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Nr. 2879

 

Die Staubtaucher

 

Geheimnisse im Aggregat – und Erkenntnisse über die vereiste Galaxis

 

Uwe Anton

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. HARVEY

2. SAMY GOLDSTEIN

3. HARVEY

4. HARVEY

5. Im Aggregat

6. Im Aggregat

7. Im Aggregat

8. Im Aggregat

9. Im Aggregat

10. Im Aggregat

11. Im Aggregat

12. Im Aggregat

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Deponieraumer der Gyanli

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Im Januar 1519 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) verändert sich die Situation in der heimatlichen Milchstraße grundlegend: Die Herrschaft des Atopischen Tribunals, das aus der Zukunft agiert, wird abgeschüttelt. Gleichzeitig endet der Kriegszug der Tiuphoren, die aus der Vergangenheit aufgetaucht sind.

Viele Folgen dieser Ereignisse werden sich erst in den kommenden Jahren und Jahrhunderten abzeichnen. Wie es aussieht, werden die Milchstraße und die umliegenden Sterneninseln künftig frei sein, was den Einfluss von Superintelligenzen und anderen kosmischen Mächten angeht.

Allerdings kosten die Erfolge einen hohen Preis: Perry Rhodan muss sterben. Sein körperloses Bewusstsein geht in ein sogenanntes Sextadim-Banner ein. In dieser Form verlässt er mit den Tiuphoren die Milchstraße – er tritt die Reise in die ferne Galaxis Orpleyd an.

Der Mausbiber Gucky verschreibt sich dem Ziel, den alten Freund zurückzuholen, und organisiert eine Rettungsexpedition. Die RAS TSCHUBAI bricht nach umfangreichen Reparaturen in die weit entfernte Heimatgalaxis der Tiuphoren auf. Dort angekommen, stoßen Gucky und seine Begleiter als Erstes auf DIE STAUBTAUCHER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Gucky – Der Mausbiber muss sich zeitweilig gegen die Telepathie entscheiden.

Lua Virtanen und Vogel Ziellos – Die jungen Transterraner staunen angesichts der zahllosen Wunder des Universums.

Aichatou Zakara – Die Chronotheoretikerin trifft auf ein Phänomen, das ihren wissenschaftlichen Ehrgeiz weckt.

Farye Sepheroa – Perry Rhodans Enkelin muss ihre Pilotenkünste unter Beweis stellen.

1.

HARVEY

12. August 1522 NGZ

 

»Medizinischer Notfall!« Der Medoroboter umkreiste die drei Geschöpfe unter dem Isolationsfeld, die Gucky vor wenigen Minuten aus ihrem explodierenden Raumschiff gerettet hatte.

Es waren fremdartige Wesen, Giftgasatmer, für die ein Gemisch aus Kohlendioxid, Schwefelverbindungen und weiteren – für Bewohner von Sauerstoffplaneten unzuträglichen – Spurenelementen die natürliche Luftzusammensetzung war. Der Mausbiber hatte sie schutzlos in der Sauerstoffatmosphäre der HARVEY absetzen müssen. Lua Virtanen und Vogel Ziellos hatten sofort reagiert, sie mit einem Isolationsfeld umgeben, den Medoroboter aktiviert und angewiesen, darin eine für die Fremden atembare Atmosphäre zu erzeugen.

Doch der Ilt bezweifelte, dass die Rettung rechtzeitig gekommen war.

Es waren drei Fremde, etwa so groß wie er. Sie sahen aus wie glatte Kugeln mit jeweils vier stämmigen Beinen und mehrgliedrigen Armen, zwei davon an den Seiten, zwei auf der Brust. Sie trugen verschiedenfarbige Monturen, die die untere Hälfte ihrer haarlosen, samtbraunen Körper bedeckten. In gleichmäßigem Abstand saßen darauf vier etwa zwanzig Zentimeter lange Stiele, an deren Enden sich Augen und breite, dreifache Nasenöffnungen befanden. Münder konnte der Ilt nicht entdecken.

