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Ein »Rosemary Beach«-Roman
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Heidi Lichtblau
ISBN 978-3-492-97315-1
September 2016
© Abbi Glines 2016
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Up in Flames«, Atria Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York 2016
© der deutschsprachigen Ausgabe:
Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016
Covergestaltung: Zero Werbeagentur, München
Covermotiv: mauritius images/age
Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
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Du hast auf Töpfen und Pfannen Musik gemacht,
zu der ich in deiner Küche herumgetanzt bin.
Beim Uno-Spielen konnte ich dich nie schlagen,
weil du darin ein absoluter Profi warst.
Und wenn ich jemanden brauchte,
der für mich betet, dann wusste ich, du tust es.
Ich liebe dich, Granny Campbell.
Kein Tag vergeht, an dem deine weisen Worte nicht in meinem Kopf nachklingen.
Du wirst unendlich vermisst,
doch in meinem Herzen trage ich dich immer bei mir.
Es heißt, zu lieben und geliebt zu werden sei ein menschliches Grundbedürfnis. Vor ihm habe ich gedacht, mein Leben würde diese Theorie widerlegen. Vor ihm war ich stark … oder war ich schwach? So genau kann ich das gar nicht mehr sagen. Denn fast alles, was ich für wahr gehalten habe, stelle ich nun infrage. In einem aber bin ich mir sicher: Nach ihm war nichts mehr wie zuvor.
Nan
Männer regten mich auf. Sie wollten etwas von mir, doch nur selten ging es ihnen um mich. Sie sahen in mir die Tochter eines Rockstars, und sie sahen mein Geld. Und die meisten hofften, mit meiner Hilfe aufs Cover eines billigen Klatschmagazins zu gelangen.
Daher hielt ich wenig bis gar nichts von Männern. Mit Ausnahme meines Bruders Rush, denn der war immer für mich da, wenn ich ihn brauchte. Spannungen hatte es nur gegeben, als ich seiner Frau eine Zeit lang ordentlich die Hölle heiß gemacht hatte. Doch inzwischen hatte sich meine Eifersucht gelegt, und alles war wieder im Lot. Mir reichte es, wenn Rush glücklich war.
Ich bemühte mich, erwachsen zu werden und meine Schlachten selbst auszufechten, was mir auch einigermaßen gelang. Oder besser gesagt: Ich bekam mein Leben geregelt, wenn auch auf meine eigene Art und Weise …
Mein Handy vibrierte, und auf dem Display erschien das Gesicht von Major, meinem neuesten Fehlgriff. Er sah sensationell aus und war für meinen Geschmack fast schon zu nett – ohne einen Hauch Drama ging es bei mir ja normalerweise nicht –, doch einen Haken gab es: Major war ein alter Aufreißer und ließ in puncto Frauen nichts anbrennen. Dabei glaubte er, ich würde nicht merken, dass neben mir auch noch was mit anderen lief, aber da überschätzte er seine schauspielerischen Qualitäten. Seine Antworten auf meine SMS verrieten mir genau, ob er gerade mit einer anderen zugange war oder Zeit für mich hatte.
Zunächst hatte ich damit umgehen können, doch inzwischen verfiel ich seinem jungenhaften Charme und seiner einnehmenden Art immer mehr. Dabei wusste ich ja, dass ich für ihn nur eine weitere Eroberung darstellte.
Was machst du gerade?
Eine SMS wie diese bekam ich immer dann von ihm, wenn er allein war und sich langweilte. Anfangs hatte ich noch gedacht, meine Antworten würden ihn wirklich interessieren. Doch seit ich bemerkt hatte, wie oft Formulierungen wie »Hey, Süßer« und »Hallo, Schatz« auf seinem Display erschienen, während wir zusammen waren, wusste ich, dass ich das vergessen konnte.
Männer waren alle Lügner, davon war ich überzeugt. Selbst die gut aussehenden mit dem großen Herzen.
Dumm nur, dass ich sie trotzdem brauchte. Wäre ich nur nicht so liebesbedürftig gewesen! Ich versuchte ja, es nicht zu zeigen, doch das fiel mir immer schwerer.
Es war schon nicht ganz leicht für mich gewesen, als ich mitbekam, wie Rush sein Playboyleben für die richtige Frau aufgab und wie sich sein bester Freund Grant Carter für seine Frau Harlow in einen mustergültigen Ehemann verwandelt hatte. Insbesondere, weil mich mit Grant mal eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen verbunden hatte. Doch ich war keine Blaire oder Harlow und inspirierte Männer nun mal nicht dazu, für mich ihr Leben umzukrempeln. Eine Erkenntnis, die wehtat, doch allmählich fand ich mich damit ab.
Wut, Selbstverachtung und Minderwertigkeitskomplexe können einen Menschen gehässig und bitter machen und ihn in ein Monster verwandeln.
Genau das wollte ich vermeiden.
Eigentlich hätte ich auf Majors SMS nicht eingehen sollen, doch wenn ich ihm antwortete, würde er sich mit mir abgeben, und ich könnte mir zumindest einen Moment lang vorgaukeln, Major hätte Gefühle für mich. Ich könnte mir einbilden, ich würde ihm etwas bedeuten und wäre die Art von Frau, für die ein Mann sein Leben veränderte.
Ich wache gerade auf, schrieb ich zurück und setzte mich in meinem Bett auf.
