Norbert Nicoll
ADIEU, WACHSTUM!
Norbert Nicoll
Adieu, Wachstum!
Das Ende einer Erfolgsgeschichte
Tectum
Zum Autor
Norbert Nicoll ist promovierter Politikwissenschaftler und lehrt an der Universität Duisburg-Essen zur Nachhaltigen Entwicklung. Auch als Sachbuchautor und Attac-Mitglied treibt ihn die Frage nach der Zukunftsfähigkeit westlicher Gesellschaften um. Der 35-Jährige lebt in Belgien nahe der deutschen Grenze. Der Autor steht für Lesungen, Vorträge, Diskussionen zur Verfügung.
Website zum Buch
Unter adieu-wachstum.html finden Sie weitere Informationen zu diesem Buch, darunter ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein Glossar.
Gender-Disclaimer
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Bezeichnungen gelten für beide Geschlechter.
Norbert Nicoll
Adieu, Wachstum! Das Ende einer Erfolgsgeschichte
Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Ulrich Brand
Tectum Verlag, Marburg 2016
ISBN 978-3-8288-6541-9
(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter der ISBN 978-3-8288-3736-2 im Tectum Verlag erschienen.)
Lektorat: Christina Kruschwitz
Coverabbildung: shutterstock.com © Mopic
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www.tectum-verlag.de
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Orientierung in unübersichtlichen Zeiten – ein Vorwort
Wir leben in unübersichtlichen Zeiten. Wirtschafts- und Klimakrise, Flüchtlingsbewegung, Brexit, wachsende rechtsextreme Kräfte und vieles mehr. Wo und vor allem wie soll eigentlich politisch angesetzt werden?
Ich lese das Manuskript des Buches von Norbert Nicoll Ende August 2016. Vor einigen Tagen fand auf der kroatischen Insel Vis eine Sommerschule zu Politischer Ökologie statt. Hier wurde deutlich, dass Debatten um Commons, Klimagerechtigkeit und Degrowth nicht nur in den materiell reichen Ländern geführt werden, sondern auch in der europäischen Semi-Peripherie. Obwohl in den südosteuropäischen Ländern weithin das Wachstums- und Modernisierungsparadigma dominiert, zeigen sich seit der Krise 2008 Brüche. Die politische und ökonomische Abhängigkeit von »Kerneuropa« wird hinterfragt, das Terrain für Alternativen weitet sich.
In einigen Tagen beginnt in Budapest die 5. Internationale Degrowth-Konferenz. Hier wird auf hoher analytischer Ebene und politisch engagiert eine Perspektive diskutiert, welche die kapitalistischen Wachstumszwänge zurückdrängen und tendenziell überwinden möchte. Das Thema der »Wachstumsrücknahme« drängt immer stärker auf die Agenda progressiver gesellschaftspolitischer Akteure. »Adieu, Wachstum!« ist also ein sehr angemessener Titel für das Buch von Norbert Nicoll. Es zeigt, wie zum einen die herrschenden Wachstumsorientierungen immer problematischer werden, Unmut und Krisen erzeugen. Zum anderen ist es eine Forderung. Es gilt, viele Debatten voranzubringen, Initiativen zu stärken und Auseinandersetzungen zu führen. Dafür bedarf es guter Analysen – und diese liegen mit dem Buch vor. Norbert Nicoll ist in der Lage, viele Zusammenhänge herzustellen. Er spannt einen weiten Bogen von der Geschichte des kapitalistischen Wachstums, seiner sozialen und biophysikalischen Basis über die aktuelle Vielfachkrise und unzureichende Politiken bis hin zu den problematischen Formen der Subjektivierung. Und er lässt die Frage des »Was tun?« nicht aus.
Die Lektüre des Buches lässt mich nicht nur vorzüglich informiert und voller Ideen zurück, sondern auch mit einigen Fragen. Auch das zeichnet ein derart gutes Buch aus. Trotz der präzise beschriebenen multiplen oder Bio-Krise, ihren kapitalistisch-neoliberalen Ursachen und insbesondere ihren ökologischen Dimensionen bleibt aus meiner Sicht ein analytisch wie politisch wichtiger Aspekt offen – nicht, dass er im Buch fehlte, sondern als historisch offene Frage: Kann der Kapitalismus, in seiner neoliberalen und autoritären Version oder gegebenenfalls auch in einer mehr staatsinterventionistischen Variante, sich nicht doch teilweise auf die ökologische Krise einstellen und neue Akkumulationspotentiale erschließen? Nicht in dem Sinne, dass die ökologische Krise gelöst werden würde, aber dahingehend bearbeitet, dass viele der Nutznießer von heute eben doch eher unter einigermaßen erträglichen Verhältnissen leben – und weiterhin auf Kosten anderer. Damit verbunden ist ein zweiter Aspekt. Die kapitalistisch getriebene Wachstumsfixierung führt immer mehr zur Destabilisierung unserer Gesellschaften – die Finanzmärkte leben geradezu von instabilen Gesellschaften. Ressourcenkonflikte werden zunehmen, aber auch die Konflikte um die Externalisierung der ökologischen Kosten. Wo finden die negativen Auswirkungen des Klimawandels statt? Wohin wird der Müll und Elektroschrott exportiert und dann gelagert?
Doch wir können eine Erfahrung nicht einfach übergehen – und diese stellt die Suche nach Alternativen vor ernsthafte Herausforderungen: Eben jene Erfahrung, dass in bestimmten Phasen das kapitalistische Wachstum durchaus zur Verbesserung der Lebenssituation mehr oder weniger breiter Bevölkerungsschichten führt.
Gerade in den sogenannten Schwellenländern, aber auch in anderen Ländern, die Rohstoffe exportieren, hat sich zwischen der Jahrhundertwende und etwa 2012/2014 eine Konstellation gebildet, in der die Wirtschaften stark wuchsen, Arbeitsplätze geschaffen wurden, die Staaten mehr Einnahmen hatten und sich eine mehr oder weniger große Mittelschicht herausgebildet hatte. Diese in Ländern des globalen Südens frische Erfahrung wurde in Westeuropa, den USA und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg von großen Teilen der Bevölkerung gemacht. Das Buch von Norbert Nicoll zeichnet sich dadurch aus, dass es diese Erfahrungen nicht mit einer überheblichen Geste beiseite wischt à la »Das ist ja eh alles Kapitalismus!«. Denn auch unter kapitalistischen Bedingungen stellen sich höchst unterschiedliche Lebenschancen ein.
