Vom Gesetz zum Gesicht
Ein neuer Ton in der Kirche:
Papst Franziskus zu Ehe und Familie
AMORIS LAETITIA
Patmos Verlag
Als Karl Rahner, einer meiner großen Lehrer in Innsbruck, wieder einmal für seine kühnen theologischen und pastoralen Überlegungen von „Rom“ ein Rede- und Schreibverbot erhalten hatte, wurde er gefragt, wie er denn damit umgehe. Brummig meinte er, er habe da nur zwei Möglichkeiten: Entweder habe er sich geirrt, dann müsse er wieder zurück auf den festen Boden des Bewährten; oder er sei zu früh dran gewesen.
Dieser weise Ausspruch eines der größten Theologen Europas im letzten Jahrhundert wird manchen heute in den Sinn kommen. Papst Franziskus hat nämlich in seiner Apostolischen Exhortatio im Bereich der Ehe- und Familienpastoral Positionen bezogen, für die Bischöfe und Theologen vor seiner Zeit verurteilt worden waren. Zu diesen zählen die inzwischen zu Kardinälen kreierten Bischöfe Walter Kasper von Rottenburg-Stuttgart und Karl Lehmann von Mainz, die 1994 für ihr Schreiben als oberrheinische Bischöfe vom damaligen Chef der Glaubenskongregation Kardinal Joseph Ratzinger harsche Kritik ernteten. Der dritte im oberrheinischen Verbund war der inzwischen verstorbene Freiburger Erzbischof Oskar Saier. Ihnen war von Rom strengstens verboten worden, ihre Position öffentlich weiter zu vertreten.
Den erleichternden Gedanken, zu früh dran gewesen zu sein, wird auch der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl haben. Er hatte mit dem Wiener Priesterrat im Jahre 1979 ein Dokument zur Pastoral rund um Scheidung und Wiederheirat verfasst. Kardinal König hatte als Wiener Erzbischof die Bemühungen des Priesterrats wohlwollend unterstützt. Kurz danach war Weihbischof Krätzl mit Kardinal Franz König zur Familiensynode 1979 nach Rom gefahren, zu der Johannes Paul II. eingeladen hatte. Schon während des Konzils hatte der Wiener Kardinal 1963 die katholische Kirche aufgefordert, in die Schule der Orthodoxie zu gehen und von ihr in Fragen der Geschiedenenpastoral zu lernen. Als sich dann bei der Bischofssynode in Rom 1979 abzeichnete, dass der Moraltheologe Papst Johannes Paul II. in dieser Frage keine Entwicklung zulassen werde, fuhren die beiden heim und versammelten die österreichische Bischofskonferenz. Diese gab 1980, noch bevor sich der Papst geäußert hatte, eine Erklärung heraus, die nicht nur von den Beratungen auf der Familiensynode berichtete, sondern mit besorgtem Blick auf die konkrete pastorale Praxis faktisch den Vorschlag des Wiener Priesterrates aufgriff. Wörtlich erklärten sie:
„Ein besonderes Problem, das die Bischofssynode sehr beschäftigt hat, betrifft die Pastoral an Geschiedenen, die wieder geheiratet haben. Die Kirche hat auch solchen Christen gegenüber zu bezeugen, dass die Ehe nach dem Gebot des Herrn als unauflösliche Gemeinschaft zu verstehen ist. Deshalb kann sie derartige Zweitehen nicht als sakramentale Gemeinschaften anerkennen. Auch die Kirche steht unter dem Wort des Herrn.
Andererseits ist es aber nach der Überzeugung der Bischofssynode Aufgabe der Kirche, auch gegenüber solchen, bloß standesamtlich geschlossenen Ehen Verständnis zu zeigen. Solche Eheleute sind nicht von der Kirche getrennt. Sie sollen am gottesdienstlichen Leben teilnehmen. Nach der traditionellen Praxis der Kirche können sie aber nicht am vollen sakramentalen Leben teilnehmen, es sei denn, es liegen besondere Verhältnisse vor, die jeweils im Gespräch mit einem erfahrenen Priester der näheren Klärung bedürfen.“1
Hier tauchen schon all jene Elemente auf, welche das Schreiben von Papst Franziskus bestimmen: Die orthodoxe Unterscheidung zwischen „Akribie“ (wir müssen ungeschmälert das Gebot des Herrn bezeugen) und „Oikonomie“ in der Form von Verständnis und Einzelfalllösung und im Einzelfall Begleitung durch erfahrene Seelsorger mit dem Ziel der vollen Integration in das kirchliche, also auch sakramentale Leben.
