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©2008 FNverlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung GmbH, Warendorf.
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2. überarbeitete Auflage 2011
Fachlektorat:
Waltraut Weingarten, FN-Abteilung Ausbildung, Warendorf
Dr. med. vet. Beatrice Dülffer-Schneitzer, Steinbach/Ts. (Kapitel 5/medizinischer Teil)
Lektorat:
Dr. Carla Mattis, FNverlag, Warendorf
Korrektorat:
Korrekturbüro G. und W. Kirchhoff, Büren/Brenken
Gesamtgestaltung:
mf-graphics, Marianne Fietzeck, Gütersloh
E-Book-Herstellung:
Open Publishing GmbH
Titelfoto:
Bianca Rieskamp, Dülmen
Fotos:
Michaela Bongenberg, Dülmen: Seiten 9 (2), 19, 27, 44,
45 u., 47, 48, 49, 50 o., 52, 78, 82, 108, 137
Tanja Gajewski, Marl: Seiten 104, 105
Sigrun Hermes, Nürnberg: Seite 135
Fotohaus Kiepker, Lengerich/Westf.: Seiten 15, 39 u.,
45 u., 61 l., 65, 66, 69, 80, 87 (2), 91, 97, 98 r.,
Filiz-Marie Körner, Recklinghausen: Seite 103
Claudia Kress, Fröndenberg: Seite 26
Marion Kubitza, Oer-Erkenschwick: Seite 124
Thoms Lehmann, Warendorf: Seite 91 (aus: Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (Hrsg.): Deutsche Reitlehre - Das Pferd. Warendorf 2002)
Kerstin Lücke, Marl: Seite 85
Peter Prohn, Barmstedt: Seiten 83, 90 u., 109 (alle aus: Deutsche Reiterliche Vereinigung (Hrsg.): FN-Handbuch Pferdewirt. Warendorf 2. Auflage 2008)
Michael Putz, Erlangen: Seite 43 u. (aus: Putz, M.: Reiten mit Verstand und Gefühl. Warendorf 3. Auflage 2007)
Bianca Rieskamp, Dülmen: Seiten 21 (2), 50 u., 70, 77, 86, 88, 89, 94 (2), 111, 113, 116, 127
Barbara Schnell, Krefeld: Seiten 6, 13 (2), 16 (aus: Schöff-mann, Dr. B.: Horse-Handling. Warendorf 2006), 17 (2), 20, 23, 24/25 (7), 29, 31 (3), 35 (2), 36, 37, 39 o., 40, 41, 42 u., 53 o., 68 o., 71, 90 o., 106
Christiane Slawik, Würzburg: Seite 12 (aus Fink, G.W.: Gelassenheit im Pferdesport. Warendorf 2007), 80
Gudrun Stahl, Unna: Seite 81
Peter Telahr, Rhede: Seite 30 (aus: Rosemann, H.: Voltigie-rer und Pferde erfolgreich motivieren. Warendorf 2006)
Denise Witte, Unna: Seite 42 o.
Kathrin Witte, Unna: Seiten 33, 43 o., 52, 68 u., 73 (2), 74, 84, 92, 93, 96, 107 (2), 114, 125, 129, 131 (2)
Nachweis der Abbildungen/Zeichnungen jeweils im Inhalt
Dieses Buch ist für Pferdebesitzer und Reiter gedacht, die ihr Pferd selbst anreiten und ausbilden wollen und sich für die klassische Grundausbildung des Pferdes interessieren.
Die zweite Auflage wurde bezüglich der reiterlichen Ausbildung überarbeitet und erweitert, sodass Ausbilder und Reiter beim Anreiten und in der Grundausbildung noch besser begleitet werden. Das Buch widmet sich der Grundausbildung des Reitpferdes, inklusive dem Reiten von Wendungen und Übergängen, bis zum Beginn der Entwicklung des Schwungs. Durch die detaillierten Beschreibungen können Ausbilder und Reiter die Ausbildung des jungen oder des Korrekturpferdes besser nachvollziehen und Fehler vermeiden beziehungsweise korrigieren. Der Schwerpunkt wird nicht auf das Reiten von Lektionen gelegt, sondern auf den Aufbau von Vertrauen zwischen Pferd und Reiter und auf das Finden des Gleichgewichts unter dem Sattel. Lektionen werden vielmehr als Gradmesser für den Stand der Gymnastizierung des Pferdes gesehen.
Neu in der zweiten Auflage ist, dass in den Kapiteln über die Ausbildung unter dem Reiter immer wieder Bezug auf die H.Dv. 12 (Reitvorschrift von 1912) mit Quellenangaben genommen wird.
Ich hoffe sehr, dass dieses Buch helfen kann, fragwürdige (An-)Reitmethoden zu diskutieren und auch zu verwerfen. Viele Methoden basieren nicht auf der klassischen Reitausbildung. Die Leidtragenden sind die Pferde. Deshalb möchte ich meine Erfahrungen weitergeben und in diesem Buch auch begründen,
Um die Erklärungen dem Ausbilder und Reiter verständlich zu machen, wurde viel Wert auf die Beschreibung des Bewegungsgefühls gelegt. Dadurch wird der Leser angeregt, sein Bewegungsgefühl zu schulen und darüber hinaus auf die Losgelassenheit und Zufriedenheit des Pferdes zu achten. Denn nur so erhält er ein vertrauensvoll mitarbeitendes Pferd, das lange gesund bleibt. Diese Verantwortung hat jeder Reiter für sein Pferd. Deswegen ist es wichtig, dass sich Pferdebesitzer und besonders die Ausbilder ständig weiterbilden, um Pferde klassisch, d.h. pferdegerecht, in Harmonie und gesunderhaltend, auszubilden.
