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DAVID CAY JOHNSTON

DIE AKTE TRUMP

Aus dem Englischen von
Regina Berger, Robert Poth und Annemarie Pumpernig

 

 

 

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Für

Gene Roberts und Glenn Kramon, Herausgeber

und

John Wasserburger, Lehrer

Einführung

EINFÜHRUNG

Als Donald Trump im Juni 2015 auf der Rolltreppe in das Atrium des Trump Tower herabschwebte, um bekannt zu geben, dass er bei den Präsidentschaftswahlen antreten würde, live übertragen von den nationalen Fernsehsendern, hielten fast alle Journalisten seine Kandidatur für ein reines Eitelkeitsprojekt.

Ich nicht.

Ich arbeite seit meinem 18. Lebensjahr als investigativer Journalist. In dieser Zeit habe ich Fakten ausgegraben, Gesetzesänderungen bewirkt und immer wieder für Aufregung gesorgt, ob ich nun für den San Jose Mercury, die Detroit Free Press, die Los Angeles Times, den Philadelphia Inquirer oder schließlich für die New York Times tätig war.

Von Anfang an entschied ich selbst, worüber ich schrieb. Ich war mein eigener Chef, ein Einzelgänger in der Redaktion. Ich konnte mir das erlauben, weil meine Beiträge starke Leserreaktionen auslösten und weitreichende Auswirkungen hatten: Einem Fernsehsender wurde die Lizenz entzogen, weil sich seine Berichte als manipuliert erwiesen hatten; einem unschuldigen Mann blieb eine lebenslange Haftstrafe erspart, nachdem ich den tatsächlichen Mörder aufgespürt hatte; Jack Welch, der langjährige Chef von General Electric, musste auf seine lukrativen Pensionsvergünstigungen verzichten; es kam heraus, dass die Polizei in Los Angeles in politische Spionage und andere Straftaten verwickelt war und ausländische Agenten insgeheim die Politik der US-Regierung beeinflussten. Im Zuge meiner Arbeit für meine letzte Zeitung gewann ich einen Pulitzer Preis, weil ich derart viele Steuertricks und Steuerschlupflöcher aufgedeckt hatte, dass ich von einem prominenten Professor für Steuerrecht als »de facto-Chef der Steuerfahndung« der Vereinigten Staaten bezeichnet wurde. 

1987 begann ich mich für Casinos zu interessieren, nachdem der Oberste Gerichtshof entschieden hatte, dass amerikanische Ureinwohner das Recht hatten, Casinos zu betreiben. Das Urteil, dessen war ich mir sicher, würde dazu führen, dass sich Casinos im ganzen Land verbreiten – Casinos, die vor allem der wirtschaftlichen Elite des Landes gehören würden. Das einzige Mal in meinem Leben bewarb ich mich um eine Stelle. Dem Philadelphia Inquirer gefiel meine Idee: Im Juni 1988 zog ich nach Atlantic City.

Ein paar Tage später traf ich Donald Trump.

Er kam mir vor wie ein moderner P. T. Barnum[1], der Eintrittskarten für einen Blick auf eine moderne Version der Fidschi-Meerjungfrau verkaufte, eines der gefälschten Exponate aus seinem berühmten Kuriositätenkabinett, für dessen Anblick die Menschen bereit waren, ein wenig von ihrem Geld zu opfern. Trump war völlig von sich eingenommen. Wie ich nach kurzer Zeit von anderen Leuten in der Stadt erfuhr, hatte er jedoch so gut wie keine Ahnung vom Casino-Geschäft, ganz zu schweigen von den Regeln der Spiele. Das war nicht ganz unwichtig, wie sich herausstellen sollte – warum, wird in den letzten beiden Kapiteln dieses Buchs erklärt. 

In den fast 30 Jahren, die seither vergangen sind, habe ich mich intensiv mit Trump befasst; ich verfolge seine geschäftlichen Aktivitäten und habe etliche Interviews mit ihm geführt. 1990 berichtete ich als erster, dass er kein Milliardär war, wie er behauptet hatte, sondern dass er vielmehr tief in der Kreide steckte. Dass er einen chaotischen Zusammenbruch seines Firmenimperiums und eine Privatinsolvenz vermeiden konnte, hatte er der Regierung zu verdanken, die ihn vor den Banken rettete, wie Sie lesen werden. 

Bevor es die Technik möglich machte, Dokumente in digitaler Form zu speichern, legte ich mir ein umfangreiches Archiv mit Dokumenten über Trump an, was investigative Journalisten häufig tun, wenn sie an einem Thema dran sind. Ich besaß derart viele Aktenschachteln mit Dokumenten über Trump und andere prominente US-Bürger wie Barron Hilton, Jack Welch und Daryl Gates, den Polizeichef von Los Angeles, dass ich jahrelang zwei große Schließfächer gemietet hatte, um alle aufbewahren zu können. 

Als Trump bekannt gab, dass er sich um die Nominierung als republikanischer Kandidat für die Präsidentschaftswahlen von 2016 bewerben würde, war mir klar, dass er es ernst meinte. Ich hatte jahrzehntelang über ihn berichtet und hatte meine Unterlagen aufbewahrt. Zudem konnte ich auf das Archiv des Journalisten Wayne Barrett zurückgreifen, das er mir großzügig zur Verfügung stellte.

Erstens wusste ich, dass Trump schon seit 1985 mit einer Präsidentschaftskandidatur geliebäugelt hatte. 1988 brachte er sich selbst als Vizekandidat des ersten Präsidenten George Bush ins Gespräch, ein Job, den schließlich Senator Dan Quayle übernahm. Im Juli desselben Jahres war ich dabei, als er mit seiner Yacht, der Trump Princess, in Atlantic City eintraf, wo er von einer jubelnden Menge begrüßt wurde. Scharen von Mädchen im Teenageralter hüpften und quietschten vor Begeisterung, als ob sie eben den Rockstar ihrer Träume erblickt hätten. Als Trump und seine damalige Frau Ivana die Rolltreppe bestiegen, die hinauf in Trumps Castle Casino führte, ließ ihn die Menge hochleben. Ein Mann rief laut: »Be our president, Donald!« – sei unser Präsident. 

Ich verfolgte auch, wie Trump im Jahr 2000 für die Reform Party in den Ring stieg, eine kleinere Gruppierung, deren Mitgliederzahl sich auf ein paar Zehntausend beschränkt (verglichen mit den Millionen, die sich als Demokraten oder Republikaner bezeichnen). Während dieser kurzen Wahlkampfepisode gab Trump bekannt, dass er der erste Kandidat sein würde, der bei einer Präsidentschaftswahl antreten und daran verdienen würde. Er erklärte, dass er sich einen millionenschweren Vertrag für zehn Vorträge bei Veranstaltungen des Motivationstrainers Tony Robbins gesichert hätte. Er organisierte seine Wahlkampfauftritte rund um diese Events, sodass er die Kosten seiner Boeing 727 mit Kampagnengeldern finanzieren konnte. Das war typisch Trump: alles in ein Geschäft zu verwandeln, sogar die Politik. Nur wenige wussten davon. 