Ein Klingelton signalisierte, dass eine SMS eingegangen war. Ich verspürte ein leichtes Kribbeln im Bauch. Major war allein. Und er dachte an mich.
Du Schlafmütze. Wann bist du gestern Abend ins Bett gegangen?
Mich hätte viel mehr interessiert, wann er am Vorabend ins Bett gegangen war. Nach zwanzig Uhr hatte ich keine Nachricht mehr von ihm bekommen, doch mein Stolz verbot mir, ihm als Erste zu simsen oder ihn anzurufen. Bei seiner letzten SMS am Vorabend hatte er zerstreut gewirkt, er hatte also vermutlich Gesellschaft gehabt.
Spät, schrieb ich nur zurück. In Wahrheit hatte ich auf dem Sofa gesessen und mir, in eine Decke gekuschelt, die dritte Staffel von Gossip Girl reingezogen und dazu Popcorn gegessen. Deshalb würde ich an diesem Morgen auch laufen gehen müssen.
Was hast du so spät noch gemacht?
Solche Fragen nervten mich. Er meinte, mich alles fragen zu können, denn er wusste, ich würde ihm ehrlich darauf antworten. Ich hingegen konnte mir solche direkten Fragen sparen, da er sowieso nur mit einem Teil der Wahrheit herausrückte – gewöhnlich mit dem, in dem keine Frau verwickelt war.
Hab eine DVD geschaut. Ich hatte keine Lust, Major anzuschwindeln, um ihn eifersüchtig zu machen. Längst hatte ich eingesehen, dass derlei Versuche zwecklos waren.
Gossip Girl oder Grey’s Anatomy?
Er kannte meine Lieblingsserien, wie er sich überhaupt an alles erinnerte, was mich betraf. Auch das machte die Sache irgendwie komplizierter.
Gossip Girl.
Verstehe, schrieb er und schickte einen Zwinkersmiley mit. Er war der einzige Mann in meinem Bekanntenkreis, der Emojis verwendete. Zuerst hatte es mich gestört, aber inzwischen erwartete ich es fast. Irgendwie gehörten sie zu Major dazu. Er schaffte es, dass man Dinge okay fand, die eigentlich nicht sexy waren.
Lust auf Mittagessen heute? Vielleicht japanisch?
Er liebte japanisches Essen.
Vielleicht liebte ich ihn ja doch, ein bisschen zumindest.
Gerne.
Nie konnte ich mir sicher sein, ob Nan sauer auf mich war oder nicht. Hatte sie denn einen Grund? Eigentlich nicht. Wir waren kein Paar, sondern nur Freunde mit gewissen Vorzügen, woran ich sie immer mal wieder erinnerte, damit sie auf keine dummen Ideen kam. Aber ob das für jemand wie Nan eine Rolle spielte?
Die Frau, mit der ich den Abend in meinem Apartment verbracht hatte, brachte wesentlich weniger Gepäck mit als Nan. Sarah war immer gut drauf und tiefenentspannt. Ich musste mir keine Gedanken machen, dass ich sie verärgern könnte oder dass ihre Stimmung unvermittelt in den Keller rauschen würde. Zum Glück konnte ich mich bei ihr auch jederzeit aus dem Staub machen. Daran war bei Nan nicht zu denken, zumindest nicht, bevor dieser Job erledigt war. Ich musste sie bei Laune halten. Mit ihr zu schlafen und dann einfach zu gehen, das war nicht drin.
Sarah wusste, was Sache war. Ich mochte sie, was nicht hieß, dass mit ihr was Festeres geplant war. Nein, ich brauchte sie einfach nur als Ausgleich zu Nans überwältigender Präsenz in meinem Leben.
Nan hatte eine Art, die mich vergessen ließ, dass aus uns nie mehr werden durfte. Dafür war mein Job zu wichtig. Wir würden nie ein echtes Paar sein. Das wusste sie bloß nicht. Noch nicht.
Eigentlich brauchte sie mir gar nicht zu schreiben, was sie am Vorabend gemacht hatte. Ich wusste es sowieso schon. Schließlich stand Nans Haus unter ständiger Überwachung. Wenn ich nicht dort war und sie beobachtete, behielt Cope, mein Boss, sie im Auge. Und wenn Nan das Haus verließ, mussten wir ihr Ziel kennen.
Glücklicherweise war sie zu Hause geblieben, und ich hatte mich mit Sarah amüsieren können. Das letzte Mal, als ich etwas mit ihr unternehmen wollte, hatte mich Nan angerufen. Sie war wegen irgendeiner Sache neben der Spur gewesen, und ich hatte zu ihr fahren und sie trösten müssen. Bei Nan und ihren emotionalen Achterbahnfahrten musste man ständig auf Draht sein.
Es klopfte laut, und ich stöhnte auf. Ich wusste, wer vor der Tür stand, und es war noch zu früh, um mich mit ihm auseinanderzusetzen. Noch hatte ich meinen Kaffee nicht getrunken und mein Rührei nicht gegessen. Seufzend stieg ich aus meinem warmen Bett, schlüpfte in die Shorts, die ich am Vorabend auf dem Boden hatte liegen lassen, und ging zur Tür.