Die österreichischen Bischöfe hatten sich in der Einschätzung von Papst Johannes Paul II. nicht getäuscht. In seinem nachsynodalen Schreiben „Familiaris consortio“ (Die familiäre Schicksalsgemeinschaft, 1980) bestätigte dieser die traditionelle Praxis. Zwar schrieb er dagegen an, dass die betroffenen wiederverheiratet Geschiedenen „exkommuniziert“ seien (FC 83). Er betonte zudem, dass die Fälle oftmals sehr verschieden gelagert seien und pastorale Aufmerksamkeit erforderten – eine Passage, welche die Familiensynode und mit ihr Papst Franziskus bereitwillig aufgegriffen hat. Zugleich aber betonte er, dass der Zugang zu Beichte und Eucharistie solange verwehrt werden müsse, als die betroffenen Personen in der zweiten Verbindung verblieben. Denn in diesem Fall bestehe ein objektiver Widerspruch zwischen dem Sakrament der Einheit der Eucharistie und der in der Zweitehe gelebten Untreue. Solange das erste Eheband bestehe und nicht annulliert werden könne, sei daher ein Zugang zu den Sakramenten nicht möglich. Muss dann ein Paar wegen neuer Verbindlichkeiten aus sittlichen Gründen dennoch zusammenbleiben – der Papst nannte konkret die Sorge um gemeinsame Kinder – und es möchte dennoch zur Kommunion hinzutreten, dann müsste es bereit sein, sich jener Akte zu enthalten, die Eheleuten vorbehalten sind (FC 84). Dieses „wie Bruder und Schwester zu leben“ würde die zweite Verbindung von ihrer „sündhaften Eheförmigkeit“ befreien, auch wenn sie dann doch eine „familiale Schicksalsgemeinschaft“ bliebe. Der Weg zu den Sakramenten führe also allein über eine sogenannte „Josephsehe“.
Noch in meiner Passauer Zeit am Lehrstuhl für Pastoraltheologie hatte ich 1982 ein Buch geschrieben mit dem damals bedrängenden Titel: „Scheidung – was dann …? Fragment einer katholischen Geschiedenenpastoral“. In diesem Buch hatte ich die pastorale Bedeutung der Erklärung der österreichischen Bischöfe aus dem Jahre 1980 als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gewürdigt. Es gebe für sie viele gute Argumente prominenter Theologen wie Rahner, Ratzinger, Lehmann und Kasper. Kurz nach dem Erscheinen des Buches übermittelte mir der damalige Bischof von Passau, Antonius Hofmann, – er tat dies gar nicht gern – wegen dieses Buches ein Monitum der Glaubenskongregation. So kann auch ich mich in die gar nicht kleine Zahl jener Bischöfe, Theologinnen und Theologen einreihen, die nach Karl Rahner in der Ehe- und Familienpastoral offensichtlich „zu früh dran waren“.
In dem vorliegenden pastoraltheologischen Essay werde ich die Apostolische Exhortatio „Amoris Laetitia“ (Die Freude der Liebe, 2016) von Franziskus, Bischof von Rom, kritisch würdigen. Dabei mögen die interessierte Leserin, der interessierte Leser keinen typischen Fachkommentar zu dem vielseitigen „päpstlichen Handbuch für die katholische Ehelehre, Eheberatung und Ehespiritualität und in all dem Ehe- und Familienpastoral“ erwarten. Das ist auch allein deshalb nicht vordringlich, weil das Dokument dank einer eingängigen und realitätsnahen Sprache keiner eigenen Erschließung bedarf: Es versteht sich von selbst und legt sich selbst aus.
Vielmehr greife ich einige wenige zentrale Aspekte heraus, um diese zu präsentieren und fachlich einzuordnen. Sie sollen die grundlegende pastorale Tragweite dieses engagierten päpstlichen Dokuments herausschälen. Denn das Dokument berührt nicht nur die Pastoral rund um Scheidung und Wiederheirat und ist auch nicht nur einfach eine Ehe- und Familienpastoral. Vielmehr werden Grundzüge einer überaus innovativen feinfühligen „Pastoralkultur“ erkennbar, die versucht, das Evangelium in die Lebenskultur heutiger Menschen behutsam einzuweben. Ein „neuer Ton“ wird hörbar, der dank Franziskus weitere Bereiche der Pastoral durchdringen wird.
