Gerhard Roth, Alica Ryba

Coaching,
Beratung
und Gehirn

Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte

5., durchgesehene und um ein
Vorwort erweiterte Auflage

Klett-Cotta

Impressum

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Klett-Cotta
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Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Redaktion: Ulf Müller, Köln

Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg

Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde

Printausgabe: ISBN 978-3-608-94944-5

E-Book: ISBN 978-3-608-10038-9

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20322-6

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Vorwort zur 1. Auflage

Die Welt des Coachings und die der Neurowissenschaften scheinen in vielerlei Hinsicht weit auseinanderzuliegen. Coaching ist natürlicherweise praxisorientiert und war bisher wenig um eine solide theoretische Fundierung dieser Praxis bemüht. Die Neurowissenschaften sind als naturwissenschaftliche Disziplin überwiegend durch Experimente und Laborarbeit gekennzeichnet. Jedoch haben Neurowissenschaftler in enger Zusammenarbeit mit Psychologen, Psychiatern und Psychotherapeuten in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse über die Grundlagen des menschlichen Fühlens, Denkens und Handelns gewonnen, und Praktiker aus Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie haben begonnen, diese Erkenntnisse für sich und ihre therapeutische Tätigkeit nutzbar zu machen. Eine neurowissenschaftliche Fundierung der eigenen Praxis stößt einerseits auf großes Interesse, andererseits ist dieser Diskurs oft von »Bauchschmerzen« begleitet, weil vielerlei liebgewonnene Denkgewohnheiten überwunden werden müssen.

Ziel des vorliegenden Buches ist es, diesen Prozess auf das Coaching auszudehnen. Auch dies geht nicht ganz ohne »Bauchschmerzen« vonstatten, da man hierbei ebenfalls Denkgewohnheiten aufgeben muss. Dafür sind wir als Autoren gut gerüstet, da wir über Kenntnisse in Psychologie und der Praxis des Coachings (AR) sowie in Neurobiologie und Philosophie (GR) verfügen, die uns ein transdisziplinäres Denken ermöglichen. Dennoch war das Abfassen unseres Buches mit viel mühevoller, intensiver Arbeit verbunden und mit langen Diskussionen, die wir über rund drei Jahre führten, in dem Bewusstsein, dass der eine von uns das Buch nicht ohne den anderen hätte schreiben können.

Unterstützt wurden wir hierbei von zahlreichen Personen, denen wir herzlich danken. Dies betrifft in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen auf Seiten von AR Ortwin Meiss (Hamburg), Stephan Rietmann (Lüdinghausen) und Petra Schlütter (Hamburg), auf Seiten von GR Prof. Cord Benecke (Kassel), Prof. Manfred Cierpka (Heidelberg), Prof. Ulrich Egle (Freiburg), Prof. Ulrike Halsband (Tübingen) und Dr. Nicole Strüber (Bremen). Gemeinsam möchten wir Herrn Dr. Heinz Beyer vom Klett-Cotta-Verlag (Stuttgart) und Herrn Ulf Müller (Köln) für die professionelle Betreuung des Buchprojekts danken.

Bremen/Lilienthal und Hamburg, im April 2016

Vorwort zur 5. Auflage

Das vorliegende Buch »Coaching, Beratung und Gehirn« hat nach seinem Erscheinen im Jahre 2016 ebenso wie der 2019 publizierte Folgeband »Coaching und Beratung in der Praxis« eine sehr günstige Aufnahme erfahren und wurde im Coaching und weit darüber hinaus auf fruchtbare Weise rezipiert. Wir, die beiden Autoren, haben auf dieser Grundlage das Konzept des »Integrativen Coaching auf neurowissenschaftlicher Grundlage«, kurz »Integratives Neurocoaching – INC«, entwickelt und es in der Praxis sowie in unseren Coachingkursen erprobt. Dies beinhaltet, dass wir neben selbst entwickelten Interventionsverfahren aus den verschiedensten Coachingrichtungen diejenigen Verfahren auswählen, die einerseits eine empirische Wirksamkeit nachweisen können und andererseits in ihren Wirkmechanismen von soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen getragen sind. Das betrifft insbesondere die Ergebnisse der psychologischen und neurobiologischen Persönlichkeitsforschung.