Kaum hatte ich geöffnet, da drängte Cope sich auch schon in mein Apartment. Er war nur wenig größer als ich, doch seine Wirkung hatte nichts mit seiner Körpergröße zu tun, sondern mit seiner Persönlichkeit. Jeden Raum betrat er, als gehörte er ihm – oder als würde er über Leichen gehen, um ihn in seinen Besitz zu bringen. Mit einem wie ihm legte man sich besser nicht an. Er war so großartig wie durchgeknallt, und ich hatte schon miterlebt, wie er ein Zielobjekt binnen weniger Minuten aufspürte und mit einem kalten Lächeln um die Ecke brachte.
»Na, hast du deinen Abend genossen?«, fragte er bissig.
»Allerdings. Danke der Nachfrage«, konterte ich. Einschüchtern ließ ich mich von dem nicht! Von Sarah hatte ich ihm nichts erzählt, und das war auch gut so.
»Du hast noch überhaupt nichts erreicht«, fuhr er mich an. »Nan vertraut dir nicht. Sie weiß, dass du ein alter Hurenbock bist.«
Wie bitte, Hurenbock?
»Natürlich vertraut sie mir!«
Cope wirbelte herum, und seine dunklen Augen durchbohrten mich mit einem so zornigen Blick, dass selbst Superman einen Schritt vor ihm zurückgewichen wäre.
»Den Teufel tut sie. Die Frau ist doch nicht auf den Kopf gefallen. Sie war schon mit genügend Männern zusammen, um zu wissen, wann man sie auflaufen lässt.«
»Ich gehe gleich mit ihr mittagessen!«
»Anscheinend nicht oft genug. Mag sein, dass sie nicht weiß, wer da noch mit im Spiel ist – im Gegensatz zu mir. Sarah Jergins, 8431 Ravenhurst Drive. Nan weiß, dass du mit einer anderen zusammen warst. Und das heißt, sie schenkt dir nicht genügend Vertrauen, um dir ihre Geheimnisse zu verraten. Ohne die kommen wir aber nicht an diesen Livingston ran. Sie ist ihm nähergekommen, da muss sie einfach was wissen. Und genau das müssen wir aus ihr herauskitzeln.«
Cope wandte sich zum Gehen, und ich ergriff die Gelegenheit, hinter seinem Rücken eine Grimasse zu ziehen.
»Du hast eine Woche Zeit, um an die Infos zu kommen, danach schreite ich ein. Wenn du es nicht schaffst, dass Nan sich in dich verliebt, übernehme ich das.«
Er riss die Tür auf und knallte sie hinter sich wieder zu.
Die Tatsache, dass er Sarahs Namen und Adresse kannte, überraschte mich nicht, doch der Gedanke, er könnte Nans Liebe gewinnen, war einfach lachhaft. Nan mochte Männer mit Modelgesichtern. Männer mit Gesichtern wie meinem. Außerdem stand sie auf nette Kerle, die zum Flirten aufgelegt waren.
Cope hatte da nicht die geringste Chance. Seine Haare waren so lang, dass er sie die meiste Zeit zu einem Knoten zusammenfasste, und sein Bart war ungepflegt. Die ganze Wolle hätte dringend mal abrasiert werden müssen. Gut, er war der reinste Muskelprotz, aber er ähnelte mir überhaupt nicht. Und Nan mochte mich. Sehr sogar. Das merkte ich genau. Cope würde ihr nicht einmal auffallen, das konnte er glatt vergessen.
Ich wollte ihr nicht wehtun, sonst wäre ich noch einen Schritt weitergegangen und hätte sie dazu gebracht, mich zu lieben. Doch das konnte ich ihr nicht antun. Nicht, wenn ich ihre Liebe nicht erwiderte. Und dafür war in meinem Leben momentan kein Platz. Zunächst mal musste ich eine Mission erfüllen.
Ich schnappte mir mein Handy und schrieb ihr eine weitere SMS. Hast du Lust, nach dem Mittagessen einen Strandspaziergang zu machen? Oder willst du lieber laufen gehen?
Ich konnte sie zum Reden bringen, ohne ihr das Herz zu brechen. Sie musste nur Vertrauen zu mir schöpfen. Viel schien dazu nicht mehr zu fehlen. Hätte sie gewusst, dass ich gestern Abend mit Sarah zusammen war, wäre sie heute Morgen schnippisch zu mir gewesen.
Ich glaube, laufen täte mir heute ganz gut, schrieb sie.
Und ich simste lächelnd zurück: Dann laufen wir.
Manche Frauen schnappen ein und schmollen. Andere versuchen, den Typen eifersüchtig zu machen. Und wieder andere tun das einzig Vernünftige und sehen sich anderweitig um. Und was tat ich? Keins von alledem – ich fuhr nach Las Vegas.
Das eng anliegende, silberfarbene Kleid, das ich im vergangenen Juli in Paris gekauft hatte, betonte meine Kurven, und mir war bewusst, wie gut ich darin aussah. Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte. Ich wollte an diesem Abend einfach nur mit irgendjemandem tanzen und flirten und ihn am nächsten Tag wieder vergessen. Las Vegas war ein Allheilmittel für mich, denn es brachte mich immer wieder zur Überzeugung, dass ich für Beziehungen einfach nicht geschaffen war und ich meine Versuche in dieser Hinsicht einstellen konnte.