Sie waren zusammengebrochen, hatten zumindest den Halt verloren und rollten hilflos auf ihren Körpern über den Boden. Blindlings traten sie mit den vier Beinen, versuchten, sich wieder zu erheben, fanden jedoch keine Kraft dafür.

Die samtbraunen Körper waren dunkel angelaufen, und die Nasenlöcher öffneten und schlossen sich hektisch. Gucky konnte sich vorstellen, was die Fremden durchmachten. Sie versuchten zu atmen, sogen jedoch hauptsächlich Sauerstoff ein, der für ihren Metabolismus vermutlich reines Gift war. In ihren Augen standen Entsetzen und Qual geschrieben. Ihre kleinen Arme zuckten heftig. Sie griffen sich immer wieder an die Nasenöffnungen der Sensorstiele, wie der Mausbiber sie bei sich nannte, konnten sich jedoch keine Erleichterung verschaffen.

»Ich nehme den Daten zufolge, die ich von Guckys SERUN erhalten habe, eine Feinjustierung der Atmosphäre vor!«, tat der Medoroboter kund.

Gucky konnte dem Vorgang allein mit Beobachtung nicht folgen. Wenn sich wenigstens die Färbung der Atmosphäre unter dem Isolationsfeld bei jedem Anpassungsschritt minimal veränderte! So aber konnte er nicht sagen, was im Einzelnen geschah.

Er versuchte, die Fremden zu espern, aber seine telepathischen Fähigkeiten waren am Rand des Staubgürtels um die Galaxis Orpleyd stark eingeschränkt. Er konnte ihre Gedanken nicht lesen, nur feststellen, dass sie vorhanden waren.

Noch.

Noch waren sie nicht gehirntot, hatten Empfindungen! Klar denken konnten sie allerdings nicht, so viel stellte der Mausbiber fest. Obwohl sie ausgebildete Raumfahrer waren, hatten die Eindrücke sie überwältigt. Die Flucht in ihrem kleinen Schiff vor den Gyanli, der unheimliche Fremde, der unvermittelt an Bord aufgetaucht war, nachdem die Schutzschirme zusammengebrochen waren, und sie in diese völlig fremde Umgebung gebracht hatte ...

Sie waren in Panik geraten und konnten nicht dagegen ankämpfen.

»Feinjustierung abgeschlossen!«, meldete der Medoroboter. »Der Zustand der drei Patienten müsste sich jetzt bessern.«

Der Mausbiber beobachtete sie eindringlich, ohne indes eine Veränderung bei ihnen feststellen zu können. »Bist du sicher?«

Gucky hatte den Eindruck, dass es ungewöhnlich lange dauerte, bis der Medoroboter antwortete. »Ich nehme weitere Messungen vor. Bei der Zusammenstellung der Fremdatmosphäre musste ich improvisieren. Sie enthält Spuren von Chloraziridin, einer seltenen organischen Chlorverbindung. Diese Verbindung führen wir an Bord nicht mit. Ich habe der Bordpositronik die Anweisung erteilt, sie synthetisch herzustellen.«

»Wie lange wird das dauern?«, fragte der Mausbiber gepresst.

Konnte es wirklich sein, dass der Mangel an winzigen Spuren dieser Verbindung für den bedauernswerten Zustand der Fremden verantwortlich war? Oder hatten sie sich irreparable innere Verletzungen zugezogen, als sie für kurze Zeit der Sauerstoffatmosphäre in der HARVEY ausgesetzt gewesen waren? Wie dem auch sei, Gucky hatte keine andere Möglichkeit gehabt, als sie aus ihrem Schiff zu teleportieren, wenn er ihnen eine Chance auf Rettung eröffnen wollte.

»Das Labor arbeitet bereits daran«, antwortete der Roboter. »Aus Mangel an Vergleichswerten kann die Bordpositronik keine genaue Prognose erstellen.«

»Untersuch die Fremden mit deinen Instrumenten!«, befahl er dem Medoroboter. »Such nach inneren Verletzungen oder Verätzungen.« Vielleicht konnte er ihnen telekinetisch etwas Erleichterung verschaffen, bis der Roboter eine geeignete Möglichkeit gefunden hatte, sie zu behandeln.

