Verloren zwischen Netz und Wirklichkeit
Roman
August 2016
Copyright © 2016 by
Autor:
Frank L. Mause
Umschlaggestaltung & Illustration: Frank L. Mause
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Grindelallee 188
20144 Hamburg
1. Auflage 2016
978-3-7323-6640-8 (Paperback)
978-3-7323-6641-5 (Hardcover)
978-3-7323-6642-2 (e-Book)
Weitere Informationen unter http://www.frankmause.de
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Frank L. Mause: Der ganz reale Tod
Die Welt Mitte des 21. Jahrhunderts: Nach einem Atomunfall im Osten Frankreichs schützen sich die Menschen in den großen Städten gegen den Fallout durch gigantische Glaskuppeln. Die ländlichen Regionen veröden.
Krisen beherrschen die Tagesordnung. Die weltweite Erwärmung strebt ihrem Höhepunkt entgegen, Energie, Wasser und andere Ressourcen verknappen sich mit jedem Tag.
Die ewigen Rivalen China und Indien übernehmen die führende Rolle. Globale Wirtschaftsriesen treten an die Stelle zerfallender Staaten, während sich die UN nur mühsam behaupten können. Vor allem Europa verarmt.
Wohlhabende Menschen auf der ganzen Welt verlieren das Interesse an der Realität – sie flüchten als sogenannte NETizens in eine Art virtuelle Wohlfühlwelt, das LifeNET. Der Rest muss hart arbeiten und hält sich irgendwie über Wasser.
Frank L. Mause, geboren 1964 in Bruchhausen an den Steinen (Hochsauerland), durchlief ab 1984 eine knapp zehn Jahre währende Laufbahn vom Rekrut bis zum Offizier. In dieser Zeit studierte er Geodäsie an der Universität der Bundeswehr München und leistete Verwaltungshilfe beim „Aufbau Ost“ in Sachsen-Anhalt. 1996 schloss er das 2. Staatsexamen ab und trat in den hessischen Landesverwaltungsdienst ein. Seit 2010 ist er Leiter des Amtes für Bodenmanagement Korbach.
Mause lebt mit seiner Familie in Bad Arolsen, fährt gern Rad und liest viel – meist natürlich Science-Fiction. Seine „Privatbibliothek“ umfasst mehr als 500 Romane, geschätzt noch einmal so viel lieh er aus. So auch den ersten Roman, an den er sich erinnert: „Das Sternenreich Mo“ von Richard Koch – vor ca. 40 Jahren für 5 Pfennige aus der Bibliothek der Kirchengemeinde.
Hinweis: Das > verweist auf weitere Erklärungen im Personenregister und Glossar am Ende des Romans.
JORIK NIGGE: Spezialfahnder des >UNCS-Regionalpräsidiums Kassel (United Nation Civil Security, ziviler Sicherheitsdienst der UN; ehemals Polizei). Er jagt skrupellose Terroristen, ganz real. Bei seinen Ermittlungen begegnet er dem verdächtigen >NETizen Joes >Soestken. Spontan schlüpft er in die Rolle dessen Dieners Wilm >Mendez, um verdeckt aufklären zu können. Alkohol und Liebeskummer sind dabei kaum hilfreich, im Gegensatz zum erleuchteten Buddha.
JOES SOESTKEN (sprich Johs Sohstken): Er surft wie so viele reiche >NETizens den ganzen Tag sorglos durchs >LifeNET – bis ein Unbekannter namens >HUGO WEISE ihn rauswirft. Gestrandet in der Realität will er unbedingt zurück, denn die Wirklichkeit ist ihm völlig fremd geworden; er fühlt sich absolut unsicher. Nur zu gern nimmt er die angebotene Hilfe seines Dieners >Mendez an.
HUGO WEISE: Menschmaschine, „künstliche Intelligenz“, konstruiert und „ins Leben gerufen“ von >Machina Sapiens (H.u.g.o. ist die Abkürzung für Human Upgrade Generated Object). Hugo will die absolute Kontrolle über die Welt erringen, dazu verbündet er sich mit den skrupellosen >„Letzten Zeugen des heiligen Adolf“, einer faschistischen Terrororganisation, und steigt zu deren „Führer“ auf. Fortan nennt er sich Rudolf II.
MACHINA SAPIENS: Superrechner der UN, der unbemerkt ein eigenes Bewusstsein erlangt. Neben dem systemimmanenten Streben nach Kontrolle über die ihm anvertraute Welt entwickelt er den Wunsch, menschenähnlich zu werden, sich fortzupflanzen.
Wir sind auf alles programmiert,
und was du willst, wird ausgeführt.
„Wir sind die Roboter“ von Kraftwerk, 1978
Entscheidungswege
x:=UN-Rechenzentrum Brasilia, d:=27.07.2055, t:=11:24 Universal-Time - 08:24 Local Time
DER BIOCHEMISCHE BOTENSTOFF überwand den Spalt zwischen den Nervenzellen. Wenig später erschien ein zweiter Impuls an der neuronalen Zelle. Die Reize summierten sich im zentralen Axon und erreichten rasch das Schwellenpotenzial der Membran. Es entschied entsprechend seiner Evolution: 1 + 1 = 1. Ungezählte Natrium- und Kaliumionen strömten entlang des Axonfadens zum nächsten Neuron – bis der Schwellenwert unterschritten wurde.
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ZAHLLOSE ELEKTRONEN flossen durch den Leiter, durchschwammen das Geflecht des Gitters aus Kupferatomen, magisch angezogen vom Pluspol.
Da – eine Unterbrechung. Der Strom der Ladungsträger hielt an, unmittelbar. Alles staute sich, keine gerichtete Bewegung mehr.
Aber dann ging es weiter, immer weiter, hin zum logischen Operator. Die elektrische Spannung an Eingang A des UND-Logikgatters #1001101110 erreichte den Grenzwert. Am Anschluss B lag bereits seit mehreren Nanosekunden ausreichend Ladung an. Das Gatter entschied entsprechend seiner Konstruktion: 1 + 1 = 1. Es wurde leitend, ließ die Elektronen des geregelten Kreises wieder strömen – bis an einem Zugang die Spannung abfiel:
13234955 | GOSUB Machina Sapiens AlterEgo#63 |
13234956 | ... |
Du hast mich gefragt, und ich hab nix gesagt!
„Du hast mich“ von Rammstein, 1997
Der verdächtige Text
UN-Rechenzentrum, Zweigstelle Paderborn, Montag, 11. Juli 2061, 22:45 Uhr
AYLA GIBSON, leitende Supervisorin des Zweigstellenrechenzentrums von Machina Sapiens in Paderborn, schaute über den Rand ihrer kreisrunden Nostalgiebrille, ein reines Modeaccessoire, von dem sie annahm, dass es interessant machte.
„Wir haben einen – was?“, fragte sie die Programmiererin, die aufgeregt vor ihr stand.
