Aus dem Türkischen von Johannes Neuner
Die Originalausgabe erschien 1972 unter dem Titel Tutanamayanlar
© Oğuz Atay, 1972
© İletişim Yayıncılık, 2012
Mit der Unterstützung des Programms »Kultur 2007-2013« der Europäischen Union
Deutsche Erstausgabe
© 2016 binooki GmbH & Co. KG, Berlin
www.binooki.com
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2016
Lektorat: Fikret Doğan
Korrektorat: Elisabeth Göske
Satz: Marc Berger
Cover: Kai Wels
ISBN 978-3-943562-55-2
eISBN 978-3-943562-56-9
Für Sevin
In Gedenken an Ural
Als die Tageszeitungen auf den Seiten vier oder fünf vom Verschwinden eines jungen Ingenieurs namens Turgut Özben berichteten, befand ich mich gerade im Ausland. Mithilfe eines Forschungsstipendiums, das eine ausländische Hilfsorganisation mir gewährt hatte, reiste ich bereits seit etwa zwei Jahren durch verschiedene europäische Länder. Während dieser Zeit ging ich weiter meiner Tätigkeit als Journalist nach und schickte meiner Zeitung in der Türkei immer wieder Artikel zu unterschiedlichen Themen.
Wenn ich diese Zeilen schreibe, die mit dem vorliegenden Buch in keinerlei Zusammenhang zu stehen scheinen, dann nur deshalb, um die abenteuerliche Geschichte dieses Buches so zu erzählen, dass sie seinen in vielerlei Hinsicht als unglücklich anzusehenden Helden gerecht wird.
Am Tage meiner Rückkehr in die Redaktion fiel mir beim Durchstöbern der Schubladen meines Schreibtischs ein großes Paket in die Hände. Es musste kurz nach meiner Abreise eingetroffen und dort vergessen worden sein. In dem Paket befanden sich ein Brief sowie ein Stapel größtenteils handbeschriebener Blätter. Auf den Seiten, die offenbar nachträglich neu nummeriert worden waren, fielen unterschiedliche Handschriften ins Auge. Der Brief war an mich gerichtet und verfasst hatte ihn jener junge Ingenieur namens Turgut Özben, den ich auf einer Zugreise kennengelernt hatte. Er gab an, ein Verschollener zu sein und der Welt durch meine Vermittlung ein »Werk« zu senden, an dessen Abfassung zahlreiche Menschen mitgewirkt hätten. Wie meine Recherchen ergaben, hatte es vor drei Jahren tatsächlich einen entsprechenden Fall gegeben: ein Ingenieur, der eines Morgens in geschäftlichen Angelegenheiten das Haus verlassen hatte und seitdem nicht wiedergekehrt war. Sämtliche Fahndungen waren im Sande verlaufen. Die Polizei gab an, er habe vor seinem Verschwinden seine gesamten Ersparnisse von einer Istanbuler Bank abgehoben – seine Frau habe von diesem Konto nichts gewusst – und zu einer Bank in der Provinz transferiert. Etwa einen Monat später sei in einer Provinzhauptstadt sein Auto in der Nähe des dortigen Bahnhofs leer aufgefunden worden. In dem Fahrzeug habe man keinerlei persönliche Gegenstände oder Notizen gefunden.
In seinem Brief forderte Turgut Özben mich auf, so ich das »Werk« zu veröffentlichen gedächte, zunächst mit den betreffenden Personen zu sprechen und ihre Zustimmung einzuholen, um alsdann in Aktion zu treten. Außerdem bat er mich, einen Abschnitt des Briefes, den er mir geschickt hatte, ans Ende des Buches zu setzen. So wie ich ihn verstand, war von allen, die ihn kannten, ich derjenige gewesen, der ihn zuletzt gesehen hatte. Auch war er mir, soweit ich mich unserer Unterhaltung im Zug entsinne, überaus bemerkenswert erschienen. Dennoch werde ich, seinem ebenfalls an einer Stelle seines Briefes geäußerten Wunsch gemäß, die Eindrücke, die ich von ihm gewann, nicht en détail beschreiben.
Da ich es für angemessen hielt, das Buch zu veröffentlichen, suchte ich die »betreffenden Personen« auf, deren Adressen Turgut Özben mir gegeben hatte.
Selim Işıks Mutter war zwei Monate vor meiner Rückkehr in die Heimat an Herzversagen gestorben. In ihrer Wohnung lebten neue Mieter; ob Selim noch andere Angehörige gehabt hatte, wussten sie nicht.
Günseli traf ich zu Hause an. Sie war bereits über Turgut Özbens Verschwinden unterrichtet. Sie hatte nach dem Ereignis einen kurzen Brief von Turgut erhalten. Darin schrieb er, dass ich sie wegen der Veröffentlichung des Buches aufsuchen würde, und bat sie, diesbezüglich ihre Zustimmung zu geben. Günseli wiederum war, nachdem ich mich nicht mit ihr in Verbindung gesetzt hatte, zur Zeitung gegangen und hatte, als sie erfuhr, dass ich im Ausland sei, es vorgezogen zu warten. Sie gab an, keine Einwände gegen eine Veröffentlichung des Buches zu haben, sofern es unter Änderung der Namen geschehe. Ich sagte ihr, dass Turgut zu den Namen der Menschen in dem Werk eine Vorschlagsliste geschickt habe und fragte sie, ob ihr der Name Günseli zusage. Einige der im Buch vorkommenden Wortspiele passten nicht zu dem Namen Günseli. In der Hoffnung, dass es Turguts Wohlwollen gefunden hätte, änderten wir diese Stellen gemäß dem neuen Namen. Bei Selim konnten wir nur den Nachnamen ändern, und selbst das bereitete uns – insbesondere im Abschnitt mit den Gesängen – erhebliche Schwierigkeiten. Die anderen Namen zu ändern fiel mir nicht schwer. Nur sein eigener Name, darauf hatte Turgut Özben in seinem Brief bestanden, solle unverändert bleiben. Seine Frau widersprach diesem Wunsch vehement. Schließlich nahm ich nur eine geringfügige Anpassung vor.
All das wird denen, die die Ereignisse kennen, in Wahrheit nichts bedeuten. Die Personen werden sich selbst und die anderen leicht erkennen. Ich möchte hinzufügen, dass ich diese Änderungen so zu machen versucht habe, dass sie dem Geist des Werkes gerecht werden.
Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, zögerte ich die Veröffentlichung des Buches noch eine Weile hinaus. Um etwaiger Kritik der betreffenden Personen vorzubeugen, wartete ich ab, bis sich die durch meine kurze Recherche hervorgerufene Unruhe wieder gelegt hatte. Das Buch drucken zu lassen, erwies sich als äußerst schwierig. Da es von verschiedenen Personen verfasst worden war, gab es hier und da Unstimmigkeiten. Manche schlugen vor, ich solle, um das Werk abzurunden, weitere Änderungen vornehmen. Turgut Özbens Wunsch folgend, lehnte ich diese Vorschläge ab. Schlussendlich sorgte ich dafür, dass das Buch ohne weitere Änderungen in Druck gegeben wurde. Von den oben erwähnten Änderungen abgesehen, rührte ich nicht an der Form des Buches und beließ, wie es mir geschickt worden war.