Falls es solch eine Möglichkeit überhaupt gab.

»Die benötigte Menge an Chloraziridin wurde hergestellt und der Atmosphäre unter dem Isolierfeld hinzugefügt!«, meldete der Roboter. »Ich untersuche die fremden Patienten erneut, obwohl meine ersten beiden Untersuchungen keine spezifischen Resultate erbracht haben.«

Gucky drehte sich wieder zu den drei Aliens im Isolierfeld um. Verzweifelt versuchte er zu espern und stellte fest, dass ihre Gedanken sich etwas beruhigten. Die Panik wich einer Spur von Hoffnung. Er kniff die Augen zusammen und sah, dass sie tatsächlich wieder etwas freier atmeten. Sie griffen sich nicht mehr hilflos an die Sensorstängel, sondern entspannten sich ein wenig und lagen ruhiger da.

Schließlich drückte der Erste von ihnen sich mit den mehrgliedrigen Armen hoch und stand wieder auf den stämmigen Beinen. Der Zweite folgte ihm kurz darauf, dann der Dritte. Neugierig und verwundert starrten sie die vier Personen auf der anderen Seite des Isolationsfelds an.

»Die drei geretteten Fremden sind außer Lebensgefahr«, stellte der Medoroboter sachlich fest.

 

*

 

»Es freut mich, dass es euch besser geht«, plapperte Gucky vor sich hin. Er hoffte, die Fremden zu einer Antwort bewegen zu können. Der Translator benötigte einen gewissen Wortschatz, um die unbekannte Sprache zu übersetzen.

Der Mausbiber rieb geistesabwesend den Zeigefinger am Ohr. Ein wenig störte ihn der winzige Knopf darin, doch nur, wenn er bewusst daran dachte, dass er vorhanden war. Auf der RAS TSCHUBAI wurde probehalber eine neue Translatortechnik getestet, die Guckys Meinung zufolge schon seit Jahrtausenden überfällig war. Er musste die Übersetzung nun nicht mehr mit dem Armbandgerät abrufen, sondern bekam sie direkt ins Ohr eingespielt.

»Gucky«, sagte Lua, als Geniferin immerhin nicht ganz von Technik unbeleckt, »was hältst du davon, wenn wir die Hälfte der Medostation unter ein Schirmfeld legen und darin die Atmosphäre erzeugen, in der unsere Gäste überleben können?«

Der Ilt nickte. »Eine gute Idee«, sagte er. »Wir müssen versuchen, ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen, und da kommt es natürlich nur recht, wenn wir ihnen mehr Bewegungsfreiheit einräumen. Veranlasst du das?«

Gucky ließ die Fremden nicht aus den Augen, die weiterhin schwiegen. Sie kamen ihm scheu und verloren vor.

Kein Wunder, dass sie zurückhaltend reagieren. Sie haben dem Tod ins Auge gesehen, als ich wie durch Zauberei in ihrem Schiff erschienen bin und sie hierher gebracht habe.

Aber die Fremden mussten wissen, dass es keine Zauberei gewesen war. Sie waren schließlich keine Höhlenwilden, sondern Angehörige einer raumfahrenden Zivilisation, die wahrscheinlich bereits Kontakt mit anderen Raumfahrern gehabt hatte. Gab es unter ihnen Individuen mit parapsychischen Fähigkeiten? Dann würden sie sich den Vorgang erklären können, sobald sie ihre erste Überraschung überwunden hatten. Falls nicht, bestand gewaltiger Erklärungsbedarf.

Wenn er nur ihre Gedanken lesen könnte ...!

Einer der Fremden sagte etwas. Gucky esperte erneut und gab es dann auf. Seine Fähigkeiten blieben an diesem Ort eingeschränkt. Stattdessen sah er die Aliens an und redete weiter.