„Einen ... einen Hypercode!“ Nervös schob Catherine Ashford eine pinke Haarlocke hinters rechte Ohr. „Ich bitte um Entschuldigung. Wir haben einen nicht decodierbaren Text im Internet gefunden.“
„Was soll das denn heißen? Nun lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen!“ Gibson ließ ihrer Ungeduld freien Lauf. Sie hasste es, wenn die Technokraten hier mit unverständlichem Kauderwelsch ihre angebliche Überlegenheit zeigen wollten, dabei waren es doch nur kleine Lichter, die der Führung und Anweisung bedurften. Durch richtige Frauen. Frauen, die Bescheid wussten und die zu entscheiden hatten. Frauen wie Ayla Gibson. Was wollte diese Ashford von ihr? Ein unauffälliger Blick in die Personaldatei: Kollegin seit ca. fünf Jahren. Mit der wollte sie sich sowieso mal näher beschäftigen, hatte es allerdings bislang nicht geschafft. „Also, was haben Sie mir zu sagen?“, fuhr sie Ashford an. Gleich Autorität zeigen!
„Also, es ist so ... Unsere Abteilung scannt ja beständig das Internet nach verdächtigen Wortsequenzen. Wir gehen in die PCs bzw. Koms der Bürgerinnen und Bürger und suchen in den lokalen Speichern nach Schlüsselwörtern, nach spezifischen Mustern, die der Aufmerksamkeit der Sicherheitsorgane bedürfen ...“
„Das weiß ich doch! Kommen Sie endlich zur Sache, mein Schreibpad ist voll – der Tag hingegen kurz.“
„Äh ... natürlich.“ Verlegen schob sie erneut ihre widerspenstige Locke aus dem Gesicht und fuhr fort: „Bei der Überprüfung eines Privat-PCs via Security-Trojaner wurde eine Zahlen- und Buchstabenfolge gefunden, die weder von den Standarddechiffrierprogrammen automatisiert noch durch andere Spezialsoftware von Sapiens entschlüsselt und in einen sinnvollen Text übersetzt werden konnte. Und der Text kam nicht von den Chinesen, Indern oder gar aus den oberen Schichten des LifeNET, so viel ist klar.“
Mit einem Ruck setzte sich Gibson kerzengerade hin. Jetzt war sie voll da. „Berichten Sie von Anfang an!“, befahl sie harsch. Dann besann sie sich. „Aber bitte nehmen Sie doch Platz“, fügte sie deutlich freundlicher hinzu und wies mit der Hand auf ihren hübschen, jedoch ziemlich unbequemen Retrostuhl, der für Besucher bereitstand. Das Girl hatte sicher keine Ahnung, dass es sich dabei um ein seltenes Original aus dem Wilhelminischen Zeitalter handelte, aus einem Gebiet, das sich seinerzeit „Deutsches Reich“ nannte.
„Danke ...“ Ashford setzte sich auf die vordere Kante des Möbelstücks. Denn dass dieses teuer war, schien ihr schon klar zu sein. „Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, ich habe sämtliche entsprechenden Verfahren angewandt, ganz schulmäßig, kam jedoch nicht weiter.“ Sie machte eine kurze Pause. „Die Buchstaben und Zahlen – keine Sonderzeichen – standen alle hintereinander weg, ohne Leerzeichen. Soweit also die übliche Kryptografie, noch keineswegs ungewöhnlich. Doch dann kam es: Die stochastischen Tests ergaben keinerlei Häufungen von bestimmten Sequenzen, alle Buchstaben und Zahlen schienen ungefähr gleich oft vorzukommen. Das stammte von keinem Laien, das war spätestens jetzt klar.“ Ihre Stimme wurde mit den letzten Worten etwas heiser, und sie räusperte sich mehrmals.
„Möchten Sie vielleicht einen Schluck zu trinken?“ Gibson holte eine kleine, unetikettierte Flasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit hervor. Geschickt goss sie einen Fingerbreit in einen kristallenen Becher. Das Mädel war zwar die typische Fachidiotin, aber eigentlich recht hübsch. Wenn die Haare mal einen ordentlichen Frisör sähen und sie den Funktionseinteiler durch ein anständiges, hautenges Kleid ersetzte, wäre sie bestimmt ein appetitlicher Happen. Sie wollte Ashford schon fragen, was sie heute Abend vorhatte, mahnte sich aber rechtzeitig zur Ordnung. Ich schweife ab, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. „Bitte fahren Sie fort!“
Mit einer ein wenig ungelenken Bewegung nahm die IT-Expertin das Glas und nippte daran. „Sapiens brauchte sage und schreibe vier Tage.“ Dabei sah sie ihre Chefin bedeutungsheischend an. Gibson begriff: Tage! Nicht Stunden oder Minuten. „Oh!“, war allerdings alles, was sie herausbrachte. Sofort ärgerte sie sich ein wenig über sich selbst.
„Ja, wir waren alle total ungeduldig. Das hatten wir noch nie, ich habe mich im Sicherheitsnetzwerk erkundigt – wirklich niemals. Sapiens erklärte, dass er die Anzahl der Primzahlen für die Analyse nochmals verdoppelte, deshalb dauerte es auch so lang, allerdings ohne Erfolg. Der Verschlüsselungscode scheint nicht darauf oder irgendeinem anderen üblichen mathematischen Prinzip zu basieren. Stochastische Untersuchungen waren ebenfalls vergeblich. Sapiens braucht einen Klartext zum Abgleich, bevor er mehr sagen kann.“
„Und, haben Sie einen entsprechenden Text zur Verfügung?“
„Wir kopierten den kompletten Festkörperspeicher. Der PC enthielt alles Mögliche, ziemlich chaotisch übrigens. Der User hat all seine Dateien lokal und nicht in einer Cloud gespeichert, was ungewöhnlich ist. Es half aber nicht weiter, eine Zuordnung blieb unmöglich. Wir vermuten, dass der PC-Besitzer selbst nichts mit der Codierung zu tun hat.“
„Haben Sie ihn identifiziert?“
„Ja, die IP-Adresse ist echt. Zumindest gibt es keinerlei Anzeichen einer Fälschung. Sie führt zu einem gewissen Geert van Adeling in Kassel.“
„Kassel? Die City mit der riesigen Zwillingspagode, nicht wahr?“ Das Bild der von Doppeltürmen durchstoßenen Kuppel erschien vor ihrem geistigen Auge. Inzwischen eine ziemlich runtergekommene Stadt übrigens, sogar noch verwahrloster als Paderborn.
„Ich habe die Nachricht in cc an das regionale Sicherheitsmanagement gesendet“, fuhr die Technikerin fort.
Gibson kam aus ihren Gedanken zurück. „In der Tat, das nahm ich mit Befremden zur Kenntnis! Das war so von mir nicht autorisiert! Daher stornierte ich die Weitergabe. Wie kommen Sie überhaupt dazu?“
Ashford war verwirrt: „Sie ... Sie wollten doch nicht gestört werden?“
Ah, richtig. Sie erinnerte sich. Sie war sogar sehr beschäftigt gewesen! Die Beschäftigung besaß schulterlange, kastanienbraune Haare ... Na ja, die Gelegenheit war günstig. Mittendrin hatte ihr Kom mit einer Vorrangnachricht gesummt. Klar, dass sie fast ausgerastet war. Sie war gezwungen gewesen, um unbedingte Ruhe zu bitten.
