Nr. 2896
Maschinenträume
Der Schnitter verbreitet eine Botschaft – die Völker Orpleyds denken um
Michael Marcus Thurner
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Perry Rhodan
2. Zu Tode betrübt
3. Bayvtaud
4. Perry Rhodan
5. Zu Tode betrübt
6. Perry Rhodan
7. Zu Tode betrübt
8. Perry Rhodan
9. Zu Tode betrübt
10. Bayvtaud
11. Zu Tode betrübt
12. Perry Rhodan
13. Himmelhoch jauchzend
14. Perry Rhodan
15. Himmelhoch jauchzend
16. Perry Rhodan
17. Himmelhoch jauchzend
18. Perry Rhodan
19. Sichu Dorksteiger
20. Himmelhoch jauchzend
21. Perry Rhodan
22. Himmelhoch jauchzend
23. Perry Rhodan
Report
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Im Jahr 1522 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) befindet sich Perry Rhodan fernab der heimatlichen Milchstraße in der Galaxis Orpleyd. Dort braut sich etwas zusammen, das den Unsterblichen zum Handeln zwingt: Die negative Superintelligenz KOSH arbeitet im Verborgenen an ihrer eigenständigen Entwicklung in eine Materiesenke.
KOSH will nicht zum Instrument der Chaotarchen werden – von denen insbesondere Cadabb sich sehr stark für KOSH interessiert. Zwei Völker Orpleyds wirken, teilweise ohne eigenes Wissen, für KOSHS Ziele: die Tiuphoren und die Gyanli, insgeheim gelenkt von den Pashukan, den Todesboten der Superintelligenz.
Perry Rhodan weiß, dass die Geburt einer Materiesenke das Ende für die betreffende Galaxis oder sogar Mächtigkeitsballung bedeutet – und den Tod aller Lebewesen. Um diese Entwicklung aufzuhalten, ist der Terraner bereit, alles zu wagen. Er sendet den Völkern der Galaxis eine Botschaft – aber ihm entgegen wirken die MASCHINENTRÄUME ...
Perry Rhodan – Der Terraner begegnet einem Botschafter.
Sichu Dorksteiger – Die Chefwissenschaftlerin macht sich Sorgen um ihren Partner und um eine Galaxis.
ANANSI – Die Biokomponente des Bordrechners der RAS TSCHUBAI sorgt sich um das Schiff.
Bayvtaud – Der Gyanli sendet Maschinenträume.
Der Raum war weiß und leer. Er hatte keine erkennbaren Grenzen. Keine räumlichen Tiefen, keine Dimensionen. Nirgendwo ergaben sich Anhaltspunkte, mit deren Hilfe sich Perry Rhodan orientieren konnte.
»Das war es also?«, fragte er ins Leere hinein.
»Das war es also«, echote eine sanfte, kindlich klingende Stimme.
»Wie geht es nun weiter?«
»Das weißt du ganz genau, Perry«, kam die ruhige Antwort.
Oh ja, das wusste er.
Also blickte er sich um und versuchte ein letztes Mal, einen Orientierungspunkt zu finden.
Nichts. Er stand in grellweißer Einöde, gemeinsam mit dem letzten verbliebenen Helfer.
»Bist du bereit, Perry Rhodan?«
»Ja, das bin ich«, antwortete er nach einem letzten, hastigen Atemzug.
Er schloss die Augen und wartete.
1.
Perry Rhodan
Zwei Tage zuvor
Sie stürzten zurück ins Diesseits, Perry Rhodan vorneweg. Die Waffe in der Hand, auf jegliche Gefahr vorbereitet. Noch immer voll mit Eindrücken, die er von der anderen Seite mitgenommen hatte.
Er stolperte und hatte alle Mühe, sich aufrecht zu halten. Rings um ihn waren Schatten. Schemen, die er nach einem Moment der Orientierungslosigkeit zuordnete.
Gyanli warteten auf sie. Vielleicht eine Handvoll, vielleicht mehr. Dazu Roboter der BROVDUYK-Klasse. Sie schwänzelten mit metallenen Schwanzflossen durch die Luft. Die Tentakel, wie Barteln um den Mund angeordnet, mündeten in Waffen.
