N. Bernhardt
Buch XIX: Der Griff nach der Macht
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch XIX: Der Griff nach der Macht
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954187-99-7
null-papier.de/386
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Eine gute Wahl
Zweites Kapitel: Wie geheißen
Drittes Kapitel: Eine fast perfekte Lösung?
Viertes Kapitel: Der unwillige Ritter
Fünftes Kapitel: Der Kampf um die Burg
Sechstes Kapitel: Burg und Stadt in festem Griff?
Siebtes Kapitel: Gegenwind
Ausblick
Die Beschwörung des Geistes verläuft zwar glimpflicher als befürchtet, wobei sich ausgerechnet Peryndor als hilfreich erweist. Aber viel schlauer ist Nikko danach auch nicht.
Die Unterstützung des Ritters von Hygár ist Nikko hingegen bald sicher. Mit dessen Kriegern kann er dann endlich nach der Macht in Hymal greifen. Es fragt sich nur, wie groß die Gegenwehr wirklich ist. Nicht nur in Sinál, sondern im ganzen Herzogtum.
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Als Nikko am folgenden Morgen aufwachte, schien ihm der Traum mit dem Geist irgendwie weit entfernt und auch nicht mehr ganz so klar. Offenbar war er nicht direkt danach aufgewacht, sondern hatte noch einige Stunden weiterschlafen können.
So war er anfangs auch kaum beunruhigt über das, was der Einäugige alles von sich gegeben hatte. Erst als Nikko sich ordentlich streckte und reckte, damit der Schlaf aus allen Gliedern weichen konnte, kamen ihm die Einzelheiten nach und nach wieder ins Bewusstsein.
Oh je, erst da erkannte der Zauberer, wie brisant die Aussagen des Geistes gewesen waren! Immerhin hatte das Wesen ja behauptet, dass Nikko all seine Zauberei auf dessen Kosten betrieb. Nun, jedenfalls verstand er die doch etwas wirren Worte des Einäugigen so.
Das hieße aber auch, dass der Geist ihm dieses Privileg jederzeit wieder entziehen könnte, oder? Auf jeden Fall hatte das dämonische Wesen damit gedroht. Na ja, besser gesagt, es hatte eine Drohung ausgestoßen, die Nikko so verstanden hatte. Wirklich sicher war er sich dessen jedoch nicht.
Was hatte der Kerl sonst noch alles gesagt? Ach ja, da war die Äußerung gefallen, Nikko hure einer Schwester des Gefallenen nach – oder so ähnlich. Der Magier hatte jedoch keine Ahnung, worauf der Geist damit angespielt hatte. Obwohl – könnte er vielleicht diese Asra gemeint haben, mit deren Hilfe der Zauberer sich vor einiger Zeit gegen einen magischen Angriff Meister Nibegus gewehrt hatte? War diese Demiurgin etwa eine Schwester des Einäugigen?
Dann war da noch die Sache mit den Kindern, die Nikko angeblich ohne Erlaubnis des Einäugigen gerufen hatte. Gerufen? Hatte der Geist sich wirklich so ausgedrückt oder erinnerte sich der Zauberer nur falsch? Doch, er war sich sicher!
Welche Kinder sollte Nikko denn gerufen haben? Was sollte das dämonische Wesen überhaupt für Kinder haben? Moment mal! Dämonisch – war das vielleicht die fehlende Verbindung? Oh je, waren die Dämonen etwa die Kinder des einäugigen Geistes?
In diesem Augenblick verfiel der Zauberer in große Panik! Hatte er sich wirklich mit einem Wesen von der Macht einer Asra angelegt, das überdies auch noch der König der Dämonen war? Dann wäre ja alles schlimmer als jemals befürchtet. Viel schlimmer!
Verflucht! Schon die Dämonen flößten Nikko allerhöchsten Respekt ein. Vor allem mit Syth’lar, einem ihrer höchsten Fürsten, war er in den Beschwörungen bisher ja noch nie fertig geworden. Wenn dieser Dämon Nikko nicht für seine eigenen Pläne zur Vernichtung des Nekromanten eingespannt hätte, wäre er wohl längst nicht mehr am Leben – oder bis in alle Ewigkeit sein Gefangener. Der Zauberer wusste nicht einmal, was schlimmer wäre.
Na, wenigstens war er nicht so dumm gewesen, den einäugigen König beschwören zu wollen. Der Geist müsste doch um ein Vielfaches mächtiger als Syth’lar sein! Aber Moment mal, hatte er Nikko denn nicht sogar befohlen, ihn in der kommenden Nacht zu … rufen?
Ja, so oder so ähnlich hatte er sich ausgedrückt. Nikko wüsste ja, wie man ihn ruft, und hätte dafür bis zur nächsten Mitternacht Zeit.