Die beiden dabei zugrunde gelegten Modelle sind das »Vier-Ebenen-Modell von Psyche und Persönlichkeit« und das »Modell der sechs psychoneuralen Grundsysteme«. Ersteres Modell umfasst die vorgeburtliche und nachgeburtliche Entwicklung des limbischen Systems als Träger von Psyche und Persönlichkeit und seiner Interaktion mit dem kognitiven System, letzteres Modell stellt die Transformation basaler limbischer Funktionen in psychische Grundzustände wie Stressverarbeitung, Selbstberuhigung, Bindung, Motivation, Impulskontrolle und Realitäts- und Risikowahrnehmung dar. Diese sechs psychoneuralen Grundsysteme sind durch spezifische Neuromodulatoren und Neurohormone charakterisiert wie Cortisol, Serotonin, Oxytocin, Dopamin usw., und ihre Normalentwicklung wie auch deren Störungen können sehr gut mit der normalen und gestörten Entwicklung von Persönlichkeit und Psyche in Verbindung gebracht werden.

Diese beiden Modelle, welche die Persönlichkeit und ihre Veränderbarkeit erklären, wurden inzwischen von uns ergänzt durch das »Modell der drei Interventionsebenen«. Grundannahme dieses Modells ist, dass sich Coaching-relevante Probleme auf drei Ebenen manifestieren, welche gleichzeitig als drei unterschiedliche Gedächtnisse zu verstehen sind: die explizite Ebene der subjektiven Befindlichkeit, die implizite Ebene der Verhaltensgewohnheiten und die Ebene der Körperlichkeit. Letztere ist sowohl im Coaching als auch in der Psychotherapie bisher stark vernachlässigt worden. Es genügt nicht, ein Problem nur auf einer der drei Ebenen anzugehen, während es auf den beiden anderen fortdauert.

Schließlich haben wir auf der Grundlage dieser drei Modelle eine Problem- und Störungsdiagnostik entwickelt, die im diagnostischen Gespräch neben der traditionellen sprachlichen Ebene auch die paraverbale Kommunikation, d.h. wie eine Person etwas sagt und was sie nicht sagt, und die nonverbale Kommunikation über Mimik, Gestik, Körperhaltung und vegetative Reaktionen berücksichtigt. So lassen sich die Fallstricke einer Diagnostik vermeiden, die nur auf einer Selbstauskunft des Klienten beruht.

Das INC ist integrativ, neurowissenschaftlich fundiert und individuenbezogen. Es strukturiert die Fülle der Interventionen aus verschiedenen Ansätzen hinsichtlich ihrer Wirkung im Gehirn. Ziel ist es, dem Klienten auf Basis einer fundierten Diagnostik im Prozess jeweils die für ihn passendsten Interventionen aus der Fülle der methodischen Richtungen anzubieten, um ihn wirksam und nachhaltig zu unterstützen.

Professionelles Coaching wird leider auch heute noch stark als Instrument zur Förderung der Selbstreflexion betrachtet. So erleben wir in unseren Ausbildungen viele Coaches, deren wichtigstes Handwerkszeug ihr systemisches Fragerepertoire darstellt. Aus neurowissenschaftlicher Sicht können Menschen sich jedoch nur bedingt per Selbstreflexion verstehen, weil menschliches Erleben und Verhalten in erheblichem Maße durch unbewusste und vorbewusst-intuitive Prozesse geprägt werden, die entsprechend sprachlich nicht zugänglich sind. Genau hierauf legt das Integrative Neurocoaching ein besonderes Augenmerk, weshalb die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Weiterbildung von einem Paradigmenwechsel im Coaching sprechen. Wir wünschen uns, dass immer mehr Coaches ihr kognitives Repertoire um emotional-körperliche sowie verhaltensbezogene Interventionen ergänzen, damit sie mehr Klienten nachhaltige Entwicklungsprozesse ermöglichen können.

Zum Schluss möchten wir einander in gegenseitiger Anerkennung danken für die integrative Arbeit aus den Perspektiven der Neurowissenschaften und des Coachings, die das INC möglich gemacht haben. Mögen unsere Ergebnisse Früchte in Wissenschaft und Praxis tragen und viele Coaches inspirieren.

Hamburg und Bremen/Lilienthal, im Oktober 2021