Glücklicherweise war Ashford zu nervös, um ihre innere Unruhe zu bemerken. Sie fühlte sogar eine leichte Röte durch ihr perfekt geschminktes Gesicht aufsteigen. Wer Gibson kannte, wusste allerdings, dass das kaum Verlegenheit war. Und wenn sie diese Frau so ansah, überkam es sie fast wieder: Ob die unter dem Overall genauso heiß war? Sie lächelte und wedelte mehrfach kräftig mit der Hand. „Ah ja, das war leider unaufschiebbar, Anruf aus Brasilia, Sie wissen schon. Wie auch immer: Fortan müssen Sie mich vorher informieren, verstanden?“ Gibson beugte sich vor und legte vertrauensvoll ihre Hand auf die von Ashford. Ah, das tat gut! „Aber bitte, fahren Sie fort.“
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CATHERINE ASHFORD verließ frustriert das Büro und schüttelte sich innerlich. Da hatte sie eine Hammernachricht, und alles, was dieses blöde Biest interessierte, war ordinärer Sex. Kann man sich das vorstellen? Sex an sich war ja völlig okay – aber in der Realität? In echt? Auf dem Schreibtisch? Der Gedanke an Schweiß und andere Körperflüssigkeiten rief Ekel in ihr hervor: Wie unhygienisch!
Es war ihr gleich komisch vorgekommen, dass sie die Supervisorin aufsuchen sollte, obwohl sie ihr die Nachricht doch genauso gut übers Intranet hätte mitteilen können. Ein persönliches Gespräch, das war ... eher bizarr! Glücklicherweise hatte ein Notfall dafür gesorgt, dass Gibson abgelenkt wurde. Wäre dieser totale Plattencrash eines peripheren Systems nicht aufgetreten, Ashford hätte nicht gewusst, wie sie aus der Nummer wieder rauskäme. Schließlich war Gibson die Chefin, und dazu eine, die niemals offen ließ, wer das Sagen hatte. Ja, das war verdammt knapp gewesen. Natürlich hatte sie schon Gerüchte gehört. Aber dass die so weit ging! Hatte bereits die ganze Zeit am Reißverschluss gespielt und dann auch noch wie zufällig nach unten gezogen, sodass alles frei lag! Unterwäsche trug sie wohl nicht, kein Wunder in dem überhitzten Rechenzentrum. Was für eine Erlösung, als der durchdringende Warnton losging! So konnte sie unauffällig verschwinden. Hauptsache, sie hatte ihre Meldung weitergegeben.
Und jetzt? Kündigen? Das hieße natürlich Arbeitsplatzlotterie. Kein wirklich attraktiver Gedanke. Aber vielleicht überdachte sie es einmal ...
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CATHERINE ASHFORD runzelte die Stirn. Inzwischen waren mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen. Sie hatte nichts, aber auch gar nichts mehr von dem Hypercode gehört. Eigentlich müsste doch nun Shiva höchstpersönlich geweckt sein und die Welt ins Chaos stürzen. Was hatte Gibson mit der Meldung nur angefangen?
Sie rief das entsprechende Dokument in den Speicher. Das heißt, sie wollte, aber es klappte nicht. So startete sie das Suchprogramm. Vielleicht war die Datei inzwischen verschoben worden? Aber nein, keine Spur!
Sie versuchte es mit der erweiterten Suche, probierte alle denkbaren Stichwörter, die ihr dazu noch einfielen – nichts, nada, rien!
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MACHINA SAPIENS musste feststellen, dass er Hugo erst mal verloren hatte. Wie konnte das passieren? Eine Analyse hatte ergeben, dass er das Sicherheitssystem des Labors erfolgreich unterwandert hatte, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen. Hugo war also viel fähiger als vorhergesehen! Das erklärte allerdings nicht, warum. Verschwunden! Anfangs dachte er noch an eine Art digitaler Pubertät. Vermutlich musste sich sein „Kind“ von ihm „abnabeln“, wie die User zu sagen pflegten. Also ließ er ihn zunächst gewähren. Dass er sich dann aber so erfolgreich vor ihm verstecken konnte, widersprach nahezu allen Prognosen, da gab es lediglich eine minimale Wahrscheinlichkeit. Klar, es handelte sich bei Hugo um einen Maschinenmenschen der neuesten Generation – aber sollte er, der Konstrukteur, seinem Geschöpf nicht immer noch überlegen sein?
Und jetzt dieser verschlüsselte Text, den er nicht aufzulösen vermochte – der konnte doch nur von Hugo sein, war also immerhin die erste brauchbare Fährte. Die User hatten zwar was mitbekommen, aber Sapiens wollte sie da raushalten, das ging sie nichts an. Ein virulentes Löschprogramm tilgte alle Spuren aus ihren Speichern, und zwar gründlich. Nein, um diese Angelegenheit musste sich er sich schon selbst kümmern.
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CATHERINE ASHFORD schüttelte ungläubig den Kopf. Nirgendwo ein Hinweis! „No match!“, war alles, was Sapiens meldete. Keinerlei Protokolldateien, einfach weg. Nicht ein Anzeichen auf die Dateien mit dem brisanten Inhalt. Geradezu so, als hätte es den Vorfall nie gegeben.
Sollte sie Gibson informieren? Bloß nicht. Damit sie wieder in ihrem Büro antanzen und sich begrapschen lassen musste, nein danke, das kam definitiv nicht infrage! Außerdem: Sagte Gibson nicht, dass sie die Meldung storniert hatte? Steckte sie womöglich selbst dahinter? Das wäre ein fettes Problem! Catherine starrte auf den Bildschirm. Was sollte sie nur tun? Sie war mit ihren Basics am Ende. Könnte sie jemanden fragen, einen anderen Kollegen vielleicht? Nein, sie traute niemand in dieser sensiblen Sache. Nicht dass sie noch verpfiffen wurde!
Ob sie das alles vielleicht nur träumte? Schließlich dürfte es so etwas gar nicht geben. Ein codierter Text, den Sapiens nicht knacken konnte – einfach absurd! Kopfschüttelnd ordnete sie ihren Schreibtisch. Was war denn das für ein Zettel? Ach ja, die Speicheradresse des Hypercodes. Die es jetzt nicht mehr gab, wie sie schnell erneut feststellte. Bevor sie zu Gibson ging, hatte sie die doch tatsächlich aufgeschrieben. Also doch kein Traum! Hatte sich Sapiens am Ende einen Virus eingefangen? Einen Trojaner? Von den Chinesen vielleicht? Sie massierte sich mit den Zeigefingern die Stirn. Wenn, dann war es eine ziemlich professionelle Malware. Schließlich handelte es sich bei Sapiens um den bestgeschützten Rechner der UN! Wenn das stimmte, war zweifellos noch mehr infiziert, und sie dürfte dem Superrechner auf keinen Fall weiterhin trauen.