Bianca Rieskamp
Woher kommt der Begriff der „Klassischen Reitkunst“ und was verstehen wir heute darunter?
Die klassische Reitkunst entstand im klassischen Altertum in Griechenland mit dem auslaufenden sechsten bzw. mit dem beginnenden fünften Jahrhundert v. Christi. Es ist schwierig diese Zeitangabe weiter zu präzisieren, es steht jedoch fest, dass in dieser Zeit in der „Dokimasia“ bereits die ersten sach- und fachkundigen Details zur richtigen Pferdebeurteilung niedergeschrieben wurden.
Die alten Griechen erkannten schon damals, dass die Hinterhand des Pferdes stärker ausgeprägt ist als die Vorhand. Und dass die sinnvolle mit den Reiterhilfen im Einklang stehende Gymnastizierung des Pferdes mit dem Ziel der vermehrten Lastaufnahme durch die Hinterhand dazu dient, seine Lebens- und Gebrauchsdauer für Kriege und Schlachten zu erhöhen.
Der erste Autor zu diesem Thema, der namentlich genannt wird, ist Simon von Athen. Er lebte im fünften Jahrhundert v. Christi. Simon von Athen war Pferdezüchter und Reiteroffizier. Zwar sind seine Aufzeichnungen verloren gegangen, Teile seiner damals im reiterlichen Sinne maßgebenden Beschreibungen finden wir aber bei Xenophon (426 bis 355 vor Christi) in seinem Buch „Über die Reitkunst“ wieder.
Das Ende des klassischen Altertums ist gleichzeitig der Begin des Hellenismus. Das klassische Altertum endet mit dem Tod Alexander des Großen 323 vor Christi. Soweit sich das verfolgen lässt, war Alexander der Große ein begnadeter Reiter (und Feldherr). Sein Hengst Bukephalos war ein schwieriges Pferd, das vor lauter Angst vor seinem eigenen Schatten für andere nicht reitbar war. Alexanders Vater Philipp II hatten ihn zu einem völlig überzogenen Preis gekauft. Doch Alexander, den klassischen Grundsätzen folgend, vermochte Harmonie mit Bukephalos herzustellen. Bukephalos blieb von da an sein treuer Weggefährte und wurde etwa 30 Jahre alt. Zu seinen Ehren gründete Alexander der Große eine Stadt mit dem Namen Alexandreia Bukephalos (heute heißt diese Stadt in Pakistan: Jhelam).
Noch heute gilt, dass es richtig und wichtig ist, unseren Partner Pferd schonend, artgerecht sowie sinnvoll auf kommende Aufgaben vorzubereiten. Ziel der klassischen Reitlehre ist es, Zwang zu vermeiden und Harmonie mit dem Pferd herzustellen. Die freiwillige Mitarbeit des Pferdes und die Demut des „denkenden“ und „einfühlenden“ Reiters stehen hierbei im Vordergrund, um die Lebens- und Gebrauchsdauer unseres Sportkameraden Pferd zu verlängern.
Genau dies wird dem Leser in dem vorliegenden Buch vermittelt. Hervorzuheben ist dabei die durchdachte, der Ausbildungsskala folgende Vorgehensweise sowie die artgerechte Behandlung von Remonten, die nun allmählich an die Arbeit herangeführt werden sollen.
Die wohlüberlegten, jahrhundertealten Erfahrungen und Erkenntnisse der klassischen Reitlehre sollten uns davor schützen, Auswüchsen in der heutigen Reiterei zu folgen und den klassischen und somit pferdefreundlichen Weg zu verlassen.
Christoph Ackermann
u.a. Schüler von Egon von Neindorff, Günter Festerling
und Fritz Tempelmann; Amateurreitlehrer FN,
Träger des Goldenen Reitabzeichens
Die klassische Reitlehre stützt sich auf die jahrhundertealten Erfahrungen vieler Ausbilder. Im Vordergrund steht immer das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Pferd, das durch Fachkompetenz im Umgang mit dem Pferd erarbeitet wird und sich über die Jahre verstärkt. Dabei ist der Weg zu diesem Vertrauensverhältnis und der Leistung, die ich von dem Pferd durch fachgerechte Gymnastizierung verlangen kann, gekennzeichnet von einem einfühlsamen Miteinander zwischen Mensch und Pferd. Diese Grundeinstellung von Vertrauen, Fachkompetenz und das Wissen über die richtige Gymnastizierung führen dazu, dass hohe Anforderungen an jeden gestellt werden, der mit Pferden umgehen beziehungsweise reiten möchte, und noch mehr an diejenigen, die junge Pferde ausbilden. Ausbilden nach der klassischen Reitlehre bedeutet eine Ausbildung ohne Druck und Gewalt und orientiert an den natürlichen Verhaltensweisen und der Anatomie des Pferdes unter Berücksichtigung des individuellen Charakters.