Turgut Özben sende ich (sofern er noch lebt) neben meinen besten Grüßen den Wunsch, er möge, wo auch immer er sich befindet, ein glückliches Leben führen. Seinem Wunsch entsprechend, habe ich die betreffende Passage seines Briefes ans Ende des Buches gestellt.
Wir möchten darauf hinweisen, dass wir bezüglich des Wahrheitsgehalts dieses Buches, das vorgeblich auf einer vor Jahren stattgefundenen Begebenheit beruht, keine definitiven Aussagen zu treffen in der Lage sind. Da unser Freund, der es uns mit der Bitte um Veröffentlichung zukommen ließ, dies unter der Bedingung tat, dass keinerlei Nachforschungen angestellt werden dürften, bitten wir den Leser insbesondere darum anzunehmen, dass die geschilderten Ereignisse sämtlich erdacht wurden und die Personen niemals wirklich gelebt haben. Darüber hinaus wird man leicht bemerken, dass die Charaktereigenschaften der Personen sowie die kleinen Abenteuer, die ihnen widerfahren sein sollen, wenn man sie genauer unter die Lupe nimmt, dem modernen Menschen nicht entsprechen. Wir glauben, dass es der Autor oder die Autoren darauf angelegt haben, Menschen, die vielleicht vor mehreren Jahrhunderten lebten, in heutiger Kleidung und unter heutigen Umständen darzustellen und mit einem solchen Anachronismus das Interesse am Buch zu steigern.
Die Inkonsequenz der im Buch genannten Orte und Daten sowie die Tatsache, dass die Namen der Städte unseres Landes, in denen die Ereignisse stattgefunden haben sollen, fast keinerlei Übereinstimmung mit deren wahren Namen aufweisen, bekräftigt unsere diesbezüglichen Vermutungen. Wir möchten außerdem klarstellen, dass, obwohl wir eine Veröffentlichung dieses Buches für angemessen hielten, unserer Ansicht nach keine Ähnlichkeit zwischen den Personen im Roman und den Menschen unseres Landes besteht. Es ist eine Tatsache, dass diese Helden, die von ihrer Persönlichkeit her vielleicht besser in eine märchenhafte Atmosphäre gepasst hätten, unserer gesellschaftlichen Struktur nicht entsprechen. Mit der Veröffentlichung dieses Buches, dessen wahren Autor oder dessen wahre Autoren wir nicht kennen, möchten wir darauf hinweisen, dass wir darin eher ein Dokument sehen, in dem sich uns die Persönlichkeit dieses Autors oder dieser Autoren offenbart, und dass es unser eigentliches Ziel ist, unserer Leserschaft dieses Dokument zu unterbreiten.
Hochachtungsvoll
Das Ereignis nahm seinen Anfang in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, eines Nachts in Turguts Wohnung. Olric gab es damals noch nicht, und Turgut war auch noch nicht dermaßen durcheinander. Er saß um Mitternacht zu Hause und dachte nach. Einige Tage zuvor war Selim, eine Art Abschiedsbrief hinterlassend, wie es unter diesen Umständen üblich ist, aus eigenem Wunsch aus dem Leben geschieden. Turgut hatte den Brief auf seinen Arbeitstisch gelegt und saß ihm nun gegenüber. Die Zeilen, die Selim in zittriger Schrift hingekritzelt hatte, verschwammen ihm vor den Augen. Zwischen den einzelnen Buchstaben meinte er die langen Finger des Freundes auszumachen, und mit jedem Wort, das er las, glaubte er, dessen tiefe, raue Stimme zu hören.
Olric gab es damals noch nicht, und nach den Nachrichten wurden noch keine Wetterberichte verlesen. Noch war die Lage nicht so klar und eindeutig wie heute, und in gewisser Hinsicht nicht so unbestimmt.
»Warum musste ausgerechnet ich diesen Brief finden?«, brummte er leise vor sich hin. Seine Angewohnheit, leise vor sich hinzubrummen, reichte also schon in jene Zeit zurück. In jener Nacht also hatte er damit begonnen, Selbstgespräche zu führen. Der unbeschreibliche Zorn, den er auf die Möbel in seiner Umgebung verspürte, drückte ihn nieder. Selim hätte es vielleicht so definiert, dass dieses Leben – vorne Wohn- und Esszimmer, weiter hinten zwei Schlafzimmer, zur rechten Seite des Flurs Küche, Abstellkammer und Bad, dazu seine schlafende Frau und die Kinder; all jene kleinbürgerlichen Segnungen eben, über die er proportional zu seinem Einkommen verfügte – ihm die Luft zum Atmen genommen hatte. Turgut taxierte seine Umgebung mit stumpfem Blick. Die Wände hingen voller »Kunstwerke«, die noch aus einer Zeit stammten, in der er sich durch die Malerei hatte ausdrücken wollen. Nermin hatte sie alle rahmen lassen – ja, sie ist stolz auf mich. »Du hast deine Bilder also rahmen lassen, sieht gut aus«, hatte Selim gesagt. »Nicht ich, meine Frau«, hatte er erwidert. Seine Frau war nicht im Raum gewesen. Ein Bild unten, eins oben, eine Wand voller Bilder, eine andere zur Hälfte leer: um die Symmetrie zu brechen. Wie bitte?, hätte Selim gesagt, wenn er jetzt da wäre, das ›wie‹ betonend. Den Vermieter hatte es ebenfalls erschreckt, die Wände in dem neuen Anstrich zu sehen, aber er hatte sich nichts anmerken lassen. Bis zur Decke die gleiche Farbe, damit die Flächen deutlicher hervortraten, ein Beitrag der modernen Kunst zum bürgerlichen Leben. Wie bitte? Dabei waren sie früher so schön gewesen: Eine Handbreit unter der Decke hatte sich ein fingerdicker, waagerechter Streifen von dunkler Farbe gezogen; dort eben hatte die Wandfarbe geendet. So sei es auch im Hause von Selims Familie in Ankara gewesen. Ein Relikt der Einparteienherrschaft, eine übermäßig militärische Ordnung. Damals gab es wahrscheinlich keine Bücherregale, die sich bis hoch an die Decke erstreckten; anderenfalls wäre der waagerechte Streifen hinter den Büchern verschwunden.
Lustlos erhob Turgut sich von seinem Platz und trat vor das Bücherregal. Bücher, die Selim nachahmend gekauft worden waren, hunderte von Büchern, von denen die meisten ungelesen herumstanden. »Würdest du fünf Jahre lang ununterbrochen lesen, ohne aus dem Haus zu gehen, dann kämst du vielleicht mit diesen Büchern zurande«, hatte Selim gesagt. Was heißt das? Plötzlich flackerte in ihm wieder das Feuer auf, sie alle lesen zu wollen, jenes altbekannte Feuer, das immer neu entbrannte, wenn er die Bücher sah. Wie viele Seiten mochten es insgesamt sein? Tausend, fünftausend, zehntausend Seiten? In wie vielen Minuten liest man eine Seite, wie viele Stunden bleiben am Tag, wenn man die Zeit für Essen und Schlaf abzieht und eine längere Spanne für Wochenenden und Feiertage ansetzt? Wenn ich wollte, würde ich sie alle verschlingen. Ihm kam seine Universitätszeit in den Sinn: Er erinnerte sich, wie er, einem Luftballon gleich, innerlich erschlafft war, nachdem er fünf bis zehn Seiten eines Buches, das er voller Begierde zur Hand genommen, gelesen hatte. Er ließ das eine liegen und stürzte sich auf das nächste. Diese verzweifelte Strampelei endete damit, dass alle Bücher halb angelesen liegen blieben, es folgten eine große Scham und eine Krise über die Rückkehr zum Leben.