Papst Franziskus ist kirchenpolitisch nicht leicht einzuordnen. Progressive möchten ihn ungeduldig vereinnahmen, Konservative bekämpfen ihn geharnischt. Aber der Papst ist weder konservativ noch progressiv. Wenn man ihn schon mit einem einzigen Wort charakterisieren will, dann am ehesten mit „radikal“. Des Papstes Pastoral hat jesuanische Wurzeln (radix). Sie lebt vom Vertrauen, dass Gott als der wahre Oberhirte der Herzen in jedem Menschen ein Leben lang als der „unbeirrbar treue Gott“ (Dtn 32,4) mit einem Erbarmen, das seine Gerechtigkeit krönt, am Werk ist. Und die Kirche steht, randvoll mit dem Evangelium, gewissenhaften Menschen bei der letztlich eigenverantwortlichen Meisterung ihres Lebens wegweisend und leidsensibel-heilend zur Seite und kümmert sich darum, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse sie dabei mehr fördern als behindern.
Dies sind einzelne Facetten dieser noch weithin ungewohnten feinfühligen Pastoralkultur, die in diesem Essay in juwelartigen Kapiteln bedacht werden sollen:
Tuchfühlung mit der Realität
Typisch ist des Papstes hoher Realitätssinn. Er geht nicht davon aus, wie er die Menschen haben möchte, sondern wie sie faktisch sind: mit all ihren Freuden und Leiden, Erfolgen und Niederlagen, aber immer in ihrer einmaligen Geschichte, die sie inmitten eines unentrinnbaren gesellschaftlichen Klimas schreiben. Dabei verzichtet der Papst nicht darauf, den Menschen auf ihrem Lebens- und Liebesweg das Evangelium als Ermutigung zu einer Entwicklung ihrer Lage zuzusingen. Er ermutigt zur Freude der Liebe, übersieht aber auch nicht die Schattenseiten.
Leidsensibles Dokument
Sein Dokument ist leidsensibel. Während bisher viele in der Kirche mehr auf das Gelingen von Ehe und Familie im Sinn der kirchlichen Weisungen geschaut haben, geht sein Blick auf die Menschen, die nicht heiraten können, weil sie keine Arbeit finden, die Gewalt erleben, unfreiwillig ihre Heimat verlassen müssen. Die praktische Frage, welche viele in der Kirche im Kontext des Reichtums und solider Familienpolitik am meisten berührt – nämlich der Zugang von Menschen, deren Ehe nicht hält und die aus vielfältigen Gründen in einer neuen Beziehung leben, zu den Sakramenten der Versöhnung und damit zur Eucharistie –, wird konkret lediglich in einer Fußnote (351) bedacht. Es werden also klare Prioritäten gesetzt: Die communio in vita ist dem Papst wichtiger als die communio in sacris, auch wenn diese beiden Facetten der communio nicht voneinander getrennt werden. Der verstorbene Passauer Bischof Franz Xaver Eder war, als er diese Rangordnung im Passauer Pastoralplan 2000 vertrat, von römischen Dikasterien gerügt worden.
Ehen und Familien auf Wegen und Umwegen
Dennoch gibt das Dokument auch zur zweitwichtigsten Frage – nämlich Scheidung und Wiederheirat – klare Weisungen, die auf tiefschürfenden theologischen Überlegungen beruhen.
Was macht also der Beichtvater?
Ziel pastoraler Sorge ist für den Papst nicht gesetzesgeleitetes Ausschließen, sondern fürsorgliches Integrieren. Den Anspruch auf volle Integration haben aber nicht die Perfekten – keiner lebt bereits das volle Ideal –, sondern die gläubigen Pilger, die auf je eigenen Wegen und Umwegen der Liebe sich dem Ideal der ehelichen Liebe nähern. Der Einzelfall zählt und dass jemand willens ist, auf dem Weg in Richtung jenes göttlichen Traums zu sein, den Jesus angesichts der Herzenshärte im Volk Israel wieder freigelegt hat.
Logiken
Um den jeweiligen Einzelfällen gerecht zu werden, braucht es eine Pastoral der Unterscheidung und der Integration. Diese ist nicht mehr primär an Defiziten und Sünden interessiert, sondern würdigt Fragmente des schon gelebten Ideals, die unterstützt durch die Fürsorglichkeit von erfahrenen Hirten entfaltet werden sollen. Dabei kann es manchmal schon ein Erfolg sein, wenn ein kleiner Schritt zu mehr Liebe gelingt oder wenn es keine weiteren Rückschritte gibt, wenn Wunden heilen und nicht neue geschlagen werden.