Mein Handy vibrierte. Das Foto von Major erschien auf dem Display. Ich stellte das Telefon auf lautlos und steckte es in mein Prada-Täschchen. Der Typ hatte mich zwei Tage zu lang ignoriert. Heute Abend würde ich den Spieß umdrehen und ihn mithilfe eines anderen Mannes aus meinen Gedanken verbannen. Eines Mannes mit breiten Schultern und muskulösen Armen. Der mit mir umgehen konnte und mich daran erinnerte, dass ich es nicht unbedingt immer allen zeigen musste.
Bei meiner Rückkehr nach Rosemary Beach würden Majors hübsches Lächeln und sein Charme mich komplett kaltlassen. Major hatte dafür gesorgt, dass ich mich in letzter Zeit immer wieder jämmerlich und unterlegen gefühlt hatte. Damit war jetzt Schluss.
Von meiner Suite im Casinohotel Bellagio aus nahm ich Kurs auf einen Club namens Hyde, in dem ein paar Freunde von mir für die nächsten drei Abende einen VIP-Tisch reserviert hatten. Ich spürte die Blicke, die mir folgten und nur bestätigten, dass ich so sensationell aussah, wie ich mich nach einem Blick in den Spiegel fühlte. Ich war bereit für einen Abend mit viel Wodka, der mich einiges vergessen lassen würde.
Dass es mich an diesem Wochenende nach Las Vegas gezogen hatte, lag in erster Linie an meiner Freundin Knox, die ich von einem kurzen Aufenthalt in einem schwedischen Internat kannte. Sie war seit einiger Zeit mit Ezra Kincaid zusammen, dem Erben der Kincaid-Hotels, und hatte mich nun zum Geburtstagswochenende ihres Freundes eingeladen. Als die Einladung kam, hatte ich noch geschwankt, ob ich zusagen sollte, denn ich wäre nur ungern ohne Major gefahren. Aber während unseres Lunchdates war es mir dann so vorgekommen, als würde er sich regelrecht gezwungen fühlen, Zeit mit mir zu verbringen. Insofern hatte ich beschlossen, der Stadt den Rücken zu kehren, was sich als durchaus cleverer Schachzug erwies: Selbst zwei Tage darauf hatte ich noch nichts von Major gehört.
Heute Abend würde ich so tun, als hätte ich mich nie von ihm hinhalten lassen. Und mich dann morgen hoffentlich nicht mal mehr an seinen Namen erinnern.
»Nan!«, kreischte Knox. Ihrem glasigen Blick nach zu urteilen hatte sie schon einiges intus, doch sie sah immer noch fantastisch aus. Ihre wilden blonden Locken wurden durch ein feuerrotes Stirnband gebändigt, das farblich zu ihrem Kleid passte. Ich musste unbedingt mit der Anzahl ihrer bereits gekippten Cocktails gleichziehen, denn sie sah aus, als hätte sie den Spaß ihres Lebens.
»Du, hör mal, Winter ist auch hier! Und sie hat Roland mitgebracht. Sie sind inzwischen verlobt!«, sprudelte es aus Knox hervor, während sie sich bei mir unterhakte und mich in Richtung ihres Tisches zog. Dort erwarteten mich bekannte Gesichter. Sie gehörten alle zu dem Kreis, mit dem ich groß geworden war, als ich noch bei meiner Mutter gewohnt hatte. Demi Fraser war gerade erst letzte Woche auf My TV Today zu sehen gewesen, bei irgendeinem hochwichtigen Tennisspiel, das ich nicht verfolgt hatte. Sie hatte sich auf dem Tennisplatz einen Namen gemacht und besaß nun ihre eigene Fitnesslinie. Das dunkelrote Haar trug sie raspelkurz, ihre Nase und die Schultern waren mit Sommersprossen übersät. Sie sah großartig aus. Was mich ärgerte. Hätte ich mit Sommersprossen doch nur so gut ausgesehen!
Ich ging an den Tisch und wandte mich an den Ober. »Einen Wodka Cranberry, bitte.«
»Seit unserem letzten Treffen ist es ja schon ein Weilchen her, Nan. Was hast du seitdem getrieben, mal abgesehen vom Shopping in Paris?« Wie üblich schlug Demi einen abfälligen Ton an.
Dieser Abend sollte mir dabei helfen, meine Probleme zu vergessen, nicht weitere heraufzubeschwören. Ich beschloss, auf Demis Bemerkung gar nicht erst einzugehen. Stattdessen sah ich mich im Club um. Noch hatte ich nicht genügend Wodka getrunken, um geheuchelte Nettigkeiten auszutauschen.
Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Plötzlich hielt ich inne. Die Augen eines Mannes nahmen meinen Blick gefangen. Sie versetzten mich gleichermaßen in Furcht und Erregung. Ich registrierte ein Gesicht, dessen markante Züge selbst unter einem dichten Bart nicht zu übersehen waren. Mein Blick wanderte tiefer. Ich sah breite Schultern, muskulöse, sehnige Arme und einen Brustkorb, der aussah, als würde er das schwarze T-Shirt jeden Augenblick sprengen.
Der Mann kam auf mich zu. Ich sah ihm wieder ins Gesicht und stellte fest, dass er mich weiterhin mit dem Blick fixierte. Ich stand da wie hypnotisiert, und meine Atemzüge wurden unregelmäßig.
Er war riesig. Mit meinen High Heels maß ich einen Meter achtzig, dennoch musste ich meinen Kopf in den Nacken legen, als er näher kam.