Folgende Anforderungen sollten gerade die Ausbilder junger Pferde erfüllen:
Die Verantwortung, ein junges Pferd auszubilden und überhaupt mit Pferden umzugehen, ohne dass sie körperlich oder seelisch Schaden nehmen, ist also sehr groß. Gerade in der heutigen Zeit können die Voraussetzungen denkbar schlecht sein, weil die Sensibilität für die Pferde nicht mehr selbstverständlich ist. Da viele Menschen ohne den Kontakt zu Pferden aufwachsen, müssen sie das Verständnis oft erst mühsam entwickeln. Und auch denjenigen, die schon jahrelang mit Pferden Kontakt haben, wird das Verständnis für das Pferdeverhalten erschwert, weil sie Pferde oft nicht als Herdentier mit ihren natürlichen Verhaltensweisen erleben dürfen, sondern oft nur in der Box ohne viel Kontakt zu Artgenossen. Zu oft wird das Reiten als allein wichtig in den Vordergrund gestellt. Doch wer nicht gelernt hat, Reaktionen des Pferdes am Boden vorherzusehen, wird auch beim Reiten nicht richtig reagieren können. Ähnliches gilt für die Reitausbildung. Welcher Reitschüler hat heute die Möglichkeit, feinste Hilfen auf einem ausgebildeten Pferd zu erlernen? So geht das Gefühl für Durchlässigkeit immer mehr verloren und es entwickelt sich ein Kompromiss. Dabei ist Leichtigkeit das große Ziel der Reiterei. Leichtigkeit bedeutet, dass die Ausbildung des Pferdes und das Bewegen des Reiters auf dem Pferd keine Frage großer Kraft sein dürfen. Die Ausbildung des Pferdes unter dem Sattel richtet sich nach der Natur des Pferdes. Die Natur des Pferdes gibt die Schritte in der Reitausbildung vor. Sie wird der Ausbilder so logisch aufbauen, dass das Pferd sie verstehen und erfüllen kann, sodass nicht nur das Endergebnis geprägt ist von einem harmonischen Miteinander von Pferd und Mensch, sondern auch der gemeinsame Weg von Pferd und Reiter von Anfang an. Natürlich ist dieser Weg trotzdem sehr anstrengend und bringt eine Menge Arbeit mit sich. Doch wird für diese Anstrengung keine Körperkraft benötigt, sondern das Sich-ständig-neu-auf-das-Pferd-einstellen-Müssen, die Beachtung der Bedürfnisse des Pferdes bei der Arbeit, das Sensibelbleiben für feine Reiterhilfen und vieles mehr sind Kriterien, die die Ausbildung des Pferdes sehr anspruchsvoll machen und die dafür sorgen, dass für den fachkundigen Betrachter die Zusammenarbeit zwischen Reiter und Pferd leicht, vertrauensvoll und freudig erscheint. Leider ist Leichtigkeit für viele Reiter, wenn sie auf einem Pferd sitzen, das etwas besser als das leider häufig steife, unmotivierte Schulpferd oder eigene Pferd reagiert. Doch oft ist dieses „Ein-bisschen“-Besser eigentlich auch noch ein Reiten mit Kraft. Viele Reiter haben keinen Vergleich, denn sie konnten es nie anders und richtig erfühlen. Deshalb sollten wir ständig das eigene Gefühl für Leichtigkeit kritisch hinterfragen. Wir müssen bezüglich der Leichtigkeit wieder sensibler werden und die Leichtigkeit als tägliches Ziel im Umgang mit dem Pferd und beim Reiten erstreben.
Das Pferd als kooperatives Wesen unterstützt den Menschen leider oft in der fehlerhaften Entwicklung. In seinem Bestreben, alles richtig zu machen, auch wenn der Mensch falsch reagiert, kommt der Mensch oft trotzdem an sein Ziel, zum Beispiel beim Reiten einer Traversale. Doch das geht auf Kosten der Harmonie und Leichtigkeit, selbst wenn die äußere Form der Traversale vielleicht auf den ersten Blick korrekt aussieht. Für den sachkundigen Zuschauer ist dies zu erkennen, zum Beispiel:
Auch der falsche Aufbau einer Trainingseinheit kann zu Stress und Verspannungen führen. Hier wurde zu Demonstrationszwecken die Lösungsphase absichtlich zu kurz durchgeführt. Als Folge wirkt das Pferd verspannt und unzufrieden. Dies ist in diesem Fall sogar schon zu erkennen, wenn man nur Kopf und Hals des Pferdes betrachtet. Der Unterhals ist angespannt, die Ganasche wird nicht geöffnet, infolgedessen wird die Ohrspeicheldrüse eingeklemmt. Das Pferd schaut unzufrieden.
Hier nun zum Vergleich dasselbe Pferd nach korrekt durchgeführter Lösungsphase. Die Muskulatur wirkt entspannt, das Pferd dehnt sich an die feine Hand heran. Folglich wird die Ganasche geöffnet und die Oberlinie tritt deutlich bei zufriedenem Gesichtsausdruck hervor.
Der Reiter sitzt verkrampft, er klemmt mit den Schenkeln, er schiebt mit hochgezogenem Absatz mit dem Schenkel mit Kraft seitwärts o.Ä. Und schauen Sie dem Reiter ins Gesicht. Dort wird seine Anstrengung und Anspannung deutlich zu sehen sein. So hat eine Lektion nach der klassischen Ausbildung nicht auszusehen. Die Anforderungen von Harmonie und Leichtigkeit sollen auch bis in die höchsten Lektionen erfüllt sein, und zwar nicht nur später beim Ausführen, sondern auch der Weg dorthin muss diese Kriterien erfüllen. Denn die klassische Reitlehre basiert auf einer logischen Gymnastizierung. Das bedeutet, wenn ich durch eine leichtere Lektion die Vorstufe für die passende schwierigere Lektion erreicht habe, kann ich diese auch weiterhin in Leichtigkeit erarbeiten, weil das Pferd passend für die Ausführung dieser Lektion gymnastiziert wurde.