Ars pastorandi – erfahrene Seelsorgende
Von jenen Personen, welche seelsorglich an der Seite der Menschen sind – allen voran den Bischöfen –, erwartet der Papst eine hochwertige „ars pastorandi“. Eine solche moralisiert nicht, sondern heilt. Sie bevormundet nicht, sondern begleitet kompetent und einfühlsam. Die letzte Entscheidung liegt beim gewissenhaften Menschen und kann diesem nicht abgenommen werden. Diese sensible Balance zwischen dem bischöflichen Hirtenamt und dem Gewissen der Gläubigen gehört zu den „Lehrelementen“ mit höchster Tragweite für die gesamte Pastoral.
Ostkirchliche Pastoral weiterentwickelt
Beim Entwurf dieser neuen Pastoralkultur stützt sich Papst Franziskus sowohl auf unverbrauchte biblische Weisheiten als auch auf alte und in der Gesetzeslastigkeit vergessene Traditionen. Er geht mutig in die pastorale Schule der Ostkirchen. Deren eher paternalistisch gehandhabte Prinzipien der „Akribie“ und der „Oikonomie“ personalisiert er aber, indem die letzte Entscheidung nicht mehr beim Bischof (allein) liegt, sondern der Bischof einen von der Gnade Gottes getragenen Heilungsprozess durch erfahrene Seelsorge im „forum internum“ verantwortlich begleiten lässt und nach einer angemessenen Heilungszeit die volle Integration ins volle (auch sakramentale) Leben bescheinigt.
Eine neue Pastoralkultur
Zusammenfassend zeigt sich, dass die von Franziskus im Dokument faktisch geübte Pastoralkultur einen weitreichenden Perspektivenwechsel darstellt. Das Dokument des Papstes ist somit pastoraltheologisch besehen revolutionärer und mutet allen an der Ehe- und Familienpastoral in irgendeiner Weise Beteiligten weit mehr zu als erste oberflächliche Kommentare erkennen lassen. Es steht für eine weitreichende pastorale Wende, welche im Schlussdokument der Familiensynode bereits angekündigt worden ist. Es bringt einen neuen Ton in die Pastoral. Wende und Ton finden sich komprimiert in dem einem Wort: Barmherzigkeit.
(Halb)offene Themen
Gleichsam in einer Art Anhang geht es um ein paar Themen, die im Dokument des Papstes zwar aufgegriffen, aber teils unbefriedigend behandelt wurden und einer Fortführung bedürfen. In Frage gestellt wird ein Hang zu einem pastoralen „Familialismus“ – also eine derartige Hochbewertung der Familie, dass zumal die Alleinlebenden aus dem Blick geraten. Es leben aber in vielen Gemeinden Personen, die nicht heiraten wollten oder auch niemanden gefunden haben, mit dem sie sich verbünden hätten können. Die Kirche als „Familie von Familien“ zu definieren, ist theologisch fragwürdig. Ein wunder Punkt ist sodann die einseitige Kritik an Gender, die verkürzt unter dem Begriff „Gender-Ideologie“ läuft. Ausführungen dazu werden den berechtigten Anliegen der wissenschaftlich gut entfalteten Gender-Theorie nicht gerecht.
Natürlich gab es nach dem Erscheinen der Apostolischen Exhortatio Stimmen, welche die Bedeutung des Schreibens erahnten und deshalb herunterspielen wollten. Manche Bischöfe und Kardinäle hatten schon während des synodalen Prozesses vor einer häretischen Entwicklung gewarnt: „Wenn die Kirche den Empfang der Sakramente (auch nur in einem Fall) einer Person erlauben würde, die sich in einer irregulären Situation befindet, würde das bedeuten, dass die Ehe entweder nicht unauflöslich2 ist und damit diese Person nicht im Stand des Ehebruchs lebt, oder dass die heilige Kommunion nicht Gemeinschaft im Leib und Blut Christi ist, die hingegen die rechte Disposition der Person erfordert, nämlich die schwere Sünde zu bereuen und die feste Absicht, nicht mehr zu sündigen.“3 Der Historiker Roberto de Mattei kam „unumwunden zum Urteil, dass Amoris Laetitia ein ‚katastrophales Dokument‘ sei“.4
Ganz anders der Papstvertraute Antonio Spadaro (SJ). Er „schrieb nach der Bischofssynode 2015, die Synode habe ‚die Grundlage‘ für die Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion geschaffen, indem sie ‚eine Tür geöffnet hat‘, die bei der vorigen Synode noch verschlossen geblieben sei. Nun schrieb er zu Amoris Laetitia, dass sich seine Vorhersage damit bestätigt habe.“5 Bemerkenswert ist die Aussage, das Dokument sei revolutionär nicht in dem, was es lehre, sondern was es nicht mehr lehre.