Er riss sich von seinem Bücherregal los: Lassen wir uns nicht wieder verleiten. Er setzte sich auf das Sofa, das gleichzeitig als Bett fungieren konnte, nahm eine Zigarette aus einer Schachtel, aus der, wenn man auf einen Knopf drückte, Zigaretten herauskamen, die in künstlichen Mundstücken steckten, und setzte sie mit einem Feuerzeug in Brand, das die Form von Aladins Wunderlampe besaß. Die Lage war wenig hoffnungsvoll: Der Teppich auf dem Boden biss sich mit den Möbeln. Ein Hochzeitsgeschenk. Was sollten wir tun, wir hatten kein Geld, uns einen Teppich zu kaufen, der unseren Wünschen entsprochen hätte. Schon drückte er die Zigarette in einem silbernen Aschenbecher in Blattform wieder aus. Sonst regt meine Frau sich wieder auf. Aber warum stehen dann überhaupt Aschenbecher hier? Man weiß es nicht. Er trat auf den Arbeitstisch zu. Kaya hat sein eigenes Arbeitszimmer. Und was tut er dort? Man weiß es nicht. Was tue ich denn? Du liest doch den Brief! Ach ja, genau. Er beugte sich wieder über die von Selim verfassten Zeilen.
In diesem Umfeld hatte das Ereignis seinen Ursprung genommen. Eigentlich konnte man es nicht einmal als Ereignis bezeichnen. Weil aber Turgut, also in gewisser Hinsicht Selims ehemals bester Freund, davon aus der Zeitung erfahren hatte, einem »Organ« also, das von Ereignissen berichtete, konnte man in diesem Fall wohl doch von einem solchen sprechen. Turgut war gerade erwacht: Er wartete auf das Rascheln der Zeitung, die der Hausmeister jeden Morgen unter der Tür hindurchschob. Als er das Geräusch vernahm, hatte er, sorgsam darauf bedacht, seine Frau nicht zu wecken, schlaftrunken nach seinen Pantoffeln getastet und sich dann ebenso träge wie ahnungslos auf das Ereignis zubewegt. Auf der siebten Seite, wo er das Ende einer Mordnachricht suchte, war es ihm dann plötzlich ins Auge gesprungen. Später hatte seine Frau ihn getröstet, indem sie sich im Bett an ihn gekuschelt hatte. Sie ist auch heute wieder früh schlafen gegangen, um mich nicht zu stören, damit ich nach Herzenslust an den Verstorbenen denken kann. Ja, sie hatte ihre Pflicht wahrlich erfüllt. Ein anderer Grund für ihr zeitiges Zu-Bett-Gehen war wohl die morgige Fahrstunde. Ich sollte mich auch schlafen legen, so wie die anderen es bereits getan haben. Außer mir denkt niemand über die Bedeutung dieses Briefes nach. Was würde Kaya jetzt wohl tun, wenn er im Arbeitszimmer wäre? Er würde die Studentinnen dabei beobachten, wie sie sich ausziehen. Besonders eine hatte es ihm angetan; und so presste er also Nacht für Nacht seine Oberschenkel gegen die Wand und … Ohne dass seine Frau davon weiß, er geht also quasi fremd. Ich gehe auch gerade fremd: Ohne dass meine Frau davon weiß, denke ich an Selim. Nein, ich gehe nicht fremd; schließlich weiß sie doch, an wen ich denke. Dennoch habe ich ein Geheimnis vor ihr: Sie weiß nicht, was ich denke und wie ich denke. Selim und die Beine der Studentinnen … Selim würde sie ebenso beobachten wie ich. So geht das nicht, das wird ja immer schlimmer mit den sündigen Gedanken und dem Fremdgehen. Er stand auf, verließ das Wohnzimmer und tastete sich den Flur entlang durch die Dunkelheit. Er drückte die Tür zum Schlafzimmer auf, und betrachtete, ohne das Licht anzuschalten, seine schlafende Frau. »Nein, nein.« Die seidene Decke raschelte; offenbar war seine Frau erwacht. »Du solltest auch endlich schlafen«, murmelte sie aus der Decke heraus. »Du weißt doch …« Ja, er wusste: Das Fremdgehen musste ein Ende haben. Turgut konnte in diesem Moment die Gefahr nicht erkennen: Dennoch spürte er, dass er aufhören musste, sich zu sehr für das Ereignis zu interessieren. Es ging eine größere Gefahr davon aus als von Kayas Neugier auf das, was sich hinter den halb zugezogenen roten Vorhängen im gegenüberliegenden Gebäude abspielte. Es war gravierender als die vom Anblick eines nackten Beines befriedigte Wollust: ein Gedanke, eine rückwärtsgerichtete Neugier. Selim hätte bis zum Morgen nicht geschlafen, er hätte die ganze Zeit weiter nachgedacht. Ich hätte mich hingelegt. Als ich noch Student war, habe ich mich auch immer um Mitternacht schlafen gelegt, während er bis zum nächsten Morgen durchgearbeitet hat. »Dir fallen die Haare aus, du hältst es nicht aus, eine Nacht durchzumachen; Turgut, mein Freund, du wirst alt.« »Dass du ohne Schlaf auskommst, liegt nur an deiner Nervenstärke. Ich dagegen verfüge über Muskelkraft.« Mit seinen Armen drückte er Selim, bis dieser keine Luft mehr bekam. »Du wirst irgendwann zusammenklappen, Selim. Und weißt du auch, warum? Weil du innerlich leer sein wirst. Irgendwann werde ich alles aus dir herausgepresst haben: Dann wirst du deine dritte Dimension verlieren und zu einer Ebene werden, und ich werde dich an einem Nagel an die Wand hängen.« Er hob Selim in die Luft und trug ihn zur Wand. Dann packte er ihn bei seinem schwarzen Schopf und drückte ihm den Schädel gegen das Gemäuer. »Ich werde dich an deinen nicht ausfallenden Haaren aufhängen«, rief er. »Ein richtiger Mann trägt seine Haare auf der Brust, mein lieber Selim.« Er riss sich das Hemd vom Leib und präsentierte Selim die Haare, die seinen ganzen Körper bis hoch zum Hals bedeckten. »Du widerst mich an, Turgut. Das kannst du den Mädchen in der Cafeteria zeigen. Bedecke diesen Urwald.« Selim fühlte sich peinlich berührt, wenn ein Mann sich vor ihm auszog. »Das ist unter meinem Niveau, Turgut. Ich muss mich vor dir in Sicherheit bringen.« Turgut zog sich auch noch die Hose aus, breitete die Arme aus und schrie: »Ich bin der Tarzan deiner schmutzigen Begierden, die du ins Dunkel deines Unterbewusstseins verdrängt hast und vor deren Realisierung du dich fürchtest; der Tarzan deiner unterbewussten Urwälder! Ich bin hier, um dich zu fressen. Du kannst mir nicht entkommen. Ich bin dein schlechtes Gewissen!« »Hör auf zu schreien, ich verstehe dich auch so ganz gut. Mein schlechtes Gewissen ist weniger behaart. Herr Psychiater Tarzan, bitte ziehen Sie sich wieder an.«