Warum zögerten sie? Warum feuerten sie nicht?
Rhodan war es einerlei. Er schoss. Ohne nachzudenken, ohne einen einzigen Gedanken an die Konsequenzen zu verlieren. Die Gyanli waren Feinde – und sie waren gekommen, um sie bei ihrer Rückkehr durch das Übergangsportal zu empfangen.
Er traf, eine der Maschinen verging in einer hell leuchtenden Lohe. Die anderen Roboter erwiderten augenblicklich das Feuer.
Sichu rückte an seine Seite, dann Gucky. Gemeinsam waren sie vorerst stark genug, um den Maschinengeschöpfen Paroli bieten zu können.
Wo aber waren Vogel Ziellos und Lua Virtanen, wo Gholdorodyn? Warum reagierten die Gyanli nicht auf ihre Ankunft?
Rhodan entdeckte seine beiden jugendlichen Begleiter in unmittelbarer Nähe des Übergangsportals. Sie saßen auf dem Boden, unfähig, sich zu bewegen. Auch die Gyanli standen bloß da und unternahmen nichts.
»Die Botschaft«, sagte Gucky hastig. »Sie wirkt!«
Oh ja. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Der Schnitter strahlte eine Nachricht an alle Lebewesen in der Galaxis Orpleyd aus. Eine, die sich unmittelbar im Bewusstsein manifestierte und eine Wirkung erzielte, die alle Betroffenen sekundenlang in Schockstarre verharren ließ.
Damit war das Ziel ihrer Mission im Katoraum erreicht. Sie hatten einen großartigen Erfolg erzielt. Wenn ihr Plan zur Gänze aufging, würden ab sofort Billiarden Wesen in Orpleyd mit der Wahrheit über die Pläne der Gyanli sowie deren Hintermänner informiert werden.
Die BROVDUYK-Roboter allerdings ließen sich nicht beeinflussen. Sie schossen aus den Läufen unzähliger Gesichtstentakel. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Rhodan und seine Leute diesen Kampf verlieren würden.
2.
Zu Tode betrübt
Blick 1: Cavastim
Die Eileiter war fertiggestellt, die dazugehörigen Stöcke in perfekter Harmonie zu ihrer Umgebung angeordnet. Cavastim gab ein zufriedenes Röhren von sich. Bald würden drei Schock neuer Bürger der Gevack-Diktatur von den Amtsmüttern aus ihren Schalen freigeklopft und nach der rituellen Geburtswaschung in ihre Pflichten eingewiesen werden.
»Das wird eine ausgezeichnete Schlüpfung«, sagte sein siebenundzwanzigster Mehrling rechtsseits, Cavastic, der neben ihm als Einziger ihrer Eileiter noch am Leben war. »Wir haben ausgezeichnete Arbeit geleistet.«
»Ich würde das Ei nicht vor der Dotterung quirlen«, sagte Cavastim. »Du weißt, wie viel schiefgehen kann auf dem Weg der Eileiter.«
»Wir haben unser Bestes gegeben«, meinte sein Mehrling trotzig. »Ich lasse mir unsere Leistung nicht schlechtreden. Dieses Schock trägt meine Gene in sich, genauso wie deine. Sie werden würdige Nachfahren unseres Cavast-Stammes sein.«
»Hast du dir überlegt, ob dies deine letzte Dotterung sein wird?«
»Ja, Cavastim. Ich kann nicht mehr.«
So war es also. Bald würde er das letzte Mitglied seines Schocks sein. Ein alter, nur noch für die Brutpflege zu gebrauchender alter Gockel.
Oder hatte er das Zeug in sich, ein oder zwei weitere Schocks heranzuzüchten und sie für die Gevack-Diktatur bereit zu machen? Für dieses großartige Reich ...
Cavastim hörte die Nachricht. Sie war mit einem Mal in seinem Kopf, seinem Herzen, seinem Verstand.
