Wehrturms begannen 1693 und wurden 1696 beendet. Er befindet sich einen guten Kilometer von dem beliebten Ferienort Cala Millor entfernt und ist immer einen Besuch wert. Der Turm besteht aus dem typisch mallorquinischen Marès-Gestein.
Im Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 war die Halbinsel Punta de n’Amer ein wichtiger Stützpunkt der Armee. Das Castell diente als Nachrichtenstandort des nationalen Abhörnetzes und Vorratslager der Nationalisten.
Die obere Plattform des Turmes, auf der eine Kanone steht, ist über eine steinerne Wendeltreppe erreichbar. Im Innern kann man über eine umlaufende Holzbrüstung den Mechanismus der Zugbrücke und die vier Schießscharten betrachten.
1969 wurden der Turm und die Zugbrücke restauriert. Innen gibt es Vitrinen, in denen Ausstellungsstücke und Dokumente zur Geschichte des Bauwerks gezeigt werden. Das Castell ist tagsüber frei zugänglich.
Ich gesteh: Ich bin ein Killer
Ich mordete stets ohne Gnad
Danach wurd’s in mir stiller
Die Kindheit war wohl oft sehr hart
Den letzten Auftrag nahm ich an
Es ging in Mallorcas Norden
Ich schlich mich an mein Opfer ran
Ein letztes Mal ich wollte morden
Ich fühlte mich doch sehr beschissen
Als ich des Opfers Antlitz sah
Nun plagt mich heftig mein Gewissen
Weil es der eigne Bruder war
Mallorca du schönste Insel dieser Welt
Hier möcht ich sein
Wenn der letzte Vorhang fällt
»Ein Geständnis auf Mallorca«, wie sich das schon anhört! Theatralischer geht’s nicht, oder? Auch noch in Reimen. Wie bitte? Du liebst Lyrik – seit wann das denn? Ach, seit deiner Jugend. Wie schön, dass ich das auch mal erfahre. Ach so, es war dir nicht der Rede wert? Is’ klar, Mann. Mit seinem Partner muss man darüber ja nicht reden. Was? Ich stell mich an? Du sagst allen Ernstes, ich stell mich an? Sag mal, tickst du noch ganz sauber? Wenn sich hier einer anstellt, dann bist du das! Und zwar ziemlich blöde. Den Bullen so ein dämliches Geständnis abliefern zu wollen. Wer macht denn so etwas? Wie? Abschiedsbrief? Hab ich das richtig verstanden, das soll so etwas wie ein Abschiedsbrief sein? Das wird ja immer doller. Nimmst du deine Tabletten nicht mehr? Jetzt hör mir mal genau zu, Digga: Lass dich nicht so gehen! Was sollen denn die Leute hier denken? Ja, es ist alles schrecklich. Und nicht einfach für dich, hab ich verstanden. Okay. Aber jetzt hör mir doch erst einmal zu. Was? Cassola de Xot? Ach, der Herr hat sich für Lamm-Ragout entschieden. Na, das ist doch mal was. Klar, bestell ruhig, ich kann ja warten. Der Ober guckt sowieso schon so komisch hier rüber. Ja, zu dir! Pass auf, dass er nichts merkt! Was nestelst du auch immer an deinem Jackett herum? Was? Nein, ich esse nichts. Danke der Nachfrage. Witzbold. Hast du mich jemals …? Ach, lassen wir das.
So, habe ich jetzt deine ungeteilte Aufmerksamkeit? Gut! Digga, ich hatte Pläne für uns. Ja, für uns beide. Auf Mallorca. Genau, in der Touristenhochburg Can Picafort. Hier fallen wir doch gar nicht auf. Jedenfalls, wenn du dich mal etwas im Griff haben würdest. Sieh mal, früher fandest du es immer klasse, wenn wir hier waren. Die vielen Bars und Restaurants an der Strandpromenade waren doch das Highlight für dich. Und der lange Sandstrand. Da warst du immer gerne mit deinem Bruder – ja, Gott hab ihn selig – von morgens früh bis abends spät. Wenn uns der Touristenrummel so richtig auf den Keks gegangen ist, sind wir nach Alcúdia gefahren. Wegen der guten spanischen Küche. Und der schönen Aussicht. Das machen wir alles wieder. Und noch viel mehr. Wir haben’s doch jetzt!