Bei dieser Erkenntnis steigerte sich Nikkos Panik noch mehr. Was sollte er jetzt bloß tun? Sollte er der Aufforderung etwa nachkommen? Hatte er überhaupt die Wahl? Verdammt, warum hatte ihn während seiner Ausbildung denn niemand auf dieses Wesen vorbereitet?
Ja, der Geist hatte doch auch etwas davon erzählt, dass die anderen Meister sich bei ihm um Blut irgendeine Gnade erkauften. Sie mussten also von dem Wesen Kenntnis haben und es offenbar sogar im Ritual rufen, um sich ebendiese Gnade zu erkaufen.
Könnte es sich dabei um die Sache mit dem verlängerten Leben handeln? Peryndor war bei diesem Thema ja stets recht ausweichend geblieben. Aber hatte Meister Nibegu nicht einmal erwähnt, dass nur Leben Leben verlängern kann? Nikko konnte sich zwar nicht mehr an die Einzelheiten des Gesprächs erinnern, aber so ergäbe das alles schon irgendwie einen Sinn.
Das war ja wieder einmal prächtig! Offensichtlich verkehrten alle Zauberer mehr oder weniger regelmäßig mit dem Einäugigen und erkauften sich bei ihm ein längeres Leben oder sonst etwas. Nur Nikko hatte natürlich keiner eingeweiht! Vermutlich war er der einzige Meister, der über den Geist nichts Genaues wusste.
Peryndor! Verflucht sei der Alte! Weil er seine eigenen schmutzigen Machenschaften wieder einmal geheim halten wollte, hatte er Nikko einfach nicht über den Einäugigen aufgeklärt, obschon dieser offenbar die Quelle aller Magie war. Nur deswegen steckte der junge Meister nun so in der Klemme!
Das Schlimmste daran war aber, dass Peryndor der Einzige war, der das Versäumte nachholen konnte. Wen sollte Nikko denn sonst bitten, ihm die ganze Wahrheit über den Geist zu erzählen? Vor Meister Khondyr durfte er sich eine solche Blöße nicht geben, vor dem Fürstmagier Nibegu natürlich noch viel weniger.
Allerdings blieb jetzt ohnehin nicht mehr genug Zeit, um Peryndor aufzusuchen. Nikko hatte den Großmeister vor Monaten das letzte Mal gesehen. Wer wusste schon, wie es dem Alten bei den Meistern des Südens ergangen war? Obwohl, der junge Magier könnte ihn ja telepathisch kontaktieren.
Nur, ließe sich das alles bis zur Mitternacht bewerkstelligen? Er könnte Peryndor zwar bitten, sofort nach Halfuár zu kommen, müsste sich aber auch selbst dorthin teleportieren. Allerdings würde es dann Wochen dauern, wieder hierher zurückzukommen. Hygár lag von Halfuár aus gesehen schließlich ganz am anderen Ende Hymals und verfügte leider über keinen Teleportraum.
Einen Augenblick lang erwog Nikko, mit dem Drachen nach Halfuár zu fliegen, um Peryndor dort zu treffen. Aber wie lange würde der Flug dauern? Bliebe dann überhaupt noch genug Zeit, mit Peryndor zu sprechen und letztlich auch noch der Aufforderung des Einäugigen nachzukommen?
Je länger Nikko über alles nachdachte, desto mehr Zweifel kamen ihm. Letztlich ging es ja auch noch darum, den Einäugigen zu rufen, so wie dieser es ihn geheißen hatte. Aber wusste der Zauberer denn wirklich, wie das zu bewerkstelligen war?
Die einzige Nikko bekannte Art, den Geist zu rufen, war die Statue in der stinkenden Orkhöhle. Dort war das Siegel des Einäugigen überall mit Blut an die Wände geschrieben. Außerdem hatten die Orks die dem Geist fehlenden Organe in entsprechende Löcher der Statue gestopft. Obwohl, der Zauberer war sich nicht einmal sicher, ob dies Teil der Beschwörung war oder nur ihre Art der … Danksagung.
Allerdings würde der Geist wohl erwarten, in der Orkhöhle gerufen zu werden, oder? Durch sein gehässiges Lachen hatte er Nikko seinerzeit ja eindeutig wissen lassen, dass er um seine Anwesenheit gewusst hatte. Hieß das aber wirklich, dass der Zauberer das Wesen genau dort und genau so rufen sollte wie die Orks?
Oh je, das würde ja bedeuten, dass er doch nach Halfuár reisen müsste, und zwar möglichst schnell. Die Höhle war von der Burg aus mit dem Drachen in wenigen Minuten zu erreichen, zu Fuß aber wären es wohl mehrere Stunden Weg. Ob er das Orkloch vom Boden aus überhaupt wiederfinden würde, war noch eine ganz andere Frage.