Auch im Präsidentschaftswahlkampf 2016 wurde ein großer Teil von Trumps Kampagnengeldern dafür verwendet, Trump für die Nutzung seiner Boeing 727, seines kleineren Jets, seines Hubschraubers, seiner Büroräumlichkeiten im Trump Tower sowie für andere Dienstleistungen zu bezahlen, die von Trumps eigenen Unternehmen erbracht wurden. Trump ist gesetzlich verpflichtet, für seine Flugzeuge übliche Chartergebühren sowie Marktpreise für Dienstleistungen seiner diversen Unternehmen zu entrichten. Diese Antikorruptionsbestimmungen sollen verhindern, dass Unternehmen ihre Dienste zu Vorzugskonditionen anbieten, um sich die Gunst von Politikern zu erkaufen – ein Überbleibsel aus einer Zeit, als sich niemand vorstellen konnte, dass ein Mann mit dem mutmaßlich immensen Vermögen Trumps alles im Wahlkampf Nötige bei seinen eigenen Firmen kaufen würde. 2016 sorgen diese Bestimmungen tatsächlich dafür, dass Trump von seiner Präsidentschaftskampagne finanziell profitiert.

Auch 2012 kandidierte Trump. Dieses Mal wurde er von fast allen Journalisten als seriöser Kandidat betrachtet, nicht aber von Lawrence O’Donnell vom Nachrichtensender MSNBC, und auch nicht von mir. Unabhängig voneinander kamen O’Donnell und ich zum Schluss, dass Trump mit seiner Kandidatur nicht das Ziel verfolgte, ins Weiße Haus einzuziehen; sie hatte einen anderen Zweck. Sein wirkliches Ziel, wie wir vermuteten, war ein lukrativerer Vertrag mit dem Fernsehsender NBC für seine in die Jahre gekommene Show »The Apprentice«, in der er den Spruch »You’re fired!« zu seinem Markenzeichen gemacht hatte. Als sich Trump aus dem Wahlkampf zurückzog, erklärte er tatsächlich, dass er sich, so sehr ihn das Land auch im Weißen Haus brauche, nun doch in erster Linie um seine Show kümmern müsse. Daraus schlossen viele Journalisten, dass seine Kandidatur nur ein schrulliger Scherz gewesen war. Demzufolge maßen sie auch seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2016 keine besondere Bedeutung bei. 

Aber 2012 verhielten sich die Dinge anders. Mit der Beliebtheit der Show ging es bergab, und es bestand die Gefahr, dass sie eingestellt wurde. Trump ist ein Mann, der die New Yorker Boulevardblätter Seite für Seite liest. Es konnte ihm, abgesehen vom Tod, nichts Schlimmeres passieren – und das wusste ich – als eines Morgens aufzustehen und in der Daily News und der Post die folgende Schlagzeile zu lesen: »NBC to Trump: You’re Fired!«

 

Kaum hatte Trump 2015 seine Kandidatur bekanntgegeben, begann ich, über das zu berichten, was die Mainstream-Medien verschwiegen. In einem meiner ersten Artikel zu dem Thema listete ich 21 Fragen auf, die Trump auf seiner Wahlkampftour von Journalisten gestellt werden sollten. Kein einziger stellte sie. Gegen Ende der Vorwahlen griff Senator Marco Rubio meine Frage zur Trump University auf, und Senator Ted Cruz meine Frage zu Trumps Geschäftsbeziehungen mit den Mafia-Familien Genovese und Gambino, beides Themen, die im vorliegenden Buch behandelt werden. Ich werde mich immer fragen, welche Wendungen die Dinge genommen hätten, wenn Journalisten oder einige der 16 Kandidaten, die mit Trump um die republikanische Nominierung kämpften, schon Monate früher damit begonnen hätten, die von mir formulierten Fragen zu stellen. 

Mit diesem Buch möchte ich dafür sorgen, dass sich die Menschen in den USA ein vollständigeres Bild von Trump machen können, ein Bild, das sich nicht auf sein öffentliches Image beschränkt, das er mit so außergewöhnlichem Geschick und solcher Entschlossenheit pflegt, bewirbt und immer wieder aufpoliert. Trump liebt es, sich als moderner Midas darzustellen – dabei verwandelt sich vieles, was er berührt, nicht in Gold, sondern ins Gegenteil. Er studiert die Angewohnheiten von Journalisten sorgfältig, und er versteht es meisterhaft, sie für seine Zwecke zu benutzen – meisterhafter als jede andere Person, die mir je begegnet ist.

Wichtiger noch ist aber, dass Trump mit ebenso viel Energie an einem anderen Ziel gearbeitet hat: sicherzustellen, dass nur wenige über seine lebenslangen Verbindungen mit einem bedeutenden Kokainhändler, mit Gangstern und Mafia-Vertrauten, mit Hochstaplern und Betrügern Bescheid wissen. Er wurde Tausende Male geklagt, weil er sich weigerte, Mitarbeiter, Lieferanten und andere Gläubiger zu bezahlen. Anleger brachten ihn in verschiedenen Städten wegen Betrugs vor Gericht. Doch Trump hat seine Fähigkeit, behördliche Ermittlungen von sich abzulenken oder dafür zu sorgen, dass sie eingestellt werden, fast zur Perfektion entwickelt. Auch droht er seinerseits oft mit Klagen, um Medien davon abzuhalten, einen Blick hinter die Fassade des scheinbar mit allen Wassern gewaschenen, allmächtigen Mannes zu werfen, den sie »The Donald« nennen.

Bei einem meiner ersten Treffen mit Trump tat ich etwas, was hoffentlich noch viele Journalisten vor den Wahlen im November 2016 tun werden. Ich brachte das Gespräch auf ein Casino-Thema, von dem Trump wenig Ahnung hatte, und behauptete absichtlich etwas Falsches, eine Technik, die im investigativen Journalismus in mancherlei Hinsicht von Nutzen ist. Trump stimmte meiner falschen Behauptung sofort zu und baute sie in seine Antwort ein, etwa so wie Fernsehwahrsager ihre Weissagungen auf die Hinweise abstimmen, die sie den Angaben der Anrufer entnehmen.