Ohne seiner Frau zu antworten, verließ er leise das Schlafzimmer und schloss die Tür. Während er durch den Flur ging, streckte er die Arme in die Luft: »Gnade, Selim, Gnade«, murmelte er. Ihm war, als hörte er Selims vergnügtes Geschrei: »Du gibst dich also geschlagen, großer Bär. Ja, ich habe dich besiegt. Wieder einmal erleben wir alle zusammen den Jahrestag dieser Niederlage. Es war einer jener Tage des Befreiungskampfes voller Feuer und Entsetzen. Der junge Leutnant Selim Efendi, der sich, gerade Student im dritten Jahr an der kaiserlichosmanischen Ingenieursschule, freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, war in der Gegend von Afyon auf dem Posten Kartaltepe ganz allein in Stellung gegangen. Der Feind war eine listige Meute. Ohne seine Handschuhe auszuziehen, nahm Oberleutnant Selim seinen Feldstecher zur Hand, der ihm an einem Riemen um den Hals hing, er führte jenes optische Gerät vor seine Augen, drehte mit grazilen Bewegungen zweier Finger an dessen Okularen und stellte das Bild des ins Visier genommenen Feindes scharf. Nun waren alle Vorbereitungen abgeschlossen; er beobachtete die feindlichen Reihen. Der Moment, von dem er, als er noch ein kleiner Steppke gewesen war, in Üsküdar, in Soğanağası auf dem Dachboden des familieneigenen Holzhauses geträumt hatte, war endlich gekommen. ›Nur dreitausend Mann‹, brummte er. Dann stieß er wie Tarzan ein dreifaches lautes Geheul aus und schlug sich mit den Fäusten gegen die Brust. Die Feinde wussten nicht, wie ihnen geschah. Sie warfen ihre Waffen davon und ergriffen die Flucht. Der Anführer, ein griechischer Offizier, vermochte sich angesichts dieser Kraftdemonstration des Türken nicht einmal von der Stelle zu rühren; er stand einfach nur da und hob die Arme in die Luft. Durch zwei Löcher in seinen Handschuhen sah man die Haut seiner Handflächen hindurchscheinen.« »Gnade, Gnade …«, schrie Turgut mit griechischem Akzent. Gleichzeitig wies er mit seinem Zeigefinger auf das von dem imaginären Handschuh freigelassene Stück Haut.
Er kehrte zurück in den L-förmigen Salon, setzte sich in den bequemen, mit Kunststoff in Saffianlederoptik überzogenen Sessel, drückte auf einen Knopf und erhöhte dadurch den Neigungswinkel der Rückenlehne. Du bist ertappt, Turgut, du hast dich verraten. Warum, Selim? Wie kann es sein, wo du doch kurz davor stehst, dem Buchhalter deiner Baufirma für fünfundzwanzigtausend – davon zehntausend als Anzahlung – ein Auto abzukaufen, wo du mit Fahrstunden begonnen hast und über die Notwendigkeit nachdenkst, Geld für eine Eigentumswohnung anzusparen … Du kannst mir nichts vorwerfen, Selim, du hast kein Recht, deine Nase in meine Angelegenheiten zu stecken. Ich weiß meine Kaltblütigkeit zu bewahren. Hast du nicht immer gesagt, ich sei stolz auf meine Gefühllosigkeit, ohne mich zu schämen? Vor zehn Jahren hätte ich vielleicht noch etwas nachgedacht; da hätte ich keine Angst vor irgendwelchen obskuren Gefahren gehabt. Vor zehn Jahren hätte mich ein so schockierendes Ereignis vielleicht aufgerüttelt, so wie ich nach der Lektüre des Oblomow damit begann, Gymnastikübungen zu machen. Es hätte mich aufgerüttelt, und was hätte ich getan? Nichts. Wahrscheinlich hätte ich mich ein wenig unbehaglich gefühlt. Etwas wie das Stechen einer alten Wunde. Oblomow und die Gymnastikübungen habe ich vergessen. Ich habe mich schnell wieder eingekriegt. Aus hunderttausenden unbekannter Mädchen hast du dir in der Cafeteria eine herausgepickt, hast sie gefragt, welche Bücher sie lese, und ihr dabei zugesehen, wie sie dir schweigend gegenüber saß. Ja, so war es Selim, und was war so schlecht daran? Ich sage doch gar nichts, Turgut. Habe ich etwas gesagt, als du sie geheiratet hast? Du bist jedenfalls nicht mehr oft bei uns vorbeigekommen, nachdem ich geheiratet hatte. Bei euch? Wer seid denn ihr? Ich, Nermin, die Kinder … Ich kenne euch nicht, ich kenne dich. Wahrscheinlich konnte ich mich nicht an eure Wohnung gewöhnen. Eure Möbel waren mir fremd. Diese Suite aus Salon und Salle à manger, das gigantische Bett mit seiner Kautschukmatratze, die vergoldete Garderobe aus derselben Serie, die Kommode und die Toilette, ebenfalls zur selben Serie gehörend, das alles gefiel mir irgendwie nicht. In eurem Haus gab es überhaupt nichts Türkisches mehr. Anstatt mir Verständnis zu zeigen, hast du mir dein Buffet gezeigt. Du machst Wortspiele, Selim. Spiele waren alles für mich, das weißt du doch, Turgut. Mein ganzes Leben war ein einziges Theaterstück, von dem ich wollte, dass man es ernst nahm. Du bist durch deine Heirat zum Spielverderber geworden. Wie hätte ich denn mein ganzes Leben lang mitspielen sollen? Hättest du das ausgehalten? Außerdem hast du das Spiel mit deiner fürchterlichen Tat selbst verdorben. In dieser großen Welt, in der sich jeder eine bestimmte Aufgabe sucht, hast du ganz alleine mal dies und mal das gemacht, mein lieber Bruder. Theaterstücke schreiben, das war Necatis Sache. Erinnerst du dich an sein letztes Stück, in dem er kleinbürgerliche Gewohnheiten aufs Korn nahm? Ich verließ nach der Hälfte den Saal. Du hast eigentlich bei jedem Stück nach der Hälfte den Saal verlassen. Necatis Stück wurde vierhundertfünfzigmal gespielt, und Necati kaufte sich eine Etagenwohnung von dem verdienten Geld. Was hattest du mit diesen Leuten zu schaffen? Was tatest du? Ich hatte überhaupt nichts mit ihnen zu schaffen. Deshalb mochten sie dich auch nicht. Deshalb warst du ihnen egal. Was hattest du bei ihnen zu suchen? Du hast dich in jedermanns Angelegenheiten gemischt, obwohl sie dich rein gar nichts angingen. Selbst der Tod ist eine Privatangelegenheit. Du hast dir Spiele gesucht: Theaterstücke, bei denen es dir egal war, ob die anderen mitspielten oder nicht. Du hast alle verurteilt in diesen Stücken. Auch mich hast du verurteilt, auch mir hast du Unrecht getan. Soll ich etwa auch ein Theaterstück schreiben, in dem ich behaupte, dass du nur deshalb Selbstmord begangen hast, um am Ende Recht zu behalten? Nein, so ein Stück gefällt mir nicht, Turgut. Ich mag es nicht, wenn ich in Stücken angegriffen werde. Und ich mag keine Spiele mehr, keine Spiele und auch keine erschütternde Wahrheit wie die, dass du tot bist, Selim. Er stand auf. Der Mensch widersetzt sich den Wahrheiten: Er lebt und fährt fort, so zu sein, wie er ist, Selim. Außerdem hast du diesen Brief nicht mir geschickt, es ist also nicht meine Angelegenheit. Es geht mich nichts an. Ich habe deinen Brief zehnmal gelesen und bin zu keinem Ergebnis gekommen. Du hättest ein anderes Leben haben können, Selim. Du hättest eine Ordnung außerhalb derjenigen schaffen können, die dich nicht wollten.
