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Das Buch

Kriminalhauptkommissar Oliver von Bodenstein wird nachts zu einem Brand in der Nähe von Ruppertshain gerufen. Er vermutet, dass der Feuerteufel dahinter steckt, der seit Monaten im Taunus sein Unwesen treibt und leer stehende Gebäude anzündet. Doch diesmal geht es um mehr: Im brennenden Wohnwagen auf dem Campingplatz im Wald kam ein Mann ums Leben. Bodenstein und seine Kollegin Pia Sander ehem. Kirchhoff ermitteln wegen Mordes. Als sie mit der Besitzerin des Wohnwagens sprechen wollen, kommen sie zu spät: Auch sie wurde getötet, obwohl sie sowieso nicht mehr lange zu leben gehabt hätte. Während die Polizei fieberhaft nach einem jungen Mann fahndet, der in der Brandnacht im Wald den Täter gesehen haben könnte, geschieht ein dritter Mord.

Vor über vierzig Jahren verschwand Bodensteins bester Freund, der zehnjährige Artur, spurlos. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Mordserie und diesem nie aufgeklärten Vermisstenfall? Bodenstein geht den alten Spuren nach und entdeckt Ungereimtheiten und Ermittlungsfehler. Pia und er stoßen auf eine Mauer aus Schweigen, Angst und Misstrauen, und der Mörder scheint noch nicht am Ende mit seiner Mission. Um ihm Einhalt gebieten zu können, müssen sie herausfinden, was im August 1972 im Wald bei Ruppertshain wirklich geschehen ist.

Die Autorin

NELE NEUHAUS, geboren in Münster / Westfalen, lebt seit ihrer Kindheit im Taunus und schreibt bereits ebenso lange. Ihr 2010 erschienener Kriminalroman Schneewittchen muss sterben brachte ihr den großen Durchbruch, seitdem gehört sie zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen Deutschlands. Außerdem schreibt die passionierte Reiterin Pferde-Jugendbücher und, unter ihrem Mädchennamen Nele Löwenberg, Unterhaltungsliteratur. Ihre Bücher erscheinen in über 30 Ländern. Vom Polizeipräsidenten Westhessens wurde Nele Neuhaus zur Kriminalhauptkommissarin ehrenhalber ernannt.

Von Nele Neuhaus sind in unserem Hause bereits erschienen:

In der Serie »Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi«:

Eine unbeliebte Frau · Mordsfreunde · Tiefe Wunden · Schneewittchen muss sterben · Wer Wind sät · Böser Wolf · Die Lebenden und die Toten · Im Wald · Muttertag

Außerdem:

Unter Haien

In der Sheridan-Grant-Serie:

Sommer der Wahrheit

Straße nach Nirgendwo

Zeiten des Sturms

NELE NEUHAUS

IM WALD

Kriminalroman

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Ullstein

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www.ullstein.de

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ISBN 978-3-8437-1429-7

© 2016 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: © plainpicture/ NaturePL/ Klaus Echle

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Für Matthias.
Danke für deine Geduld, für Aufmunterung,
Unterstützung und für deine Liebe.

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Verdrängung ist die tödlichste Form der Verleugnung.

C. Northcote Parkinson

Dieses Buch ist ein Roman. Die gesamte Handlung ist von A–Z von mir erfunden. Auch wenn es den Ort Ruppertshain wirklich gibt, sind Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen nicht beabsichtigt und rein zufällig.

Personenregister

Schulfreunde von Oliver von Bodenstein in alphabetischer Reihenfolge:

Ralf Ehlers, Unternehmer und Lebenskünstler

Jakob Ehlers, sein Bruder

Patrizia Ehlers, geb. Kroll, dessen Frau

Dr. Inka Hansen, Tierärztin

Andreas Hartmann, Metzgermeister

Franziska Hartmann, seine Schwester

Elisabeth Hartmann, seine Mutter

Edgar Herold, Schlossermeister

Conny Herold, seine Frau

Rosemarie Herold, geb. Kroll, seine Mutter

Clemens Herold, sein Bruder

Sonja Schreck, geb. Herold, seine Schwester

Detlef Schreck, Sonjas Mann

Wieland Kapteina, Revierförster

Ronja Kapteina, seine Tochter

Klaus Kroll, Ortspolizist, Bruder von Rosemarie Herold und Patrizia Ehlers

Dr. Peter Lessing, Investmentbanker

Henriette Lessing, seine Frau

Elias Lessing, sein Sohn

Letizia Lessing, seine Tochter

Konstantin Pokorny, Bäckermeister

Sylvia Pokorny, seine Frau

Roman Reichenbach, Installateur

Simone Reichenbach, geb. Ohlenschläger, seine Frau

Pauline Reichenbach, ihre Tochter

Weitere Figuren:

Adalbert Maurer, Pfarrer im Ruhestand

Irene Vetter, seine Schwester

Leonard Keller, Städtischer Arbeiter

Annemarie Keller, seine Mutter

Felicitas Molin, Schwester der Pächterin des Waldfreundehauses

Dr. Renate Basedow, Ärztin in Ruppertshain

Benedikt Rath, Kriminalhauptkommissar a. D.