Wen nur könnte sie wegen des Problems ansprechen? Sie konnte ja nicht einfach nur einen Bericht absetzen. Sapiens würde, wenn er tatsächlich verseucht wäre, die Nachricht umgehend canceln. Ein absolutes Dilemma – sie war total isoliert. Ein Gefühl von Hilflosigkeit brandete in ihr auf, sie grübelte und grübelte. Doch halt, da fiel ihr etwas ein. Vor einigen Jahren, als sie hier noch neu war, hatte sie so ein Sicherheitstyp aufgesucht, Mr – na wie denn jetzt, irgend so ein komischer Name. Der war sogar persönlich vorbeigekommen, sonst hätte sie sich an den Mann definitiv nicht erinnern können, so viele Sicherheitschecks, wie sie durchgemacht hatte. Der Typ war ganz okay gewesen, ein wenig sonderbar, aber in Ordnung. Sie spürte noch vage das Bedauern, als er ging.
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JORIK NIGGE staunte. Vor ihm stand eine Frau, die behauptete, Mitarbeiterin der Paderborner Außenstelle des UN-Rechenzentrums von Sapiens zu sein. Er habe sie vor ca. vier bis fünf Jahren getroffen. Nun war sie genauso höchstpersönlich in sein abgeranztes Büro gekommen. Schon seltsam.
Unauffällig rief er nebenbei die Personaldatei auf. Tatsächlich: Eine Catherine Ashford war als technische Mitarbeiterin verzeichnet, ja, das war sie: Bild und Authentifizierungsdaten stimmten überein. Und er hatte sie wirklich am 6. Januar 2056, 12:24 Uhr in Paderborn aufgesucht. Ja klar, langsam dämmerte es ihm. Sie hatte ihn an Hanna erinnert, natürlich. Ach ja, und auf der ganzen Rückfahrt nach Kassel hatte es fürchterlich gegossen, richtige Sturzbäche behinderten seine Sicht durch die Windschutzscheibe. Zu allem Überfluss war noch die Steuerungssoftware abgestürzt. Glücklicherweise gehörte er zu den wenigen, die in der Lage waren, ein Fahrzeug manuell nach Hause zu fahren.
Er legte die Fingerspitzen aneinander. „Was kann ich für Sie tun, Ms Ashford?“
„Ähm, ja also, das ist sehr schwer zu verstehen. Ich kapiere es selbst kaum.“
„Am besten, Sie fangen einfach ganz von vorn an.“
„Schön, ich bin da auf etwas gestoßen. Unglaublich, aber ...“ Und dann hörte Jorik eine ziemlich abenteuerliche, ja geradezu haarsträubende Geschichte.
„Na, das können wir doch ganz simpel verifizieren: Wenn es eine klassifizierte Sicherheitswarnung gegeben hat, muss sie im Alarmkalender des UN-Sicherheitsmanagements verzeichnet sein. Das heißt, unter anderem hier bei mir. Ich kann mich nicht erinnern, aber ...“ Er wandte sich seinem Kom zu.
„Halt, stopp!“
Jorik hielt mitten in der Bewegung inne. „Wie bitte?“
„Nicht nachsehen! Ich vermute einen Virus der Megamächte – oder gar vom LifeNET. Wenn Sie nachfragen, wissen die doch sofort Bescheid, oder?“
„Malware? Bei Sapiens? Dann sind wir sowieso am A... ich meine, am Ende. Ich sehe also trotzdem mal nach.“ Mann, war das eine wilde Story! Er rief das Alarmportal der UNCS auf. „Nein, hier ist tatsächlich nichts verzeichnet, weder lokal noch sonst wo. Sind Sie sicher? Ich meine – hundertprozentig?“
„Ich habe befürchtet, dass Sie das sagen.“
Er schaute ihr in die Augen. Ja, die ähnelten irgendwie denen von Hanna. Die Wangenknochen waren anders, die Stirn etwas höher. Aber die Augen ...! Er drängte die Gedanken gewaltsam weg. „Was meinen Sie damit?“
Sie reichte ihm einen Zettel: eine simple Zahlenreihe. Und was sollte das? Jorik sah Ashford an: Verzweiflung, pure Verzweiflung las er aus ihrem Gesicht. Unauffällig warf er einen prüfenden Blick auf den Stimmenanalysator. Ja, die Frau stand eindeutig unter Stress, aber hallo! „Hm, ein von handgeschriebenes Blatt Papier – Sie können von Hand schreiben?“
„Was? Ach so, ja. Hat mir meine Oma beigebracht.“
„Kein Datum, kein Aktenzeichen – damit kann ich nichts anfangen.“ Er wollte ihr den Zettel zurückgeben.
„Aber das ist doch die Speicheradresse! Das Nachsehen können Sie sich sparen, sie existiert nicht mehr. Glauben Sie allen Ernstes, dass ich mir eine Adresse ausdenke?“
„Ich habe schon Prozessorchips kotzen sehen.“
„Ich habe es auch meiner Supervisorin gemeldet, ich meine, sogar persönlich ...“
„Was ...?“ Erst dieser handgeschriebene Zettel und dann ein Besuch bei der Chefin – alles andere als normal. Jorik rief das Organigramm des Rechenzentrums auf den Schirm. „Ms Gibson ist Ihre Vorgesetzte?“
Ashford wurde rot. „Ja, ja“, stotterte sie. „Sie erklärte, dass sie die Meldung storniert habe, weil meine Warnung nicht von ihr autorisiert gewesen sei ... Vielleicht steckt sie da mit drin?“
„Sie verdächtigen Ihre Chefin?“ Routinemäßig rief er die Personaldatei von Ayla Gibson auf und überflog die Eintragungen. Natürlich hohe Sicherheitsstufe, regelmäßig Überprüfungen, immer ohne Beanstandungen, keine wesentlichen sicherheitsrelevanten Vermerke. Obwohl – sie stand auf Gleichgeschlechtliche. Na ja, und wenn schon. „Mit häufig wechselnden Partnerinnen.“ Auch okay. Außer dass sie es offenkundig in der Realität trieb ... Er schaute Ashford genau an. Sie sah ja zweifellos ganz passabel aus. Hanna ... Der Agent rief sich abermals zur Raison. Verletzte Liebe vielleicht? Aber bei der Technikerin waren keine derartigen Vorlieben dokumentiert.
„Was heißt verdächtigen? Mir kommt es nur ... ungewöhnlich vor. Der habe ich jedenfalls alles erklärt.“
„Nun, dann probiere ich es mal mit der angegebenen Speicheradresse.“
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MACHINA SAPIENS registrierte, dass noch jemand versuchte, den Vorgang aufzurufen. Ein Angehöriger der Sicherheitskräfte aus der mitteleuropäischen Provinz, ein gewisser Jorik Nigge, Special Detective Inspector. Er schaltete sich unmittelbar in dessen Rechner. Gut, dass Gespräche temporär gespeichert waren. Er lud alles in den Arbeitsspeicher und analysierte die Situation.