»Mag sein, dass mich das, was ich da sage, zu einem Verlierer macht, Selim«, brummte er. Es ging auf drei Uhr zu; Turgut war durcheinander. Er spürte, dass die ganze Geschichte nicht gut anfing. Gut inwiefern? Er wusste es nicht. »Es geht mich nichts an«, murmelte er und lief in Richtung Schlafzimmer.
Am nächsten Morgen erwachte Turgut in aller Frühe. Die ersten Sonnenstrahlen fielen gerade ins Zimmer. Er hatte schlecht geträumt. Er versuchte zu rekonstruieren, was er geträumt hatte, doch konnte er sich an nichts erinnern, was in Zusammenhang mit Selim gestanden hätte. Es wunderte ihn, dass ein Thema, mit dem er sich die ganze Nacht beschäftigt hatte, nicht in seinem Traum aufgetaucht war. »Ich fühle mich wie gerädert. Ob ich noch etwas schlafen sollte?«, überlegte er. Er blickte zu seiner Frau hinüber, die neben ihm lag: Nermins Körper war in den Falten der Decke verschwunden; allein ihre Haare waren zu sehen. Wäre nicht das sanfte Heben und Senken der Decke gewesen, hätte man kaum erkennen können, dass sich ein lebendes Wesen im Bett befand. Vielleicht ist sie ja wirklich nicht da; vielleicht liegt da wirklich nichts weiter als ein Büschel Haare neben mir. Er streckte seine Hand unter der Decke aus und berührte die Haut seiner Frau. Schade, dass die Menschen nicht die Form annehmen, in der wir sie uns vorstellen. Er drehte seiner Frau den Rücken zu und ließ einen Arm aus dem Bett hängen. Das Leben ist ein Gedankengefängnis. Der Mensch ist ein langweiliges Haarbüschel und ich bin ein dummer Roboter. Er schlief wieder ein.
Während dieses kurzen morgendlichen Schlummers hatte er einen längeren Traum. In seinem Traum stand er auf einer großen Wiese und wartete. Oder war es ein Feld? Vielleicht war es auch ein Platz; denn er stand direkt unter einer großen Uhr. Nein, es war kein Platz, es war eine Wiese; denn überall blühten Kamillen. An die Kamillen erinnerte er sich noch deutlich. Er hielt einen Strauß Nelken in der Hand und wartete auf jemanden. Er war noch nicht mit Nermin verheiratet. Ja, auf sie wartete er. »Nermin kommt mal wieder zu spät«, dachte er. Dabei kam Nermin sonst nie zu spät. Die Sonne funkelte auf den Getreidehalmen. Dann musste es doch ein Feld sein. Er blickte sich um: In der Ferne lag ein dunkler Wald, der Himmel war klar und wolkenlos. Er trug seinen dunklen Anzug. Er sah sich selbst. Der Wald erschien in dem endlosen Weizenfeld – ein Weizenfeld war es also – wie ein dunkler Fleck. Plötzlich brach eine Schar Menschen aus dem Wald hervor: eine dunkle Schar, denn wie Turgut trugen auch sie dunkle Anzüge. Gleich darauf wurden sie von den hohen Ähren verschluckt. Er warf den Blumenstrauß auf den Boden und begann auf die Stelle zuzurennen, an der die anderen verschwunden waren. Doch aus irgendeinem Grund fühlte er sich so unendlich träge, dass er dem Wald kein Stückchen näher zu kommen schien. Da standen sie plötzlich vor ihm. Sie waren Turgut also zwischen den hohen Ähren entgegengekommen. In ihren Händen trugen sie an Riemen einen Sarg. »Ihr werdet ihn also heute begraben?«, sagte er zu ihnen. Die Männer ließen den Sarg ab. Sie zogen schwarze Taschentücher aus den Taschen und wischten sich den Schweiß von der Stirn. Turgut erinnerte sich nicht an die Gesichter der Männer. Eine Weile standen sie einander gegenüber, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich meinte einer der Männer: »Ein Haufen Arbeit für das bisschen Geld. Du hast uns nicht gesagt, dass er so schwer ist.« »Das wusste ich selbst nicht«, erwiderte Turgut verlegen. »Ich hatte geglaubt, dass ein Mensch nach dem Tod leichter wird.« Während sie sprachen, schienen sie Turgut nicht anzusehen. »Das wissen wir nicht«, sagte ein anderer. »Begraben musst du ihn jedenfalls selbst. Wir sind spät dran. Heute steht noch die Beerdigung von Haşim Bey auf dem Programm. Seine Frau möchte, dass wir uns etwas Grünes anziehen. Wir müssen also erst noch die Kleider wechseln.« Die Großen unter ihnen drehten sich um und gingen. Mit ihrem Rückzug wurden plötzlich einige sehr kleine Männer sichtbar, die Turgut zuvor nicht bemerkt hatte; kleine dicke Männlein. »Das Urteil wird verlesen«, schrie einer von ihnen mit Fistelstimme. Alle knöpften sich die Jacketts zu und umringten den Sarg. Trotz der brennenden Sonne waren ihre Gesichter nicht zu erkennen. An ihren kaum wahrnehmbaren Bewegungen war abzulesen, dass sie sich auf etwas vorbereiteten. »Was für ein Urteil? Was wollt ihr noch von einem toten Mann?«, schrie Turgut, oder vielleicht kam es ihm auch nur so vor, als würde er schreien, denn er bezweifelte, dass sie ihn überhaupt gehört hatten. Er stürzte auf das eine Männlein zu, als dieses gerade ein Stück Papier aus der Tasche ziehen wollte. Dabei blieb er mit dem Fuß am Sarg hängen und schlug der Länge nach hin. Der Sarg kam durch den Aufprall ins Rutschen und stürzte in die direkt daneben liegende Grube. Es gab da also eine Grube. Und Selim würde, im Gegensatz zu dem, was Turgut gedacht, was er sich insgeheim gewünscht hatte, nicht für immer draußen in der Sonne bleiben, von Kamillen umgeben. »Wie leicht der Sarg ist«, dachte er. »Diese verlogenen Kerle. Haben völlig umsonst die Arbeit liegen lassen und sich aus dem Staub gemacht.« Er rappelte sich auf. Die kleinen Männlein waren jetzt ebenfalls verschwunden. Er schaute in die Grube: Sie war tief und dunkel und von undeutlicher Form. Der Sarg war nicht zu sehen. Er ging um die Grube herum. An der Grenze zwischen frisch ausgehobener Erde und Gras hatte man einen Stein aufgestellt. Auf dem Stein war eine Reliefinschrift. »Immerhin haben sie daran gedacht, eine Inschrift auf dem schiefen Stein anzubringen. Hoffentlich haben sie die wenigstens ordentlich hinbekommen.