Jedenfalls wünscht sich der Papst eine Kirche, in der fortan niemand mehr sagen kann: „Man hat immer anerkannt, dass Gott vergeben kann, auch wenn die Möglichkeit der Kirche, Sünder wieder in die Gemeinschaft einzugliedern, beschränkt war.“6 Oder ein wenig einfacher ausgedrückt: Mag ja sein, dass dir Gott (privat) vergibt, aber die Kirche kann dir nicht vergeben.
Der Papst hegt einen gewaltigen Anspruch an die katholische Kirche: Sie soll selbst „wie der Vater werden“7, randvoll von göttlichem Erbarmen (Lk 15,11–32).
Die revolutionären pastoraltheologischen Aspekte, die sich in dem sprachlich über weite Passagen poetisch-spirituellen Dokument von Papst Franziskus verbergen, gilt es in den folgenden Ausführungen herauszuschälen. Ob sie im Leben der Kirche Frucht tragen werden, hängt sowohl von der Courage der Betroffenen als auch vom Mut der für die Pastoral Verantwortlichen ab. Nicht zuletzt sind die Bischöfe und die Bischofskonferenzen gefordert. Eine nachhaltige pastorale Dezentralisierung der bislang uniformierten, künftig aber kulturell verbunteten und dennoch im Evangelium geeinten universellen, also wahrhaft katholischen Weltkirche hat begonnen.
Zuletzt einleitend noch ein kurzer praktischer Hinweis. Das Buch ist lesefreundlich gestaltet. Es ist nicht nötig, bei der Lektüre die den Ausführungen zugrundeliegenden Dokumente bei der Hand zu haben. Die Zitate werden im Text möglichst kurz gehalten. Mittellange werden in eine Fußnote gesetzt. Längere Zitate finden Sie im Anhang unter „Quellentexte“. In einer Fußnote wird auf die Position im Anhang verwiesen. Zur besseren Unterscheidung sind alle Zitate aus Amoris Laetitia – und nur diese – kursiv gesetzt.
In den Zitaten aus Amoris Laetitia (AL) kommen häufig „Subzitate“ vor, in denen sich der Papst auf andere Quellen stützt. Diese Fußnoten aus AL werden in diesem Buch nicht dokumentiert. Sie können jederzeit leicht im Apostolischen Schreiben nachgesehen werden.
© Thomas Boehm
Paul M. Zulehner, Dr. phil., Dr. theol., war von 1984 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2008 Professor für Pastoraltheologie in Wien. In zahlreichen und viel beachteten Veröffentlichungen beschäftigt er sich vor allem mit religionssoziologischen, kirchensoziologischen und pastoraltheologischen Themen..
Das Dokument „Amoris Laetitia“ weist weit über die Ehe- und Familienpastoral hinaus. Der erfahrene Pastoraltheologe Paul M. Zulehner zeigt hier dessen zukunftsweisende Bedeutung auf. Der Papst wirbt darin für eine Seelsorge, welche vor allem verwundete Menschen auf dem Heilungsweg begleitet, um sie wieder ins volle, auch sakramentale Leben der Kirche zu integrieren. Was die Weltkirche lernen kann, ist Seelsorge mit Fingerspitzengefühl und Respekt vor dem Gewissen der Menschen. So vollzieht sich der Perspektivenwechsel: vom Gesetz zum Gesicht.
Ein engagiertes Plädoyer für einen neuen Umgang in der Kirche.