Jedenfalls, dachte ich, könnten wir es hier langsam ausklingen lassen. Uns zur Ruhe setzen und das Leben genießen. Du und ich. Unter der Sonne Mallorcas. In der Finca deines Bruders. Die wurde ja quasi frei. Ganz ehrlich: Er hatte es selbst zu verantworten. Was musste der Idiot auch bei den Bullen singen? Jeder weiß doch: Wer singt, der stirbt. Der Boss wollte sichergehen, dass wenigstens du noch auf der richtigen Seite stehst. Daher bekamst du den Auftrag, den Singvogel stummzuschalten. Konntest ja nicht wissen, dass es sich ausgerechnet um deinen eigenen Bruder handelte. Da habt ihr beide ganz schön verdutzt geguckt, als ihr euch im Römischen Forum in Pollença gegenüberstandet. Hast etwas gezögert, aber ich habe es – oder ihn, ganz wie du willst – gerichtet. Die Mauern des früheren Versammlungsplatzes von Pollença mögen aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammen. Die Leiche, die man vor zwei Tagen dort fand, war praktisch noch warm. Och, jetzt fang doch nicht schon wieder an, wird ja langsam peinlich mit dir. Damals warst du nicht so zimperlich. Hast den großen Macker gespielt. Ich will jetzt nichts hören von deinem Geständnis. Schon gar nichts von einer Lebensbeichte. Wie, du gehst zur Polizei und stellst dich? Ich knall doch nicht deinen missratenen Bruder ab, damit du den Herbst deines Lebens in einem spanischen Gefängnis verbringst. Wo bleibe ich denn da am Schluss?
Hör zu, Mann, ich sag dir jetzt was: Ich wusste, dass es dein Bruder sein würde, okay? Aber ich bin Profi, ich kann damit umgehen. Wie ich darauf komme? Sagen wir, ich habe es im Lauf gespürt. Ja, mein Gott, der eine hat’s im Urin, der andere im Lauf. Ich spüre das sofort. Mit der Zeit kriegt man doch ein Gefühl für solche Situationen, es wird einem heiß und kribbelt. Kennst du doch auch, also wenigstens von früher. Nein, ich mache mich nicht lustig. Jaha, das war damals ’ne ganz blöde Sache. Ein Betriebsunfall. Konnte ja niemand mit rechnen, dass hinter der Tür noch einer stand. Genau, war ein schlechtes Briefing vom Auftraggeber. Und von dem Typen war es eine ganz miese Tour. Macht man nicht. Heutzutage gibt’s sowieso keine Ganovenehre mehr. Da sind wir beide anders. Alte Schule. Wir gucken denen noch in die Augen, bevor wir abdrücken. Außer damals, das war was anderes. Du hattest dir eine Kugel gefangen … Ja, gut, es war ein Streifschuss. Nein, natürlich kannst du darauf bestehen. Es war ein Streifschuss, der deinen linken Hoden, sagen wir, peripher tangierte. Nein, der Schuss hat dich nicht von den Beinen geholt, du hast dich geschickt zur Seite weggerollt. Sozusagen selbst aus der Schusslinie genommen. Wie im Film. Im Krankenhaus hast du doch noch gewitzelt: »Die Stunts dreh ich selber.« Weißt du noch, wie die Krankenschwester dich dann angeguckt hat? Die war verschossen in dich! Du hättest sie haben können. Also, theoretisch. Ja, weil sie praktisch so gut wie verheiratet gewesen war. Da macht man das nicht mehr. Ehrensache.
Ja, dauert ganz schön lang mit dem Essen hier. Du warst aber auch kurz davor wegzutreten, stimmt’s? Doch, doch, jetzt mal schön bei der Wahrheit bleiben, Digga! Hab ich doch mitgekriegt, wie du es der Schwester erzählt hattest. Wolltest ein wenig angeben. So, und wer hatte den Typen am Ende weggeballert? Genau! Auf mich kannst du dich nämlich verlassen. Ich puste dir den Weg frei. Hab ich immer gemacht und mach ich auch weiterhin. Todsicher.
Schau, dein Essen kommt. Jetzt iss erst mal, dann reden wir weiter.
Und, schmeckt’s? Freut mich. Etwas viel Knoblauch? Digga, das ist wahrscheinlich normal für ein mallorquinisches Gericht. Rosmarin und Thymian sind auch nicht dein Ding? Warum bestellst du das dann? Ja, deine Mutter hat nur mit Salz und Pfeffer gewürzt, ich weiß. Die kommt aber auch aus dem Ruhrpott, da kennt man sowas nicht. Locker bleiben. Es liegt mir völlig fern, die Kochkünste deiner Mutter zu beleidigen. Ich mein ja nur. Bitte genieß dein Lammragout, es duftet wunderbar. Was ist denn da noch alles drin? Zwiebel, Tomate, Lauch? Ja, riecht man. Köstlich! Und neben dem Lammfleisch, was ist da an Gemüse dabei? Hab ich mir gedacht – Kichererbsen, grüne Bohnen und Artischockenherzen. Wenn ich könnte, würde ich es mal nachkochen. Das Fleisch ist schön zart? Ich bin entzückt.
Gute Idee, bestell dir noch einen Wein.