Wir haben uns in den letzten Jahren daran gewöhnt, dass die Kriterien dieser Leichtigkeit verschwommen sind, gerade weil unsere willigen Pferde trotz unserer Fehler oft viele Lektionen ausführen. Leichtigkeit in der Anlehnung heißt nicht, zufrieden damit zu sein, statt der gewohnten zehn nur noch fünf Kilogramm in der Hand zu haben. Anlehnung nach der klassischen Reitlehre misst sich in Milligramm. Ebenso missverständlich ist oft die Definition des Schenkeldrucks. Schenkeldruck heißt nicht, das Pferd mit einem Druck von einigen Kilos vorwärts-seitwärts treten lassen zu können, sondern heißt, dass das leichteste Anspannen der Wadenmuskulatur das Pferd zum Reagieren veranlasst. Wenn Sie einmal erfühlt haben, wie sensibel korrekt ausgebildete Pferde auf leichteste Hilfen reagieren, werden Sie dieses Gefühl nie vergessen und immer wieder danach streben.
Wie im oberen Kapitel über die Definition der klassischen Reitlehre beschrieben, haben viele Menschen heutzutage nicht mehr von Kind auf täglichen Umgang mit Tieren. Doch auch wenn Sie ihn hatten, ist es sinnvoll, sich kurz noch mal mit den Verhaltensweisen der Pferde auseinanderzusetzen. Wozu Sie dieses Wissen brauchen, schließlich wollen Sie Ihr junges Pferd doch reiten, werden Sie vielleicht fragen. Diese Frage ist einfach zu beantworten. Schließlich müssen Sie wissen, wie Pferde kommunizieren. So können Sie ihnen Ihr Anliegen schnell, sicher und einfach verständlich machen. Schließlich würden Sie sich auch nicht in einen Löwenkäfig wagen, ohne sich vorher genau über die Verhaltensweisen der Tiere zu informieren. Pferde sind zwar durch ihre Natur als Fluchttier weniger gefährlich, doch jeder Unfall, der passiert, ist einer zu viel. Außerdem werden Sie so sensibler für ihre eigene Sprache. Jetzt wenden Sie vielleicht ein, dass Sie in Gegenwart Ihres Pferdes doch nicht dauernd reden. Aber doch, genau das tun Sie: Sie reden mit Ihrer Körpersprache und die ist immer vorhanden. Selbst wenn Sie sich nicht bewegen, sagen Sie für Ihr Pferd etwas aus.
Pferde leben von Natur aus in Herdenverbänden zusammen. Nur dort fühlen sie sich sicher. Um überleben zu können, sind Herden hierarchisch gegliedert. Der Ranghöchste führt die Herde an und entscheidet, wohin sie sich fortbewegt, wo gefressen und geschlafen und wann geflohen wird. Besäße so eine Pferdeherde eine Demokratie, wären alle verhungert, bis gemeinschaftlich entschieden wäre, wohin zur Futtersuche gewandert wird. Deshalb macht diese Hierarchie Sinn und wir können sie uns als Mensch zunutze machen. Sehen Sie also, dass Sie der Ranghöhere Ihres Pferdes werden, sodass Sie bestimmen, wohin die Reise geht. Jetzt werden Sie sich fragen, wie das geht, da Ihr Pferd doch viel stärker ist als Sie. Doch Rangordnungen zwischen Pferden werden nur in den seltensten Fällen durch große Kämpfe entschieden. Vielmehr entscheiden viele kleine Gesten über die Rangfolge. So ist es zum Beispiel von entscheidender
Führpositionen (entnommen aus Fink, Georg W.: Gelassenheit im Pferdesport. Warendorf 2007)
Bedeutung, an welcher Position Sie laufen, wenn Sie mit Ihrem Pferd gehen. Entsprechend der verschiedenen Reitweisen gibt es mehrere mögliche Führpositionen.
Wenn das Pferd an die Trense gewöhnt ist, sollte aus Sicherheitsgründen immer mit Trense und Handschuhen geführt werden. Machen Sie die Wahl der Ausrüstung immer auch abhängig von der Person, die führt. Unerfahrene Personen oder Kinder sollten ebenfalls mit Trense führen, weil sie so mehr Einwirkung haben. Die Stricklänge bzw. die Länge des Zügels beim Führen beträgt ungefähr vierzig Zentimeter.
Bei der ersten möglichen Führposition (a) geht der Führende auf Schulterhöhe der linken Schulter des Pferdes. Das hat den Vorteil, dass das Pferd frei schreiten kann, weil der Führende den Weg frei gibt und das Pferd gut im Blick hat. Bei Erschrecken kann das Pferd etwas nach vorne springen, ohne die Gefahr, dass der Führer umgerannt wird. Wird das Tempo zu eilig, wird es durch etwas Zug am Halfter oder am Trensengebiss reguliert. Wendungen werden nach rechts ausgeführt und durch Halten einer Hand vor das linke Auge des Pferdes eingeleitet. Der Nachteil dieser Position ist, dass Sie sich immer auf gleicher Höhe mit Ihrem Pferd bewegen und dadurch nicht ranghöher erscheinen. Außerdem besteht die Gefahr, dass es mit seiner Schulter gegen Ihre drängelt und Sie so zur Seite drängt.