« Er näherte sich dem Stein und versuchte zu lesen. Die Lettern standen krumm und schief, und es kostete ihn einige Mühe, sie zu entziffern: »TURgUT ÖzBEn 1933-1962.« Erschrocken wich er zurück: »Nein! Das kann nicht sein!« Plötzlich spürte er, wie ihm das Bewusstsein schwand: Als würde sein Bewusstsein durch die Brust, den Magen und schließlich seine Beine aus ihm hinausfließen. »Nein! Es muss Selim sein! Ich wollte mich doch mit Nermin treffen.« Da sah er Selim neben sich stehen, und eine unbeschreibliche Furcht ergriff ihn: War es möglich, dass … Es kostete ihn seine ganze Kraft zu sagen: »Geht das alles mit rechten Dingen zu, Selim? Wie kann das sein? Du weißt doch auch, dass ich nicht tot bin, nicht wahr? Oder sind wir etwa beide tot?« Selim nickte. Wie hatte er das nicht begreifen können? »Deshalb also war der Sarg so leicht. Aber ich habe doch diese schwarz gekleideten Männer gesehen, ich habe sogar mit ihnen gesprochen.« Selim nickte wieder: »Sie haben dich aber nicht gesehen.« »Sie haben sich doch noch darüber beschwert, die Bezahlung sei ihnen zu niedrig …« »Diese Worte galten nicht dir. Sie sprachen mit dem Friedhofsverwalter.« So sehr ihn sein eigener Tod entsetzte, freute er sich doch, Selim zu sehen. Vielleicht ist auch er nicht gestorben, dachte er. »Wie lautete denn das Urteil, Selim? Und über wen wurde es verhängt? Über mich oder über dich?« »Ich weiß es nicht«, sagte Selim. »Sie sagen es einem nicht immer. Bekanntlich enthält es ohnehin nur Floskeln. Von jedem Urteil werden mehrere Kopien angefertigt. Sie verlesen sie über alle, die am selben Tag bestattet werden. Aber wenn es dich wirklich interessiert, können wir zu Haşim Beys Zeremonie gehen und es herausfinden.« »Nein, du sollst es mir sagen.« Selim zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt: Sie sind alle gleich.« »Nein«, widersprach Turgut, der spürte, wie sich ein zuckersüßes Gefühl in ihm ausbreitete, »sage trotzdem du es, Selim. Du sagst es anders. Wenn du es sagst, dann ist es weniger abgedroschen.« Selim richtete seinen Blick in die Ferne, ganz so, wie Turgut ihn in Erinnerung behalten hatte, auf die Wiesen, die Kamillen oder noch über diese hinaus, so als würde er nichts sehen, und schwieg für eine Weile. Dann fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar und begann zu sprechen, als nehme er den Gesprächsfaden wieder auf: »Für uns ist das Urteil immer dasselbe. Es ist ein kurzes Urteil: eines, das wir erwartet haben und dennoch nicht für wahr halten. Ein Urteil, von dem wir glauben, dass es nur über uns gefällt wurde, von dem dennoch unzählige Kopien existieren und das nirgendwo ins Detail geht. Ein Urteil, das gegen eine geringe Zahlung von Geld und solange man ein bisschen Entgegenkommen zeigt, abgemildert wird und von dem wir dennoch wissen, dass es eigentlich keinerlei Bedeutung für uns hat.« Turgut hatte Mitleid mit sich selbst. Er wünschte sich, die mit dem Tod einhergehende Teilnahmslosigkeit in Stücke reißen zu können. »Haben wir denn irgendeinen Nutzen davon?« Selim schüttelte den Kopf: »Wovon hat man schon einen Nutzen, nachdem man gestorben ist?« »Du hast Recht.« Er hatte begonnen, sich mit der Lage abzufinden, doch sein Mitleid mit sich selbst und mit Dingen, die er nicht kannte und nicht zu benennen vermochte, wuchs. Gleichzeitig versuchte er, eine ihm das Herz schmerzende Anstrengung zu vollbringen, um sich aus dieser Lage zu befreien. »Die Kamillen …«, murmelte Selim. »Die Kamillen … es gibt hier so viel davon …«
Er wachte schweißgebadet auf. Um sich vom Bett zu befreien, an das er wie mit unsichtbaren Seilen gefesselt war, fest dazu entschlossen, ins Leben zurückzukehren, unternahm er einen Versuch, sich loszureißen, der ihm ebenso unerträglich wie hoffnungslos vorkam; zumindest glaubte er, das zu tun. Innerlich spürte er, dass er von nun an zu überhaupt keiner Bewegung mehr fähig wäre. Doch etwas in seinem Inneren, irgendein Gefühl, hinderte ihn daran, ganz loszulassen. Wenn es ihm gelänge, sich zu regen, dann würde er wieder zum Leben erwachen. Plötzlich, in jener nicht messbaren Phase des Übergangs von einem Zustand in einen anderen, kam er zu sich. Er konnte an nichts denken. Die Sonne hatte das Zimmer erfüllt. Aus dem Augenwinkel blickte er auf den Platz neben sich: Seine Frau war aufgestanden. Durch den offenen Türspalt drangen die Stimmen der Kinder. Diese Laute und die das Zimmer durchflutende Sonne wärmten ihn allmählich auf. Die Geräusche, deren genaue Herkunft sich zwar nicht bestimmen ließ, die aber voller Leben waren, hatten seine mit dem Traum einhergehende Starre gelöst. Er richtete sich auf und erhob sich langsam, weiterhin besorgt, noch immer das fragile Geschöpf eines fernen Landes zu sein. Er trat ans Fenster, schob den Vorhang einen Spalt zur Seite und sah hinaus. Die rückwärtigen Fassaden der gegenüberliegenden Häuser, die sich von Turgut abzuwenden schienen: massive Quader, deren Silhouetten die scharfen Kanten niemals verloren hatten, voluminöse Körper, die einen gerade aus dem Schlaf erwachten Menschen allein durch ihre Existenz vergessen ließen, wie hässlich sie eigentlich waren … War es in jenem Moment, dass Turgut all das dachte, oder glaubte er nur im Nachhinein, als er sich an jenen Moment erinnerte, so gedacht zu haben? Er wusste es nicht, denn damals gab es Olric noch nicht. Noch war die Lage nicht so eindeutig wie heute, und in gewisser Hinsicht auch noch nicht so verworren. Nur ein Satz blieb ihm im Gedächtnis: »Es ist ein schöner Tag, und ich lebe.«