»Kennst du ihn?«, fragte Knox, aber ihre Stimme klang unendlich weit weg. Ich antwortete nicht. Wartete bloß.
Als der Typ vor mir stand, hatte ich das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen.
»Tanz mit mir«, hörte ich ihn sagen. Das klang nicht wie eine Bitte, es klang wie ein Befehl. Eigentlich ließ ich mich nicht herumkommandieren, doch diesem Mann würde ich keinen Korb geben. Ich wollte seine Hände auf meinem Körper spüren und ihm so nah sein, dass ich mit jedem Atemzug seinen Geruch inhalieren konnte. Und diese sagenhaft breite, muskulöse Brust, die wollte ich auch berühren.
Ich nickte, und als er die Hände nach mir ausstreckte, schob ich meine begierig in seine. Sein warmer, kraftvoller Griff ließ mich erbeben. Hätte ich normal durchatmen können, hätte ich mich vielleicht gefragt, ob ich mich nicht zum Affen machte. So aber bestand meine einzige Sorge darin, in meinen High Heels das Gleichgewicht zu halten.
Er zog mich mitten ins Getümmel, das sich vor ihm förmlich zu teilen schien. Er war größer als die meisten anderen hier, und ich bemerkte, dass viele Frauen ihm mit derselben ängstlichen und doch erregten Miene hinterhersahen wie ich eben.
Schließlich blieb er stehen, drehte sich zu mir um und schlang eine Hand um meine Taille. Ich schmiegte mich an ihn und hätte vor Lust am liebsten aufgeschrien, als ich mit meiner Brust seinen Oberkörper streifte. Er begann sich mit einer mühelosen Anmut zu bewegen, die ich von jemandem mit seiner Statur gar nicht erwartet hätte. Doch er schien sich auf der Tanzfläche wohlzufühlen.
Er senkte den Kopf, und ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren. Meine Nippel versteiften sich, und ich klammerte mich haltsuchend an seinen Armen fest. »Du fühlst dich gut an«, sagte er mit einem ausgeprägten Dialekt, den ich nicht einordnen konnte.
Ich wollte erwidern, dass er noch viel besser roch, als ich erwartet hatte, hielt aber lieber den Mund. Ich kannte diesen Mann ja gar nicht und würde ihm wohl auch nicht noch mal begegnen. Bei diesem Gedanken war mir plötzlich zumute, als würde ich etwas verlieren, das ich nicht einmal besessen hatte.
Ich fand den Kerrington Country Club gar nicht so übel. Keine Ahnung, was meinem Cousin Mase daran nicht gefiel. Jedes Mal, wenn seine kleine Schwester Harlow ihn dort hinschleppen wollte, motzte er herum, ließ sich dann aber – ganz der nette große Bruder – trotzdem breitschlagen.
Ich dagegen hatte die heiße kleine Kellnerin, die uns bedient hatte, dazu breitgeschlagen, mit mir in ein Einzel-WC zu verschwinden.
»Sch, Süße«, flüsterte ich nun, als sie darin zu laut aufstöhnte. Wir hatten die Tür zwar abgesperrt, aber bei der Lautstärke war sie für niemanden, der draußen vorbeiging, zu überhören.
Ich musste das hier zu Ende bringen, bevor Mase sich zu fragen begann, warum ich so lange nicht auf den Golfplatz zurückkehrte.
Ich zerrte der Kleinen das Höschen runter und schob ihr eine Hand zwischen die Beine. Ihre Schenkel zitterten ein wenig, und ich musste grinsen. Es gefiel mir, wenn Frauen weiche Knie bekamen. »Willst du meinen Schwanz in dir spüren?«, flüsterte ich, während ich ihren Hals küsste.
»Ja, bitte!« Sie hielt sich an meiner Schulter fest, während ich mich über sie beugte und sie in eine feuchte Ekstase versetzte.
»Dann musst du aber schön leise sein. Drück dein Gesicht gegen meine Brust und stöhne nur auf, wenn es gar nicht anders geht.« Ich zog meine Jeans ein Stück runter und streifte mir ein Kondom über. Dann packte ich die Kleine an der Taille und setzte sie auf die Waschbeckenkante. Professionell spreizte sie die Beine, und schon im nächsten Moment drang ich in sie ein.
»O Gott!«, keuchte sie.
»Ich heiße Major, aber Gott ist auch okay.« Wieder stieß ich kraftvoll in sie hinein.
Sie war verdammt eng – und die perfekte Abwechslung an einem Nachmittag wie diesem. Ich fand Golf sterbenslangweilig. Wenn ich mir nur noch eine einzige Geschichte von Rushs und Grants Kids anhören musste, würde ich mir einen Golfschläger in die Brust rammen und meinem Elend ein Ende machen. Wer in aller Welt wollte sich über Kinder unterhalten, wenn hier überall solche Sahneschnitten herumliefen?
Ich riss ihr Shirt hoch und legte die Hände um ihre Brüste, die mir schon vorhin beim Essen ins Auge gefallen waren. Eindeutig mehr als eine Handvoll! Ich liebte Brüste aller Art, aber mit den größeren konnte man einfach schöner spielen.
Sie lehnte sich zurück, und nun hatte ich vollen Zugang zu ihrem Vorbau. Für das Mädel war Sex auf der Toilette eindeutig nichts Neues, gut also, dass ich an ein Kondom gedacht hatte.