Eine letzte Anmerkung noch zum Entstehungsprozess des überaus lesenswerten Buches: Der aktuelle Wissenschaftsbetrieb, der immer spezialisierter wird und kaum noch einen Blick fürs Ganze entwickelt, ist vielleicht systematisch nicht in der Lage, in größeren Zusammenhängen zu denken. Der Sozialwissenschaftler und politisch engagierte Norbert Nicoll arbeitet als Gymnasiallehrer und ist wohl gerade aus solch einer Position in der Lage, eine breite und wissenschaftlich überaus fundierte Perspektive einzunehmen – die in diesen unübersichtlichen Zeiten so wichtig ist, aber eben von der etablierten Wissenschaft kaum eingenommen wird.
Prof. Dr. Ulrich Brand, Universität Wien
Inhalt
Orientierung in unübersichtlichen Zeiten – ein Vorwort (Prof. Dr. Ulrich Brand)
1.Eine Provokation
PROBLEMAUFRISS
2.Mittendrin in der Vielfachkrise
3.Die große Beschleunigung
4.Alles Klima, oder was?
5.Politik der Nicht-Nachhaltigkeit
DENKWEISEN
6.Die Software in unseren Köpfen
GESCHICHTE
7.Eine extrem kurze Geschichte der Menschheit bis zum Mittelalter
8.Fortschritt und Naturbeherrschung
KAPITALISMUS
9.Vom Feudalismus zum Kapitalismus
10.Der globalisierte Finanzmarktkapitalismus
11.Entropie und Komplexität – entscheidende Begriffe
WACHSTUM
12.Wachstum! Oder der Sprung vom Maulwurfshügel auf den Mount Everest
13.Energie, (un)endliches Wachstum und die blinden Flecken der herrschenden Ökonomik
14.Wachstum und Ressourcenverbrauch. Kann eine grüne Wirtschaft funktionieren?
15.Das Wachstum in unseren Seelen
16.Wachstumszwänge und unwirtschaftliches Wachstum
17.Die Logik des Immer-mehr
18.Gegenläufige Wachstumskräfte
PEAK OIL
19.Das Ölfördermaximum
20.Erdöl im Verkehr ersetzen – geht das (so einfach)?
21.Fossil und gleichzeitig erneuerbar in die Zukunft?
22.Unehrliche Ölpreise und sinkende Nettoenergie
23.Das Ende der Ära des fossilen Kapitalismus
PEAK EVERYTHING
24.Ressourcenerschöpfung und Artensterben. Von Peak Oil zu Peak Everything?
25.Nahrung, die Achillesferse des 21. Jahrhunderts?
26.Methusalem Malthus – die Rückkehr eines Untoten?
27.Das Comeback der Geopolitik
28.Zeitenwende
Was tun? Gut leben statt unendlich wachsen!
Abkürzungsverzeichnis
Danksagung
»Wenn wir die ökologische Krise
nicht meistern, dann erübrigen sich alle
weiteren Überlegungen für das 21. Jahrhundert.«
Michail Gorbatschow, Ex-Präsident der
Sowjetunion und Friedensnobelpreisträger
1. Eine Provokation
Wir stehen vor einer Zeitenwende. Das 21. Jahrhundert hält enorme Herausforderungen für die Menschheit bereit. Auch wenn wir es versuchen – wir können vor diesen Herausforderungen nicht weglaufen. Wir können sie auch nicht dauerhaft ignorieren. Es kommt der Moment, in dem wir ihnen ins Auge schauen müssen. Um diesen Moment, dieses Rendezvous mit dem Schicksal, kreist dieses Buch.
Es ist gar nicht so leicht zu sagen, was das für ein Buch ist. Denn dieses Buch erzählt mehrere Geschichten gleichzeitig. Die der ökologischen Krise. Die der menschlichen Entwicklung in den letzten 10.000 Jahren. Die des Kapitalismus. Die der fossilen Brennstoffe. Die der Grenzen der Physik. Die der Weltbilder in unseren Köpfen.
Die folgenden Seiten zeigen, wie wir zu dem wurden, was wir heute sind. Aber auch, was nachfolgende Generationen in Zukunft erwartet. Viele glauben: Die Zukunft wird wie die Vergangenheit – nur besser. Doch die Gegenwart wirft Schatten auf die Zukunft. Unsere gesamte Kultur bewältigt Gegenwartsprobleme durch expansive Strategien. Wenn das Erdöl weniger wird, bohren wir tiefer. Wenn ein Wald gerodet ist, widmen wir uns dem nächsten. Wenn ein Feld nicht mehr genug Ertrag abwirft, tragen wir mehr chemischen Dünger auf. Wenn die Fischbestände zurückgehen, fahren wir weiter auf das Meer hinaus.1 Es ist absehbar, dass diese Strategien nicht bis in alle Ewigkeit Bestand haben können.
Kann eine Kultur auf lange Sicht erfolgreich sein, wenn sie ihre Ressourcen systematisch übernutzt? Kann sie überdauern, wenn sie die Lebenschancen der folgenden Generationen einschränkt? Wir alle kennen, wenn wir ehrlich sind, die Antwort. Noch nie in der Geschichte haben Menschen durch ihr Verhalten so stark die natürlichen Lebensgrundlagen global verändert, bedroht und zerstört wie gegenwärtig. Es scheint, als steuere die Menschheit sehenden Auges auf eine Katastrophe zu. Hat die Titanic den Eisberg schon gerammt? Niemand weiß es. Die fröhliche Party auf dem Oberdeck geht vorerst jedenfalls weiter.
Fragen der Gerechtigkeit sind nicht mehr von Fragen der Ökologie zu trennen. Zahlreiche Studien belegen, dass soziale Ungleichheit die Naturzerstörung befördert.2 Jeder Mensch, der für eine Welt eintritt, die über ein Mehr an Gerechtigkeit, Gleichheit und Menschenwürde verfügt, kommt nicht umhin, ökologisch zu denken. Schon vor vielen Jahren hat der Philosoph Hans Jonas genau das erkannt und den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant abgewandelt: »Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.«3
Die vorliegende Schrift ist trotz vieler Anmerkungen und Zitate kein streng wissenschaftliches Buch, sondern ein politisches. Geschrieben wurde es aus einem Mangelempfinden heraus. Es wird öffentlich kaum diskutiert, dass durch das Zusammenwirken von Klimawandel, Artensterben, Bevölkerungsdruck und Erschöpfung natürlicher Ressourcen unter Umständen ein Zivilisationsbruch droht, der in eine sehr autoritäre und konfliktreiche Richtung gehen könnte. Zu befürchten sind eine (weitere) Erosion demokratischer Errungenschaften und noch mehr Kriege und Konflikte in der Welt.
Die verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen liefern starke wissenschaftliche Belege für die Dringlichkeit der Umweltprobleme. Die Naturwissenschaftler enthalten sich allerdings in aller Regel weiterer wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Schlussfolgerungen. Aus der Deckung wagen sich andere.