Ein sehr schönes Beispiel für die Angewohnheit Trumps, sich davon leiten zu lassen, was andere sagen, war zu beobachten, als Lester Holt, der Moderator der abendlichen Hauptnachrichtensendung des Fernsehsenders NBC, »Nightly News«, Trump Ende Juni 2016 auf seine Behauptung ansprach, Hillary Clinton hätte den Bengasi-Anschlag »verschlafen«. Nachdem Holt eingeworfen hatte, dass es am damaligen Aufenthaltsort Clintons gerade mitten am Nachmittag war, versuchte Trump vorerst, diese Information in seine Antwort einzubauen und sich dann aus der Affäre zu ziehen, indem er seine Unkenntnis der Fakten überspielte. 

Für jene, die bezweifeln, dass es Trump selbst an grundlegendem Wissen über wichtige Themen mangelt, habe ich zahlreiche einschlägige Beispiele in dieses Buch aufgenommen. Hier ist eines, das für den Anfang reichen sollte:

Während der vom Nachrichtensender CNN übertragenen Fernsehdebatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten im Dezember 2015 stellte der konservative Radiomoderator Hugh Hewitt Trump folgende Frage: »Welcher Bestandteil unserer nuklearen Triade hat für Sie Priorität?« 

»Nun, zuallererst bin ich der Ansicht, dass wir unbedingt jemanden brauchen, dem wir vertrauen können, der durch und durch verantwortungsbewusst ist, eine Person, die wirklich weiß, was sie tut«, antwortete Trump. »Da geht es um enorme Macht, das ist ein ungemein wichtiges Thema. Und worauf ich offen gesagt am stolzesten bin: Ich habe mich 2003, 2004 in aller Entschiedenheit gegen die Invasion im Irak ausgesprochen, weil das den Mittleren Osten destabilisieren würde. Ich habe davor gewarnt. Ich habe nachdrücklich davor gewarnt. Das war sehr wichtig. Aber wir müssen äußerst wachsam und äußerst vorsichtig sein, wenn es um Atomwaffen geht. Atomwaffen ändern die Spielregeln total. Offen gesagt, ich wäre dafür gewesen, dass wir uns aus Syrien zurückziehen, und zwar sofort, wenn es heute nicht derart wirkungsvolle Waffen gäbe. Ihre Schlagkraft ist so groß, dass wir uns einfach nicht mehr aus Regionen zurückziehen können, [um die] wir uns vor 50 Jahren oder 75 Jahren nicht gekümmert hätten […]. Es war ein Kampf Mann gegen Mann …«

Hewitt setzte nach und fragte: »Aber zurück zu den drei Bestandteilen der Triade, haben Sie da eine Priorität?«

Trump antwortete: »Also ich würde meinen – also meiner Ansicht nach geht es bei den Atomwaffen vor allem um ihre Durchschlagskraft, ihre verheerenden Auswirkungen, das ist es, was für mich das Wichtige ist.«

Daraufhin wandte sich Hewitt an Marco Rubio, den Senator aus Florida, den Trump oft als »Leichtgewicht« verspottet hatte: »Haben Sie eine Antwort?« 

»Lassen Sie mich den Menschen zuhause zuerst erklären, was die Triade ist«, sagte Rubio. »Die Triade ist unsere Fähigkeit, Atomwaffenangriffe von Flugzeugen aus, mit Raketen von Raketensilos oder vom Boden aus oder von unseren Atom-U-Booten aus durchzuführen.«

Es war nicht das erste Mal, dass Trump gefragt wurde, wie er die Budgetmittel auf die drei verschiedenen Methoden aufteilen würde, mit denen die US-Streitkräfte Atombomben ans Ziel bringen können. Vier Monate davor hatte Hewitt Trump bei seiner Radioshow dieselbe Frage gestellt. Trumps Antwort ließ erkennen, dass er keine Ahnung hatte, wonach ihn Hewitt fragte. Offensichtlich hatte er in den Monaten seither keinerlei Anstrengungen unternommen, sich kundig zu machen. »Zu den wichtigsten Dingen, über die wir uns Sorgen machen müssen, gehören meiner Ansicht nach Atomwaffen, generell gesagt«, erklärte Trump in Hewitts Radioshow. »Die Schlagkraft der Atomwaffen, die Stärke der Waffen, über die wir heute verfügen – und da geht es, nebenbei gesagt, um den Deal mit dem Iran – das Konzept dahinter ist so wichtig, dass ein guter Deal einfach nötig war, und was sie hätten tun sollen, ist, dass sie die Sanktionen hätten verdoppeln und verdreifachen sollen …«

Die in diesem Buch angeführten Fakten beruhen auf meinen eigenen Beobachtungen und auf öffentlichen Aufzeichnungen. Es sind Fakten, die mit derselben akribischen Sorgfalt berichtet werden wie alles andere, was ich im letzten halben Jahrhundert geschrieben habe.

Viele fragen, warum ich nicht – oder nicht auch – ein Buch über Hillary Clinton schreibe anstatt über Donald Trump. Der Grund dafür ist, dass ich 1988 in Atlantic City gelandet bin und nicht in Arkansas. Ich kenne Trump; mit Clinton oder ihrem Mann habe ich nie gesprochen. Allerdings war sie als First Lady sehr wütend über meine Artikel in der New York Times, denen zu entnehmen war, dass sie und ihr Mann mehr als doppelt so viel Einkommensteuer zahlten als nötig, da sie trotz der fast 10.000 Dollar, die sie jedes Jahr für die Erstellung ihrer Einkommensteuererklärung ausgaben, schlecht beraten worden waren. 

Zuletzt noch eines, woran Sie denken sollten, wenn Sie dieses Buch lesen: an die Scharen begeistert applaudierender junger Menschen, die im Juni 2015 das Atrium des Trump Tower füllten, als Trump seine Kandidatur bekanntgab und sich in bösartigen Attacken auf Mexikaner, Muslime und die Medien erging. Damals dachte ich mir, dass das nicht zu Midtown Manhattan passte, einer Gegend, die nicht gerade für Xenophobie oder enthusiastische Zustimmung zu rassistischen Tiraden bekannt ist. Mein Gefühl trog mich nicht: Tatsächlich war der Gefühlsausbruch dieser Menschenmenge nicht so authentisch, wie Fernsehzuseher wohl vermuteten. Viele der klatschenden Anwesenden waren nichts weiter als Statisten, die 50 Dollar für ihre Beifallsbekundungen kassierten.

1. Familiengeschichte

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FAMILIENGESCHICHTE

Die Wurzeln der Familie Trump reichen tief in das kriegsgeplagte Deutschland des 17. Jahrhunderts zurück. Damals hieß die Familie allerdings noch Drumpf. Der Name, der bereits 1648 auf »Trump« – englisch für »Trumpf« – vereinfacht wurde, sollte sich für die späteren Nachkommen zu einem mächtigen Markennamen entwickeln. 

Aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts erscheint diese frühe Namenswahl wegweisend. Donald kann die Definition des Trumpfs eines Bridgespielers zweifellos für sich reklamieren: eine besonders wertvolle Karte, die alle anderen sticht. Sonstige Bedeutungen, die dem Wort »trump« im Englischen beigemessen werden, sind »etwas von geringem Wert, eine Kleinigkeit« oder als Verb »täuschen oder betrügen« oder auch »eine Trompete blasen oder zum Erklingen bringen«. Weitere Bedeutungen des Verbs sind »skrupellos täuschen« oder »fälschen, fabrizieren oder erfinden«, wie zum Beispiel in »trumped-up charges«, erfundene Anklagepunkte.

Donald Trump hatte seinen Großvater Friedrich, der starb, als Donalds Vater Fred zwölf Jahre alt war, nie kennengelernt. Trotzdem warf Friedrich, ein skrupelloser Geschäftsmann, mit seiner Geldbesessenheit und seinem Hang zu impertinenten Gesetzesverstößen – so errichtete er Gebäude auf Grundstücken, die ihm nicht gehörten, – einen hundertjährigen Schatten auf die Familie Trump.

Friedrich Trump war in Kallstadt, in der Weinregion Rheinland-Pfalz im Südwesten Deutschlands aufgewachsen, wo man sich mit harter Arbeit zwar ein Dach über dem Kopf, aber keine Reichtümer erwirtschaften konnte. Sein Vater war gestorben, als Friedrich erst acht Jahre alt war. Mit 16 sollte der junge Friedrich 1885 zum Militärdienst einberufen werden. Daraufhin legte er seiner Mutter eine Nachricht auf den Tisch und tat das, was auch Millionen anderer Europäer taten, deren Zukunftsaussichten zu Hause trübe waren: Er floh aus Deutschland und wanderte in die Vereinigten Staaten aus.

Nach einer sicherlich anstrengenden Überfahrt über den Atlantik in einem vollgepackten Dampfer landete Friedrich schließlich in New York, wo er bei seiner älteren Schwester Katherine und deren Mann einzog, die schon vor ihm emigriert waren.

Es dauerte nicht lang, und der junge Mann beschloss, sich nach Westen aufzumachen. Er kam bis nach Seattle, wo er eine Gaststätte, The Dairy Restaurant, eröffnete. Das Lokal verfügte über einen mit einem Vorhang abgetrennten Bereich, der höchstwahrscheinlich als Billigbordell diente, wie Gwenda Blair in ihrer Geschichte der Trumps erzählt, die übrigens unter Mitwirkung der Familie entstand. 

1892 erhielt Friedrich die US-Staatsbürgerschaft, nachdem er ein falsches Alter angegeben hatte. Er behauptete, er sei schon zwei Jahre vor seinem eigentlichen Eintreffen in New York ins Land gekommen. Beim Einbürgerungsverfahren wurde er von zwei Freunden unterstützt, die ihm einen hervorragenden Charakter bescheinigten. Einer von ihnen war ein Arbeiter, während die Tätigkeit des anderen darin bestand, Baulichkeiten für etwas bereitzustellen, was Blair vornehm als »Mädchenpensionat« bezeichnete.

Friedrich begründete zwar viele Traditionen der Familie Trump in Amerika, doch zählte die Ausübung des Stimmrechts nicht zu ihnen. Und auch sein Enkelsohn Donald, der sich jetzt um das Präsidentenamt bewirbt, stimmte weder bei der Präsidentschaftswahl 2002 noch bei irgendeiner der republikanischen Vorwahlen nach 1989 ab. Dieses Verhalten änderte er erst 2016 und stimmte – für sich selbst.

Friedrichs Urenkel zeigten sich, was die Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Pflichten betraf, noch nachlässiger als der Urgroßvater. Als Donald Trumps Name 2016 auf dem Stimmzettel der Präsidentschaftsvorwahlen des Bundesstaates New York stand, durften weder seine Tochter Ivanka noch sein Sohn Eric, beide in den Dreißigern, ihre Stimme abgeben, weil sie es versäumt hatten, sich als Republikaner ins Wahlregister eintragen zu lassen. Sie gaben der Regierung die Schuld daran und erklärten, man hätte es ihnen in letzter Minute erlauben müssen, von den Parteilosen zu den Republikanern zu wechseln. Die Abstimmungsregeln für Präsidentschaftsvorwahlen im Empire State sind zwar veraltet, gelten aber schon seit vielen Jahren. Die Geschwister hätten monatelang Zeit gehabt, sich als Republikaner eintragen zu lassen, um an den Wahlen teilnehmen und für ihren Vater stimmen zu können.

Eine Familientradition führte Friedrich Trump allerdings tatsächlich in Amerika ein: Er begann damit, Reichtum anzuhäufen und den Hals nie vollzukriegen. Friedrich verkaufte sein Restaurant-Bordell und gründete circa 50 Kilometer nördlich von Seattle ein neues Unternehmen. Gerüchten zufolge planten die Rockefellers, die mit Öl reich geworden waren, in dem Gebiet ein großes Bergwerk zu eröffnen. Das veranlasste Friedrich, auf einem Grundstück direkt gegenüber vom Bahnhof, das ihm nicht gehörte, ein ganz spezielles Hotel zu errichten – ein Haus sozusagen für aktive Kurzaufenthalte, nicht für volle Übernachtungen. Die Idee, auf einem fremden Grundstück zu bauen, sollte sein Enkelsohn Donald später wieder aufgreifen, als er das Anwesen Mar-A-Lago in Florida erwarb. Er nahm dazu eine Hypothek auf, die mit dem schriftlichen Einverständnis der Chase Bank nicht bei Gericht eingetragen wurde.

Das Bergbauprojekt verlief letztendlich im Sande, und kaum jemand war am Ende reicher als bei der Ankunft in diesem Gebiet der Hoffnung. Einer dieser wenigen war Friedrich Trump, der seinen Namen zu diesem Zeitpunkt bereits an amerikanische Gepflogenheiten angepasst hatte und sich Frederick nannte. Man rief ihn Fred. 

Sobald Fred vom Goldrausch am Klondike erfuhr, machte er sich auf ins kanadische Yukon-Territorium. Die Mühsal des Goldwaschens in eisigen Flüssen erschien ihm wenig attraktiv. Freds Goldmine waren die Minenarbeiter. Er eröffnete eine Art Bar und Grill, ein Lokal, das er The Arctic nannte. Dort wurden harte Getränke ausgeschenkt, und auch halbseidene Damen – »Sporting Ladies«, wie man sie nannte – durften nicht fehlen. Wieder einmal war sein Gefühl für Timing perfekt. Er trat gerade am Höhepunkt des Goldrausches auf den Plan. Einige Zeit danach neigten sich die Goldvorräte ihrem Ende zu, und berittene Polizei, die Royal Canadian Mounted Police, kam in die Camps, um nach dem Rechten zu sehen. Doch da hatte Fred Trump bereits ein kleines Vermögen gemacht, mit dem er sich zurück nach Amerika absetzte.