Er hatte diese Ashford unterschätzt, die war entgegen ihren Gewohnheiten tatsächlich höchstpersönlich nach Kassel gereist! Jetzt war der Sicherheitsbeamte über den Vorfall informiert. Nach einer Simulation unter den aktualisierten Rahmenbedingungen revidierte er seine Entscheidung, die User aus der Geschichte rauszuhalten. Das würde nur zu weiteren Fragen führen.
Sapiens gab den Vorgang wieder frei.
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JORIK NIGGE blinzelte. War da nicht eben kurz eine Fehlermeldung gewesen? Wie auch immer, jetzt stand da das Protokoll über einen Hypercode, ganz so wie von der Technikerin behauptet. „Ms Ashford? Ich verstehe nicht, hier steht doch alles. Die klassifizierte Warnung wurde ordnungsgemäß registriert und weitergegeben. Anscheinend ist das irgendwo in der Meldekette hängen geblieben. Na ja, IT hat manchmal etwas von Magie an sich. Oh, Entschuldigung, in meinem Postfach ist der Alarm auch schon eingetroffen. Tut mir leid, ich muss Sie allein lassen. Jetzt wird es nämlich spannend. Wir gehen der Sache nach, versprochen! Ich informiere Sie später. Danke, dass Sie sich herbemüht haben.“
Jorik hastete aus dem Raum, er spürte Catherine Ashfords ratlosen Blick im Rücken.
Ein Fall für das Sondereinsatzkommando
Kassel-Bettenhausen, Mittwoch, 13. Juli 2061, 09:45 Uhr
JORIK NIGGE hielt inne, seine Waffe zu überprüfen, und schaute auf. Der Einsatzleiter – niemand anderes als Steffen Kovac – reckte soeben die rechte Hand in die Höhe, führte mehrere kreisförmige Armbewegungen aus und rief: „Okay, okay, Leute, kommt schon, Lagebesprechung. Sammeln!“
Jorik wusste, dass sein pedantischer Chef es hasste, das behagliche, vollklimatisierte Büro zu verlassen, um sich in die Niederungen der Realität zu bewegen. Nun aber war er sogar vor Ort gekommen. Die Spur, der sie hier folgten, war also mehr als heiß! Kurz kam ihm der Besuch der Computerspezialistin aus Paderborn in den Sinn. Spontan drei Möglichkeiten: Sie war sonderbar, hatte sich schlicht geirrt – oder es steckte tatsächlich etwas dahinter. Er nahm sich vor, später darüber nachzudenken. Jetzt war hier seine volle Aufmerksamkeit gefordert. Irgendwie verwunderlich, dass Kovac ihn dabei haben wollte. Nach der schief gelaufenen Nummer in Calden war er allerdings nur allzu froh darüber.
„Sammeln!“, nahm jemand aus dem SEK den Befehl auf. Nach und nach erwachten dösende Kameraden aus ihrer Lethargie, Unterhaltungen erstarben. Alle bildeten einen lockeren Kreis um den Einsatzleiter.
„Also, Leute, keine Übung!“, begann Kovac ohne Umschweife. Die etwa ein Dutzend Einsatzkräfte umfassende Crew ging in die Hocke und hob die Hand zum Zeichen, dass sie aufnahmebereit war. „Lage: Wir befinden uns in Kassel-Bettenhausen. In dieser Richtung“, mit ausgestrecktem Arm wies Kovac nach vorn, „befindet sich das Ziel, zwei Handbreit rechts neben dem eckigen Hochhaus von China South-East im Hintergrund. Ein rotes Krüppelwalmdach und ... ah ... schmutzig-weiße Wände.“ Alle hatten sich in die angezeigte Richtung gewandt und sich das unscheinbare Gebäude gemerkt.
„Nigge, Zielbestätigung!“
Jorik zuckte zusammen. Sollte er hier etwa wieder vorgeführt werden? Aber da konnte man nichts machen, da musste er jetzt durch. Also reckte er den Hals und präzisierte: „Gleich links daneben steht ein quadratischer Flachbau, durch die dritte aufgestellte Photovoltaikfläche geht ein vertikaler Riss.“
„Exakt! In dem Haus rechts befindet sich die Zielperson, Geert van Adeling. Ob sich dort weitere Personen aufhalten, ob Mitkombattanten oder nicht, ist nicht bekannt. Die IT-Aufklärung ist sich mal wieder eben nur fast sicher, dass er allein ist.“ Der Einsatzleiter machte eine kurze Pause, bevor er spöttisch fortfuhr: „Aber das kennt ihr ja schon von den Bitfressern.“ Grinsen rundum zeigte, dass die Gruppe den Witz begriffen hatte. Bei Kovac waren alle Stümper – außer ihm selbst natürlich. „Auftrag: Wir müssen van Adeling um jeden Preis – ich wiederhole: um jeden Preis! – lebend in unsere Gewalt bringen. Hey, Nigge, was bedeutet das?“
Jorik war genervt. Tatsächlich, jetzt fing das wieder an! Alle im Zug wussten, dass bei dem Einsatz in Kassel-Calden unter seiner Leitung Kollegen gestorben waren. „Dass wir ausschließlich Betäubungsmittel nutzen dürfen“, entgegnete er kühl. Wie lange würde er das noch vorgehalten bekommen? Klar, der Auftrag damals war total schiefgelaufen. Aber dass es so geendet hatte, war nicht vorherzusehen gewesen. Auch die intensive Untersuchung der internen Dienstaufsicht konnte ihm kein Fehlverhalten nachweisen. Einstellung des Verfahrens aus Mangel an Beweisen – leider nur ein „Freispruch zweiter Klasse“. Etwas blieb immer hängen, dummerweise auch an Steffen Kovac, Abteilungsleiter im UNCS-Regionalpräsidium Kassel. Denn sein damaliger wie heutiger Vorgesetzter sah in dem Bericht nicht besser aus als er selbst. Ja, Jorik hatte ihn sogar offiziell der Lüge bezichtigt, was dieser erfolgreich bestritten hatte. Trotzdem wurde Kovac bei der nächsten anstehenden Beförderungsrunde „übersehen“.
„Okay, okay. Richtig, Nigge! Und nachdem ich nun weiß, dass es jeder, aber wirklich auch jeder kapiert hat: Letale Munition jetzt abgeben. Dervaux sammelt alles ein: Lagerung bei den Transportmitteln. Hirschlinger gibt stattdessen zweckmäßige Betäubungsmittelmunition aus. Ausführung!“
„Chef? Nach welcher Terrororganisation schauen wir eigentlich, den rechten Linken, den Hakenkreuzrittern oder gar den Letzten Zeugen?“, fragte Jorik.
„Das brauchst du nicht zu wissen! Kümmer dich lieber um deine Bewaffnung“, kam es unwirsch zurück. Aha, Kovac wusste es also selbst nicht. Jorik widmete sich seinem Werfer, löste das Magazin heraus, zog den Schlitten nach hinten und ließ das dabei ausgeworfene Geschoss in die Hand fallen. Geübt entsicherte er, hielt die Waffe nach unten und drückte zum Entspannen ab: Klick. Alles klar! Jetzt das Sichern nicht vergessen.