»So ist es gut, Baby, so mag ich es«, murmelte ich, bevor ich einen ihrer Nippel in den Mund nahm und fest daran saugte. Der hier würde ich einen weiteren Besuch abstatten müssen. Sie wusste, was sie mit ihrer Pussy alles anstellen konnte.
»Ich … o Gott … ich komme«, keuchte sie, und ich ahnte, dass ihr Orgasmus alles andere als leise verlaufen würde.
Ich drückte ihren Mund an meine Brust und stieß immer heftiger in sie hinein, bis ihr ein gedämpfter Schrei entfuhr und sie erbebte. Ihr Inneres umschloss mich dabei so fest und heiß, dass ich ebenfalls kam.
Das Highlight meines Nachmittags.
Und dabei erinnerte ich mich nicht mal an ihren Namen.
Es war Nachmittag, als ich endlich die Augen aufschlug.
Die Verdunkelungsvorhänge wirkten Wunder. Es war, als würde draußen immer noch finstere Nacht herrschen. Ich rollte mich herum, sah auf mein Handy und entdeckte, dass ich einen Anruf von Major verpasst und er mir zudem eine SMS geschickt hatte.
Falls du beleidigt sein solltest, lass mich das wieder ausbügeln. Ich hatte zu tun. Ruf mich an.
Seufzend warf ich das Telefon neben mich aufs Bett. Seine übliche Tour. Offenbar dachte er, dass er bloß wieder den netten Kerl markieren müsste, und schon würde ich vergessen, dass er mich manchmal tagelang völlig links liegen ließ. Nachdem ich am Vorabend stundenlang mit Gannon Roth getanzt hatte, bezweifelte ich, dass Major mir je wieder genügen würde. Ich hatte eine Kostprobe von einem echten Mann erhalten, und die hatte mir verdammt gut gefallen.
Von Majors emotionalen Wechselbädern hatte ich die Nase voll. Gannon war warm und groß und roch nach Sex. Nicht, dass wir welchen gehabt hätten. Er hatte mit mir getanzt, mir ein paar Drinks spendiert, und dann hatten wir uns in eine Ecke gesetzt und uns den restlichen Abend unterhalten. Bevor er gegangen war, hatte er mich noch nach meiner Nummer gefragt. Er hatte nicht mal versucht, mich auf meine Suite zu begleiten oder mich in sein Zimmer zu lotsen.
Beinahe war ich etwas beleidigt gewesen, bis ich den gemeinsam verbrachten Abend im Geiste noch mal Revue passieren ließ. Gannon war durch und durch Gentleman gewesen. Viel geredet hatte er nicht, aber er schien mir gern zuzuhören. Major hingegen hörte sich am liebsten selbst reden. Nur selten hatte ich den Eindruck, als würde ein echtes Gespräch stattfinden.
Wieder vibrierte mein Handy. In der Annahme, es würde sich um eine weitere SMS von Major handeln, verdrehte ich die Augen.
Aber sie war nicht von Major.
Ich bin’s, Gannon. Hungrig?
Hach, der Typ von gestern! Und er wollte mit mir zu Mittag essen.
Ich schlug die Bettdecke zurück und sprang aus dem Bett. Erst dann kam mir, dass ich ihm ja antworten musste.
Gerade erst aufgewacht. In einer Stunde könnte ich startklar sein, schrieb ich zurück und hoffte, dass das nicht geschwindelt war. Viel Zeit blieb mir nicht.
Wir treffen uns unten in der Lobby.
Ich lächelte mich im Spiegel an. Du hast eine Stunde Zeit, dich richtig sexy herzurichten, dachte ich. Heute Abend folgt er dir in deine Suite!
Bis gleich, antwortete ich.
Wie durch ein Wunder war ich eine Stunde darauf fertig und fuhr mit dem Lift nach unten. Gannon kam auf mich zu, und von da an nahm ich nichts anderes um mich herum mehr wahr. Er hatte eine wahnsinnige Ausstrahlung, die volle Aufmerksamkeit verlangte. Seinen Bart hatte er gestutzt und das dunkle Haar zu einem Männerdutt frisiert. Ich war hin und weg.
Wieder ruhte sein aufmerksamer Blick auf mir, wodurch ich mir schön und irgendwie besonders vorkam. Mehr davon!
»Guten Morgen«, sagte ich.
»Morgen. Na, gut geschlafen?«
»Ja, aber ich glaube, da hatte der Wodka seine Hand im Spiel.«
Er verzog seinen Mund zu einem hinreißenden Lächeln. »Ja, da könnte was dran sein.«
Er legte mir die Hand auf den Rücken und steuerte mit mir den Ausgang an. »Ich habe in meinem Lieblingslokal einen Tisch fürs Frühstück bestellt. Draußen wartet schon ein Wagen auf uns.«
Er beherrschte die Lage. Noch etwas, das mir gefiel. Major und ich stritten uns immer, wo wir essen sollten. Mit Gannon lief das anders. Sofort entspannte ich mich ein wenig.
»Ich glaube, gefrühstückt habe ich in Vegas noch nie. Wird so spät am Tag überhaupt noch ein Frühstück angeboten?«
Er lachte leise in sich hinein. »Natürlich. Wer steht in Las Vegas schon früh auf?«
Wohl wahr. Ich bezweifelte, dass ein Frühstückslokal hier vor elf großartige Geschäfte machte.