»Keine Sorge«, beruhigte ihn der Fahrlehrer. »Noch zehn Stunden, dann haben Sie den Dreh raus. Ich habe das schon ganz anderen Leuten beigebracht. Habe selbst von meinem Lehrer ordentlich auf die Mütze bekommen. War halt einfach etwas schwer von Begriff. Wäre ich so ein aufgewecktes Kerlchen wie Sie, dann hätte ich bei Gott keine Schwierigkeiten damit gehabt.« Turgut schaute mit einer Scheu, die er nicht preisgeben wollte, auf das Lenkrad vor sich. Wie sollte er, ohne dass irgendjemand es spürte, ohne dass man seiner Angst gewahr wurde, mit diesem widerspenstigen und ihm so fremden Ding zurechtkommen? Hat man es erst einmal gelernt, hat man alle Schwierigkeiten überwunden, hat man miterlebt, wie sich der anfangs maschinengleich blinde und trotzige Widerstand aufweicht und eine Berührung zulässt, vergisst man leider allzu schnell den Übergangsprozess. Später, wenn man davor steht, einen neuen Versuch zu wagen, zeitigt das Erlebte keinerlei Nutzen, oder es kommt einem zumindest so vor. Die Menschen lassen einen aber auch nicht: selbst die, die einem am nächsten stehen, sogar ihre auf dem Rücksitz sitzende Frau … aber was heißt hier sogar? Gerade die Person, die einem am nächsten steht, drängt einen doch in einen sinnlosen Wettbewerb. Auch Turgut sah sich selbst in einem heimlichen Wettstreit mit seiner Frau, die stumm hinter ihm saß und voll nervtötendem Verständnis zu sein schien. »Frauen haben ohnehin einen albernen Sinn für Wettbewerb bei Dingen, die handwerkliches Geschick erfordern«, dachte er. »Sie können das Verhalten von Männern nicht ertragen, die auf anderen Gebieten wirken, als würden sie verächtlich auf sie herabblicken, und wollen sich mit derartigen Kraftproben dafür rächen, missachtet worden zu sein. Gleichzeitig kokettieren sie weiterhin damit, wie zart und schutzbedürftig sie trotz allem doch sind: »Schatz, machst du mal bitte die Wäscheleine fest? Schatz, du bist größer als ich, Schatz, du bist stärker als ich.« Deine ganze Überlegenheit beruht also auf simplen animalischen Grundlagen. Und wenn es dann mal irgendwo hakt, ein heuchlerisches: »Moment, Liebling, lass es mich mal versuchen. Du großes Tier! Hast mich mit deinen starken Armen davongetragen und jetzt schaffst du es nicht mal, eine Wäscheleine aufzuspannen!« »Ich begreife nicht, warum Mann und Frau ständig in Wettstreit miteinander und mit ihrer Umgebung treten müssen«, hatte Selim gesagt, bevor Turgut geheiratet hatte. »Ihnen selbst ist das vielleicht gar nicht bewusst, aber mir kommt dieses Verhalten so vor, als machten sie einander das Leben zur Hölle.« Was sollen wir tun, mein lieber Selim? Wie sollen wir verhindern, dass Nermin jetzt in diesem Moment den dringlichen Wunsch verspürt, es besser zu machen als ich? Komm schon, Turgut, zeig, dass du es kannst. Bezwinge dieses verdammte Lenkrad.
Er kurbelte die Scheibe zu seiner Linken herunter, lehnte den Ellbogen aus dem Fenster und schaute hinaus. Der Verkehrsübungsplatz war ein irdenes, von einem ungelenk nivellierten Weg durchzogenes Gelände unter einem baumlosen Gipfel. Eine träge Frühlingssonne erwärmte Erde und Menschen. Der Boden war trocken, aber nicht staubig. Wo der Weg nicht gut instandgesetzt worden war und keine Autos sie plattgefahren hatten, sprossen Kamillen. Kamillen, wie wir sie mit Selim auf unseren Ausflügen gesammelt hatten … »Jetzt mach schon; wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, rief seine Frau von hinten. Er setzte sich in Bewegung wie ein Leichtathlet, der sich bei einem Wettlauf, um die Nerven seiner Kontrahenten zu zerrütten, mit wohlbemessener Unaufgeregtheit dem Startblock nähert und mit bewusstem Unverständnis seine Umgebung mustert, senkte langsam seine Hand, ließ den Motor an, versuchte mit noch ungeübten Füßen Gas- und Kupplungspedal auseinanderzuhalten und setzte das Auto langsam in Bewegung.
»Große Klasse, Junge, wirklich. Toll, wie er den Wagen gleich in Fahrt gebracht hat, nicht wahr, Frollein?« Das »Frollein« hängt Gedanken nach, die du dir kaum vorstellen kannst und ihr auch niemals zutrauen würdest. Nermin erwiderte nichts. »Als ich zum ersten Mal versucht habe, so eine Kiste zum Rollen zu bringen, da hat mir mein Lehrer vielleicht einen Schlag in den Rücken gegeben. Das Lenkrad hätte mir fast den Brustkorb zertrümmert. Schlagen Sie mal ein wenig nach rechts ein; lassen Sie uns abbiegen, als wären wir auf der Straße. Klammern Sie sich nicht so ans Steuer, lassen Sie ihm ein bisschen Spiel.« Es ärgerte Turgut ein wenig, dass der Fahrlehrer seine lobenden Worte eingestellt hatte. Um dessen Ermahnungen zu reduzieren, versuchte er seine ganze Kraft zusammenzunehmen. Jede Faser seines Körpers war bis zum Zerreißen gespannt; und er kämpfte gegen den ungewohnten Druck an, der plötzlich auf ihm lastete. Turgut wusste, dass seine ängstliche Anspannung nicht nachlassen durfte, bis der anfängliche Widerstand seiner Muskeln gegen das Unbekannte erlahmt wäre. Während er einerseits mit aller Kraft gegen den Widerstand seines Körpers ankämpfte, war er andererseits mit äußerster, ihm im Nachhinein lächerlich erscheinender Sorgfalt darum bemüht, seine Mitfahrer diesen inneren Kampf nicht bemerken zu lassen. Wenn diese angespannte Phase des Lernens vorüber wäre, würde er seinen Freunden in selbstgefälliger Weise davon erzählen. Um sich von der Last jener ersten Zeit der Furcht freizumachen, würde er die Schönheit jenes Moments verderben, würde ihn verraten und die Leichtigkeit des Erfolgs erleben. Er würde seine Vorliebe für derartige Dinge preisen und sich damit brüsten. Doch noch wusste Turgut nichts von alledem. Er wusste nur, dass er die Zähne noch ein wenig länger würde zusammenbeißen müssen. Plötzlich wandte er sich um und sagte: »Es ist wirklich nicht so schwierig, wie man immer denkt.«