Zum Beispiel die Ökonomen. Doch bei ihnen dominieren Kostenargumente. Die herrschende ökonomische Lehre ist blind für die biophysikalischen Grundlagen des Wirtschaftsprozesses. Es wird kaum gesehen, dass jede wirtschaftliche Praxis, die die Gegebenheiten der Natur in ihren Konzepten ignoriert, letzten Endes zum Scheitern verurteilt ist. Für die Ökonomen leben wir in einer Cowboy-Ökonomie (Kenneth Boulding), in der Grenzen nicht vorkommen. Es gibt nur weites, ungenutztes Land. Eine solche Cowboy-Ökonomie erobert Gebiete, grast sie ab und müllt sie voll. Anschließend sucht sie sich neue Räume, grast auch diese ab, müllt sie voll und zieht weiter. Mit der Globalisierung aber wächst die Erkenntnis, dass die Erde rund ist und man deshalb dummerweise früher oder später die verschmutzten Ursprungsgebiete wieder erreicht.
Die Geschichte, die dieses Buch erzählt, ist auch eine Geschichte des Immer-mehr. Daher steht im Zentrum dieses Buches ein entscheidender Begriff: Wachstum. Wachstum liegt dann vor, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf steigt. Das BIP ist definitionsgemäß der Gesamtwert aller in einem Land in einem Jahr produzierten Güter und Dienstleistungen. In Deutschland beläuft sich dieser Wert auf etwa 3 Billionen Euro.
In den letzten 200 Jahren hat wirtschaftliches Wachstum den Wohlstand der sogenannten entwickelten Welt auf beispiellose Weise gesteigert. Ein toller Rausch, ganz ohne Zweifel. Die meisten Industrieländer hängen am Wirtschaftswachstum wie der Junkie an der Nadel. Wachstum gilt als das Normalste der Welt und wird immer noch als die Grundlage des Wohlstands betrachtet. Typisch – übrigens für Politiker aller Couleur – ist eine Aussage von Angela Merkel:
»Ohne Wachstum keine Investitionen, ohne Wachstum keine Arbeitsplätze, ohne Wachstum keine Gelder für die Bildung, ohne Wachstum keine Hilfe für die Schwachen. Und umgekehrt: Mit Wachstum Investitionen, Arbeitsplätze, Gelder für die Bildung, Hilfe für die Schwachen und am wichtigsten Vertrauen bei den Menschen.«4
Dabei stimmt diese Prämisse zumindest für die Industrieländer schon seit längerer Zeit nicht mehr. Selbst wenn man enge (oder besser engstirnige) ökonomische Kriterien anlegt, kommt man nicht um die Feststellung herum, dass die Früchte des Wachstums höchst ungleich verteilt sind. Nicht alle Gesellschaftsmitglieder profitieren gleichermaßen. Viele verlieren.
Dieser Befund gilt für den Norden wie auch für den Süden. Abzulesen ist das an der Entwicklung der Realeinkommen und der Lohnquoten in vielen europäischen Ländern, aber auch an Statistiken der Weltbank oder der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD). Immer mehr politische Parteien erkennen, dass ein zeitlich grenzenloses und regulatorisch schrankenloses Wachstum nicht mehr lange funktioniert. Sie fordern deshalb in ihren Programmen, Ziel der Wirtschaftspolitik müsse ein »grünes Wachstum« oder ein »nachhaltiges Wachstum« sein.5 Doch geht das überhaupt? Dieses Buch meldet nicht nur Zweifel an, sondern geht noch einen Schritt weiter und spricht sich für eine Wachstumsrücknahme in den Industrieländern aus.
Wachstumsrücknahme? Ja, genau! Die Forderung nach einer Wachstumsrücknahme scheint auf den ersten Blick eine schlechte Idee zu sein. Eine ausgesprochen schlechte Idee. Denn Wachstum gilt, wie das Zitat von Angela Merkel verdeutlicht, als Problemlöser für alles. Arbeitslosigkeit? Wir brauchen mehr Wachstum! Die Einkommen stagnieren? Die Wirtschaft muss mehr wachsen! Umweltschutz? Geht nur mit mehr Wachstum! Das Wachstum sei, so heißt es immer wieder, die entscheidende Quelle unseres Wohlstands.
Im Augenblick hat die Idee eines grünen bzw. eines nachhaltigen Wachstums Konjunktur. Wir brauchen demnach unsere Komfortzone nicht zu verlassen. Technischen Innovationen etwa im Bereich der erneuerbaren Energien oder der Energie-Effizienz sei Dank! Das System kann, von kleineren Korrekturen abgesehen, so bleiben, wie es ist. Wer öffentlich fordert, die Gesellschaft müsse über das Wachstum und unsere Lebensweise grundsätzlich nachdenken, macht sich folglich unbeliebt. Und wer es gar wagt, eine Abkehr vom Wachstum zu propagieren, macht sich sehr unbeliebt. Das ist ungefähr so, als posaune man auf einer Party um Mitternacht hinaus, dass alle alkoholischen Getränke ausgegangen seien.
Wie so oft im Leben, lohnt sich auch beim Thema des Wachstums ein zweiter Blick. Eine der gefährlichsten Fragen lautet: Wann sind wir genug gewachsen? Die Antwort umfasst drei Buchstaben: N-I-E. Wir brauchen Wachstum, um unser ökonomisches System, das Giga-Hamsterrad, in Bewegung zu halten. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie wird zu selten wiederholt. In der Volkswirtschaftslehre gibt es denn auch keinen Mangel an wachstumskritischen Theorien, vieles ist jedoch verschüttet. Am bekanntesten ist noch die Wachstumskritik, die in den 1970er Jahren u. a. von Ivan Illich, André Gorz, Herman Daly, Dennis Meadows oder Nicholas Georgescu-Roegen vorgetragen wurde. Doch die Kritik verhallte weitgehend ungehört. Heute und in Zukunft ist sie dringlich wie nie zuvor.
Die Wirtschaft der Vergangenheit wuchs nicht allein. Mit ihr verzeichneten so unterschiedliche Dinge wie Schulden, Wasserverbrauch, Artensterben, Fahrzeugbestand, CO2-Konzentration, Bevölkerung und Papierverbrauch atemberaubende Zunahmeraten. Und atemberaubend hieß oft exponentiell.
Dauerhaftes exponentielles Wachstum ist jedoch auf einem endlichen Planeten unmöglich. Ein Weiter-so geht nicht mehr lange. Wir verbrauchen heute in einem Jahr 50 Prozent mehr Ressourcen, als die Erde im gleichen Zeitraum zur Verfügung stellt bzw. regenerieren kann – und das, obwohl nur 20 Prozent der Weltbevölkerung zu den (relativ) Reichen gehören. Diese 20 Prozent verbrauchen 80 Prozent der weltweiten Ressourcen – sie sitzen am All-inclusive-Buffet.