»Keiner, du hast recht«, erwiderte ich, während er die Tür einer schwarzen Mercedes-G-Klasse öffnete und mich einsteigen ließ.
»Nach dir«, erklärte er, schloss die Tür hinter mir, lief zur anderen Seite und stieg ebenfalls ein.
Als würde er das Ziel bereits kennen, startete der Chauffeur den Wagen und fuhr los.
Während wir den berühmten Las Vegas Strip entlangrollten, vibrierte in Gannons Tasche ein Handy, doch er beachtete es nicht. Stattdessen lehnte er sich zurück und sah zum Vorderfenster hinaus.
»Wo liegt das Restaurant denn?«, fragte ich neugierig, als wir vom Strip abbogen.
»Im alten Teil von Las Vegas«, erwiderte er. »Meinem Lieblingsviertel.«
Wieder vibrierte sein Handy. Und wieder nahm er davon keine Notiz.
Nach dem fünften Versuch, sie anzurufen, gab ich es auf. Vermutlich war sie wieder mal eingeschnappt. Offenbar war sie Hals über Kopf verreist. Ihre Launen waren einfach zum Kotzen. Vor ein paar Tagen waren wir uns am Strand zu nahe gekommen, und ich hatte danach Abstand gebraucht. War ja klar, dass sie, kaum dass ich mich zurückzog, schon auf und davon war. Typisch Nan.
Sie war derart verzogen, dass es mich schier in den Wahnsinn trieb. Wenn sie so lustig und lieb war wie vor zwei Tagen, konnte ich die Zeit mit ihr genießen. Dabei wollte ich das gar nicht, denn irgendwann würde sie mich hassen, und den Gedanken ertrug ich gerade nicht. Da behielt ich meine Gefühle ihr gegenüber doch besser im Griff.
Wenn Cope herausfand, dass ich Nan aus den Augen verloren hatte, würde er stinksauer werden. Das Date, das ich heute Abend mit Maggie hatte, dem Mädel aus dem Country Club, kam mir auf einmal gar nicht mehr so verlockend vor.
Nun war Cope an der Reihe, sie zu überwachen, also standen die Chancen gut, dass er ihren Aufenthaltsort bereits kannte. Allerdings beunruhigte es mich, dass er noch nicht bei mir aufgetaucht war und mich ihr hinterhergeschickt hatte. Normalerweise gab er mir Bescheid, sobald sie das Haus verließ. Inzwischen aber hatte ich sie schon fast einen ganzen Tag nicht ausfindig machen können und trotzdem noch keinen Tipp von ihm bekommen.
Dieser Blödmann wollte wohl, dass ich bei ihm antanzte und zugab, dass ich sie aus dem Blick verloren hatte. Ich hasste es, ihn um Hilfe bitten zu müssen, aber er hatte nun mal den verdammten Tracker an ihrem Handy und nicht ich. Somit war er der Einzige, der wissen konnte, wo Nan steckte.
Außerdem würde mein Oberboss DeCarlo mich feuern, wenn ich hier nichts riss. Nan war mein Job. Mein einziger Job im Augenblick.
Ich zog mein Handy heraus und wählte Copes Nummer.
Keine Antwort.
Ich rief wieder an.
Wieder nichts.
Ja, Scheiße noch mal, war er jetzt etwa auch wütend auf mich?
Gut, dann musste ich mich eben ohne seine Hilfe auf die Suche nach Nan machen. Er hatte recht, ich schenkte ihr nicht genügend Aufmerksamkeit. Wenn ich diesen Auftrag erledigen wollte, musste ich mich mehr auf sie konzentrieren und nicht so viel Zeit beim wilden Sex mit heißen Kellnerinnen verbringen.
Ich fischte meine Autoschlüssel aus meiner Tasche und marschierte zu meinem Pick-up. Zunächst mal würde ich mich bei Rush Finlay erkundigen, Nans Bruder. Der hatte normalerweise ein Auge auf sie. Wenn ich sie ausfindig machen wollte, dann war er die richtige Adresse. Ich bezweifelte, dass sie die Stadt verließ, ohne ihm Bescheid zu geben.
Mein Handy meldete sich, und ich zog es schnell raus und sah drauf. Cope. Na, Gott sei Dank.
»Hallo«, sagte ich, wurde aber sofort von ihm unterbrochen.
»Ich bin bei ihr«, sagte er kurz angebunden und legte gleich wieder auf.
Verdammt, er war bei ihr! Wo steckten sie? Und wie hatte er sie gefunden? War sie freiwillig bei ihm, oder hatte er sie gezwungen?
Bei Cope war Nan nicht sicher, davon war ich überzeugt. Auch wenn ich es vielleicht nicht ernst mit ihr meinte, so wurde ich ihr zumindest nicht gefährlich. Bei Cope sah die Sache anders aus. Ich musste herausfinden, wo sich die beiden aufhielten.
Ich wendete meinen Pick-up und fuhr stadtauswärts in Richtung des Hotels, in dem sich Cope einquartiert hatte. Ich würde mir Zugang zu seinem Zimmer verschaffen und die Überwachungskameras checken. Vielleicht kam ich ja dahinter, wo sie gerade waren, bevor Nan etwas zustieß und ich dieses durchgeknallte Arschloch umlegen musste.
