image

nocaption

ULF KAACK

PORSCHE
TRAKTOREN

SCHLEPPER VON GEBALLTER KRAFT

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DELIUS KLASING VERLAG

 

nocaption

 

INHALT

VORWORT

KRIEGSKIND: DER UNVOLLENDETE VOLKSSCHLEPPER

VAKUUM NACH DEM KRIEG

DIE ÄRA ALLGAIER

HÖHENFLUG UND NIEDERGANG DER PORSCHE-DIESEL GMBH

DIE JUNIOR-REIHE

DIE STANDARD-REIHE

DIE SUPER-REIHE

DIE MASTER-REIHE

ALLGAIER P 312 – IN DEN KAFFEEPLANTAGEN BRASILIENS

SONDERMODELL: DER SUPER B

HOFHERR-SCHRANTZ – LIZENZ-PORSCHE AUS WIEN

ISEKI – LIZENZ-PORSCHE IN FERNOST

DER CLUB

DER SAMMLER

DER PATRIARCH – FERDINAND PORSCHE

DER MACHER – KARL RABE

DER MANAGER – ALBERT PRINZING

DIE RENNLEGENDE – WALTER RÖHRL

DAS WERK AM BODENSEE

DAS UNIKAT

 

nocaption

 

VORWORT

Nachdem das NS-Regime 1934 das Projekt des KdF-Wagens – des Volkswagens, der nach dem Krieg als VW-Käfer international alle Verkaufsrekorde schlug – unter Federführung von Ferdinand Porsche und seinem Ingenieurbüro technisch und auch hinsichtlich der Infrastruktur auf den Weg gebracht hatte, spielte die Politik diesen Gedanken weiter. Neben der privaten und gewerblichen Massenmotorisierung sollte jetzt die Landwirtschaft flächendeckend mit günstigen Traktoren ausgestattet werden. Im Jahre 1937 erhielt das Konstruktionsbüro von Porsche den Auftrag, nun auch einen Volksschlepper zu entwickeln. Binnen kurzer Zeit präsentierte das Unternehmen einen Prototyp und entwickelte diesen bis 1943 schrittweise weiter. Kriegsbedingt wurde die Arbeit daran nicht vollendet.

1950 griff der Traktorenbauer Allgaier die Pläne von Porsche auf, und baute in der Folge den AP 17 mit großem Erfolg. Die Produktionspalette wurde stetig erweitert. Als Allgaier 1956 den Traktorenbau aufgab, gründete der Mannesmann-Konzern die Porsche-Diesel GmbH.

Das neue Unternehmen führte die Produktion am Standort Friedrichshafen-Manzell fort. Millionen wurden in den Ausbau und die Modernisierung des Werks investiert, das Schlepperangebot ständig erweitert und technisch verfeinert. Zu Beginn der 1960er-Jahre brach der Absatz ein. Die Nachfrage seitens der Landwirtschaft ging auf Grund einer Marktsättigung drastisch zurück, das Potenzial der Porsche-Konstruktion war ausgereizt. Nach 120 000 gebauten Traktoren stellte die Porsche-Diesel GmbH die Produktion am 15. Juli 1963 ein. Damit ging ein beeindruckendes Kapitel deutscher Technikgeschichte und die Erfolgsbilanz einer großen Marke in der Branche zu Ende.

Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen und Euch

nocaption

image

Dr. Ing. h. c. Ferdinand Porsche (1875–1951).

image

Alles begann mit dem ersten Versuchsschlepper Typ 110.

KRIEGSKIND: DER UNVOLLENDETE VOLKSSCHLEPPER

Ferdinand Porsche gilt bis heute als genialer Universalkonstrukteur. Stationen seiner Karriere waren leitende Positionen bei den Lohner-Werken, Austro-Daimler, der Daimler-Motoren-Gesellschaft und bei den Steyr-Werken. 1930 machte er sich in Stuttgart mit der »Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH, Konstruktionen und Beratung für Motoren und Fahrzeuge« selbstständig.

Durch Porsches erstklassige Verbindungen zu Politik und Industrie sowie durch seine erfolgreiche Arbeit am Projekt KdF-Wagen beauftragte ihn 1937 die Deutsche Arbeitsfront, nun auch einen Volksschlepper zu entwickeln. Er hatte bereits Erfahrung in der Entwicklung von Traktoren, Nutzfahrzeugen und geländegängigen Militärfahrzeugen. Das bewährte Rezept hätte ähnlich wie beim Volkswagen funktionieren sollen.