1901, inzwischen war er 32 Jahre alt, kehrte Frederick Trump nach Deutschland zurück, wo seine Mutter ihren inzwischen reich gewordenen Sohn mit standesgemäßen jungen Damen bekannt machte. Frederick jedoch verliebte sich in eine junge Frau, von der seine Mutter alles andere als angetan war, eine zwanzigjährige Blondine namens Elizabeth Christ. Elizabeth, die gerade einmal sechs Jahre alt war, als ihr zukünftiger Ehemann nach Amerika segelte, um sich dem deutschen Militärdienst zu entziehen, war von barocker Üppigkeit. Trump bevorzugte kurvige Blondinen, und auch das sollte zu einer Familientradition werden.

Frederick entführte seine Braut nach Amerika, wo er alsbald wieder Ausschau nach Gelegenheiten hielt, sein Vermögen zu vergrößern, das sich zu diesem Zeitpunkt in heutigem Geld bereits auf eine halbe Million Dollar belief. Elizabeth fühlte sich im hektischen New York mit seinen starken Kontrasten zwischen Arm und Reich jedoch unglücklich. Sie litt unter fürchterlichem Heimweh. So bestiegen Frederick und seine Frau 1904 gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter ein Schiff zurück nach Deutschland.

Dort angelangt, bekam der junge Krösus jedoch alle Hände voll zu tun, um die Behörden von seiner Verfolgung als Wehrdienstverweigerer abzuhalten. In der Hoffnung, das Vermögen, das er ins Land gebracht hatte, würde die Behörden beeindrucken, erklärte er der Regierung seine Abwesenheit im Jahr 1904 schriftlich wie folgt: »Ich bin nicht nach Amerika ausgewandert, um mich dem Militärdienst zu entziehen, sondern um Wohlstand zu erwerben und so meine Mutter [in Kallstadt] unterstützen zu können«, erklärte er. Die deutschen Behörden fanden das nicht überzeugend genug und verwiesen ihn des Landes.

Donald Trump wurde noch nie gefragt, ob es diese Episode seiner Familiengeschichte war, die ihn zu seiner in den USA verfassungswidrigen Forderung veranlasste, geschätzte elf Millionen illegal ins Land gekommene Einwanderer auszuweisen. Zusätzlich möchte er sogar solche Immigranten abschieben, deren Kinder längst amerikanische Staatsbürger sind. Er wurde auch noch nie gefragt, ob er an seinen Großvater denkt, wenn er fordert, die USA sollten Soldaten oder Matrosen muslimischen Glaubens die Rückeinreise in die Vereinigten Staaten verwehren. 

Wieder in New York angelangt, vergrößerte Frederick sein Vermögen weiter. In ihrer reich bebilderten Biografie erzählt Gwenda Blair, dass Frederick als Friseur zu arbeiten begann, eine schlecht bezahlte Tätigkeit, die man bei einem Mann, der so aufs Geldverdienen bedacht war, kaum vermuten würde. Wie sie schreibt, wurde in den Friseurläden der damaligen Zeit auch Tabak verkauft, doch wurden Friseure trotzdem schlecht bezahlt. Allerdings boten Friseurläden einen anderen, wertvollen Vorteil: Da hier zweifelhafte Gestalten aller Art ein- und ausgehen konnten, um sich ihre tägliche Rasur zu holen oder einfach rumzuhängen, eigneten sich diese Orte wunderbar als Drehscheiben für gewiefte Geschäftemacher und zur Anbahnung geheimer Transaktionen zwischen kriminellen Elementen verschiedenster ethnischer Zugehörigkeit, die sich in der großen Stadt tummelten. 

Obwohl er noch so viel vorhatte, konnte sich Frederick trotz seines Vermögens keine zusätzliche Lebenszeit erkaufen: Er war einer von über 20 Millionen Menschen, die der Grippepandemie von 1918 zum Opfer fielen. Doch schon bald trat ein anderes emsiges Mitglied der Familie Trump in seine Fußstapfen: Donalds Vater Fred.

2. Familienwerte

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FAMILIENWERTE

Obwohl Frederick Christ Trump erst zwölf Jahre alt war, als sein Vater 1918 starb, trat er nur zwei Jahre nach dessen Tod in seine Fußstapfen, indem er gemeinsam mit seiner Mutter eine Garagenbaufirma für Wohnhäuser gründete: Elizabeth Trump & Son. Da der junge Frederick noch ein Teenager war und daher keine Verträge eingehen durfte, war es Elizabeth, die alle Schecks und Dokumente unterschreiben musste. 

Kaum volljährig geworden, beteiligte sich Fred Trump mit 21 Jahren an einer Prügelei zwischen rund 100 New Yorker Polizisten und 1 000 Mitgliedern und Anhängern des rassistischen Geheimbundes Ku-Klux-Klan, viele von ihnen mit weißen Kapuzengewändern vermummt. Schauplatz des Krawalls war Jamaica, jenes Viertel in Queens, in dem Fred Trump wohnte. Die Polizei nahm ihn fest, weil er sich weigerte, das Feld zu räumen. Allerdings verzichtete der Staatsanwalt darauf, ihn und viele andere, die an diesem Tag verhaftet wurden, anzuklagen. Dies war nur eine von vielen Gelegenheiten, bei denen Fred Trump seine Neigung zu rassistischen Umtrieben erkennen ließ.

Fast neun Jahrzehnte später versuchte sein Sohn, der Präsidentschaftskandidat Donald Trump, diesen Sachverhalt zu leugnen, indem er behauptete, sein Vater habe gar nie unter der Adresse gelebt, die die Presse den polizeilichen Meldeunterlagen entnommen hatte. Andere behördliche Unterlagen belegen jedoch, dass sein Vater tatsächlich in Queens gewohnt hatte. Und sie weisen nur einen einzigen Fred Trump aus, der in dieser Zeit in Queens lebte.