Irgendwann in diesem Jahrhundert wird abserviert. Energie, Arbeitskraft, Nahrung, natürliche Ressourcen – diese vier Faktoren sind in einer langfristigen Perspektive immer billiger geworden. Diese vier Trends werden wahrscheinlich gebrochen werden. Damit brauchen wir einen anderen Plan. Einen Plan B.
Wachstum und Wohlstand können entkoppelt werden. Jedenfalls dann, wenn man unter Wohlstand mehr versteht als einen immer größeren Geld- und Güterreichtum. Natürlich bedeutet Wohlstand auch, dass ein Mensch genug zu essen und zu trinken hat sowie über ein Dach über dem Kopf verfügt. Er ist jedoch mehr als die Befriedigung materieller Bedürfnisse und auch mehr als nur Einkommen. Wohlstand ist gleichbedeutend mit Lebensqualität, mit Gesundheit und mit unserem persönlichen Glück. Das Vertrauen in die Gemeinschaft, die Stärke unserer Beziehungen, die Zufriedenheit mit unserer Arbeit, unsere Fähigkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen – alle diese Dinge spiegeln unseren Wohlstand wider.6 Wir laufen jedoch Gefahr, jeden zukünftigen breitverstandenen Wohlstand zu verspielen.
Wir stehen vor einer großen Transformation. Eine Transformation, die mit Vorgängen wie der Neolithischen und der Industriellen Revolution zu vergleichen ist. Jene Prozesse veränderten den Lauf der menschlichen Geschichte. Sie wälzten das Energiesystem um. Die Zukunft wird wesentlich von Energiefragen bestimmt werden. Energie ist nicht einfach ein Teil unserer Wirtschaft, Energie ist unsere Wirtschaft.
Die deutsche Diskussion um die Energiewende kreist fast ausschließlich um elektrische Energie. Energie wird aber nicht nur zur Stromproduktion gebraucht, sondern u. a. auch für die Bereiche des Verkehrs und der Wärme-Erzeugung. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist immer noch sehr hoch.
Wir haben genügend fossile Brennstoffe, um den Planeten in einen unwirtlichen Ort in unserem Sonnensystem zu verwandeln. Dennoch ist es möglich, dass wir Schwierigkeiten mit der Energieversorgung bekommen. Entscheidend sind nämlich nicht die absoluten Mengen fossiler Brennstoffe im Boden, sondern die Fördergeschwindigkeiten und die Förderkosten sowie deren Rückkopplungen auf die Wirtschaft.
In den letzten 45 Jahren hat sich der Weltenergiebedarf verdreifacht, seit dem Anbruch des fossilen Energiezeitalters ist der Weltenergieverbrauch um rund das 50-Fache gestiegen. Etwa 80 Prozent unseres Lebensstils stützen sich auf fossile Energien. Noch. Am Horizont ist schemenhaft die postfossile Gesellschaft zu erkennen. Wir sind allerdings auf diese Zukunft schlecht vorbereitet.
Noch ist die Partie nicht verloren. Wir können handeln. Verantwortlich für den Zustand des Planeten sind wir alle – und da schließt sich der Autor7 ausdrücklich mit ein. Aber natürlich sind die Verantwortlichkeiten unterschiedlich verteilt. Menschen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie höher stehen als andere und oft mehr Geld oder Bildung haben, tragen eine größere Verantwortung für den Zustand der Welt. Bestimmte herausgehobene Personen verantwortlich zu machen, kann vielleicht das eigene Gewissen entlasten, ist aber ansonsten wenig hilfreich. Wir müssen viel stärker als bisher in Strukturen denken.
Wir leben in einem System, das diejenigen belohnt, die auf eine kurzfristige Maximierung der Gewinne setzen, selbst wenn das die Erschöpfung von Ressourcen nach sich zieht. Dieses System fährt gegen die Wand. Es sei denn, wir tun etwas und ändern das System.
Niemand wird das Notwendige an unserer Stelle tun. Wir müssen also selbst handeln. Dieses Buch will zum Handeln motivieren. Wie pflegte die Feministin June Jordan zu sagen? »Wir sind diejenigen, auf die wir gewartet haben.« Los geht’s!
1Vgl. Welzer, Harald: Mentale Infrastrukturen. Wie das Wachstum in die Welt und in die Seelen kam, Schriften zur Ökologie, Band 14, hrsg. von der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2011, S. 34–35.
2So etwa: Motesharrei, Safa/Rivas, George/Kalnay, Eugenia: Human and nature dynamics (HANDY): Modeling inequality and use of resources in the collapse or sustainability of societies, in: Ecological Economics 101, 2014, S. 90–102.
3Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung: Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt am Main 1984, S. 36.
4Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung am 10. November 2009.
5Mit dem Begriff des »nachhaltigen Wachstums« gehen nahezu alle politischen Parteien hausieren. Im Juni 2012 schlossen die Fraktionen CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gar einen gemeinsamen »Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung«. Seltener ist die Rede vom »sozialen Wachstum«. Dieses Leitbild propagiert die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Vgl. dazu Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): Soziales Wachstum. Leitbild einer fortschrittlichen Wirtschaftspolitik, Bonn 2011.
6Vgl. Jackson, Tim: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 1280, Bonn 2012, S. 29.
7Der Autor ist Politikwissenschaftler und Ökonom, kein Umweltwissenschaftler, kein Klimatologe, kein Physiker, kein Geologe. Er fährt Auto, fliegt und tut jede Menge andere Dinge, die der Umwelt Schaden zufügen. Und wie viele andere fragt er sich, warum echte Verhaltensänderungen so schwierig sind.
PROBLEMAUFRISS
»Wir befinden uns zwar
auf dem falschen Gleis,
gleichen dieses Manko aber durch
höhere Geschwindigkeit aus.«
Stanislaw Jerzy Lec,
polnischer Satiriker und Aphoristiker
2. Mittendrin in der Vielfachkrise
Wir befinden uns an der Abbruchkante der Geschichte. Die Situation des Planeten ist gekennzeichnet durch das Zusammentreffen von drei Krisen, die schon bald ihre Latenzphase verlassen und noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts offen ausbrechen werden.
Zu nennen sind:
•die Klimakrise
•die Energiekrise
•die Ressourcenkrise (Übernutzung und Erschöpfung natürlicher Ressourcen)
Die tieferen Ursachen für diese schwerwiegenden Langzeitentwicklungen, die manchmal auch unter dem Terminus Biokrise zusammengefasst werden, sind:
•die dominanten Wirtschaftsparadigmen (Wirtschaftswachstum, Gewinnmaximierung der Unternehmen, individuelle Reichtumsvermehrung)
•die hemmungslose Nutzung fossiler Brennstoffe
•die globale Verbreitung des westlichen, am Haben8 orientierten Konsummodells (Konsumismus)
•die willkürliche und bewusste Zerstörung von nachhaltigen Kulturen und Lebensformen
•das Ignorieren natürlicher Grenzen des Planeten, was u. a. die Ressourcenverfügbarkeit und die Regenerationskapazitäten der Erde anbelangt
•Bevölkerungsdruck
Die öffentliche Debatte um jegliche Umwelt- und Ressourcenprobleme wird dominiert vom Klimawandel. Dieser ist in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen, die Schlagseite der Berichterstattung ist jedoch problematisch. Was fehlt, ist eine ganzheitliche Betrachtung. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Dinge zusammenzudenken.
