5., durchgesehene und um ein Vorwort erweiterte Auflage
Klett-Cotta
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Vorwort zur 1. Auflage
Die Welt des Coachings und die der Neurowissenschaften scheinen in vielerlei Hinsicht
weit auseinanderzuliegen. Coaching ist natürlicherweise praxisorientiert und war bisher
wenig um eine solide theoretische Fundierung dieser Praxis bemüht. Die Neurowissenschaften
sind als naturwissenschaftliche Disziplin überwiegend durch Experimente und Laborarbeit
gekennzeichnet. Jedoch haben Neurowissenschaftler in enger Zusammenarbeit mit Psychologen,
Psychiatern und Psychotherapeuten in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse
über die Grundlagen des menschlichen Fühlens, Denkens und Handelns gewonnen, und Praktiker
aus Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie haben begonnen, diese Erkenntnisse
für sich und ihre therapeutische Tätigkeit nutzbar zu machen. Eine neurowissenschaftliche
Fundierung der eigenen Praxis stößt einerseits auf großes Interesse, andererseits
ist dieser Diskurs oft von »Bauchschmerzen« begleitet, weil vielerlei liebgewonnene
Denkgewohnheiten überwunden werden müssen.
Ziel des vorliegenden Buches ist es, diesen Prozess auf das Coaching auszudehnen.
Auch dies geht nicht ganz ohne »Bauchschmerzen« vonstatten, da man hierbei ebenfalls
Denkgewohnheiten aufgeben muss. Dafür sind wir als Autoren gut gerüstet, da wir über
Kenntnisse in Psychologie und der Praxis des Coachings (AR) sowie in Neurobiologie und Philosophie (GR) verfügen, die uns ein transdisziplinäres Denken ermöglichen. Dennoch war das Abfassen
unseres Buches mit viel mühevoller, intensiver Arbeit verbunden und mit langen Diskussionen,
die wir über rund drei Jahre führten, in dem Bewusstsein, dass der eine von uns das
Buch nicht ohne den anderen hätte schreiben können.
Unterstützt wurden wir hierbei von zahlreichen Personen, denen wir herzlich danken.
Dies betrifft in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen auf Seiten von AR Ortwin Meiss (Hamburg), Stephan Rietmann (Lüdinghausen) und Petra Schlütter (Hamburg),
auf Seiten von GR Prof. Cord Benecke (Kassel), Prof. Manfred Cierpka (Heidelberg), Prof. Ulrich Egle
(Freiburg), Prof. Ulrike Halsband (Tübingen) und Dr. Nicole Strüber (Bremen). Gemeinsam
möchten wir Herrn Dr. Heinz Beyer vom Klett-Cotta-Verlag (Stuttgart) und Herrn Ulf
Müller (Köln) für die professionelle Betreuung des Buchprojekts danken.
Bremen/Lilienthal und Hamburg, im April 2016
Vorwort zur 5. Auflage
Das vorliegende Buch »Coaching, Beratung und Gehirn« hat nach seinem Erscheinen im
Jahre 2016 ebenso wie der 2019 publizierte Folgeband »Coaching und Beratung in der
Praxis« eine sehr günstige Aufnahme erfahren und wurde im Coaching und weit darüber
hinaus auf fruchtbare Weise rezipiert. Wir, die beiden Autoren, haben auf dieser Grundlage
das Konzept des »Integrativen Coaching auf neurowissenschaftlicher Grundlage«, kurz
»Integratives Neurocoaching – INC«, entwickelt und es in der Praxis sowie in unseren Coachingkursen erprobt. Dies beinhaltet,
dass wir neben selbst entwickelten Interventionsverfahren aus den verschiedensten
Coachingrichtungen diejenigen Verfahren auswählen, die einerseits eine empirische
Wirksamkeit nachweisen können und andererseits in ihren Wirkmechanismen von soliden
wissenschaftlichen Erkenntnissen getragen sind. Das betrifft insbesondere die Ergebnisse
der psychologischen und neurobiologischen Persönlichkeitsforschung.