Valentina Berjakov

Claudia Ellerhorst, ihre beste Freundin

Estefania Ugonelli

Das K11:

Oliver von Bodenstein, Erster Kriminalhauptkommissar, K11

Pia Sander, ehem. Kirchhoff, Kriminalhauptkommissarin, K11

Dr. Nicola Engel, Kriminalrätin, Leiterin der RKI Hofheim

Kai Ostermann, Kriminaloberkommissar, K11

Kathrin Fachinger, Kriminaloberkommissarin, K11

Tariq Omari, Kriminalkommissar, K11

Cem Altunay, Kriminalhauptkommissar, K11

Christian Kröger, Kriminalhauptkommissar, Erkennungsdienst

Prof. Dr. Henning Kirchhoff, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin Frankfurt

Dr. Frederick Lemmer, Rechtsmediziner

Gianni Lombardi, Vernehmungsexperte vom LKA

Dr. Kim Freitag, forensische Psychiaterin, Pias Schwester

Merle Grumbach, Opferbeauftragte der RKI Hofhaim

Stefan Swyhalla, Pressesprecher der RKI Hofhaim

Außerdem:

Karoline Albrecht

Dr. Christoph Sander

Sophia von Bodenstein

Gabriella von Rothkirch

Heinrich Graf von Bodenstein

Leonora Gräfin von Bodenstein

Quentin von Bodenstein

Lorenz von Bodenstein

Thordis von Bodenstein, geb. Hansen

Prolog

31. August 1972

Ich will das nicht tun. Aber ich muss. Ich habe keine andere Wahl. Ich kann nicht zulassen, dass er mir alles zerstört. Und genau das wird passieren, und zwar schon bald. Er wird irgendjemandem das erzählen, was er mir erzählt hat, vielleicht sogar der Polizei, die noch immer überall nach dem Russenkind sucht und jeden im Dorf ausfragt. Man wird ihm glauben, so, wie ich ihm geglaubt habe. Es wird sich herumsprechen und das ganze Dorf wird es erfahren. Sie werden schockiert tun und mitleidig, aber hinter meinem Rücken werden sie über mich lachen, weil ich so naiv bin. Ich kann schon hören, wie sie tratschen. Ich kann mir genau vorstellen, wie sie verstummen, sobald ich irgendwo auftauche. Bevor das geschieht, muss ich handeln. Ich muss einfach.

Die ganze Nacht über habe ich mir den Kopf zerbrochen. Jetzt habe ich einen Plan. Es ist ziemlich praktisch, dass mich alle für etwas dumm halten. Niemand würde mir so etwas zutrauen. Nicht mir.

Ich laufe durch die Obstwiesen, auch wenn die Strecke etwas weiter ist. Falls mir jemand begegnet, kann ich behaupten, ich wollte ein paar Äpfel lesen. Die Sonne ist eine bleiche Scheibe am Himmel. Beim Laufen kleben meine Oberschenkel aneinander, so schrecklich heiß ist es. Kein Lüftchen geht. Seit Tagen hat es keinen Tropfen mehr geregnet, doch heute wird es ein Gewitter geben. Die Schwalben fliegen ganz tief und die Luft ist elektrisch aufgeladen.

Endlich habe ich den Wald erreicht. Die Schatten der Bäume spenden kaum Kühle. Es ist unnatürlich still. Der Wald scheint den Atem anzuhalten. Vielleicht ahnt er, was ich vorhabe. Zwischen hohen Fichten steht seine Hütte. Er hat sie selbst ausgebaut, und ich habe ihm oft dabei geholfen. Ich kenne jeden Winkel, und manchmal wünschte ich, es wäre anders gekommen.

Am liebsten würde ich wieder umkehren, aber ich kann nicht. Ich muss es tun, sonst wird er mir die Chance zerstören, endlich von meiner Familie wegzukommen. Die Oberfläche des kleinen Tümpels, den wir letzten Sommer zusammen gegraben und in den wir Kaulquappen gesetzt haben, schimmert wie schwarzes Glas. Mein Herz pocht, als ich an die Tür der Hütte klopfe. Ein paar Sekunden hoffe und fürchte ich, dass er nicht da ist. Aber dann geht die Tür auf. Er trägt nur eine Jeans, sein Oberkörper ist nackt und sein Haar noch feucht. Sein Blick streift mein Gesicht, ein ungläubiges Lächeln schleicht sich in seine Mundwinkel. Er hat nicht mit mir gerechnet. Natürlich nicht. Nach allem, was ich vorgestern zu ihm gesagt habe.