In Zusammenhängen denken
Tatsächlich gibt es jenseits der Klimakrise weitere gefährliche Entwicklungen:
•In der Ökonomie türmen sich die Probleme aufeinander. Der Finanzmarktkapitalismus (der noch Thema sein wird) konnte nur durch umfangreiche Staatsinterventionen vor dem Zusammenbruch gerettet werden. Millionen von Menschen wurden zusätzlich in die Armut gestoßen. Neue Spekulationsblasen entstehen vor unseren Augen und weitere wirtschaftliche Einbrüche werden kommen. Die Frage ist nicht, ob, sondern wann und in welcher Heftigkeit.
•In der Sphäre der Politik ist mindestens eine Legitimationskrise der Herrschenden zu beobachten, nach Ansicht vieler Politikwissenschaftler sogar eine Krise des politischen Systems insgesamt. Alarmzeichen gibt es viele: Die Bürger- und Menschenrechte werden im Zuge des sogenannten »Krieges gegen den Terror« beschnitten, während der Überwachungsstaat vielerorts aufgebaut wurde. Der Lobbyismus wuchert wie noch nie, und die Medien, eigentlich die vierte Gewalt, betreiben immer weniger aufklärerische Arbeit, dafür umso mehr Verlautbarungsjournalismus. Gleichzeitig sinkt in vielen Ländern Europas das Interesse der Menschen an Politik. Nicht von ungefähr entwickeln sich die Wahlbeteiligungen europaweit rückläufig. Sehr viele Menschen fühlen sich schlicht nicht mehr vertreten. Manche Beobachter konstatieren, die Demokratie stehe am »Rand ihrer Existenz«.9
•Politologen wie Colin Crouch sehen die Phase der Postdemokratie10 gekommen. Die Institutionen der parlamentarischen Demokratie – Wahlkämpfe, periodisch abgehaltene Wahlen, Parteienkonkurrenz, Gewaltenteilung – sind formal gesehen völlig intakt. Aber in Wirklichkeit sind sie, entkernt und ausgehöhlt, auf den Charakter von Fassaden reduziert.
•In vielen europäischen Ländern wächst die Ungleichheit. Die Unterschiede zwischen dem gesellschaftlichen Oben und Unten vergrößern sich. Die Kapitaleinkommen verzeichneten in den letzten 15 Jahren ein weiteres beeindruckendes Wachstum, während die Arbeitseinkommen stagnierten oder real sanken. Die Spaltung der Gesellschaft setzt sich damit fort. Die Mittelschicht erodiert, prekäre Beschäftigungsformen breiten sich aus. Durch Kürzungen in den Sozialhaushalten finden immer mehr Menschen mit ihrem Einkommen kein Auskommen mehr. Die meisten Gemeinschaften in den westlichen Gesellschaften sind heute sozial schwächer als vor 20 oder 30 Jahren. Wir durchleben eine »soziale Rezession«, die durch eine schwächere Teilnahme am öffentlichen Leben und einen rückläufigen Gemeinschaftssinn gekennzeichnet ist.11
•In vielen Regionen der Erde leiden unerträglich viele Menschen Hunger. 37.000 Menschen sterben jeden Tag an den direkten oder indirekten Folgen des Hungers. Das ist ein Skandal. Zwar fiel die Zahl der weltweit hungernden Menschen zuletzt auf 795 Millionen12, aber schon mittelfristig könnten sich die Aussichten wieder verfinstern.13 Hunger ist auch im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ein Verteilungsproblem, der Planet kann gegenwärtig mehr als genug Nahrung bereitstellen. Im reichen Westen werden enorme Lebensmittelmengen verschwendet.14 Die Ursachen des Hungers sind durchaus vielfältig. Das Problem vieler Hungernder liegt heute darin, dass ihnen das Geld fehlt, um Nahrungsmittel zu kaufen, bzw. dass sie kein Land haben, um auf diesem Nahrung anbauen zu können. Drei Milliarden Menschen leben von weniger als 2,50 US-Dollar pro Tag.15
Mit Fug und Recht kann man also von einer multiplen Krise sprechen.16 Der Begriff erscheint deshalb angemessen, weil er nicht suggeriert, dass es sich bei den gerade in sehr groben Zügen beschriebenen Entwicklungen um eine Addition unterschiedlicher und weitgehend unabhängiger Krisenerscheinungen handelt. Das Gegenteil ist der Fall: Die genannten Entwicklungen existieren nicht zusammenhanglos nebeneinander, sondern sind kausal miteinander verknüpft. Diese Feststellung gilt auch und gerade für die Wirtschafts- und Finanzkrise, die typischerweise von den Medien isoliert von anderen krisenhaften Entwicklungen betrachtet wird.
Wo liegt die Verknüpfung? Der Zusammenhang besteht, vereinfacht ausgedrückt, in der fossilistisch-kapitalistischen Lebens- und Produktionsweise, die seit den späten 1970er Jahren nach den Ideen des Neoliberalismus17 umgebaut wurde. Das Produktions- und Konsummodell des gegenwärtigen Kapitalismus trägt die Mutter aller Krisen im Herzen. Es verlangt hohe Zuwachsraten der Produktivität, ist auf Massenproduktion und Massenkonsum ausgelegt und daher auch auf massenhaften Verbrauch von Rohstoffen und Landflächen sowie von fossiler Energie.18 Die verblichenen realsozialistischen Systeme waren in dieser Hinsicht keinesfalls besser,19 doch ein wirklicher Trost ist das nicht.
Richtige und falsche Prognosen
Schon auf diesen ersten Seiten war sehr oft von Krisen die Rede. Der Begriff der Krise ist interessant und gehört thematisiert. Die Medien betiteln schnell alles Mögliche als Krise. Fast jeden Tag berichten die Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender von einer neuen Krise. Der inflationäre Gebrauch des Krisenbegriffs hat dazu geführt, dass er die meisten Menschen nicht mehr schrecken kann. Die wirklichen Probleme sind von den eingebildeten kaum noch zu unterscheiden.