In einem Interview der New York Times 2015 fühlte sich Donald, nachdem man ihn mit den Daten konfrontiert hatte, in die Enge getrieben und begann nervös zu zucken und sich zu winden. Er wollte die Zeitung dazu bringen, die Verhaftung einfach zu ignorieren, obwohl die Website boingboing.net nach dem Auftauchen eines Artikels der New York Times aus dem Jahr 1927 schon darüber berichtet hatte. Trump äußerte sich etwa folgendermaßen:

… Das Ganze ist nie passiert. Und es hieß auch, es sei keine Anklage erhoben worden, nichts. Ehrlicherweise muss man sagen, dass es nicht fair ist, das zu erwähnen, weil doch keine Anklage erhoben worden ist. Es hieß, es sei Anklage gegen andere erhoben worden, aber das stimmt nicht. Keinerlei Anklagen, also absoluter Unsinn … Jemand hat mir diese Website gezeigt – eine unbedeutende Website, die von irgendjemandem ins Netz gestellt wurde. Übrigens – ist Ihnen aufgefallen, dass keine Anklage erhoben wurde? Nun, wenn in einer Sache keine Anklage erhoben wurde, sollte sie auch nicht erwähnt werden… Weil gegen meinen Vater wurde keine Anklage erhoben. Wie es bei den anderen Beteiligten war, weiß ich nicht. Aber ihm wurde nichts vorgeworfen, absolut nichts. Wenn man also davon ausgeht, dass er beteiligt war – das glaube ich nicht. Ich habe noch nie davon gehört. Es ist also wirklich nicht fair, das zu erwähnen. Es ist nie passiert … Wenn es keine Anklage gegeben hat, dann sollte es auch nicht erwähnt werden.

Dieser letzte Satz ist wichtig für das Verständnis der Lücke zwischen den allgemeinen Berichten über Trump und dem unzweifelhaften Inhalt der behördlichen Unterlagen: Die Forderung, dass Ereignisse, die zu keiner strafrechtlichen Verfolgung geführt haben, in den Nachrichten nicht erwähnt werden sollten, ist ein wichtiges Element Trumps akribischer und hartnäckiger Bemühungen, Recherchen über seine Verhaltensweisen zu verhindern. Dank seinem Vermögen und seiner Prominenz gelingt es ihm immer wieder, die Aufmerksamkeit von Journalisten dorthin zu lenken, wo er sie haben will, und Ermittlungen von Strafverfolgungsbehörden und Leuten, die ihn wegen Betrugs oder Zahlungsverweigerung klagen, ins Leere laufen zu lassen.

Wie auch immer: Als sich die Roaring Twenties ihrem Ende zuneigten, baute Fred Trump Einfamilienhäuser in Queens. 1929, mit dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise, stieg er auf einen Selbstbedienungsladen für Lebensmittel um. Dabei handelte es sich um den Vorläufer eines modernen Supermarkts, der Möglichkeiten zur Kosteneinsparung bot, da die Kunden die Artikel selbst aus den Regalen nahmen und so den Großteil des Verkaufspersonals ersetzten. Das Geschäft war ein durchschlagender Erfolg, und Trump verkaufte es nach einem Jahr mit hohem Gewinn.

Während des Zweiten Weltkriegs zog Fred Trump staatliche Aufträge für den Bau von Apartmenthäusern und Baracken an Land, die in der Nähe von Marinewerften in Pennsylvania und Virginia errichtet werden sollten. Diese Tätigkeit machte ihn mit allen Einzelheiten des öffentlichen Beschaffungswesens vertraut, ein Vorteil, den er später zu seinen Gunsten nutzen sollte. Als die Bundesregierung nach dem Krieg Wohnbauten für zurückkehrende Soldaten zu errichten begann, war Fred Trump angeblich einer der Bauunternehmer, die schon am ersten möglichen Einreichungstag mit den Unterlagen am Kreditschalter der Wohnbaubehörde Federal Housing Administration standen. In den darauffolgenden Jahren baute er tausende Wohnungen in Brooklyn und Queens und kaufte weitere in so entlegenen Gebieten wie Ohio.

Fred Trump machte sich weder als Errichter hochwertiger Gebäude noch als guter Vermieter einen Namen. Er kaufte die billigsten Materialien, um über 27 000 subventionierte Wohnungen und Reihenhäuser aufzustellen. Für einige von ihnen kassiert seine Familie noch heute, Jahrzehnte später, Miete.

Donalds Vater war bereits ein Showman mit großtuerischem Auftreten, eine Eigenschaft, die sein Sohn später zur Perfektion bringen sollte. Fred, der Bauunternehmer aus Brooklyn, wusste genau, wie man die einfachen, vielsagenden Storys streute, die die Zeitungen gern bringen, ohne großartige Recherchen anzustellen. So fabulierte er 1946 gegenüber dem Brooklyn Eagle, dass es nach dem Krieg so schwierig sei, Baumaterialien zu bekommen. Deshalb habe er seine Männer in die Eisenwarenhandlungen der ganzen Stadt ausgeschickt, mit dem Auftrag, alle Nägel zu kaufen, die sie nur ergattern konnten, und sei es nur eine Handvoll. Später wurde er für eine sparsame Geste bekannt: Wenn er auf seinen Baustellen auftauchte (immer in Anzug und Krawatte), pflegte er auf seinen Rundgängen herumliegende Nägel eigenhändig aufzuheben und sie den Zimmerleuten in die Hand zu drücken.

Jahre danach brachte er eine Einlage, die seinem Sohn wohl als direkte Anregung diente: Er wollte auf Coney Island das erste Apartmentprojekt errichten, das den Namen der Familie Trump tragen sollte. Dazu musste allerdings der beliebte Steeplechase-Vergnügungspark abgerissen werden. Trump lenkte die Presse vom eigentlichen Thema ab, indem er eine Truppe helmbewehrter Grazien in gepunkteten Bikinis anheuerte, die den lokalen Bewohnern und Ehrenträgern der Stadt Ziegel in die Hände drückten. Dann lud er Pressefotografen ein, dabei zu sein, als die Werbefigur des Vergnügungsparks, ein komisch grinsendes Männergesicht namens Funny Face, mit den Ziegeln beworfen wurde. Jahrzehnte später pflegt sich Donald Trump ebenfalls mit Models zu umgeben, um Fernsehkameras anzulocken. Seine dritte Frau ließ er bei einem Foto-Shooting an Bord seiner Boeing 757 in seiner Anwesenheit fast nackt für ein Herrenmagazin posieren.

Lange bevor er lernte, Nachrichten zu fabrizieren, wurde Fred Trump zu einem Hauptziel staatlicher Ermittler. Die Anschuldigung lautete, er habe sich mit Steuergeldern bereichert, die eigentlich zur Unterstützung von Veteranen des Zweiten Weltkrieges gedacht gewesen seien. Bei den darauffolgenden Senatsanhörungen zu diesem Thema konnte er keine Ziegel verteilenden junge Damen in Bikinis zum Einsatz bringen. Stattdessen wurde er zu dem Vermögen befragt, das er und andere Bauunternehmer dank der Entscheidungen verdienten, die die Federal Housing Administration (FHA), das US-Unterministerium für Wohnbaufragen, zum Thema Hypothekengarantien getroffen hatte. Nachdem die FHA Trumps Kunstgriffen auf die Schliche gekommen war, wurden diese dem Präsidenten Dwight D. Eisenhower zur Kenntnis gebracht, der darüber im Oval Office angeblich einen Wutanfall bekam. Bald wühlten sich über 100 Ermittler der FHA durch bürokratische Unterlagen, verglichen Kosten mit Gewinnen und stießen auf enorme Diskrepanzen zwischen den Zahlen. 