Aus dem Inhalt:
„Papst Franziskus ist kirchenpolitisch nicht leicht einzuordnen. Progressive möchten ihn ungeduldig vereinnahmen, Konservative bekämpfen ihn geharnischt. Aber der Papst ist weder konservativ noch progressiv. Wenn man ihn schon mit einem einzigen Wort charakterisieren will, dann am ehesten mit ‚radikal‘. Des Papstes Pastoral hat jesuanische Wurzeln (radix). Sie lebt vom Vertrauen, dass Gott als der wahre Oberhirte der Herzen in jedem Menschen ein Leben lang als der ‚unbeirrbar treue Gott‘ (Dtn 32,4) mit einem Erbarmen, das seine Gerechtigkeit krönt, am Werk ist. Und die Kirche steht, randvoll mit dem Evangelium, gewissenhaften Menschen bei der letztlich eigenverantwortlichen Meisterung ihres Lebens wegweisend und leidsensibel-heilend zur Seite und kümmert sich darum, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse sie dabei mehr fördern als behindern.“.
Auch als Printausgabe erhältlich.
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Paul M. Zulehner
Auslaufmodell
Wohin steuert Franziskus die Kirche?
Auslaufen, das kann bedeuten: Es geht zu Ende mit der Kirche im nachchristlichen Europa. Nicht wenige Zahlen scheinen dafür zu sprechen. Papst Franziskus steht für eine andere Art von Auslaufen: Das Schiff der Kirche soll aus dem Hafen der Selbstbeschäftigung auslaufen und an die Ränder des Lebens und der Gesellschaft gehen, zu denen, die vom Leben verwundet sind. Moralisieren steht für ihn nicht auf der pastoralen Tagesordnung, sondern heilen.
Ausgehend vom Leben des Papstes zeigt Paul M. Zulehner dessen Kernanliegen: sein Einsatz für eine Kirche der Armen und für eine neue Kultur des Umgangs miteinander in der Kirche, wie sie beispielsweise bei der Vorbereitung und Durchführung der Familiensynode deutlich wird. Beide Themenfelder werden vertieft durch Beiträge ausgewiesener Experten wie dem Politiker Wolfgang Schüssel, dem Sozialethiker Friedhelm Hengsbach SJ und dem Familienforscher Wolfgang Mazal.
Ein leidenschaftliches Plädoyer, sich von der Bewegung des Franziskus anstecken zu lassen und daran mitzuwirken, dass das Schiff Kirche neu Fahrt aufnimmt.
--> ein pastoraltheologischer Essay eines großen Theologen
--> mit zahlreichen Karikaturen, die vertiefen und zuspitzen
Als Printausgabe erhältlich:
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Paul M. Zulehner
Entängstigt euch!
Die Flüchtlinge und das christliche Abendland
Unerwartet viele schutzsuchende Frauen, Männer, kleine Kinder, alte Menschen sind in der letzten Zeit nach Europa gekommen und viele sind noch unterwegs. Das ruft bei vielen starke Gefühle wach von Zuversicht bis Wut, von hilfsbereiter Solidarität bis Hass. Die Flüchtlinge spalten die Bevölkerung in Europa.
Paul M. Zulehner geht in diesem aktuellen Zwischenruf den Ängsten nach, die hinter den abwehrenden Haltungen liegen, und zeigt Möglichkeiten auf, sie zu überwinden. Jede und jeder kann in diesen großen Herausforderungen einen wertvollen Beitrag leisten. Das wird dann eher gelingen, wenn diffuse Angst in rationale Besorgnis gewandelt wird. Begründete Sorge kann kraftvolle Energie für eine zukunftsfähige Politik und einen nachhaltigen Einsatz freisetzen. Die Formel lautet: „Wird (diffuse) Angst kleiner, kann (liebende) Solidarität größer werden.“ Dann aber heißt die große Zumutung der heutigen Zeit: „Entängstigt euch!“
Als Printausgabe erhältlich:
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Als eBook-Ausgabe erhältlich:
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Zu früh dran
Ein neuer Ton
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Widersprüchliche Stimmen
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Vom Vertrag zum Vertragen
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Ars pastorandi: erfahrene Seelsorge
Ostkirchliche Pastoralkultur weiterentwickelt
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Text 1: Zärtliche Mütter – männliche Väter
Text 2: Gott führt Ehepaare zusammen
Text 3: Was Paare hindert zu heiraten
Text 4: Vorteile der Institution Ehe
Text 5: Vorgeschichte des Ringens um eine neue Pastoral im Umkreis von Scheidung und Wiederheirat
Text 6: Johannes Paul II. – Familiaris consortio 83
Text 7: Johannes Paul II. – Familiaris consortio 84
Text 8: Situationen unterscheiden
Text 9: Logik der Integration
Text 10: Aus- und Weiterbildung
Text 11: Kriterien
Text 12: Hauskirche