Sie antworteten nicht, und der Translator konnte keine Vollzugsmeldung abgeben.

»Ich weiß, ihr seid kurzzeitig unserer Atmosphäre ausgesetzt gewesen, die für euch giftig ist«, sagte er, »und das tut uns allen sehr leid. Aber es gab keine andere Möglichkeit, euch zu retten.«

Die drei Fremden schwiegen.

Dann sagte einer von ihnen etwas. Der Mausbiber spitzte die Ohren. Täuschte er sich, oder klang das schon ziemlich nach Interkosmo?

»Ja«, sagte er, »gut so. Sprecht weiter!«

Aus dem Translator in seinem Ohr drangen neue Wörter, diesmal verständlichere. »Wir ... Hogarthi ... danken ...«

»Dank ist überflüssig«, sagte Gucky. »Ich bedaure, dass ich nur euch drei retten konnte.«

Was hatte Vogel Ziellos vor wenigen Minuten gesagt? »Nicht nur drei, immerhin drei!«

So gesehen hatte er wohl recht.

»Wir sind Hogarthi«, sagte der Translator plötzlich in völlig verständlichem Interkosmo. »Ich bin Jicloaij, und das sind ...« Es folgten zwei Namen, die der Ilt als Jhagoji und Jsuziaj interpretierte.

Jetzt ist eine Kommunikation möglich! »Ich bin Gucky, ein Ilt. Hogarthi ... ist das der Name eures Volks?«

»Wir danken für unsere Rettung«, überging Jicloaij die Frage. »Wie habt ihr das vollbracht?«

Der Mausbiber zog die Stirn kraus. Wenn die Hogarthi sich so unkommunikativ zeigten, durften sie nicht erwarten, dass er ohne Bedacht große und kleine Geheimnisse ausplauderte. Was sie konnten, konnte er schon lange. »Ihr versteht uns? Sprecht weiter! Je größer der Wortschatz des Translators wird, desto einfacher können wir uns unterhalten. Wir sollten schnell zu einer Verständigung finden.«

Die drei kugelförmigen Wesen rückten enger zusammen, betrachteten ihn aus ihren Augen an den Sensorstielen und schwiegen.

»Wir haben den hinteren Teil der Medostation unter ein Schutzfeld gelegt und diesen Bereich mit der Atmosphäre geflutet, die die Fremden benötigen«, sagte Vogel Ziellos. »Sollen wir die Hogarthi hinüberschaffen?«

Gucky desaktivierte den Translator und nickte. »Aber ganz vorsichtig. Sie sind verunsichert und misstrauisch, zeigen sich nicht kommunikativ oder kooperativ. Ich möchte nicht, dass sie sich wie Gefangene vorkommen.«

Er schaltete den Übersetzer wieder ein und wandte sich an die Fremden. »Wir bringen euch jetzt in einen Teil unserer Medostation, in dem wir einen kleinen Bereich mit für euch atembarer Luft eingerichtet haben. Erschreckt nicht, wenn sich euer Schutzfeld nun bewegt.«

Der Mausbiber beobachtete, wie die Bordpositronik der HARVEY das Isolationsfeld langsam verschob und die Bewegung auf Decke und Boden durch Lichtsignale markierte. Die drei Hogarthi machten die Bewegung mit Trippelschritten ihrer vier Füße mit und bezogen ihr neues, kaum größeres Quartier.

»Auf Dauer ist das zu eng«, sagte Farye, »und die HARVEY ist nicht darauf ausgelegt.«

»Das ist mir klar«, erwiderte der Ilt. »Eine wesentlich bessere Versorgung der Fremden wäre in der RAS TSCHUBAI möglich. Aber ich will nicht, dass sich die RAS TSCHUBAI schon jetzt offenbart. Es ist unnötig, alle Karten auf den Tisch zu legen. Schließlich wissen wir nichts über die Fremden, außer, dass sie von den Gyanli verfolgt worden sind. Und sie scheinen nicht bereit zu sein, viel über sich zu verraten.«

»Du misstraust den Fremden?«, fragte Lua.