Am 13. Juli 1945 prangten auf dem Brooklyn Eagle der Aufmacher: »Profit von 4 Millionen Dollar geleugnet«, und die Enthüllung: »Doch der Betrag entspricht dem Guthaben auf Trumps Bankkonto.« Trump war bereits ein bekannter Name, zumindest in Brooklyn.

In seiner Aussage vor dem Senatsausschuss für Banken- und Währungsfragen betonte Fred Trump, er habe keinen Profit von fast vier Millionen Dollar erzielt, wie fälschlich im Untersuchungsbericht behauptet. Er legte dar, all das sei nur ein Missverständnis, wobei seine Erklärung auf einem Verständnis der Rechnungslegung beruhte, das sicher aus keinem Lehrbuch oder Buchhaltungshandbuch stammte: Fred Trump erklärte, das Geld sei da, ja sicher, es liege auf dem Bankkonto und stamme auch tatsächlich von seinen durch die FHA subventionierten Projekten, aber man könne nun wirklich nicht sagen, dass er sich bereichert habe. Es handle sich nicht einmal um einen Gewinn, so sagte er, denn er habe den Großteil dieses Geldes ja nicht von seinem Bankkonto abgehoben.

Eine solche Erklärung lässt jedem, der etwas vom Rechnungswesen versteht, die Haare zu Berge stehen. Sein Sohn Donald erwies sich als ebenso kreativ, als er den Eindruck vermitteln wollte, er habe Milliarden Dollar nur durch seine geschickten Deals verdient.

Fred Trump sagte vor dem Kongress aus, die fast vier Millionen Dollar lägen nur deshalb auf dem Bankkonto, weil die Materialkosten unerwartet günstig ausgefallen waren, die Bauarbeiten früher abgeschlossen werden konnten und er selbst als Generalunternehmer aufgetreten sei. Das passte zu seinem Ruf als Bauunternehmer, der die Dinge anpackte und Projekte vor dem geplanten Zeitpunkt zu Ende brachte. Natürlich pflegte er dafür zu sorgen, dass die Zeitpläne immer so großzügig bemessen waren, dass man sie leicht unterschreiten konnte. Fred tat in der Folge sein Bestes, um den Spieß umzudrehen. Er beschuldigte die Ermittler, »meinem Ansehen und meinem guten Ruf einen immensen Schaden zuzufügen«. Obwohl im Gefolge dieser Affäre Meineidklagen im Raum standen, verlief die Untersuchung der FHA im Sande.

Einen Monat nach Fred Trumps Zeugenaussage in Washington beklagten sich Kaufleute aus dem Brooklyner Viertel Fort Greene darüber, dass Trump ihre Ladenmieten mithilfe staatlicher Slumsanierungsgelder in schwindelerregende Höhen trieb. Sie erzählten dem Brooklyn Eagle, er habe die Mieten verdoppelt, und bezeichneten die Maßnahme als »unmoralisch«. 

 

Fred Trump nahm denselben Standpunkt ein, den er bereits vor dem Senat vertreten hatte, indem er erklärte, alles sei nur ein Missverständnis. Die Geschäftsleute hatten für ähnliche Objekte sehr unterschiedliche Mieten von 40 bis 200 Dollar pro Monat und Ladenfront bezahlt. Er sagte auch, er gehe davon aus, dass die Geschäftsinhaber innerhalb einiger Jahre ohnehin verschwunden sein würden. Er selbst würde dank der Möglichkeiten, die ihm die Slumsanierung durch die Regierung eröffne, ein neues Apartmentprojekt realisieren … Und tatsächlich sollte er von diesen Möglichkeiten schon bald profitieren.

Der amerikanische Steuerzahler war allerdings nicht die einzige Kapitalquelle für Fred Trumps Bauprojekte. Einige Jahre nach Kriegsende tat sich Fred mit einem Partner namens Willie Tomasello zusammen. Wenn das Geld knapp wurde, schaffte Tomasello es immer wieder, Trump in kurzer Zeit mit dem nötigen Betriebskapital zu versorgen. Tomasello achtete auch darauf, dass die Gewerkschaften, die Maurer und Zimmerleute den beiden Partnern keinen Ärger machten. 

Die Taskforce des Bundesstaates New York gegen das Organisierte Verbrechen identifizierte Tomasello als Verbündeten der New Yorker Mafiafamilien Genovese und Gambino. In anderen Worten: So wie schon Friedrich Trump sein Vermögen Ende des 19. Jahrhunderts mit illegalen Praktiken aufgebaut hatte, war auch sein Sohn Fred Trump derartigen Geschäften nicht abhold. Zur Vermehrung seines Vermögens machte er ein Mitglied des organisierten Verbrechens zu seinem langjährigen Partner. Jahrzehnte später pflegte Donald Trump geschäftliche Beziehungen zu denselben Familien. Wie wir noch sehen werden, knüpfte er zahlreiche Geschäftskontakte zu diversen Kriminellen – von Trickbetrügern und Drogenbossen bis hin zu den Köpfen der beiden größten New Yorker Mafiafamilien.

Dass Donald Trump seinem Vater nacheiferte, sollte niemanden überraschen. Fred Christ Trump war ein strenger Vater, der von seinen Söhnen nichts weniger erwartete, als dass sie in seine Fußstapfen traten. Er sorgte dafür, dass sein ältester Sohn, Fred Jr., und dessen beide jüngeren Brüder Donald und Robert das Geschäft von der Pike auf lernten. Er fuhr mit ihnen in seinem blauen Cadillac regelmäßig zu den Baustellen. (Jedes zweite Jahr kaufte er übrigens ein neues Auto, auf dessen individueller Nummerntafel – eine Neuheit in der damaligen Zeit – sein Kürzel »FCT« prangte.) Seine drei Söhne mussten Lagerräume fegen, Münzen aus den Waschautomaten und Trocknern in den Kellern einsammeln, unter der Aufsicht der Wartungsteams kleine Reparaturen durchführen und später, als sie etwas älter waren, auch die Mieten kassieren.