Eine riesige Produktionsstätte sollte nach dem Vorbild der VW-Stadt Wolfsburg in Waldbröl nahe Köln gebaut werden. 300 000 Traktoren sollten hier jährlich vom Band rollen. Die Porsche-Entwicklung sollte ein umfangreiches Anforderungsprofil erfüllen: kostengünstig in der Anschaffung sowie im Unterhalt, geeignet für die Großserienanfertigung und ausgestattet mit ausreichender Leistung für sämtliche im bäuerlichen Betrieb anfallenden Arbeiten auf Höfen aller Größen. Robust und zuverlässig musste der Traktor sein, dabei einfach in der Bedienung und Wartung.

image

Der erste einer ganzen Reihe von Prototypen des Volksschleppers – der Typ 110 – bei Erprobungen 1938 auf dem Acker. Er ist der Urvater der Erfolgsgeschichte.

image

Der Typ 110 in der zweiten Variante S 2 mit kippbarer Ladefläche. Lenkung und Sitz sind bereits nach hinten verlegt.

image

Anfang 1940 wurden Zug- und Belastungstests mit einem 3040 Kilogramm schweren Anhänger durchgeführt.

image

Praktischer Versuchsbetrieb 1940 auf dem Acker: Links der Typ 111/5 mit Holzgasgenerator und rechts der Typ 111/3.

image

Auch im Winterbetrieb bei Minusgraden zeigt der Typ 112 keine Schwächen.

VERSUCHSSCHLEPPER TYP 110

Die Zeichnungen für den ersten Prototyp wurden am 24. November 1937 fertiggestellt. Am 7. Mai 1938 formulierte Porsches Oberingenieur Karl Rabe eine Werkstoff-Rohbedarfsliste für einen kompletten Schlepper, bezeichnet als Typ 110, mit Gasgenerator.

Einen Monat später gab Porsche in einem internen Dokument bekannt: »Es gelangen drei komplette Ackerbau-Kleinschlepper der Type 110 zur Ausführung. Der Liefertermin für das erste Fahrzeug ist der 3. September dieses Jahres, die beiden weiteren Fahrzeuge folgen zehn Tage später […]«

Bemerkenswert: Zwischen Entwurf und Fertigstellung der ersten Versuchsschlepper vergingen lediglich zwölf Monate. Während dieser Zeit verlegte Ferdinand Porsche den Standort seines Unternehmens von Stuttgart nach Zuffenhausen.

Bekannt ist die Produktion von zwei Versuchsschleppern Typ 110. Sie trugen die Zusatzbezeichnungen SI und SII und waren als Ganzrahmenkonstruktion aus U-Profil-Eisen ausgeführt. Im hinteren Bereich des rechteckigen und nach vorn verjüngt zulaufenden Rahmens mit eingeschweißten Quertraversen war der gesamte Antriebsstrang mit Motor, Schaltgetriebe und Antriebsachse zusammengefasst. Der Rahmen wurde vorn durch eine lenkbare und pendelnd aufgehängte Turmachse abgestützt. Dadurch konzentrierte sich nahezu das gesamte Fahrzeuggewicht auf die hintere Achse, die mit Luftgummibereifung der Größe 8.00-20 versehen war. Im Zugbetrieb verlagerte sich das statische Gewicht weiter in Richtung Hinterachse.

image

Typ 112/4 als Hackfruchtschlepper mit vollverkleidetem Motor aus dem Jahre 1944.

image

Eine Blechverkleidung verbirgt den voluminösen Holzgasgenerator des Typ 113.

AUSFÜHRLICHE ERPROBUNGEN

Porsche entwickelte einen luftgekühlten Zweizylinder-Ottomotor in V-Anordnung, der eine kurze Bauform ermöglichte. Das Triebwerk leistete 12 PS bei 2000 U/min und wurde mit einer langen Handkurbel an der Frontseite des Schleppers gestartet.

Die Kraft wurde über eine hydraulische Strömungskupplung und eine mechanische Schaltkupplung auf die mit Trommelbremsen versehene Antriebsachse übertragen. Das Zahnradschubgetriebe verfügte über drei Vorwärtsgänge und einen Rückwärtsgang.

Ende Januar 1939 begannen intensive Testfahrten mit den Prototypen. Dabei stellte sich die Sitzposition für den Fahrzeugführer als wenig praktikabel heraus: Der Fahrersitz in Form der damals üblichen Blechschalen befand sich vor dem Motor und war mit zwei seitlichen Federn 15 Zentimeter oberhalb des Rahmens angebracht. Der Fahrer saß extrem tief. Auch Kupplungshebel und Bremse waren innerhalb des Rahmens angeordnet.

Für den landwirtschaftlichen Einsatz besaß der Typ 110 eine Ackerschiene zum Anhängen von Geräten. An einem der beiden Versuchsschlepper war außerdem eine mechanische Vorrichtung zum Heben und Senken eines Ackerpfluges angebracht, die vom Fahrersitz aus betätigt werden konnte.

image

Bis 1943 entwickelte Professor Porsche eine ganze Reihe von Prototypen des Volksschleppers. Dann lief das ehrgeizige Projekt kriegsbedingt nur noch auf Sparflamme. Hier links im Bild mit Motorenfachmann Josef Kales 1937 im Konstruktionsbüro in Stuttgart.

Unter der Bezeichnung S6 baute Porsche eine weitere Variante mit einem Motor für Treibgas, der als Vorläufer für den Generatorgasschlepper der folgenden 111er-Typenreihe anzusehen ist. Eine modifizierte Version des Typs 110 mit Gasgenerator entstand lediglich auf dem Zeichentisch. Der Gaserzeuger war hier vor der Vorderachse angebracht und der Gaskühler zwischen Gaserzeuger und Motor.

DER ZWEITE ENTWURF