Der Begriff der Krise suggeriert, dass ein temporärer Ungleichgewichtszustand vorliegt, der in einem absehbaren Zeitraum (einige Monate, höchstens wenige Jahre) beseitigt werden kann. Krisen sollen überwunden, gelöst oder bekämpft werden, so lauten in diesem Zusammenhang die Parolen. Manche Beobachter, wie zum Beispiel der Sozialpsychologe Harald Welzer, lehnen den Krisenbegriff als gänzlich untauglich ab, weil langfristige Probleme nicht kurz- und mittelfristig zu lösen seien. Welzer spricht lieber von »Funktionsgrenzen«.
Alarmismus kann sinnvoll sein. Kann, muss aber nicht. Wer das ganz große Krisengemälde malt, läuft Gefahr, leicht als Spinner oder unseriöser Apokalyptiker abgestempelt zu werden. In vielen Fällen liegen die Kassandras mit ihren Prognosen gänzlich daneben oder schießen über ihr Ziel hinaus.
Allen Lesern, die ein wenig mit der Thematik vertraut sind, dürften an dieser Stelle die Stichworte Meadows und Grenzen des Wachstums20 in den Sinn kommen. Im Auftrag des Club of Rome spielten Dennis Meadows und sein Forscherteam vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) Anfang der 1970er Jahre verschiedene Szenarien zur Entwicklung der Welt bis zum Jahr 2100 durch. Berechnet wurden die Szenarien mit Hilfe der Computersimulation World 3, was damals ein vollkommen neuartiger Ansatz war. Viele Kritiker der Grenzen des Wachstums attestierten dem Forscherteam einen übertriebenen Pessimismus. Beißend war der Spott vor allem von den sogenannten Cornucopians21, den Wachstumseuphorikern.
Genüsslich verweisen die Meadows-Kritiker darauf, dass sich im Buch Zahlen finden lassen, die aus heutiger Sicht lächerlich erscheinen. Wer will, kann im Buch nachlesen, dass die Aluminiumvorräte nur noch 31 Jahre reichen würden. Für Blei wurde eine statische Reichweite von 26 Jahren errechnet, für Zink von 23 Jahren und für Zinn von 17 Jahren. Im Falle von Erdgas und Erdöl sollte die Reichweite bei 38 bzw. 31 Jahren liegen. Alle diese Stoffe dürften heute nicht mehr verfügbar sein, wenn die Werte stimmen würden.
Doch das Meadows-Team wollte nie genaue zeitliche Prognosen machen. In den Grenzen des Wachstums finden sich verschiedene Szenarien. Das Basis-Szenario sieht eine Art Kollaps zur Mitte des 21. Jahrhunderts, gekennzeichnet durch hohe Verschmutzung, einen Rückgang der Bevölkerung und einen drastischen Fall des Lebensstandards. Der Niedergang beginnt im Modell nach dem Jahr 2015 und beschleunigt sich nach 2030 (dann beginnt die Bevölkerung zu sinken).
Prognostiker leben davon, dass sie recht behalten. Erweisen sich ihre Prognosen als falsch, verlieren sie schnell ihre Glaubwürdigkeit. Dennis Meadows und andere Wachstumsskeptiker machten gewiss Fehler. Die Modelle der Wachstumsskeptiker waren aus heutiger Sicht nicht komplex genug, um die Realität wirklich adäquat beschreiben zu können. Die im Boden vorhandenen natürlichen Ressourcen wurden unterschätzt. Zudem spielen im Modell des Club of Rome die Rückkopplungseffekte von Staatsverschuldung oder starken Preisschwankungen bei wichtigen Rohstoffen keine Rolle. Last but not least modelliert die Computersimulation des Meadows-Teams nicht das Finanzsystem, zweifellos ein extrem wichtiger Teil der heutigen Wirtschaft. Und, wie noch zu zeigen sein wird, ein extrem verwundbarer.
Eine faire Kritik berücksichtigt jedoch, dass dies 1972 überhaupt nicht möglich war. Niemand konnte die Finanzialisierung der heutigen Ökonomie damals voraussehen. Eine faire Kritik stellt auch in Rechnung, dass die Datengrundlage für das verwendete Modell zu den Rohstoffvorkommen aus heutiger Sicht nicht gut genug war. Alle Berechnungen von damals beruhten auf den damals bekannten Reserven von Rohstoffen. Reserven sind definitionsgemäß die wirtschaftlich gewinnbaren Vorkommen eines Rohstoffs. Was wirtschaftlich gewinnbar ist, kann sich im Zeitverlauf ändern. Für die meisten Rohstoffe gilt, dass die Reserven seit 1972, dem Jahr der Veröffentlichung der Studie, nicht ab-, sondern zugenommen haben. Hauptursache für diese Entwicklung ist der technologische Fortschritt bei der Exploration und der Förderung von Rohstoffen, aber verantwortlich sind auch Erfolge beim Recycling von wertvollen Metallen.
Die MIT-Studie von 1972 ist besser als ihr Ruf. Die Projektionen hatten aus dem Heute betrachtet in ihrer Grundtendenz die richtige Stoßrichtung. Viele Sachverhalte wurden im Basis-Szenario der Grenzen des Wachstums richtig beschrieben. Insofern haben viele Kritiker unrecht, wenn sie meinen, Meadows und der Club of Rome seien vollständig widerlegt worden.
Jüngere wissenschaftliche Forschungsarbeiten bescheinigen dem Forscherteam vom Massachusetts Institute of Technology gemessen an der damals mäßigen Datenlage durchaus gute Arbeit. Das Basis-Szenario schneidet im Realitätstest respektabel ab. Zwei australische Studien aus den Jahren 200822 und 201423 haben die Szenarien von Dennis Meadows und seinem Team aus dem Jahr 1972 mit der realen Entwicklung verglichen. Beide Studien kommen zu einem erstaunlich positiven Urteil. Das Basis-Szenario der Grenzen des Wachstums wird durch beide Studien weitgehend bestätigt.
Wer also aus fehlerhaften (Teil-)Prognosen den Schluss zieht, dass das Gesamtwerk nichts tauge, macht einen Fehler. Wir stehen aus einer ökologischen Perspektive heute wesentlich schlechter da als in den 1970er Jahren.
8Haben im Sinne Erich Fromms. Der im Jahr 1980 verstorbene Psychoanalytiker unterscheidet zwei grundlegende Existenzweisen: Haben und Sein. Haben zielt nicht nur darauf ab, immer mehr Güter und immer mehr Geld anzuhäufen. Fromm notiert dazu: »In der Existenzweise des Habens ist die Beziehung zur Welt die des Besitzergreifens und Besitzens, eine Beziehung, in der ich jedermann und alles, mich selbst mit eingeschlossen, zu meinem Besitz machen will.« Das Zitat findet sich: Fromm, Erich: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, 35. Auflage, München 2007, S. 39–40.
9Müller, Albrecht: Meinungsmache. Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen, München 2009, S. 14.
10Crouch, Colin: Postdemokratie, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 745, Bonn 2009.