Sie paralysierte ihn und versorgte ihn mit Worten und Sätzen, die im ersten Augenblick keinerlei Sinn ergaben.
Lange Sekunden vergingen, bis er die Nachricht verstanden und verinnerlicht hatte. Umso länger dauerte es, bis er erfasst hatte, was man ihm sagen wollte.
Minutenlang stand er da auf seinem Wandersteig, schwankend und kaum kräftig genug, um sich mithilfe seiner Krallen festzuhalten.
»Es ist so, wie wir es immer vermutet haben«, hörte er Cavastic wie aus weiter Ferne sagen. »Die Gyanli haben uns nicht nur an unserer Ausbreitung gehindert.«
»Sie wollen uns darüber hinaus wie Nahrung verwerten«, ergänzte Cavastim. »Wir sind Nutzvieh für sie. Um einen düsteren Plan auszuführen. Um unsere glorreiche Zivilisation in etwas ganz anderes zu verwandeln.«
»Sie wollen die gesamte Galaxis vernichten«, gluckerte Cavastic.
Cavastim wollte verstehen. Steckte das abgrundtief Böse hinter dem Vorhaben der Gyanli – oder waren sie wahnsinnig?
Spielte dieser Unterschied überhaupt eine Rolle?
Nein.
Die Gyanli und diejenigen, die hinter ihnen standen, wollten alles Sein in Orpleyd in den Tod schicken, um eine Materiesenke zu erschaffen. Eine letale Leere, dort, wo einstmals blühendes Leben gewesen war.
Cavastim löste sich aus seiner Starre. Er blickte auf die Eileiter und die Stöcke hinab. Andere Brutgehilfen kamen ebenfalls zu sich. Cavastim war sicher, dass diese Nachricht ins Bewusstsein aller Angehörigen seines Volkes eingesickert war. Vermutlich war sie sogar von halb ausgebrüteten Dottern verstanden worden.
»Und jetzt?«, fragte Cavastic an seiner Seite.
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Cavastim. »Ich weiß nur eines.«
»Und zwar?«
»Diese drei Schocks, für die wir verantwortlich sind: Ich werde nicht zulassen, dass unsere Brütlinge jemals ein Bewusstsein erlangen. Ich will sie nicht in einer Welt wissen, in der sie wie Nutzvieh behandelt werden.«
»Du meinst ...«
»Ja, Cavastic. Ich werde die Eier zerschlagen. Und es ist mir einerlei, ob du mir dabei helfen wirst.«
Er drehte sich zur Seite und balancierte die Stange entlang, ohne seinem Mehrling nur einen Blick zu widmen. Er wusste, was er zu tun hatte.
Am Schwingen der Latte fühlte er, dass Cavastic ihm folgte, auf dem Weg hinab zum Nachwuchs, der niemals ausgebrütet werden durfte.
3.
Bayvtaud
Die Bösartigkeit des Feindes
Diese Botschaft war eine Schande! Sie pervertierte ihr Ansinnen, KOSH und alle Bewohner der Galaxis Orpleyd zu retten, auf eine Art und Weise, wie sie bloß einem kranken Gehirn entspringen konnte.
Perry Rhodan war ein unangenehmer und mit allen Wassern gewaschener Gegner. Einer, der ihren Erfolg infrage stellte.
Wut überkam Bayvtaud, als er die falsche Botschaft des Terraners hörte. Mit der Wut kehrte die Kraft zurück. Er war der Clanführer der Vtaud. Er würde sich nicht geschlagen geben. Er bekämpfte die Wucht der mentalen Botschaft und kam zu sich. Es dauerte bloß Sekunden, bis er wieder klar im Kopf war und seine Drifthäute zu zittern aufhörten.
»Was habt ihr getan?«, schrie er die Fremden an. »Wie konntet ihr es wagen?«
Sie antworteten nicht. Selbstverständlich nicht.
Sie waren in Feuer gebadet, ihre Schutzschirme belastet. Die BROVDUYK-Roboter kesselten sie in der Enge des Raumes ein und beschossen sie mit Thermostrahlen.