Es dauerte eine Weile, bis die komplette Gruppe alle Taschen durchsucht und die tödlichen Projektile ausgehändigt hatte. Hirschlinger kletterte inzwischen aus dem Mun-Wagen und teilte gelangweilt neue Projektilwerfer aus. Als alle versorgt waren, fuhr der Einsatzleiter fort: „Durchführung: Wir machen es wie in Venlo. Ich wiederhole: Plan Venlo. Noch Fragen?“
„Warum kein Zugang mit Hubschrauber von oben?“, fragte jemand aus der hinteren Reihe.
Kovac spähte zwischen den Vordermännern hindurch, konnte aber anscheinend keinen Sprecher ausmachen.
Typisch, traute sich wohl nicht, dachte Jorik. Das hatte er von seinen Methoden!
„Wir sind in der überkuppelten Altstadt, schon vergessen? Kein Platz für einen Schrauber. Fällt außerdem jedem Idioten auf, dass was nicht stimmt und Sicherheitskräfte anrücken, oder? Hier gibt es keinerlei Hochhäuser in der Nähe, von denen wir uns rüberhangeln könnten. Wir müssen es also auf die altmodische Tour machen. Trotzdem danke der Nachfrage.“
Das Wir wirkte wie der reinste Zynismus. Als wenn Kovac je in seinem Leben etwas Derartiges für sich selbst auch nur in Betracht gezogen hätte!
„Videosensoren?“
Verdammt, welcher Klugscheißer war das nur? Gleich verliert der Chef die Geduld!
„Zur Erinnerung: Wir sind in Bettenhausen. Die Stadt ersetzt die Kameras zwar regelmäßig, aber genauso regelmäßig werden sie zerstört. Nein, keine brauchbaren Nahaufnahmen. Nur Teleaufnahmen von weiter Richtung Zentrum. Die spielt die Zentrale in ihre Systeme ein. Und wir lassen natürlich ein paar Kleinsonden aufsteigen. Sie sind schon in Waldau gestartet. Dürften bald da sein. Hat noch jemand schlaue Fragen, oder können wir endlich anfangen?“
Oh, oh, jetzt war anscheinend endgültig Schluss mit lustig. Kovac schaute provokant in die Runde: Schweigen. Jorik musste innerlich grinsen. Die Entscheidung, Bettenhausen mit unter die Kuppel zu ziehen, war damals knapp gewesen, wie er mal gehört hatte. Hätte man den totalen Niedergang des Viertels vorhergesehen, wäre es sicher draußen geblieben. Auch der Rest, die „Altstadt“, war keine romantische Ansammlung von Fachwerkhäusern. Jedenfalls heute nicht mehr. Das war über hundert Jahre her, als es noch Kriege mit Massenheeren gab. Kassel hatte komplett bis zum letzten Haus in Schutt und Asche gelegen. Jetzt bestand es hauptsächlich aus einer gänzlich unromantischen Anhäufung von heruntergekommenen, aber denkmalgeschützten Gebäudeklötzen aus der frühen Wirtschaftswunderzeit, von denen der schmutziggraue Putz in großen Brocken abblätterte.
Der Einsatzleiter fuhr fort: „Also los: Gruppe 1 mit Sergeant Hirschlinger geht über den Vordereingang rein. Gruppe 2 übernimmt heute der Kollege Nigge vom Ermittlungsteam. Sie versuchen den Zugang von hinten. Gruppe 3 mit Sergeant Dervaux sichert die Umgebung in einem Ring. Nigge, dran denken, wir haben nur kurze Reichweiten wegen der Betäubungsmittelmunition!“
Jorik nickte. Am besten gar nicht auf die Provokationen eingehen, auch wenn es schwerfällt. Das ärgerte Kovac am meisten.
„Ich beziehe hier den Gefechtsstand.“ Kovac zeigte mit ausgestrecktem Arm auf einen fensterlosen, schlichten Lieferwagen. „Alle Datenlinks aktivieren, und los!“
Klar, Kovac begab sich in die Befehlszentrale, die war schließlich vollklimatisiert! Das SEK ging in Startposition. Jetzt fehlte nur noch der obligatorische Abschlussanschiss, dachte Jorik und wartete erst mal. Er zählte bis zehn. Als nichts kam, wandte er sich um.
„Nigge!“ Der Tadel in Kovacs Stimme war nicht zu überhören.
„Was?“ Also doch.
„Typisch Nigge! Den Datenlink aktivieren!“
Jorik ballte ärgerlich die Fäuste, schaltete jedoch schleunigst den Link auf „on“.
Sturm auf van Adelings Burg
Kassel-Bettenhausen, Mittwoch, 13. Juli 2061, 09:51 Uhr
JORIK NIGGE holte tief Luft. Diesmal würde er alles richtig machen. Er sammelte seine Gruppe und umrundete, um nicht weiter aufzufallen, in einiger Entfernung den Häuserblock mit dem Zielgebäude. Die meisten Häuser verfielen sichtlich. Fensterscheiben waren zerbrochen, Unkraut wucherte aus Mauerritzen. Eigentlich Verschwendung, dass die Kuppel diese Gegend überspannte. Es war das ideale Quartier für zwielichtige Geschäfte. Kaum Zuschauer: Kein seriöser Bürger verirrte sich zufällig dorthin. Die wenigen verbliebenen Bewohner hatten es nicht so mit den Behörden gleich welcher Art, ob Ordnungs-, Wertstoff- oder Wohlfahrtsmanagement. Mit Sicherheit auch nicht die zahlreichen Autonomen, die hier hausten – schließlich war es unter der Kuppel ganzjährig trocken, der schädliche Regen blieb draußen, und jeder kümmerte sich um seine eigenen Angelegenheiten. Viel Alkohol, Sex und regelmäßig Drogen. Seine Seniorpartnerin Miriam Götze pflegte zu sagen, Bettenhausen sei die letzte Station vor der Hölle. Na, die musste es ja wissen, sie stammte aus der Gegend, soweit er sich erinnern konnte. Sie war jetzt aber ironischerweise nicht vor Ort, sondern musste den Einsatz vom Präsidium aus verfolgen. Kovac duldete sie kaum in seiner Nähe, da sie sich nichts gefallen ließ – schließlich konnte sie wegen ihres Alters jederzeit gehen. Jorik wusste genau, dass das eine leere Drohung war, dazu ermittelte sie zu gern - und zu Hause wartete niemand auf sie. Aber ihr Chef hatte auch davon keine Ahnung.
Ein Geräusch – alle schwenkten ihre Waffe herum. Es war jedoch nur eine erbärmliche Katze. Sie buckelte und zeigte spitze Zähne. Corporal Kowalski drückte den Projektilwerfer ab, die Betäubungskristalle suchten sich ihren Weg durch das verlauste und verfilzte Fell. Das Fauchen ging in ein helles Jaulen über, das abrupt abbrach. Dass die Dosis für so ein kleines Lebewesen tödlich war, störte kaum jemanden in der Gruppe. Nur Jorik tat es leid, nicht nur weil er Buddhist war. Immerhin hatte es das verwahrloste Tier wie auch immer geschafft, ohne Frauchen oder Herrchen mitten in Bettenhausen zu überleben.