Kurze Zeit, nachdem er gesagt hatte, dass es wirklich nicht so schwierig sei, wie man immer denke, begann er tatsächlich zu spüren, wie ihm das Lenkrad gefügig wurde; es war eine so kurze Zeit, dass Turgut fast schon selber an das glaubte, was er gesagt hatte. Er rutschte ein wenig auf seinem Sitz hin und her, denn sein Rücken war von Schweiß überströmt. Unauffällig bewegte er den Oberkörper so, dass sein nasser Rücken sich von seinem Hemd löste. Ein sanfter Luftstrom fuhr in den entstandenen Zwischenraum und begann seinen Schweiß zu trocknen. Er lächelte zufrieden: »Wie schön die Kamillen sind, nicht wahr, Nermin?« »Ja, man merkt, dass du das Lenkrad unter deine Kontrolle gebracht hast.« Er drehte den Kopf nach hinten, als hätte er nicht richtig verstanden: »Wie bitte?« »Schau nach vorn, sonst fährst du noch in den Straßengraben.« Wieder sagte er »Wie bitte?« und grinste schelmisch. »Es leben die Kamillen! Meine geliebten Kamillen, ich liebe euch. Ihr, die ihr den ganzen Winter unter der Erde nur an uns denkt und euch im Frühling uns sogleich zu Füßen werft. Meine Lieblinge. Ich liebe euch, meine Menschenbrüder. Ich kann nicht anders. Ich werde euch immer lieben. Ich breite meine Arme aus und umarme die ganze Menschheit. Ich möchte euch pflücken und an die Brust drücken wie einen Kamillenstrauß …« »Ist gut jetzt«, sagte Nermin. »Ich glaube, du kannst es inzwischen. Lass mich auch mal ran. Setz du dich nach hinten. Da kannst du deine Kamillen bewundern und gleichzeitig deinen Schweiß trocknen.« Turgut trat ruckartig auf die Bremse. Nermin wurde nach vorn gerissen und prallte gegen die Rückenlehne des Vordersitzes. »Dann mal ab nach vorne mit dir«, sagte Turgut, »wenn du es gar so eilig hast.« Hastig drückte er die Tür auf und war mit einem Satz draußen: »Bitte am Lenkrad Platz zu nehmen«, sagte er. »Und als Geschenk unseres Hauses bekommen Sie sämtliche Kamillen, die hier wachsen, noch obendrein.« Nein, nicht die Kamillen, die Nelken. Die Kamillen gehören Selim. Er öffnete die hintere Wagentür und verneigte sich: »Es ist mir eine große Ehre, Sie kennenzulernen, beziehungsweise Sie kennengelernt zu haben. Diese Blumen, die zur Farbe Ihrer Augen so gut passen wie die Morgenröte, sollen zur niemals welkenden Erinnerung an unsere Liebe werden und Ihre Augen sollen sich mit Tränen füllen.« »Ich kenne Sie nicht«, sagte Nermin, stieß ihn sanft beiseite und setzte sich nach vorn.
»Solltest du irgendetwas nicht verstehen, dann zögere bitte nicht, mich zu fragen, in Ordnung, meine Liebe?« Er beugte sich vor. »Am Anfang wird es dir noch etwas schwerfallen, aber du wirst dich daran gewöhnen.« Als er noch an der Universität studiert hatte, hatte Selim so immer seine Kommilitonen aufgezogen. Wer hatte diese Formulierung aufgebracht? Kenan war es gewesen. Als er im Juni in Höherer Mathematik bestanden hatte, hatte er sich mit Selim zusammengetan, und sie waren Turgut, der im Studierzimmer zu lernen versuchte, nicht mehr von der Pelle gerückt. Kenan war der erste Mensch, den Selim an der Uni kennengelernt hatte. Als Turgut sie zum ersten Mal bemerkte, waren sie gerade damit beschäftigt irgendetwas auf ihr Pult zu schreiben. Turgut war an jenem Tage sehr gelangweilt. Am liebsten hätte er die Vorlesung einfach verlassen. Da bemerkte er bei den beiden eine lebhafte Anspannung, und er beugte sich zu ihnen hinüber. Er sah nur ihre Rücken. Dann aber drehte sich einer der Rücken langsam nach links und nahm die Form eines Menschen an, der mit der Zunge seinen Finger befeuchtete und mit dem nassen Finger einen der Schriftzüge auf dem Pult auswischte. Sie sprachen kein Wort. Neugierig fragte Turgut: »Entschuldigung, aber was tut ihr da?« Der Größere gab, ohne sich umzuwenden, zur Antwort: »Wir langweilen uns.« Turgut, durch diese Worte ermutigt, rutschte langsam näher und schaute verständnislos auf die von oben nach unten auf das Pult geschriebenen Zahlen. »Wir spielen Zeittotschlagen«, sagte der Größere. »Es gelingt uns ganz gut. Wenn auch nicht auf besonders sinnvolle Art, aber tot kriegen wir die Zeit jedenfalls. Kenan schaut auf die Uhr, und ich kümmere mich um das Schriftliche.« Turgut schaute wieder auf die Zahlen: Bei vierunddreißig beginnend, wurden sie zum unteren Tischrand hin jeweils um eins kleiner bis hin zur Null. Unter der Null aber stand »ding-dong«. »Dreiunddreißig«, sagte Kenan, ohne den Kopf zu heben, woraufhin sein Kommilitone mit großem Ernst seinen Zeigefinger ableckte und die Vierunddreißig auswischte. An Turgut gewandt sagte er: »Sobald der Gong ertönt, wischen wir auch das ›ding-dong‹ weg. Es ist empirisch belegt, dass sich mit dieser Methode selbst die langweiligsten Vorlesungen garantiert überstehen lassen. Wir haben keine Filialen. Der erste Versuch ist kostenlos. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.« »Ihr gefallt mir«, sagte Turgut. »Ich heiße Turgut Özben, lasst ihr mich mitspielen?« »Wenn Ihre Uhr genau auf den Gong eingestellt ist, übertragen wir Ihnen gerne die Aufgabe der Zeiterfassung. Kenans Uhr geht nämlich etwas nach. Daher mangelt es uns beim Auswischen des ›ding-dongs‹ noch an der nötigen Präzision. Ich heiße übrigens Selim.« Turgut rückte sogleich noch ein Stückchen näher.
Langeweile war stets ein gravierendes Problem für Selim gewesen. Die Zeit, die zu überstehen war, bevor man etwas Bestimmtes tun konnte, erschien ihm oft unerträglich lang. Als er begriff, dass Turgut sich ihm diesbezüglich nahe fühlte, hatte er ihm sogleich seine »Methoden« erklärt: »Du kannst dir nicht vorstellen, wie belastend die Zeit für mich ist, die ich im Bus zwischen meinem Zuhause und der Universität verbringe. Um diese Zeit nicht als verloren abschreiben zu müssen, erfinde ich die tollsten Spiele. Ich glaube nicht, dass ich eine bestimmte Zeit überbrücken könnte, wenn ich nicht ganz von etwas besessen wäre. Das ›Haltestellenmatch‹ ist eines dieser Spiele.« »Wie bitte?«, hatte Turgut gesagt. »Erzähl.«