11Vgl. Jackson, Tim: Wohlstand ohne Wachstum, a. a. O., S. 142–144.
12Vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations (Hg.): The State of Food Insecurity in the World 2015, Rom 2015, S. 8. Online unter: http://www.fao.org/3/a4ef2d16-70a7-460a-a9ac-2a65a533269a/i4646e.pdf [Stand: 30.5.2015].
13Grund für den Rückgang ist u. a. eine Senkung der Lebensmittelpreise. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Lebensmittelpreise wieder steigen werden und dass sich damit die Zahl der Hungernden wieder erhöht.
14Rund ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel landet auf dem Müll. In Westeuropa sind die Werte aber noch schlechter: Hierzulande werden 50 Prozent aller Lebensmittel weggeworfen. Jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot. Die meisten Lebensmittel werden vernichtet, bevor sie den Verbraucher erreichen. Vgl. dazu W-film Filmproduktion & Filmverleih (Hg.): Taste the Waste, Presseheft zum Dokumentarfilm von Valentin Thurn, Köln 2011, S. 6.
15Vgl. United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO): The United Nations World Water Development Report 2014, Water and Energy, Volume 1, Paris 2014, S. 2.
16Vgl. Demirović, Alex/Dück, Julia/Becker, Florian/Bader, Pauline: Die multiple Krise – Krisendynamiken im neoliberalen Kapitalismus, S. 13, in: Demirović, Alex/Dück, Julia/Becker, Florian/Bader, Pauline (Hg.): VielfachKrise, Hamburg 2011, S. 11–28. Siehe auch Brand, Ulrich: Die Multiple Krise. Dynamik und Zusammenhang der Krisendimensionen, Anforderungen an politische Institutionen und Chancen progressiver Politik, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2009. Die komplette Studie gibt es online unter: http://www.boell.de/sites/default/files/multiple_krisen_u_brand_1.pdf [Stand: 21.7.2014].
17Für eine genaue Begriffsdefinition siehe Nicoll, Norbert: Neoliberalismus. Ungleichheit als Programm, Münster 2013.
18Vgl. Altvater, Elmar: Die kapitalistischen Plagen. Energiekrise und Klimakollaps, Hunger und Finanzchaos, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 3, 2009, S. 45–59.
19Die Ökobilanz der UdSSR und ihrer Satellitenstaaten kann nur als verheerend bezeichnet werden. Unmittelbar vor dem Fall der Mauer emittierte die CSSR pro Kopf und Jahr 20,7 Tonnen Kohlendioxid, die DDR 22 Tonnen. Die USA, Kanada und Australien als die größten CO2-Emittenten der kapitalistischen Welt stießen damals 18,9, 16,2 und 15 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und pro Jahr aus – und das bei einem deutlich höheren Pro-Kopf-Einkommen. Vgl. dazu Tanuro, Daniel: Energie und Umbau der Produktion. Herausforderungen für eine ökosozialistische Alternative, S. 69–70, in: Emanzipation, Nr. 1, 2011, S. 66–81.
20Meadows, Dennis: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972.
21Die Cornucopians vertrau(t)en der kreativen Kraft der Technologie sowie der Leistungsfähigkeit und Effizienz von Marktmechanismen. Sie entwickelten sich in den 1970er Jahren zu den Gegenspielern der Wachstumsskeptiker.
22Turner, Graham: Comparison of the Limits to Growth with Thirty Years of Reality, Socio-Economics and the Environment in Discussion (SEED) Working Paper Series 2008–09, Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO), Canberra 2008.
23Turner, Graham: Is Global Collapse Imminent? An Updated Comparison of The Limits to Growth with Historical Data, MSSI Research Paper No. 4, Melbourne Sustainable Society Institute, The University of Melbourne. Online unter: http://www.sustainable.unimelb.edu.au/files/mssi/MSSI-ResearchPaper-4_Turner_2014.pdf [Stand: 6.9.2014].
»Wir gehen mit der Welt um,
als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum.«
Jane Fonda,
US-amerikanische Schauspielerin
3. Die große Beschleunigung
Die Globalisierung des hedonistischen und konsumistischen Lebensstils der meisten Menschen in den Industrieländern führt in den Abgrund. Und zwar geradewegs. Er kann wahrscheinlich noch eine ganze Weile, aber eben nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Wir verschieben und verdrängen diese fundamentale Erkenntnis.
Wenn wir die Natur zerstören, zerstören wir uns selbst. »Nach uns die Sintflut«, scheint die Parole der westlichen Gesellschaften zu lauten. Vor diesem Hintergrund fühlt man sich zwangsläufig an den berühmten Aphorismus Albert Einsteins erinnert, wonach »zwei Dinge unendlich sind: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.«
Die Dummheit zu begreifen, heißt die ökologischen Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Diese sprechen eine ebenso eindeutige wie beängstigende Sprache. Und zwar selbst dann, wenn wir den Klimawandel in diesem Abschnitt (dazu mehr im nächsten Kapitel) ausklammern. Denn der Klimawandel ist nur ein ernsthaftes Umweltproblem von vielen:
•Es werden immer mehr Rohstoffe verbraucht. Zwischen 1980 und 2010 hat sich der jährliche Rohstoffverbrauch von Biomasse, mineralischen und metallischen Rohstoffen sowie von fossilen Brennstoffen verdoppelt (von knapp 40 Milliarden Tonnen auf etwa 80 Milliarden Tonnen). Es wird erwartet, dass der globale Rohstoffverbrauch weiter stark wächst und im Jahr 2050 bei etwa 180 Milliarden Tonnen liegen wird.24
•In jedem technischem Produkt stecken im Durchschnitt 30 Kilogramm Natur je Kilogramm Produkt. In elektronischen Geräten ist es oft das Zehnfache.25 So wiegt ein Smartphone in Wirklichkeit nicht wenige Hundert Gramm, sondern im Durchschnitt 71 Kilogramm.26
•Die regenerativen Kapazitäten der Erde wurden erstmals um das Jahr 1980 überschritten.27 Heute übersteigt der Verbrauch der Menschheit an natürlichen Ressourcen die Regenerationskapazität der Erde um 50 Prozent.28 Derzeit bevölkern 7,4 Milliarden Menschen den Planeten, 2050 werden es voraussichtlich mehr als neun Milliarden sein.
•25 Prozent der Weltbevölkerung leben in der nördlichen Hemisphäre. Sie verbrauchen mehr als 70 Prozent der gesamten Weltenergiereserven, verzehren mehr als 60 Prozent der weltweit erzeugten Nahrung und verbrauchen mehr als 85 Prozent der Holzerzeugnisse.29
•Menschen in Europa haben einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von rund 50 Tonnen Rohstoffen pro Jahr.30 Die Deutschen liegen mit 60 Tonnen pro Kopf pro Jahr über dem Durchschnitt.31 Ökologisch verträglich wären etwa sechs bis acht Tonnen pro Person pro Jahr.