Der Boden warf Falten und schmolz, von den Wänden tropfte Metall. Ein Aggregat der Steuerpositronik explodierte. Drei der BROVDUYKS sicherten das Übergangsportal. Es durfte nicht beschädigt werden, unter gar keinen Umständen! Die mikrominiaturisierten Schwarzen Löcher bargen Energien, die sich vor Ort niemals bändigen ließen.
Zwei Terraner wehrten sich nicht. Sie kamen eben erst hoch, verwirrt und desorientiert. Auch sie waren von der mentalen Wucht der lügnerischen Botschaft Perry Rhodans erfasst worden. Das Pelzgeschöpf, die Frau mit der grünen Haut und Perry Rhodan selbst wehrten sich. Das große Geschöpf mit den langen Armen stand bloß da und starrte sinnentleert vor sich hin.
»Was habt ihr getan?«, wiederholte Bayvtaud seine Frage. »Wisst ihr eigentlich, was ihr angerichtet habt?«
Er wollte Antworten. Er wollte diesen grässlichen Feind verstehen lernen. Wenn er die augenblickliche Exekution der Terraner anordnete, würden viel zu viele Fragen offenbleiben.
Bayvtaud überprüfte die Schutzmechanismen seiner Kutane. Er war sicher. Zwei BROVDUYKS standen vor ihm und zogen das Feuer der Feinde auf sich.
Er gab weitere Anweisungen an die Roboter. Sie sollten alle Gegner unschädlich machen. Perry Rhodan indes musste für die Dauer eines Verhörs erhalten bleiben. Ebenso benötigte er Teile jener Aggregate, die der Terraner und seine Begleiter am Körper trugen. Sie waren der gyanen Technik zum Teil überlegen und gehörten analysiert.
»Tötet die Jungblubber am Boden!«, befahl er den BROVDUYK-Robotern und trat einen weiteren Schritt zurück. Er wollte nicht weiter in die Kampfhandlungen verwickelt werden. »Tötet die Frau, den Pelzigen, den Großen.«
Er wandte sich seinen Begleitern zu, die allmählich wieder zu sich fanden. Sie wichen vor ihm zurück. In ihre Blicke kehrte ganz langsam das Leben zurück.
Erst jetzt!, dachte Bayvtaud und hatte Mühe, seinen Ärger zu verbergen. Es war eine Sache des Willens, gegen die Wirkung der Botschaft anzukämpfen. Er hatte gehofft, exzellent ausgebildete Soldaten um sich zu haben, und musste nun zur Kenntnis nehmen, dass sie seinen Ansprüchen nicht genügten.
Er trat auf einen von ihnen zu, einen Mann namens Kamavtaud, dessen Gesicht über und über mit blaustichigen Farblagen versehen war. Erst allmählich nahm der Soldat wahr, was rings um ihn geschah. Das Gespinst aus intriganten, bösartigen Ideen, das Perry Rhodan ihm in den Kopf gepflanzt hatte, tat seine Wirkung.
»Sieh mich an, Kamavtaud!«, befahl er dem Mann. »Konzentrier dich auf meine Worte.«
»Ich ... höre, Clanführer«, sagte der Soldat, kaum verständlich.
»Hör nicht weiter auf die Lügen! Komm zu mir zurück, Kamavtaud! Du weißt, wer ich bin und was ich bin. Du weißt, wessen Wasser du trinkst. Du weißt, dass diese Botschaft dazu gedacht ist, dich in deinem Innersten zu vergiften.«
»Ja, ich weiß es.«
»Dann kämpf gegen die Lügenbotschaft an! Dein Clan braucht dich, dein Volk braucht dich!«
Eine Minute oder länger war seit der Rückkehr Perry Rhodans aus dem Katoraum verstrichen. Immer noch war er als einziger Gyanli einsatzbereit.
Er benötigte Kamavtaud, um ihm das Kommando über die BROVDUYK zu überlassen. Er musste die Steuerzentrale sichern und dafür sorgen, dass die ausgestrahlte Botschaft nicht wiederholt wurde.