»Insofern ja. Ich verstehe jedoch das Misstrauen der Hogarthi, die ihrerseits nichts über ihre Retter wissen. Eine vertrackte Situation.« Er dachte kurz nach. »Farye, stell bitte einen gesicherten Funkkontakt mit der RAS TSCHUBAI her. Und sende Sergio die kompletten Biodaten der Hogarthi und die Aufnahmen zur Auswertung, die mein SERUN aus deren Zentrale gemacht hat.«

 

*

 

»Ich verstehe dein Dilemma, Gucky«, sagte Sergio Kakulkan. Der Kommandant der RAS TSCHUBAI dachte kurz nach. »Du hast völlig richtig gehandelt. Die RAS wird erst einmal aus dem Verborgenen agieren. Wir werden unsere Anwesenheit in Orpleyd solange verheimlichen, wie es uns möglich ist.«

»Aber du kannst uns eins der großen Beiboote schicken, oder?«

»Selbstverständlich. Welches forderst du an?«

Der Mausbiber überlegte kurz. »Wie wäre es mit der SAMY GOLDSTEIN?«

Die RT-M2 SAMY GOLDSTEIN war ein 500-Meter-Schlachtkreuzer der MARS-Klasse. Gucky war mit der Besatzung unter Kommandant Pakuda vertraut und fühlte sich bei ihm in guten Händen. Die GOLDSTEIN hatte Perry und ihn vor wenigen Jahren nach Tefor gebracht.

Ein kurzer, aber heftiger Schmerz durchzuckte ihn, als er an Rhodan dachte.

Perry ist nicht tot, sagte er sich zum hunderttausendsten Mal. Und wir werden ihn finden!

»Einverstanden. Ich schicke die SAMY GOLDSTEIN sofort los. Sie wird in Kürze bei eurer Position eintreffen.«

2.

SAMY GOLDSTEIN

12. August 1522 NGZ

 

»Ich messe die Nachwirkungen einer ehemals starken Strahlung in dir an, der dein Körper offenbar ausgesetzt war«, sagte der Medoroboter. »Sie werden jedoch langsam abgebaut.«

Gucky schaute zu dem Energieschirm, der einen großen Teil der Krankenstation der SAMY GOLDSTEIN abtrennte. Er war von innen undurchsichtig, hineinschauen konnte man jedoch ungehindert.

Dahinter hielten sich die drei Geretteten auf. Die HARVEY hatte in die SAMY eingeschleust, woraufhin die Fremden sofort auf die Medostation gebracht worden waren. Dort war alles für ihren Aufenthalt vorbereitet, und es gab viel bessere Bedingungen für sie.

Medoroboter umschwirrten sie, um sie weiterhin zu untersuchen und festzustellen, wie sie sich ernährten. Wie war die Flüssigkeit beschaffen, die sie zu sich nehmen mussten? Welche feste Nahrung benötigten sie?

Eine frei gestaltbare Sitzlandschaft ermöglichte es den Hogarthi, nach ihren Bedürfnissen zu ruhen, allerdings hatten sie bislang keinen Gebrauch davon gemacht. Sie stapften auf ihren Stummelbeinen kurze Strecken hin und her, drückten sich aneinander und unterhielten sich leise.

Gucky hatte den Eindruck, dass sie schreckliche Angst hatten. Sie wussten nicht, wie sie gerettet worden waren, wer ihre Retter waren und was sie beabsichtigten. Bislang hatten sie sich ausgeschwiegen, keine Einzelheiten verraten. Warum hatten die Gyanli sie verfolgt? Warum wollten sie sie töten?

Dass sie keine Frage beantwortet haben, dachte der Mausbiber, liegt vielleicht daran, dass wir ihnen keine konkreten Fragen gestellt haben. Es wird Zeit, dass wir uns ausführlich mit ihnen unterhalten.

Aber das würde noch eine Weile dauern.