Die Führposition (d), die vor allem beim Westernreiten geläufig ist, sieht vor, dass der Mensch mit etwas größerem Abstand vor dem Pferd herläuft. Hierbei wird der Führstrick auch länger gelassen als bei oben beschriebener Führposition. Der Nachteil ist, dass Sie in dieser Position das Pferd nicht im Blick haben. Deshalb eignet sich diese Führposition nur für erfahrene Pferdeführer, die rechtzeitig merken, wenn ihr Pferd zu dicht kommt, damit sie von ihm nicht umgerannt werden. Der Vorteil ist, dass Sie als ranghöher erscheinen. Dies müssen Sie aber vorher und immer wieder mit Ihrem Pferd durch Bodenarbeit und Arbeit im Longierzirkel erarbeiten, sonst wird diese Form des Führens nicht gefahrlos funktionieren. Haben Sie sich Ihre ranghöhere Position erarbeitet, können Sie aus dieser Führposition das Tempo ohne Zug am Strick beziehungsweise Zügel korrigieren. Ihr Pferd wird sich an Ihnen orientieren, das heißt langsamer werden, wenn Sie langsamer werden und halten, wenn Sie stehen bleiben.
Die dritte mögliche Führposition (b) ist eine Mischung aus beiden vorher beschriebenen. Sie gehen vor dem Pferd her, aber nicht direkt davor, sondern seitlich links versetzt. So können Sie aus Ihrer vorderen Position Ihre Körpersprache einsetzen, aber auch mal am Strick oder Zügel ziehen, um das Tempo Ihres Pferdes zu regulieren.
Wenn Sie unsicher sind, welche Führposition für Sie die sicherste und geeignetste ist, so fragen Sie Ihren Ausbilder um Rat. Unabhängig davon, welche Führposition gewählt wird, sollte Ihr Pferd Ihnen sicher folgen und sich mit dezenter Einwirkung regulieren lassen. Daran erkennen Sie, dass Sie sich den nötigen Respekt des Ranghöheren erarbeitet haben und Ihr Pferd sich bei Ihnen sicher und zufrieden fühlt. Überprüfen Sie deshalb beim Führen immer wieder: Folgt Ihnen das Pferd oder überholt es Sie und zeigt damit seine Sicht Ihrer rangniedrigeren Position an? Dann schicken Sie Ihr Pferd zurück, indem Sie sich zum Beispiel rechtzeitig beim Ansatz des Überholens vor ihm groß aufrichten und die Hand hochhalten. Je nach Sensibilität Ihres Pferdes reicht oft schon nur ein Hochziehen der Schultern. Reicht das nicht aus, so halten Sie Ihr Pferd am Halfter zurück, indem Sie am Strick ziehen oder rucken. Reagiert es nicht, werden Sie deutlicher und schicken es rückwärts, indem Sie auf Ihr Pferd zugehen und es, wenn nötig, mit der Hand am Buggelenk berühren und rückwärtsschicken. Wichtig ist hier, wie immer im Umgang, das ständige genaue Beobachten Ihres Pferdes und rechtzeitiges Reagieren. Bremsen Sie Ihr Pferd nicht erst, wenn es Sie mit seiner Nase bereits überholt, sondern fühlen Sie seine Nähe und beobachten aus dem Augenwinkel, wenn es so dicht kommen will, dass es Sie mit seiner Nase fast berührt und damit Unfälle provoziert werden. Denn schon dann diskutiert es über die Rangfolge und je später Sie eingreifen, desto energischer müssen Sie werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Wegschicken des Pferdes. Ihr Pferd muss sich jederzeit von Ihnen wegschicken lassen. Warum das so wichtig ist? Weil es zum Beispiel beim Anlongieren leichter auf Ihre treibenden Hilfen reagiert. Außerdem zeigt ein Pferd, das sich von Ihnen wegschicken lässt, dass Sie ihm gegenüber einen bestimmten Rang einnehmen. Auch hier sollten Sie ruhig, aber bestimmt reagieren. Geht es nicht weg von Ihnen, wenn Sie mit aufgerichteter Körperhaltung einen Schritt auf das Pferd zumachen, dann werden Sie sofort deutlicher. Unterstützen Sie das Wegschicken eventuell mit einer Longierpeitsche, wenn es schlecht reagiert. Dosieren Sie aber Ihre Zeichen, schließlich soll es nicht panisch werden und ständig angespannt erwarten, dass Sie es wegschicken. Gehen Sie vielmehr bei dieser Form der Ausbildung oft zu ihm und loben Sie es durch Streicheln oder mit Leckerlis und der Stimme. Lässt Ihr Pferd sich leicht wegschicken, haben Sie den Vorteil, dass Sie bei jeder Arbeit, bei der Sie es vom Boden treiben müssen, automatisch genug Sicherheitsabstand halten, weil es ja auch in größerem Abstand reagiert.
Ebenso sollten Sie das Wenden üben. In der Herde hält der Rangniedrigere so viel Abstand zum Ranghöheren, dass er ihn nicht anrempeln würde. Sonst bekommt er Stress mit dem Ranghöheren.
Klarstellen der Rangordnung (entnommen aus: Fink, G.W.: Gelassenheit im Pferdesport. Warendorf 2007)
Das machen Sie sich zum Wenden zunutze. Wenn Sie beim Halten gemerkt haben, dass Ihr Pferd Sie nicht überholt (auch hier das Prinzip: nie in Gefahr kommen, den Herdenchef anzurempeln, das gibt Ärger) und Sie es problemlos wegschicken können, dann können Sie es in der Regel auch aus der Distanz wenden.