»Wir haben ein Problem, Herr.«
Bayvtaud drehte sich um und fasste einen der BROVDUYKS ins Auge. Ein Kommunikationstentakel war in seine Richtung ausgefahren, der Körper zur Hälfte in der Gluthitze des Kampfes verborgen.
»Rede!«
»Die Feinde verschwinden«, sagte die Maschine. »Sie lösen sich im Nichts auf.«
Bayvtauds Drifthäute zwischen den Fingern zogen sich schmerzhaft zusammen. Was ging da vor sich? Warum waren die beiden Jungen weg, warum der Riese, warum der Pelzige?
Kaum hatte er zu Ende gedacht, tauchte das einzahnige Wesen wie aus dem Nichts auf, eingehüllt in Flammen. Es torkelte vorwärts, auf die letzten beiden verbliebenen Feinde zu, packte sie an den Händen – und löste sich zusammen mit ihnen auf.
Die BROVDUYKS stellten das Feuer augenblicklich ein. Sie ließen Bayvtaud auf einen völlig zerstörten Raum blicken, in dessen Hintergrund unzählige Katoporen vor sich hin waberten und in ihrer Gesamtheit das Übergangsportal zum Katoraum darstellten.
Von Perry Rhodan und den anderen Feinden war nichts mehr zu sehen.
Bayvtaud wollte brüllen. Wollte seinem Ärger Luft machen. Doch er war der Clanführer der Vtaud, des Verborgenen Clans.
»Der Pelzige ist ein Teleporter«, schlussfolgerte er, an den Roboter gewandt. »Er und seine Begleiter können nicht weit gekommen sein. Die Steuerzentrale ist von einem fünfdimensionalen Schirm umgeben, den er unmöglich durchbrechen kann. Sucht die Flüchtigen! Ich will, dass jeder Gyanli und jeder Roboter an Bord der Steuerzentrale nach ihnen fahndet.«
Er wandte sich Kamavtaud zu, der eben die Funktionen seiner Kutane überprüfte und einige eingeübte Handgriffe tat. Er war wieder bei Sinnen.
»Du hast mich schwer enttäuscht, Kamavtaud. Ich ziehe dich persönlich zur Verantwortung, sollte sich Perry Rhodan in einer halben Stunde immer noch frei in der Station bewegen.«
»Jawohl, Clanführer.«
Kamavtaud stürmte davon, drei seiner Soldaten schlossen sich ihm an, ebenso ein Teil der Roboter. Die anderen Kämpfer arbeiteten nach wie vor an der Überwindung ihres Schocks angesichts der Lügen, die Perry Rhodan ihnen aufgetischt hatte.
Bayvtaud machte sich ebenfalls auf den Weg. Die Steuerzentrale des Sextafrequenz-Separators musste in ihrer Gesamtheit geschützt werden. Er musste die Techniker, die Wachsoldaten und all jene, die den frei im Weltraum treibenden Riesenkomplex instand hielten, neu auf ihre Pflichten einschwören.
Die Terraner hatten bereits genug Schaden angerichtet.
4.
Perry Rhodan
Fluchtsprünge
Gucky war weit über seine Kräfte hinausgegangen und hatte sie aus dem Raum des Übergangsportals weggeschafft.
Nun saß er auf dem Boden und stierte blicklos vor sich hin. Nur der SERUN hielt ihn bei Bewusstsein, verabreichte ihm kreislaufstärkende Medikamente und Karottenkonzentrat. Sichu kümmerte sich um ihn. Sie redete mit monotoner Stimme auf ihn ein und bemühte sich, seine mit den Teleportationen einhergehenden Bewusstseinsstörungen zu bekämpfen.
Rhodan orientierte sich. Gucky hatte sie lediglich über eine Distanz von etwa zwanzig Metern teleportiert. Sie waren, wenn er seinen Plänen von der Steuerstation des Schnitters vertrauen konnte, im übernächsten Raum gelandet: einem Kühllager, in dem Nahrungsmittelvorräte und Brocken torfähnlichen Materials gestapelt waren, das der Ausgestaltung von Liegekuhlen und Bädern für die amphibischen Gyanli diente.