»Hey, das ist ja schön!«, sagt er und seine Augen leuchten. »Warte, ich zieh mir schnell was über.«

Er ist so anständig. Trotzdem hasse ich ihn, weil er mich festhalten will, hier, in diesem Leben, das ich nicht mehr will. Er streift sich ein T-Shirt über.

»Willst du reinkommen?«, fragt er. Er ist ein bisschen unsicher.

»Klar. Wenn du mich rein lässt …« Ich lächele, obwohl ich lieber weglaufen würde. Mir ist übel. Die Hütte besteht nur aus einem Raum. Er klaubt ein paar Klamotten zusammen, wirft sie auf einen Stuhl. Mein Blick fällt auf die Schlafcouch, die ordentlich gemacht ist.

»Setz dich doch.« Er ist aufgeregt, glaubt, hofft, ich sei gekommen, um ihm zu sagen, dass ich über alles nachgedacht habe und zu ihm zurückkehre. Trotz allem. »Willst du was trinken? Ich hab Coca-Cola da.«

»Nein, danke«, sage ich.

»Du … du siehst sehr hübsch aus«, sagt er verlegen. »Das Kleid steht dir echt gut.«

»Danke.« Ich muss mich beeilen. Nicht dass die Kinder mich hier überraschen. Ich schmiege mich an ihn. Er riecht nach Duschgel und Shampoo, und ich schließe die Augen, weil mir die Tränen kommen. Ach, wenn es doch nur eine andere Lösung gäbe!

»Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe«, murmele ich.

»Und mir tut’s leid, dass ich dir gedroht habe.« Seine Stimme ist ganz nah an meinem Ohr. »Aber ich musste es dir doch sagen. Immerhin war es dein …«

»Nicht! Bitte! Ich weiß ja, dass du es nur gut meinst.«

Und trotzdem lasse ich mir mein Glück nicht von dir kaputtmachen, denke ich. Nicht von dir, und auch von keinem anderen. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine echte Chance.

Sein Atem streichelt mein Gesicht, ich berühre seine Wange, seinen Nacken. Alles an ihm ist so vertraut.

Geh!, schreit die Stimme in meinem Kopf. Geh einfach weg und lass ihn in Ruhe!

Ich beiße die Zähne zusammen, um nicht zu weinen. Er ist völlig arglos.

»Ach, ich habe dich so sehr vermisst.« Ich spüre seine Lippen weich und zärtlich in meinem Haar.

Jetzt, denke ich. Lieber Gott im Himmel, verzeih mir!

Er begreift nicht, was mit ihm geschieht. Guckt mich nur ungläubig an. Und dann ist alles vorbei.

Fünf Minuten später atme ich die warme Luft, den Duft von Harz und Sommer und Fichtennadeln. Meine Knie sind weich wie Pudding. Ich wollte das nicht tun. Aber ich musste. Er hat uns keine Wahl gelassen.

Dienstag, 7. Oktober 2014

»Danke fürs Mitnehmen.«

»Alles klar.« Der Mann nickte gleichgültig, setzte schon den Blinker, um sich wieder in den Verkehr einzufädeln, und blickte in den Außenspiegel. »Ciao!«

»Ciao!« Er kletterte aus dem Lieferwagen, zerrte seinen Rucksack aus dem Fußraum und schlug die Tür zu. Glück gehabt, dass der Typ angehalten hatte. Es zog sich nämlich ganz schön, den Berg hoch von Königstein bis zur Billtalhöhe, und er wollte vor Einbruch der Dunkelheit im Wohnwagen sein. Von den Pendlern, die aus Frankfurt in den Hintertaunus fuhren, nahm keiner einen Tramper mit, erst recht keinen Langhaarigen, der aussah wie ein Penner. So was täte sein Vater auch niemals. Der Lieferwagen tauchte in den Verkehrsstrom ein, und er wartete am Straßenrand, bis er endlich die Straße überqueren konnte.

Von hier aus waren es noch knapp anderthalb Kilometer Fußmarsch, dann hatte er sein Ziel erreicht, den Campingplatz am Waldfreundehaus. In den drei Monaten im Jugendknast hatte er jede Nacht vom Wald geträumt. Von Bäumen, die bis in den Himmel wuchsen, vom lehmigen Duft feuchter Erde, vom dämmerigen Licht und den Geräuschen. Er liebte den Wald, seitdem er denken konnte. Seine Schwester hatte immer Schiss gehabt, aber er mochte es, wenn sich die Bäume über ihm schlossen. Nur dann fühlte er sich geborgen. Vielleicht sollte er ja Förster werden. Oder Waldarbeiter, so lange, bis er das Abi nachgeholt hatte. Denn das hatte er vor.