Das Frühstück war wunderbar, doch Gannon erwies sich weiterhin als höchst einsilbig. Ich plauderte, und er hörte mir zu. Manchmal schwiegen wir auch beide und ließen uns das Essen schmecken. Gleich nachdem wir bestellt hatten, entschuldigte er sich und ging zum Telefonieren hinaus. Vermutlich wollte er sich bei demjenigen melden, dessen Anruf er im Auto ignoriert hatte. Offenbar hatte er niemanden erreicht oder nur eine kurze Nachricht hinterlassen, denn er kam gleich wieder zurück. Auf jeden Fall wirkte er bei seiner Rückkehr entspannt.
»Am Nachmittag habe ich etwas zu erledigen, aber heute Abend würde ich dich gern sehen«, meinte er auf der Rückfahrt zum Bellagio. »Am besten an einem Ort, wo nicht ganz so viel los ist wie gestern Abend.«
»Möchtest du mich davor auf einen Drink in meiner Suite besuchen? Dann können wir immer noch entscheiden, wohin es gehen soll.« Es war mir herausgerutscht, bevor ich mich bremsen konnte. Im Klartext hieß das: Komm in mein Zimmer und treib’s die ganze Nacht mit mir.
»Gern.«
»Meine Suite hat die Nummer 1801«, erklärte ich etwas zu atemlos. Er hatte tatsächlich zugestimmt.
Als der Mercedes vor dem Bellagio hielt, stieg nicht Gannon aus, sondern der Fahrer. Sobald wir allein waren, umfasste Gannon mein Gesicht und küsste mich sanft auf die Lippen. Ich war zwar nicht darauf vorbereitet, aber der Kuss war einfach nur … wow!
»Dann bis um sieben.« In dem Moment, als meine Tür geöffnet wurde, senkte er die Hand und lehnte sich bequem zurück.
Ich brachte ein Nicken zustande und stieg mit überraschend wackligen Beinen aus dem Wagen. Was für ein Mann!
Vier Stunden darauf schlug mein Herz schneller als je zuvor in meinem Leben. Ich kannte Gannon nicht, vielleicht war er ein Serienmörder oder gerade frisch aus der Haft entlassen worden. Und doch hatte ich ihn zu mir eingeladen, als wäre gar nichts dabei, noch dazu in nüchternem Zustand, sodass ich es nicht einmal auf zu viel Wodka schieben konnte.
Vielleicht sollte ich mir ja vorher noch einen Drink genehmigen oder auch zwei.
Ich begutachtete mich im Spiegel und fand, dass ich aussah, als wollte ich es wirklich darauf anlegen. Das würde Gannon unmöglich entgehen. Vier Stunden hatte ich damit verbracht, mich für den Abend in Schale zu werfen. Fast schon ein bisschen peinlich.
Als es an meiner Tür klopfte, zuckte ich zusammen, auch wenn ich damit gerechnet hatte. Meine Nerven lagen blank. Wie sollte ich mich verhalten? Es war ja nicht so, dass ich noch nie einen One-Night-Stand gehabt hätte, aber dieser Typ war … anders. Er war so Furcht einflößend wie attraktiv. Dadurch, dass ich so wenig über ihn wusste und er jede Menge über mich – ich hatte viel reden müssen, um die Stille zu füllen –, waren die Karten ungleich verteilt. Gefiel mir das?
Ich holte tief Luft und öffnete die Tür. Bei Gannons Anblick wollte sich mein gesunder Menschenverstand sofort verabschieden, doch ich konnte ihn gerade noch packen und mich daran festklammern.
Himmel noch mal, ich brauchte einen Drink. Nein, einen Wodka brauchte ich. Mehr als nur einen!
Gannon kam nicht auf mich zu, und das war gut so. Schon sein männlicher Duft brachte mich ganz durcheinander.
»Wie schön du aussiehst«, sagte er, und ich spürte Schmetterlinge in meinem Bauch. Die lange Vorbereitung hatte sich also gelohnt.
»Danke«, sagte ich und trat zurück, um ihn einzulassen.
Als ob er Gefahr wittern würde, sah er sich im Raum um. Dann musterte er mich einen Augenblick.
»Du wirkst nervös. Wir können einfach etwas zusammen trinken. Nichts weiter.« Er wollte mich offenbar beruhigen. Wie lieb von ihm. »Ich bin gar nicht so scharf auf die Clubszene.«
Ich sah ihn verdutzt an. Am vergangenen Abend hatten wir uns in einem Club kennengelernt. Warum war er dort gewesen, wenn Clubs nicht sein Fall waren? »Warum warst du dann gestern im Hyde?«
Grinsend verschränkte er die Arme vor der Brust. »Da hatte ich gerade Lust darauf.«
Er hatte also Lust gehabt. Schätzungsweise hatte ich auch gerade Lust, aber auf etwas ganz anderes.
»Wenn dir das hier Angst macht, dann vergessen wir es einfach.«
Gannon Roth schien seine Wirkung auf Frauen nicht zu kennen. Wie bitte schön sollte ich das einfach vergessen? Ich schüttelte den Kopf. »Alles gut.«
»Wir trinken nur was zusammen, Nan«, sagte er, als ich mich zur Bar umwandte.
Noch nie hatte mich ein Mann derart nervös gemacht. Es konnte gut sein, dass ich ihm hinterherlaufen und ihn zurückzerren würde, wenn er versuchte zu gehen. Selbst wenn ihm das vermutlich Angst einjagte.