»Sie werden uns bald entdecken«, sagte Gholdorodyn und schabte mit den zweigeteilten Greiflappen über den Boden.
Der Kelosker ist vollends einsatzbereit. Sehr gut.
»Wie weit ist es bis zum Kran?«, fragte Rhodan. »Zeig mir gangbare Wege, wie wir ihn unbemerkt erreichen können.«
Gholdorodyn schwieg. Aus dem weit geöffneten Mund blubberten einige Bläschen und verschwanden rasch wieder. Er gab sonderbar klingende Töne von sich und ließ mit einer lässigen Handbewegung ein Holo vor Rhodan erscheinen.
Gholdorodyn wies auf die verwinkelten Gänge, Treppen und Beförderungswege im Inneren der Steuerstation. Mehrere Leitlinien zeigten Möglichkeiten auf, wie sie zu dem sorgfältig versteckten Kran gelangen konnten.
Hatten sie das Spielzeug des Keloskers erreicht, war aber längst nicht alles gewonnen. Die Steuerstation war gut geschützt. Sie mussten Geduld haben und darauf warten, dass die Gyanli eine Strukturlücke in ihrem Schutzschirm öffneten. Erst in diesem Moment konnten sie sich mithilfe des Krans einfädeln und zurück an Bord jener LAURIN-Jet gelangen, in der Farye Sepheroa auf sie wartete.
»Die Gyanli erwachen allmählich aus ihrer Starre«, sagte Sichu. Sie lehnte Gucky gegen einen »Torfblock« und blickte auf ihr Multikom-Armband. »Wir haben noch zwei, drei Minuten, bis sich die Steuerzentrale des Schnitters in ein – wie sagt ihr Terraner? – in ein Insektennest verwandelt.«
»In ein Wespennest«, verbesserte Rhodan. »Schaffen wir es bis dahin unbeobachtet zurück zum Kran, Sichu?«
»Nein. Aber ich empfehle, es trotzdem zu versuchen. Sobald Gholdorodyn den Kran aktiviert hat, kann er uns im Inneren der Station beliebig platzieren. Wir bleiben mobil, ohne auf Gucky zurückgreifen zu müssen. Wir können dieses Spielchen fortsetzen, bis sich eine Gelegenheit zur Flucht ergibt.«
»Einverstanden. Arbeitet den Fluchtweg aus. Beeilt euch!«
Rhodan wandte sich Lua Virtanen und Vogel Ziellos zu. Die beiden Jugendlichen wirkten nach wie vor benommen. Doch sie waren bereits wieder auf den Beinen und hielten sich an den Händen. So, als müssten sie einander umklammern, um Sicherheit zu finden.
Er überprüfte ihre Vitalwerte und stellte rasch einige Fragen. Sie beantworteten sie zu seiner Zufriedenheit. Beide waren bei klarem Verstand.
»Der Fluchtweg ist durchgeplant«, sagte Sichu und wandte den Blick vom Multikom ab. »Wir haben ein Zeitfenster von exakt ... dreizehn Sekunden.«
»Ausgezeichnet. Machen wir uns auf den Weg. Gholdorodyn? Kümmerst du dich um Gucky?«
Der Kelosker packte wortlos zu und nahm den Mausbiber wie ein Kleinkind hoch. Er war dreimal so groß wie Gucky, dessen Gewicht für ihn keinerlei Belastung bedeutete. Zumal ihn sein Spezial-SERUN unterstützte.
»Ich führe euch!«, sagte Sichu. »Stimmt die Positroniken aufeinander ab und lasst euch von mir ziehen.«
Rhodan betätigte die notwendigen Schaltungen und achtete darauf, dass seine Begleiter in den Verbund übernommen wurden.
Noch fünf Sekunden. Rhodan gab Sichu per Handzeichen zu verstehen, dass sie bereit waren. Die Ator öffnete das Tor des Lagers, sah sich um und ging schließlich nach links. Der Deflektorschirm machte sie unsichtbar. Es dauerte einige Zehntelsekunden, bis die Antiflexfolie des SERUNS dies für Rhodan aufhob.