Gehen Sie dazu auf Schulterhöhe zum Beispiel auf dem Longierzirkel in der Mitte mit. Gehen Sie nun so, dass Sie etwas vor die Schulter des Pferdes kommen, als wollten Sie den Weg versperren. Wenn Sie sich richtig bewegt haben und Ihr Pferd Ihre ranghöhere Position akzeptiert, wird es nun umdrehen (Abb. 1).
Wieder befolgt es das Prinzip, hier bloß nicht dem Herdenchef in den Weg zu laufen. Das würde Stress und Anstrengung bedeuten. Ebenso wird Ihr Pferd stehen bleiben, wenn Sie die treibende Position auf Höhe der Hinterhand in der Mitte des Longierzirkels verlassen und sich etwas weiter vorne auf der Höhe knapp hinter der Schulter bewegen. Ihr Pferd wird stehen bleiben, wenn Sie alles richtig gemacht haben. Entscheidend bei dieser Form der Zusammenarbeit ist, dass Sie bestimmt, aber ruhig auftreten. Sie werden auch in der freien Natur nicht sehen, dass der Herdenchef seine Herde ständig hektisch durch die Gegend treibt. Viele Pferde sind ranghoch, weil sie souverän auftreten und nicht, weil sie ständig Rangeleien suchen. Nehmen Sie sich an dieser Souveränität ein Beispiel und Ihr Pferd wird Ihnen gerne gehorchen. Vergessen Sie das Loben nicht und gehen Sie immer mal wieder zu ihm und streicheln es, um festzustellen, wie es Ihre Position aufnimmt. Schubst es Sie zum Beispiel beim Loben, sind Sie rangniedriger. Ist es ängstlich und scheut zurück, waren Sie in Ihren Reaktionen zu heftig. Steht es in sich ruhend zufrieden neben Ihnen, haben Sie Ihr Ziel erreicht (Abb. 2).
Denken Sie daran, dass Pferde in ihrer Herde täglich Rangordnungen neu diskutieren, meist durch fast unsichtbare Signale. Das wird Ihnen auch täglich mit Ihrem Pferd widerfahren; wie deutlich, ist abhängig von seinem Charakter. Das heißt aber für Sie nicht, dass Sie das jetzt täglich durch spezielle Bodenarbeit neu ausdiskutieren müssen. Vielmehr können Sie dies schon beim Führen täglich beachten. Achten Sie zum Beispiel jedes Mal darauf, wenn Sie Ihr Pferd aus dem Stall holen, wie es Ihnen folgt. Kommt es zu dicht, will es überholen o.Ä.? Bleibt es rechtzeitig stehen, wenn Sie stehen bleiben? Wenn nicht, reagieren Sie wie oben beschrieben. Solche kleinen Übungen können Übungsstunden ersetzen, laufen spielerisch nebenbei, machen sensibel im Umgang mit dem Pferd und stellen Vertrauen her.
Anhand des Kapitels der Körpersprache sehen Sie auch, wie wichtig es ist, Pferde artgerecht in der Herde zu halten und aufwachsen zu lassen. Viele Verhaltensweisen sind zwar angeboren, doch ihre Ausprägung wird nur im Herdenverband täglich neu trainiert. Hat ein Pferd dies nicht gelernt, so haben Sie es schwer, von diesem als ranghöher oder vertrauenswürdig akzeptiert zu werden.
Die wichtigsten Bedürfnisse des Pferdes sind schnell aufgezählt: Artgenossen, viel Bewegung, lange Futterzeiten, Luft und Licht. Eine artgerechte Haltung ist das Allerwichtigste in der Pferdeausbildung, weil sie am meisten auf das Pferd einwirkt. Schließlich befindet sich das Pferd die meiste Zeit des Tages in seinen Haltungsbedingungen; mit Ihnen verbringt es in der Regel nur sehr kurze Zeit. Die Haltungsform, die die Bedürfnisse des Pferdes am meisten erfüllt, ist die Offenstallhaltung. Hier kann das Pferd selber wählen, ob es draußen oder drinnen stehen möchte, und es kann jederzeit seinen Bewegungsdrang stillen, was Stress und somit Unarten wie z.B. Weben vorbeugt. In der Offenstallhaltung lebt das Pferd mit anderen Artgenossen in einer Herde zusammen. Dadurch trainiert es täglich oben genannte Verhaltensweisen, die wir uns in der Pferdeausbildung zunutze machen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Pferde durch die ständige Bewegung über eine gute Grundkondition verfügen und die Verletzungsgefahr geringer ist, weil es solche Kaltstarts wie bei Pferden, die aus der Box auf die Weide gebracht werden und dort sofort losgaloppieren, nicht gibt. Außerdem sind Pferde aus einer Offenstallhaltung weniger schreckhaft, weil sie ständig neuen Außenreizen ausgesetzt sind. Ein weiterer Vorteil der Offenstallhaltung ist, dass Sie immer beobachten können, wie Ihr Pferd sich in der Herde verhält, zum Beispiel ob es eher ranghoch oder rangniedrig ist. Das hilft Ihnen, sich bei der weiteren Ausbildung besser auf Ihr Pferd einzustellen.