Es war nicht so, dass die Jungen das bisschen Geld, das sie von ihrem Dad für die Arbeit bekamen, gebraucht hätten. Als Donald noch in den Windeln lag, waren er und seine Geschwister bereits Eigentümer eines Treuhandfonds. Donalds Anteil betrug damals ca. 12.000 Dollar pro Jahr, was Ende der 1940er-Jahre etwa dem Vierfachen des typischen Einkommens eines verheirateten Paares mit Kindern entsprach, wenn der Mann Vollzeit arbeitete.

Fred hatte sein Büro in einem nüchternen Bau an der Avenue Z in Brooklyn. Unterstützt wurde er von einer Sekretärin, die über ein halbes Jahrhundert lang an seiner Seite stand. (Anderen gegenüber erwähnte er, es sei das Beste, eine übergewichtige, unattraktive Sekretärin einzustellen, da diese wenigstens bei ihrem Job bliebe.) Ich habe mit Leuten gesprochen, die Fred an seinem schlichten Schreibtisch gegenüber saßen und ihm Angebote für Installationsleistungen, Fenster und Elektroarbeiten vorlegten. Sie alle beschreiben ein Ritual, das sicher nicht nur in diesem Büro zelebriert wurde. Zuerst legten die Anbieter ein einfaches Kuvert auf den Tisch. Fred nahm es und wog es einen Augenblick vielsagend in seiner Hand, bevor er es in einer Lade verschwinden ließ. Dann erst lauschte er den Ausführungen über die Vertragsbedingungen für die Arbeit an seinen Gebäuden.

Wenn es irgendwie gelang, diese Kickbacks auf den Staat oder die Mieter abzuwälzen, wurden sie in die Vertragskosten aufgenommen. Andernfalls schmälerten sie den Gewinn des Auftragnehmers. Dies ist – bis auf den heutigen Tag – eine weitverbreitete illegale Praxis, es sei denn, die Zahlungen würden in den Steuererklärungen ausgewiesen. Doch gerade das würde ihren Zweck ad absurdum führen. Ein solches Vorgehen ist kaum mit Risiken verbunden: Wer soll schon davon erfahren, wenn die Partei, die das Kuvert übergibt, kein Vertreter einer Regierungsbehörde ist und die Geldscheine nicht gekennzeichnet sind? Dass auf diese Weise kaum Geld von Bankkonten abgehoben zu werden brauchte, war ein weiterer Vorteil, weil die Steuerbehörden bei ihren Prüfungen keine Anhaltspunkte für illegale Praktiken fanden.

Als Erstgeborener hatte Fred Jr. die Pole Position für den Aufstieg im Unternehmen seines Vaters. Doch offensichtlich übertrugen sich weder die Arbeitswut noch die Arbeitsmethoden von Fred Senior auf Fred Junior. Während der Vater ein nüchterner Geschäftsmann war, der jeden Penny umdrehte, regelmäßige Arbeitszeiten einhielt und nach dem häuslichen Abendessen noch geschäftliche Telefonate führte, war Fred Junior ein freierer, wenn auch unruhiger Geist. In seinen Studententagen pflegte er in seiner Corvette zur Lehigh University in Bethlehem, Pennsylvania zu fahren, und er machte den Pilotenschein. Obwohl er kein Jude war, wollte er eigenen Angaben zufolge dem jüdischen Studentenverband beitreten.

Nachdem Fred Jr. in jungen Jahren begonnen hatte, für seinen Vater zu arbeiten, zeigte sich bald, dass Vater und Sohn das Vermietungsgeschäft mit unterschiedlichen Augen sahen. So stellte ihn der Vater zur Rede, als Fred Jr. neue Fenster für eines von Trumps Apartmenthäusern kaufte, anstatt die alten reparieren zu lassen. Fred Sr. beschuldigte ihn der Geldverschwendung. In seiner Erzählung dieser Episode wies Donald daraufhin, dass sein Vater zwar großzügig Kritik austeilte, mit Lob aber sehr sparsam war. Donald meinte, er sei damit gut zurecht gekommen, sein älterer Bruder aber nicht. 

Donald selbst war, wie man es heute ausdrücken würde, »verhaltensauffällig«. In seinem ersten Buch, The Art of the Deal

Bereits in seiner Collegezeit wickelte Donald erste Immobiliengeschäfte ab, darunter eines mit seinem Vater in Cincinnati. Später schrieb er, dass sich sein Vermögen nach seinem College-Abschluss auf 200.000 Dollar belaufen habe, eine Zahl, die angesichts der Beträge, die seit seiner Babyzeit in seinen Treuhandfonds flossen, bescheiden anmutet.

Da nun Donald der Weg offen stand, seinen Platz im Familienunternehmen einzunehmen, begann sich dieser noch vor seinem College-Abschluss stärker an seinem Vater zu orientieren. Er fuhr einen Cadillac mit dem Kennzeichen »DJT«. Einmal lud er eine attraktive Studentin der Penn, die Schauspielerin Candice Bergen, zu einem Abendessen ein, das frühzeitig endete. Das einzige, woran sie sich Jahre später entsinnen konnte, war, dass Trump einen dreiteiligen burgunderfarbenen Anzug mit farblich abgestimmten Lederstiefeln trug. 

Trotzdem prahlt Trump mit seinem 1968 erworbenen Bachelor-Abschluss in Wirtschaft und sagt, er habe an der Wharton School der University of Pennsylvania »super geniales Zeug« gelernt. »Ich war ein wirklich guter Student der besten Universität«, sagte Trump zu Barbara Walters in deren Show »The View«. »Ich bin eben ein durch und durch kluger Kopf.« 

Im Zuge einer Klage, die Trump gegen den Journalisten Timothy L. O’Brien anstrengte, weil dieser geschrieben hatte, Trumps Vermögen betrage möglicherweise weit weniger als eine Milliarde Dollar, stellte ein Rechtsanwalt Trump Fragen zu seinen Finanzkenntnissen und erkundigte sich, wie er die Höhe seines Vermögens bemesse. 

»Für mich bedeutet Net Present Value«, so Trumps Antwort, »den aktuellen Wert von Grundstücken nach Abzug der Schulden. Ich finde das Wort ›netto‹ interessant. Oder eigentlich ist es das Wort ›Wert‹, das zählt. Wenn man einen Vermögenswert hat, mit dem man auch andere Dinge tun kann, das aber nicht tut – nun, so einer bin ich nicht.«

Nachdem er das College beendet hatte, warf er seine Blicke nicht nur auf junge Damen, die sich einen vermögenden Mann an ihre Seite wünschten, sondern auch auf die andere Seite des East River, auf Manhattan, wo helle Lichter blinkten. Kaum 16 Jahre später errichtete er an der Fifth Avenue das erste Gebäude, auf dem in großen bronzefarbenen Lettern sein Name prangte.