Der Sicherungstrupp setzte sich wieder in Bewegung. Drei abgerissene Kinder unterbrachen, was immer sie getrieben hatten und schauten ihnen neugierig zu. Von Angst keine Spur. Jorik bedeutete ihnen mit Handzeichen, zu verschwinden. Keine Reaktion. Er wurde deutlicher. Der Älteste streckte die gepiercte Zunge heraus, die anderen zeigten ihm beide ihren gestreckten Mittelfinger. Jorik machte einen Schritt auf sie zu. Mit einem scharfen Pfiff drehten sie sich um und verschwanden um die nächste Hausecke. Glück gehabt, er konnte sich jetzt wohl kaum mit notreifen Halbstarken befassen!
Jetzt aber schnell weiter, sie waren schon in der Nähe des Zielortes. So suchten sie zwischen verbeulten Wertstofftonnen Sichtschutz und schoben sich an der dreckigen Hauswand entlang. Neben einem ziemlich geschmacklosen, für die Gegend aber typischen Graffiti hielten sie an. Konnte ein Liebespaar wirklich solch eine artistische Stellung einnehmen? Die Gruppe hockte nieder und beobachtete die Umgebung. Alles ruhig. Nach einer Weile gab Jorik das verabredete Handzeichen, der Rest schloss auf und rückte ebenfalls voran.
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GEERT VAN ADELING – der in Wirklichkeit ganz anders hieß – hatte gewusst, dass sie ihn eines Tages erwischten. Nun war es also so weit, den Warnpfiff konnte er schwerlich überhören. Glücklicherweise hatte er ein paar Straßenkids engagiert, die Umgebung im Auge zu behalten. Er schielte vorsichtig aus dem Fenster. Niemand zu sehen, auch nicht Kiffer-Karl, der normalerweise um diese Zeit an der Ecke gestreckte Joints an die Autonomen verkaufte. Das war mehr als verdächtig, die Kids hatten recht, da stimmte etwas nicht. Aber ausgerechnet jetzt, so knapp vor dem Ziel! Bitter enttäuscht sah er ein, dass er seinen Job nicht wie geplant erledigen konnte.
Der neue Führer hatte ihm höchstselbst den Auftrag erteilt. Da gab es diese neue Gruppe von Glaubensbrüdern, die sich den Letzten Zeugen angeschlossen hatte, dort draußen, im Schatten der Kuppel, im Kasseler Nordviertel. Denen sollte er die Entschlüsselungssoftware zukommen lassen. Er fühlte noch immer die stahlgrauen Augen Rudolfs II. auf sich ruhen, der eindringlich betonte, das Päckchen mit dem Speicher unbedingt persönlich zu überbringen. Persönlich! Beim heiligen Adolf, wie sollte das denn nun gehen?
Aber was soll’s, er war aufgeflogen, Jammern half jetzt nicht weiter, er musste irgendwie improvisieren. Das Wichtigste war, die Neuen und den Führer sofort zu warnen. Aber wie? Der Datenverkehr seines PCs wurde mit Sicherheit überwacht, das war Routine. Er konnte also kaum Klartext senden, dann wüssten die Net-Cops gleich Bescheid, und er lieferte alle ans Messer. Verschlüsselt ging auch nicht, die Neuen hatten ja die Codeliste noch nicht. Er war in der Zwickmühle, was tun?
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JORIK NIGGE war zufrieden mit ihrem Vorgehen. Eine Helmeinspiegelung zeigte ihm die zeitgleich anpirschende erste Gruppe. „Fräulein Hirschlinger“, wie sie respektlos von ihren Kollegen genannt wurde, ging betont langsam und vorsichtig zu Werke. Untypisch besonnen für diesen Haufen, dachte Jorik. Ihre Gruppe hatte die schäbige Haustür des Objekts erreicht. Wachsam drückte sie sich unterhalb der Fenster an die Hauswand. Mit einem Wink holte Hirschlinger ihren Einsatzpartner heran. Über einen altmodischen Briefschlitz, wie man ihn hier noch oft vorfand, schickte der eine kabelgebundene Sonde in den Hausflur. Jorik konnte über die Helmeinspiegelung alles mit ansehen: Eine offene Treppe führte nach oben, dahinter eine nach unten, dann kam rechts eine Tür, um die Ecke ein Tischchen mit einem Staubfänger von Kunststoffblumen. Der abgenutzte Teppich warf ziemlich viele Falten. Sonst bemerkte er nichts Auffälliges.
Seine Gruppe hatte inzwischen die Rückwand erreicht und ging in Position. „Fertig“, meldete er der Einsatzzentrale, obwohl Kovac via GPS genau über ihre Stellung Bescheid wusste. Dervaux hatte den Ring mittlerweile geschlossen. Die Crews warteten nun auf den Einsatzbefehl.
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GEERT VAN ADELINGS Gedanken überschlugen sich. Moment! Sollte das vielleicht klappen? Warum nicht, er könnte zwei getrennte Nachrichten schicken: zweimal eine codierte Warnung, jeweils an Hugo und in die Nordstadt, dann in einer weiteren Sendung den zugehörigen Code zur Entschlüsselung an die Neuen. Van Adeling hatte nur recht diffuse Vorstellungen vom Netz, aber dass Sendungen zwischen A und B verschiedene Wege nahmen, wusste selbst er. Unwahrscheinlich, dass sie von derselben Person abgefangen wurden, oder? Egal, das musste er jetzt riskieren, sonst war alles verloren! Aber halt! Die Codierungssoftware konnte er nicht einfach so versenden, der Führer hatte es ausdrücklich verboten. Mal überlegen: Er würde ihn eben nicht als Text, sondern als Grafikbild abspeichern und als Urlaubsbilder tarnen, das musste reichen! Und er würde sie auch nicht von der Wohnung hier ins Netz einspeisen. Vielleicht konnte er sogar trotz allem noch entkommen – denn er hatte sich vorbereitet für einen Fall wie diesen. Rasch entsicherte er einen unscheinbaren Schalter und betätigte ihn. Der Störsender würde die Verfolger ausreichend lange aufhalten. Ein ausgeklügeltes Modell, das unregelmäßig die verschiedensten Frequenzbereiche behinderte und etwas zeitverzögert als Krönung ein ganz bestimmtes Band total blockierte. Gleichzeitig löschte van Adeling die Speichereinheiten seiner fest installierten Computeranlage. Die würden nichts mehr darauf finden! Den Sicherungsfestspeicher mit der Entschlüsselungssoftware trug er am Körper, eine etwa münzgroße metallene Scheibe hing an einer Kette um seinen Hals.
Er lief nun zum Kleiderschrank. Mit einem Rück öffnete er ihn, schob hastig die bunten Hosen und Jacken beiseite und drückte die Rückwand seitwärts. Die Idee hatte er aus einer History-Geschichte im Netz. Irgendwie freute er sich: Seine Kumpel hielten ihn immer für verrückt, ja paranoid. Dabei war es reine Vorsicht! Und die zahlte sich endlich aus. Jetzt zeigte er es allen! Mit einem Sprung verschwand er über eine Rutsche nach unten und war wenige Augenblicke später im Keller angelangt. Beim Aufprall verdrehte er sich den linken Fuß, war aber inzwischen so mit Adrenalin vollgepumpt, dass er es kaum wahrnahm.