Doch die Haltung im Offenstall setzt bestimmte Bedingungen voraus. Erstens darf die Herde nicht zu groß sein und muss passend zusammengesetzt sein. Das erkennen Sie daran, ob alle Pferde in den Stall dürfen und sich trauen, sich dort hinzulegen. Wenn nicht, ist die Liegefläche für die Anzahl der Pferde zu klein oder es sind mehrere sehr dominante Pferde in der Herde. Außerdem muss der Stall über mindestens zwei sehr breite Ausgänge verfügen, damit kein Pferd in die Ecke getrieben werden kann oder in einer Tür eingeklemmt wird. Gut geeignet sind auch sogenannte Raumteiler. Das können einzelne Zaunelemente oder Baumstämme oder Ähnliches sein, die sich mitten im Stall und in den Ausläufen befinden. So kann das ranghöhere Pferd nicht auf direktem Weg zu dem rangniedrigeren Pferd gelangen, sondern muss darum herumlaufen. Das sorgt für mehr Ruhe für die rangniedrigeren Pferde. Außerdem müssen ausreichend Möglichkeiten für die Wasseraufnahme vorhanden sein. Entscheidend für einen guten Offenstall sind ausreichend große, drainierte Ausläufe, auf denen die Pferde sich auch im Winter bei Frost oder großer Nässe gut bewegen können. Idealerweise grenzen die Weiden an die Ausläufe, sodass die Weiden im Sommer nur durch Öffnen der Tore zugänglich sind. Egal, ob Sie Ihr Pferd im Offenstall halten oder in einer Box mit täglichem Weidegang, wichtig ist die Zusammensetzung der Herde. Die Pferde sollten zueinander passen, also sollte ein älteres, ruhiges Pferd mit ähnlichen Pferden stehen, um sich nicht ständig gegen übermütige Jungpferde mit Spieltrieb zur Wehr setzen zu müssen. Genauso sollten Sie dafür sorgen, dass für ein junges Pferd genug andere jüngere Pferde als Herdenpartner zur Verfügung stehen, mit denen es spielen und um die Wette rennen kann. Müssen Sie Ihr Pferd in eine neue Herde eingewöhnen, machen Sie das vorsichtig und nehmen Sie sich mehre Tage Zeit. Stellen Sie Ihr Pferd anfangs am besten nebenan auf die Weide, am besten getrennt durch einen zweiten Zaun, damit die Pferde sich anfangs noch nicht beschnuppern können. Oft schlagen sie dabei mit einem Vorderbein nach vorne raus und können dabei im Zaun hängen bleiben. Stellen Sie Ihr Pferd nach ungefähr drei Tagen mit nur noch einem Zaun daneben auf die Weide. In der Regel haben sich die Pferde jetzt an die Nähe des Neuen gewöhnt und das Beschnuppern läuft ohne heftige Reaktionen ab. Entsteht nach zwei bis drei Tagen beim Beschnuppern auch keine Unruhe mehr, so können Sie Ihr Pferd in die neue Herde stellen. Stellen Sie es dabei am besten erst mit einem Mitglied aus der Herde zusammen, und zwar dem ranghöchsten. Geht das nach zwei bis drei Tagen in Ruhe, dann können Sie nach und nach den Rest der Herde dazustellen. Bleiben Sie aber anfangs in der Nähe und schauen zu, um bei Problemen reagieren zu können.
Wichtig, nicht nur für das junge Pferd, ist auch eine artgerechte Fütterung, egal ob im Offenstall oder in der Boxenhaltung. Da das Pferd in der freien Natur bis zu sechzehn Stunden am Tag mit der Nahrungsaufnahme verbringt, sollten wir ihm ähnlich lange Fütterungszeiten bieten, um Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes vorzubeugen. Hierzu eignet sich am besten eine ausreichende Heufütterung. Von allzu viel Kraftfutter sollten Sie bei Ihrem jungen Pferd absehen. Erstens kann es davon übermütig werden und außerdem darf es aufgrund seines Alters und seiner körperlichen Entwicklung nur schonend gearbeitet werden, sodass es größere Kraftfuttergaben nicht benötigt. Haben Sie die Befürchtung, dass Ihrem Pferd etwas fehlt, lassen Sie ein Blutbild erstellen.
Die artgerechte Haltung des Pferdes sorgt zusammen mit einer einfühlsamen Ausbildung für ein harmonisches Miteinander von Pferd und Reiter.
Sicherlich fragen Sie sich jetzt, wie sich ein Sachbuch über die Reitausbildung des Pferdes mit so etwas Banalem wie dem Aufhalftern und Führen des Pferdes beschäftigen kann und diesem Thema ein ganzes Kapitel gewidmet wird. Die Antwort ist einfach. Stellen Sie sich vor, Sie legen sich später vor dem Anreiten das erste Mal vorsichtig über den Rücken Ihres jungen Pferdes (Siehe Kapitel 4) und spüren unter sich die Anspannung. Spätestens jetzt werden Sie froh sein, wenn Sie wissen, dass dieses Pferd gut halfterführig ist und dass es gelernt hat, auf den Menschen zu achten, sodass er jederzeit Einfluss auf das Pferd nehmen kann. Außerdem passieren die meisten Unfälle nicht auf dem Pferd, sondern im Umgang mit dem Pferd. Deshalb ist die Arbeit auf dem Boden als Basis für die weitere (Reit-) Ausbildung zu sehen.
Um das Pferd führen und anbinden zu können, muss das Pferd an das Halfter gewöhnt werden. Hierzu ist ein passendes Halfter erforderlich, das sich am besten seitlich am Kopf verstellen und auch öffnen lässt. Da viele junge Pferde anfangs beim Überstreifen oder Abnehmen des Halfters heftig mit dem Kopf schlagen, kann es sicherer sein, das Halfter anfangs zum Aufoder Abhalftern seitlich zu öffnen und nicht über Genick und Ohren zu ziehen.