Rhodan fühlte ein leichtes Ziehen. Sichus SERUN zerrte ihn mit sich wie auch die anderen Mitglieder ihrer kleinen Einsatzgruppe.
Gucky war über Funk zu hören. Er murmelte Worte vor sich hin, war nach wie vor nicht völlig bei sich. Rhodan versetzte es einen Stich, als er die Namen Iltu und Jumpy vernahm.
Rhodan konzentrierte sich aufs Neue und achtete vermehrt auf seine Umgebung. Sichu entwickelte eine beachtliche Geschwindigkeit, während sie durch ein System von Gängen und Wegen rasten, eine durch Prallfelder aufrecht gehaltene Wasserfront durchquerten und sich auf der anderen Seite des Raumes durch eine Futterreuse zwängen mussten.
Drei Gyanli starrten ihnen teilnahmslos hinterher. Zwei fischähnliche Roboter der BROVDUYK-Klasse folgten ihnen für einige Meter, bevor sie zurückblieben. Vermutlich warteten sie auf Befehle. Die Besatzung der Einsatzzentrale war weiterhin verwirrt und nicht in der Lage, die Situation folgerichtig zu beurteilen.
Sollten Rhodan und seine Begleiter Sabotageakte ausüben, um die Verwirrung weiter zu steigern? Womöglich gelang es ihnen, die Station irreparabel zu beschädigen?
Das würde niemals funktionieren, sagte sich Rhodan. Die sensiblen Bereiche der Steuerzentrale und die Rechnerkerne der gyanen Positroniken sind mehrfach redundant geschützt. Und die Sicherheitsvorkehrungen wurden gewiss nochmals verstärkt, nachdem es uns gelungen war, durch das Portal in den Katoraum vorzudringen.
Sie steuerten mit Höllentempo auf eine Wand zu. Sichu änderte die Flugrichtung in letzter Sekunde, nicht, ohne die Metallwand mit einem gezielten Strahlschuss zum Schmelzen zu bringen und einige Spionsonden durch die entstandene Lücke zu schicken.
»Sie senden Vitalwerte aus, die unseren gleichen«, sagte sie erklärend. »Die Sonden haben Anweisung, in den Servicegängen der Zwischenwände zu bleiben und für Verwirrung zu sorgen.«
Ein weiterer Gang, eine weitere Halle. Womöglich ein Ruhe- und Erholungsraum der Gyanli. Einige trieben in morastigem Wasser, andere ruhten an Land.
Eindrücke huschten an Rhodan vorüber: Säle voll Fischwesen, die in Wasserblasen gefangen waren; eine riesige Halle, leer und mit bunten Mustern beschmiert, die den Farblagen in den Gesichtern der Gyanli ähnelten; Soldaten, die auf sie feuerten und ihnen für eine Weile folgten; ein Raum, vollgestopft mit Aggregaten und mit einem Schutzschirm versehen.
Sichu wählte blitzschnell eine Ausweichroute, die sie in eine höhere Etage führte und sie ein weiteres Mal mit BROVDUYKS zusammenstoßen ließ. Es waren bloß zwei der welsähnlichen Maschinen, die rasch im Sperrfeuer ihrer Waffen vergingen.
Erneut schickte Sichu eine Handvoll Sonden aus, während sie die Gruppe in eine andere Richtung weiterleitete.
Es war eine atemlose Hetzjagd quer durch die Steuerzentrale. Unterdessen kamen, ringsum immer mehr Gyanli zu sich und reagierten auf sie.
Endlich erreichten sie ihr Ziel: jenen Lagerraum, in dem sie den Kran hinterlassen hatten.
Gholdorodyn ließ Gucky behutsam zu Boden gleiten und kümmerte sich mit der ihm eigenen Gelassenheit um das wundersame Gerät. Lua Virtanen und Vogel Ziellos sicherten den Raum, während Sichu eine rasche Situationsanalyse vornahm.