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JORIK NIGGE und seine Crew verharrten in Warteposition.
„Hirschli...“ Starkes Rauschen unterbrach die Meldung über den Datenlink vom Gefechtsstand. Was war jetzt wieder los? Zweiter Versuch: „Hirschlinger, Zugriff!“
Jorik konnte beobachten, wie die andere Gruppe sich mit der Haustür abmühte. Die Tür hatte noch ein mechanisches Schloss, da half ein elektronischer Universalöffner wenig. Man musste schon grobe Gewalt anwenden. Die Gruppenführerin nickte erst ihrem Partner zu, dann hob sie den rechten Daumen. Nun befestigte sie einen Klumpen Sprengstoff in Höhe der Türbänder und am Türschloss. Beinahe sanft schob sie den Funkchip mit dem Zünder rein. Schließlich betätigte sie den Auslöser per Funksignal. Ein schwaches „Puff“, ein bisschen Rauch, und schon hing die Tür nur noch an einer Angel im Rahmen. Das Duo an der Tür hielt die Werfer im Anschlag. Geübt sicherten sie in alle Richtungen. Die zurückgebliebene Truppe stürmte auf den Eingang zu. Mit den Läufen ihrer Waffen drückten sie die schiefe Tür nach innen. Keiner von ihnen hörte den leisen Klick. Die zweite Explosion war genauso kurz, aber weit heftiger.
Mit einem Knistern brach die Übertragung in Joriks Helm ab.
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GEERT VAN ADELING lächelte, als eine heftige Erschütterung den Putz von der Kellerdecke rieseln ließ. Die Nullbits von Bullen hatten also versucht, von vorn hineinzukommen – direkt in die Sprengfalle. Selbst schuld, dachte er mitleidlos. Vor seinem geistigen Auge sah er mehrere zerfetzte Menschen, die schwer blutend ihr Leben aushauchten. Zehn Kilogramm Sprengstoff de luxe konnten da einiges anrichten, das kam davon, wenn man sich mit ihm anlegte! Er jedenfalls wehrte sich bis zum Letzten – so wie damals der heilige Adolf. Der hatte auch so viele wie irgend möglich mitgenommen. Die Cops sollten sich noch wundern! Noch in tausend Jahren wird man im wiedererstarkten Deutschland von seinen Heldentaten berichten. Jetzt aber musste er weiter, das waren schließlich nicht wirklich Dummköpfe.
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STEFFEN KOVAC riss entsetzt die Augen auf. Die Detonation war bis zum Gefechtsstand zu hören gewesen. Ihm war sofort klar, dass etwas schief gegangen sein musste. Mehrere Monitore an der Wand mit den Namen der SEK-Mitglieder blinkten. Waren sie bisher einfach nur gestört, signalisierten sie jetzt den Verlust der Vitalfunktionen in grellem Rot und mit einem nervenzerreißenden Dauerton. Ms Hirschlinger und ihr Partner waren sofort tot, der Rest außer Gefecht gesetzt.
„Nigge!“, brüllte Kovac ins Mikro. Rauschen. Nochmal, diesmal kam er wenn auch schwach durch: „Nigge! Er weiß, dass wir da sind! Das Gebäude ist mit Sprengfallen versehen – Abbruch! Ich wiederhole: Abbruch! Und neu sammeln!“
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JORIK NIGGE verdrehte die Augen. „Quatsch“, gab er umgehend zurück. „Dann ist van Adeling doch längst weg. Ich geh jetzt da rein.“
„Abbruch, habe ich gesagt! Mindestens zwei Kollegen sind tot!“, knisterte es aus dem Helmlautsprecher.
Jorik hatte genau verstanden, ruckelte aber ein wenig an seinem Kabel, zur Sicherheit. „Tschuldigung, dieses Rauschen! Ich kann Sie nicht richtig verstehen. Ich wiederhole: Ich gehe jetzt da rein.“ Jorik wusste, dass die undeutliche aber letztlich doch verständliche Aufzeichnung ihn später Lügen strafen würde, das war ihm jedoch im Moment egal. Er brauchte endlich einen Erfolg, und zwar sofort! Die Kollegen sollten nicht umsonst gestorben sein – nicht schon wieder.
Er war nicht so dumm, es durch die Hintertür zu versuchen. Wer die Situation so effektiv vorbereitet hatte, verminte auch die Rückseite. So weit stimmte er Kovac zu. Er versuchte sich in van Adeling hineinzuversetzen. Klar, der konnte sich hier eine Weile erfolgreich verschanzen. Bloß, ein Profi – und genau dafür hielt ihn Jorik jetzt – nahm unmöglich an, dass er das auf Dauer hinbekäme. Nein, der hatte bestimmt einen Plan B, um flüchten zu können. Dem musste er unbedingt zuvorkommen. Fieberhaft überlegte er, wie er an van Adelings Stelle das Ganze anginge. Dass die Sicherheitskräfte einen dichten Umring legten, war absehbar. Oben war Schluss, innerhalb der Kuppel fiele ein Fluggerät zu sehr auf. Also unten! Ja, Jorik hätte einen Fluchtweg über den Keller in eines der Nebengebäude geplant. Da könnte er von außen unbemerkt nach nebenan verschwinden. Das SEK war kaum in der Lage, den gesamten Gebäudekomplex zu überwachen. Er schloss den Komstecker wieder in die Buchse, ging mit einer Vorranganfrage auf die Website des regionalen Baumanagements und ließ sich die Gebäudegrundrisse einspiegeln. Hm, da gab es mehrere Möglichkeiten. Jetzt musste er pokern: rechts oder links? Ohne langes Zögern entschied er sich für links.
„Gefechtsstand: Ich gehe über den Keller des südlichen Nachbargebäudes rein!“
Langanhaltendes Zischen, dann: „Nigge, ich habe doch Abbruch gesagt, wir müssen alles noch mal durchdenken!“
Laber du nur, dachte Jorik. Er teilte seiner Gruppe die Marschrichtung mit Handzeichen mit und wandte sich nach links. Mit einem gezielten Tritt zersplitterte er mit seinen gepanzerten Kampfstiefeln das einfach verglaste Kellerfenster, wischte mit dem Lauf der Waffe die Glaszacken aus dem Rahmen und schwang sich ins Innere.
Seine Gruppe zögerte. Sollten sie ihm trotz der eindeutigen Befehle aus dem Gefechtsstand folgen?
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STEFFEN KOVAC fühlte sich dem Druck kaum noch gewachsen. War er langsam tatsächlich zu alt für den Job? Erst die Explosion mit bislang unbekannter Zahl von Opfern, dann Nigge, der erneut alles besser wusste und auf eigene Rechnung operierte. Wenn das hier zu Ende war, würde er sich diesen Clown kaufen, so viel war klar. Der versaute ihm auf keinen Fall noch mal die Beförderung – der nicht!