Die beiden dabei zugrunde gelegten Modelle sind das »Vier-Ebenen-Modell von Psyche
und Persönlichkeit« und das »Modell der sechs psychoneuralen Grundsysteme«. Ersteres
Modell umfasst die vorgeburtliche und nachgeburtliche Entwicklung des limbischen Systems
als Träger von Psyche und Persönlichkeit und seiner Interaktion mit dem kognitiven
System, letzteres Modell stellt die Transformation basaler limbischer Funktionen in
psychische Grundzustände wie Stressverarbeitung, Selbstberuhigung, Bindung, Motivation,
Impulskontrolle und Realitäts- und Risikowahrnehmung dar. Diese sechs psychoneuralen
Grundsysteme sind durch spezifische Neuromodulatoren und Neurohormone charakterisiert
wie Cortisol, Serotonin, Oxytocin, Dopamin usw., und ihre Normalentwicklung wie auch
deren Störungen können sehr gut mit der normalen und gestörten Entwicklung von Persönlichkeit
und Psyche in Verbindung gebracht werden.
Diese beiden Modelle, welche die Persönlichkeit und ihre Veränderbarkeit erklären,
wurden inzwischen von uns ergänzt durch das »Modell der drei Interventionsebenen«.
Grundannahme dieses Modells ist, dass sich Coaching-relevante Probleme auf drei Ebenen
manifestieren, welche gleichzeitig als drei unterschiedliche Gedächtnisse zu verstehen
sind: die explizite Ebene der subjektiven Befindlichkeit, die implizite Ebene der
Verhaltensgewohnheiten und die Ebene der Körperlichkeit. Letztere ist sowohl im Coaching
als auch in der Psychotherapie bisher stark vernachlässigt worden. Es genügt nicht,
ein Problem nur auf einer der drei Ebenen anzugehen, während es auf den beiden anderen
fortdauert.
Schließlich haben wir auf der Grundlage dieser drei Modelle eine Problem- und Störungsdiagnostik
entwickelt, die im diagnostischen Gespräch neben der traditionellen sprachlichen Ebene
auch die paraverbale Kommunikation, d.h. wie eine Person etwas sagt und was sie nicht sagt, und die nonverbale Kommunikation über
Mimik, Gestik, Körperhaltung und vegetative Reaktionen berücksichtigt. So lassen sich
die Fallstricke einer Diagnostik vermeiden, die nur auf einer Selbstauskunft des Klienten
beruht.
Das INC ist integrativ, neurowissenschaftlich fundiert und individuenbezogen. Es strukturiert
die Fülle der Interventionen aus verschiedenen Ansätzen hinsichtlich ihrer Wirkung
im Gehirn. Ziel ist es, dem Klienten auf Basis einer fundierten Diagnostik im Prozess
jeweils die für ihn passendsten Interventionen aus der Fülle der methodischen Richtungen
anzubieten, um ihn wirksam und nachhaltig zu unterstützen.
Professionelles Coaching wird leider auch heute noch stark als Instrument zur Förderung
der Selbstreflexion betrachtet. So erleben wir in unseren Ausbildungen viele Coaches,
deren wichtigstes Handwerkszeug ihr systemisches Fragerepertoire darstellt. Aus neurowissenschaftlicher
Sicht können Menschen sich jedoch nur bedingt per Selbstreflexion verstehen, weil
menschliches Erleben und Verhalten in erheblichem Maße durch unbewusste und vorbewusst-intuitive
Prozesse geprägt werden, die entsprechend sprachlich nicht zugänglich sind. Genau
hierauf legt das Integrative Neurocoaching ein besonderes Augenmerk, weshalb die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer unserer Weiterbildung von einem Paradigmenwechsel im Coaching sprechen.
Wir wünschen uns, dass immer mehr Coaches ihr kognitives Repertoire um emotional-körperliche
sowie verhaltensbezogene Interventionen ergänzen, damit sie mehr Klienten nachhaltige
Entwicklungsprozesse ermöglichen können.
Zum Schluss möchten wir einander in gegenseitiger Anerkennung danken für die integrative
Arbeit aus den Perspektiven der Neurowissenschaften und des Coachings, die das INC möglich gemacht haben. Mögen unsere Ergebnisse Früchte in Wissenschaft und Praxis
tragen und viele Coaches inspirieren.