•Die bewaldeten Flächen der Erde sind im 20. Jahrhundert von fünf Milliarden Hektar auf 3,9 Milliarden Hektar zurückgegangen.32 Im 21. Jahrhundert setzt sich dieser Trend fort. Besonders drastisch schrumpft der Regenwald. Alle zwei Sekunden verschwindet ein Stück Regenwald von der Größe eines Fußballfeldes. Rund ein halbes Prozent der noch bestehenden tropischen Regenwälder geht pro Jahr verloren. Etwa die Hälfte der globalen Regenwälder ist schon dem Hunger nach Land, Holz, Fleisch und anderen Agrarprodukten zum Opfer gefallen.33
•Weltweit leiden nach UN-Angaben 768 Millionen Menschen unter akuter Wasserknappheit. Tendenz steigend. Verschiedene Seen schrumpfen oder steuern auf ökologische Katastrophen34 zu, Flüsse trocknen aus. Immer mehr Länder beanspruchen zudem ihre Grundwasservorkommen zu stark. Geschätzte 20 Prozent der Grundwasserleiter werden übernutzt.35
•Zwei Millionen Tonnen giftige Abwässer fließen jedes Jahr in die Meere und Flüsse der Erde und vergiften diese. Die Meeresschutzorganisation Oceana schätzt, dass weltweit jede Stunde rund 675 Tonnen Müll direkt in die Meere entsorgt werden, die Hälfte davon Kunststoffe.36
•Etwa 98 Prozent aller Hühner und Schweine, die in Deutschland für den Verzehr bestimmt sind, stammen aus Massentierhaltung. Das sind mehr als 500 Millionen Tiere im Jahr. Weltweit stammen heute jährlich etwa 450 Milliarden Landtiere aus Massentierhaltung.37 Massentierhaltung bedeutet Massenleiden. Tiere sind auf engstem Raum zusammengepfercht und zur Bewegungsunfähigkeit verurteilt. Große Stallanlagen emittieren zudem enorme Mengen Stickstoff und Ammoniak.
•61,3 Prozent der globalen Fischbestände sind von Überfischung bedroht. 28,8 Prozent der Bestände werden bereits überfischt und stehen damit vor dem Kollaps. Damit verbleiben nur 9,9 Prozent der Fischbestände, die innerhalb von Nachhaltigkeitsgrenzen gefangen werden.38
•Die Fischmengen, die ins Netz gehen, sind seit Jahren deutlich rückläufig. Die Landwirtschaftsorganisation der UN, die FAO, warnt, die Ozeane seien zu drei Vierteln abgefischt. Der extensive Fang mithilfe hochtechnisierter, satellitengestützter Ortung der Fischvorkommen geht trotzdem weiter. Schwimmende Fischfabriken befahren zu Tausenden die Weltmeere. Die heutigen Meeresernten gleichen einer Brandrodung. Bei einem durchschnittlichen Schleppnetzeinsatz werden 80 bis 90 Prozent der gefangenen Meerestiere als Beifang über Bord geworfen.39
•Pro Tag verliert die Welt unwiederbringlich etwa 130 Tier- und Pflanzenarten.40 Arten sterben heute 100-mal schneller aus, als es die Evolution vorgibt.41
•Die Artenvielfalt bei Wirbeltieren, d. h. die Anzahl der weltweit untersuchten Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, ist seit 1970 um 52 Prozent zurückgegangen. In Lateinamerika ist die Artenvielfalt bei Wirbeltieren sogar um durchschnittlich 83 Prozent geschwunden – ein besonders dramatischer Wert.42
•Auch Europa ist nicht abgekoppelt. So hat Europa in den letzten 30 Jahren die Hälfte seiner Vogelpopulation verloren. Viele Vogelarten sind verschwunden.43
•Wichtige natürliche Kreisläufe wie der Stickstoff- oder der Phosphorkreislauf sind durcheinandergeraten – mit absehbaren schwerwiegenden Folgen für Menschen und Natur.
•Jeden Tag gehen der Erde landwirtschaftliche Nutzflächen im Umfang von 20.000 Hektar durch Übernutzung oder Versalzung verloren. Weitere Ackerflächen schwinden durch die zunehmende Urbanisierung. Seit den 1960er Jahren ist die Ackerfläche pro Kopf um die Hälfte zurückgegangen. Parallel zu diesem Prozess wachsen die Wüsten.44
•Wissenschaftlichen Studien zufolge geht fruchtbarer Mutterboden etwa zehn- bis 100-mal schneller verloren, als er sich bildet. Seit 1945 sind durch Erosion weltweit 1,2 Milliarden Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gegangen – eine Fläche so groß wie China und Indien zusammen.45
•Die Landwirtschaft der Zukunft muss mehr, nicht weniger, leisten: Für den Zeitraum zwischen 2015 und 2050 sagt die FAO, die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, einen 60-prozentigen Anstieg beim weltweiten Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten voraus.46 Der Druck auf die Ressource Boden wird also noch weiter wachsen.
Abb. 1
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Den Diagrammen liegen umfangreiche Daten des International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP) zugrunde, die zuletzt im Januar 2015 aktualisiert wurden. Die zugrunde liegenden Datensätze sind online frei verfügbar unter der folgenden Internetadresse: http://www.igbp.net/download/18.950c2fa1495db7081ebc7/1421334707878/IGBP+Great+Acceleration+data+collection.xlsx [Stand: 21.2.2015].
Weiterführende Informationen zum Thema der »großen Beschleunigung« finden sich im Internet unter http://www.igbp.netund http://www.stockholmresilience.org/.
Der menschliche Einfluss auf den Planeten hat ein solches Ausmaß erreicht, dass manche Wissenschaftler wie der Biologe Paul Crutzen davon sprechen, dass ein neues geologisches Zeitalter begonnen habe: das Anthropozän. Die Menschheit, so Crutzen, sei zu einem bestimmenden geologischen Faktor geworden.
Bezug nehmend auf den nur recht theoretischen Begriff des Anthropozäns haben Forscher der Universität von Stockholm versucht, das Bild zu erweitern und zu konkretisieren. Sie sprechen von der »großen Beschleunigung«. Enorme Wohlstandsentwicklung und technischer Fortschritt gehen einher mit einem beschleunigten Raubbau an der Natur.47
Spiegelbildlich zu den guten Entwicklungen wachsen die Schäden. Das Ende der Fahnenstange ist jedoch in Sicht. Der Planet ist endlich, und das bringt es mit sich, dass er nicht unendlich ausgebeutet werden kann. Oder in den Worten des US-amerikanischen Politikberaters Herbert Stein: »Trends, die nicht weitergehen können, gehen nicht weiter.«