Gefährlich und verboten: Niemals den Strick um die Hand wickeln.
Dass Ihr junges Pferd sich an das Halfter gewöhnt hat, erkennen Sie daran, dass es sich willig aufhalftern lässt, sich nicht beim Aufhalftern abwendet und keine Abwehrreaktionen mehr beim Tragen des Halfters wie Kopfschlagen zeigt. Nun können Sie mit dem Führen beginnen. Hierzu ist ein ausreichend langer Strick aus griffigem Material unumgänglich. Der Führstrick sollte so lang sein, dass Ihr Pferd einen ausreichenden Abstand zu Ihnen halten kann, um Ihnen nicht auf die Füße zu treten. Andererseits kann ein zu langer Strick schwierig in der Handhabung sein, wenn durch die Länge das Ende auf dem Boden hängt und man beim Führen eventuell darüber stolpern könnte. Außerdem sollten Sie aus Sicherheitsgründen niemals den Strick um die Führhand wickeln und grundsätzlich beim Führen Handschuhe tragen.
Hilfreich ist darüber hinaus eine zweite Person, die gegebenenfalls das Pferd von hinten antreiben kann. Das Führen sollte immer auf eingezäuntem Gelände stattfinden, also auf eingezäuntem Hofgelände oder einer umfriedeten Reitbahn, damit das Pferd nicht weglaufen kann, sollte es sich doch einmal losreißen. Bemühen Sie sich um einen ausreichenden Sicherheitsabstand und gehen Sie nie direkt vor dem Pferd her Wie im Kapitel über die Körpersprache bereits beschrieben gibt es verschiedene mögliche Führpositionen (siehe auch hier). Am sichersten ist die auf Schulterhöhe des Pferdes. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass Ihr Pferd Sie überholt und Sie auf Höhe der Hinterhand geraten, wenn Sie in dieser Position den Strick zu lang lassen. Das sollten Sie wegen der Gefahr des Austretens auf jeden Fall vermeiden. Verhindern können Sie dies, wenn Sie etwas weiter vorne seitlich vor dem Pferd herlaufen (Siehe Führposition b). So kann das Pferd bei Erschrecken an Ihnen vorbeilaufen, ohne Sie zu verletzen. Darüber hinaus hat es Sie beim Führen gut im Blickfeld und kann sich an Ihnen orientieren. Allerdings sollten Sie so eine Führposition nur wählen, wenn Sie sich immer wieder das Vertrauen und den Respekt Ihres Pferdes erarbeiten. Außerdem brauchen Sie als führende Person ein Gefühl dafür oder müssen aus dem Augenwinkel wahrnehmen, wenn Ihr Pferd zu dicht kommt, um dies rechtzeitig durch Stehenbleiben und Rückwärtsschicken zu verhindern.
Wenn Sie nun Ihr Pferd zum ersten Mal anführen, lassen Sie ihm genug Platz und nehmen Sie den Strick nicht zu kurz. Geht Ihr Pferd auf leichten Zug des Strickes nicht vorwärts, bitten Sie einen Helfer darum, das Pferd dosiert von hinten anzutreiben, und nehmen Sie den Zug vom Strick, wenn das Pferd reagiert. So lernt es schnell, dass der unangenehme Druck weg ist, wenn es folgt. Steht Ihnen kein Helfer zur Verfügung, bietet es sich an, mit einer Gerte zu führen, um gegebenenfalls selbst von seitlich hinten treiben zu können. Hierbei müssen Sie nur darauf achten, schnell genug zu sein, damit Sie nicht hinter das Pferd geraten, wenn es vorwärts geht. Auch bei dominanten oder stürmischen Pferden kann eine Gerte anfangs zum Führen wertvolle Hilfe leisten. Wird sie im richtigen Moment Richtung Pferd hochgehalten, kann sie beim stürmischen Pferd ein Überholen und Zur-Seite-Drängen verhindern. Beim respektlosen Pferd sorgt sie durch rechtzeitiges Hochheben oder einen eventuell nötigen maßvollen Klaps für das Einhalten der richtigen Position des Pferdes. Das Pferd hat seitlich schräg hinter Ihnen zu bleiben; schließlich sollen Sie der Herdenchef sein und bestimmen, wo es hingeht.
Mögliche Führposition. Sie gehen schräg vor Ihrem Pferd her und befinden sich damit in der Position des Leittieres. Ihr Pferd hat Platz, bei eventuellem Erschrecken seitlich oder nach vorne auszuweichen, ohne Sie anzurempeln.
Anhalten und Distanz halten. Halten Sie Ihr junges Pferd beim Führen immer im Auge und reagieren Sie rechtzeitig, wenn es zu dicht kommt. Erstens, damit Sie einen Sicherheitsabstand einhalten können und zweitens, damit Ihr Pferd Ihnen nicht Ihren Rang streitig macht. Sind Sie nicht mehr sein Herdenchef, wird es Ihnen auch nicht mehr vertrauensvoll folgen.
Außerdem hat Ihr Pferd Sie aus dieser Position heraus ständig ganz im Blickfeld und kann so entsprechend auf Ihre Körpersprache reagieren. Achten Sie bei Ihrer Körpersprache darauf, diese stimmig mit Ihren Wünschen an das Pferd einzusetzen. Dann ist auch das Führen mit einer Gerte in der Regel überflüssig.