Er konzentrierte sich wieder auf den Medoroboter. »Eine Strahlung? Wegen der ich nach wie vor meine Telepathie nicht einsetzen kann? Ist sie gefährlich für mich?« Er stellte die Frage relativ gelassen. Wäre eine Bedrohung von ihr ausgegangen, hätte der Roboter anders reagiert und sofort einen Mediker hinzugezogen.

»Nein. Sie wird keine weiteren Auswirkungen auf dich haben.«

»Warum nur meine telepathischen Kräfte, nicht die anderen?«

»Das kann ich dir nicht sagen.«

»Woher stammt diese Strahlung?«

»Sämtliche Daten über den Staubgürtel, die die HARVEY während des kurzen Flugs gesammelt hat, sind mittlerweile von SAM verarbeitet worden.« Damit meinte der Medoroboter die Positronik der SAMY GOLDSTEIN. »Ihnen entnehme ich, dass sich fein verteilt im Staubgürtel winzige, mit Hyperkristallen dotierte Tiauxin-Partikel befinden. Den Daten zufolge verteilen sich die Partikel nicht gleichmäßig, sondern sind mal dichter geballt, mal weniger dicht. Die materialtypische Grundschwingung des Tiauxins moduliert die Hyperstrahlung der Kristalle derart, dass deine telepathischen Fähigkeiten gestört werden.«

»Du willst also sagen, dass ich quasi unter den ... Nachwehen unseres Aufenthalts innerhalb des Staubgürtels leide?«

»Ja. Du wirst einige Zeit brauchen, um dich von den Folgen der Strahlung zu erholen.«

Der Ilt rümpfte die Nase. Die Prognose des Medoroboters passte ihm zwar nicht, er hätte die Geretteten nur allzu gerne telepathisch ausgehorcht. Andererseits erleichterte sie ihn jedoch. Immerhin hatte er keinen dauerhaften Schaden davongetragen.

Falls die Diagnose überhaupt korrekt war. Natürlich konnte eine einzige medizinische Untersuchung diese Vermutung nicht beweisen. Sie konnte aber sehr wohl herausfinden, dass eine Strahlung im Staubgürtel für den Verlust seiner telepathischen Fähigkeiten verantwortlich war.

Alles Weitere blieb Vermutung. Wenn auch eine, die gute Grundlagen hatte. Damals, als er nach dem missglückten Sprung nach Luna im Koma gelegen hatte, hatten die Ärzte mehr als genug Zeit gehabt, an ihm neue Untersuchungsmethoden auszuprobieren.

Gucky schwang die Beine von der Pritsche, auf die er sich unwillig gelegt hatte, und runzelte die Stirn.

Wenn er ehrlich zu sich selbst war, glaubte er durchaus, dass die Vermutung zutreffend war. Er musste daran denken, dass es ihm nicht gelungen war, inhörige Tiuphoren in ihren Brünnen telepathisch abzuhören, wenn sie es nicht wollten, wenn sie also darauf achteten, sich zu verschließen. Das beruhte zum einem auf ihrer Inhörigkeit ... zum anderen aber offenbar auch an dem Tiauxin der Brünne!

»Na schön«, murmelte der Ilt gönnerhaft. »Ich bin geneigt, dir vorerst zu glauben, Blechkumpel.« Er schob den Roboter mit seinen telekinetischen Kräften ein Stück zur Seite. Die funktionierten also noch. »Und jetzt versuchen wir erneut, ein Gespräch mit den Geretteten zu führen«, sagte er dann. »Ich befürchte jedoch, viel wird nicht dabei herauskommen. Was meinst du?«

»Mir fehlt es an jeglichen Daten, das zu beurteilen.«

 

*

 

Die Geretteten verhielten sich abwartend, still und misstrauisch. Geradezu verstockt, wie Kinder, die man zu dem Eingeständnis zwingen wollte, dass sie sich insgeheim das verbotene Trivid angeschaut hatten.

Es war nie gut, jemanden zu etwas zu zwingen. Man musste ihn dazu bringen, es aus freien Stücken zu tun.