Auf der linken Seite der Schotterstraße tauchten mehrere Weiher auf, die dem Angelsportverein gehörten. Zwischen Tannen und Fichten standen vereinzelte Laubbäume, deren Blätter sich schon herbstlich verfärbten. Als sich ein Auto näherte, verbarg er sich hinter dem Stamm einer mächtigen Buche. Niemand sollte ihn sehen. Im Laufe der Zeit hatte er gelernt, sich unsichtbar zu machen. Es dämmerte schon, als er endlich die große Waldwiese erreichte. Um nicht an der Ausflugsgaststätte vorbeigehen zu müssen, schlug er sich ein Stück durchs Unterholz, bog den rostigen Maschendrahtzaun herunter, der den Campingplatz umgab, und kletterte darüber. Dann setzte er sich unter einen Baum und wartete. Von seinem Platz aus hatte er einen ungehinderten Blick auf die Wohnwagen, die in einer großen Runde rings um die Wiese am Waldrand standen. Die meisten waren seit Jahren nicht mehr bewegt worden. Ihre Besitzer nutzten den Campingplatz zur Sommerfrische oder an den Wochenenden. Manchen der Wagen sah man allerdings an, dass sie schon sehr lange unbenutzt waren. In einem von ihnen wollte er die nächsten Tage unterkommen, bis er den Entzug hinter sich hatte.

Heute war Tag vier seiner neuen Zeitrechnung. Der Zeit ohne Drogen. Diese ersten vier Tage eines kalten Entzugs waren die schlimmsten, das wusste er, denn es war nicht der erste, den er machte. Im Knast hatte er schon dasselbe erlebt, aber danach hatte es keine Woche gedauert, bis er wieder voll drauf gewesen war. Diesmal wollte er es wirklich durchziehen. Er wollte weg von der ewigen Jagd nach dem Zeug, das sein ganzes Leben bestimmte. Endgültig. Das hatte er Nike versprochen. Und seinem Kind, das in ein paar Wochen zur Welt kommen sollte. Ein Junge würde es werden, Nike hatte es ihm auf dem Ultraschallbild gezeigt. Und dann hatte sie ihm gesagt, dass er nicht mehr wiederzukommen bräuchte, solange er nicht clean sei. Sie hatte dabei geweint, und er auch.

In dem Augenblick hatte er sich vorgenommen, es zu schaffen. Er wollte seinem Sohn ein Vater sein, ein guter Vater. Kein Junkie, der nur den nächsten Schuss im Kopf hatte und für den sein Sohn sich schämen musste. Vor allen Dingen aber wollte er ein besserer Vater sein, als seiner es für ihn gewesen war.

Die ersten drei Tage, die schlimmsten, hatte er in einem leerstehenden Haus in Bockenheim verbracht. Stöhnend hatte er sich von einer Seite auf die andere gewälzt. Der kalte Schweiß hatte widerlich nach dem Gift gestunken, das eine solche Macht über seinen Körper und seinen Geist hatte. Das ganze Zimmer hatte danach gerochen und nach Kotze und Urin. Vielleicht war es genau das, was er gebraucht hatte. Dieses Gefühl, das letzte Stück Dreck zu sein.

Er wartete, bis am späten Abend die Lichter im Wohnhaus neben der Gaststätte erloschen waren. In einem einzigen Wohnwagen auf der gegenüberliegenden Seite der Wiese brannte Licht, sonst war alles dunkel. Er hatte sich für den Wagen ganz am Ende der Kolonie entschieden. Die morschen Holzstufen der Veranda, die rings um den Wohnwagen führte, knarrten unter seinen Füßen. Das Schloss an der Tür war ein Witz. Er brauchte keine Minute, um es zu knacken. Drinnen roch es muffig und nach Schimmel, aber das war ihm egal. Mit dem Feuerzeug leuchtete er das Innere des Wohnwagens aus, das erstaunlich geräumig war. Natürlich alles im spießigen Fünfziger-Jahre-Look. Aber es gab ein Bett mit Kissen und Decken und ein Campingklo. Zu seiner Freude fand er mehrere Sixpacks mit Mineralwasser auf der Arbeitsfläche der Küchenzeile, im Hängeschrank Konservenbüchsen mit Ravioli und Thunfisch und Gläser mit eingemachtem Obst. Im abgeschalteten Kühlschrank, dessen Tür nur angelehnt war, lagen sogar noch sechs Dosen Bier. Hier konnte er es eine Weile aushalten. Er warf seinen Rucksack auf die Eckbank, streifte die Schuhe von den Füßen und ließ sich auf das Bett fallen. Noch zwei, drei Tage, dann konnte er Nike sagen, dass er clean war.

»Du wirst sehen, Nike«, murmelte er. »Alles wird gut.«

Minuten später war er tief und fest eingeschlafen.