Na gut, wenn er ohnehin nach Halfuár zurückkehren musste, könnte er immerhin auch Peryndor bitten, sich dort einzufinden. Vielleicht bliebe den beiden vor dem Ritual ja noch genug Zeit, um über alles zu sprechen. Aber sollte Nikko wirklich einen Flug von hier aus riskieren? Selbst wenn er Danuwil überreden könnte, ihn zu begleiten, bestünde noch immer die Gefahr, sich zu verfliegen. Selbst wenn das nicht passieren würde, gab es doch keine Garantie dafür, dass sie ihr Ziel rechtzeitig erreichten.
Moment mal, könnte Nikko sich nicht mitsamt dem Drachen teleportieren? Das wäre natürlich ein gewagter Zauber, da die Echse nicht einmal ansatzweise in den Teleportraum passen würde. Nein, dafür müsste er einen Zielpunkt in einiger Entfernung vom Teleportstein wählen, was ein nicht ganz unkompliziertes Unterfangen darstellte.
Allerdings war es durchaus möglich, sich als Ziel einen Bereich in der Luft auszusuchen. Dann müsste er sich immerhin keine Sorgen mehr darum machen, dass beim Teleport irgendetwas schiefgehen könnte – jedenfalls nicht, solange der Drache vollständig im auszutauschenden Bereich wäre. Das Schlimmste, was in der Luft passieren dürfte, wäre wohl ein Donnergrollen, wenn die Luftmassen die Ungenauigkeiten in den ausgetauschten Bereichen ausgleichen würden.
Na ja, Nikko würde den Drachen und sich selbst während des Teleports ohnehin unsichtbar halten müssen, denn in allzu große Entfernung vom Teleportstein im Keller der Burg wollte er sich lieber nicht versetzen. Das Ganze war auch so schon ein recht kühnes Vorhaben.
Also gut, freute sich der Zauberer darüber, jetzt endlich einen festen Plan gefasst zu haben. Sogar die Idee, den Großmeister wiederzusehen, gefiel ihm auf einmal. Obwohl, der Alte würde es sicherlich ziemlich schnell schaffen, Nikkos Freude wieder in großen Überdruss, wenn nicht gar in schieren Ärger zu verwandeln.
»Guten Morgen, Eure Erlaucht«, erschreckte ihn Danuwils Stimme. Er grinste: »Ich wünschte ja, ich hätte anklopfen können, doch klopft es sich gegen Tuch so schlecht.«
Nikko war so tief in seine Gedanken versunken, dass er seinem Nachtlager bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Es stimmte aber, das kleine Zimmer war an allen Wänden mit Tüchern behängt und hatte gar keine richtige Tür. Auch war der Boden mit Tüchern und Teppichen belegt, sowie mit einer Menge bequemer Kissen, was dem Raum eine durchaus behagliche Note gab.
»Guten Morgen«, erwiderte Nikko schließlich und überlegte, wie er dem Grafen die Neuigkeiten am besten vermitteln könnte. Immerhin bedeutete die notwendig gewordene Reise zurück nach Halfuár ja eine gravierende Änderung aller Pläne. Überhaupt, sollte er Danuwil hier bei ihrem ruchlosen Gastgeber zurücklassen oder lieber mitnehmen?
»Der werte Ritter hat uns zum Morgenmahl gebeten«, lächelte der Graf und bedeutete Nikko, ihm zu folgen.
»Wartet«, bat der Zauberer. »Einige Minuten wird sich der Ritter wohl noch gedulden können. Ich muss zuvor ein paar Worte mit Euch wechseln.«
»Natürlich«, nickte Danuwil und fragte besorgt: »Ihr habt Euch doch nicht etwa umentschieden?«
»Umentschieden?«, verstand Nikko zunächst nicht, worauf der Graf anspielte. Dann fiel es ihm jedoch schnell wieder ein: »Ach, Ihr meint unseren kleinen Handel mit dem Ritter? Nein, nein, darum geht es nicht.«
»Es ist nur etwas … Wichtiges dazwischen gekommen«, erklärte er. »Seht Ihr, ich muss wohl oder übel nach Halfuár zurückkehren, und zwar … na ja, eigentlich sofort.«
»Was ist denn passiert?«, war Danuwil ganz erschrocken.
»Keine Angst«, beruhigte Nikko den Grafen. »Ich habe in der Nacht eine … magische Nachricht erhalten. Es gibt etwas, das ich noch heute in Halfuár erledigen muss. Danach können wir hier weitermachen.«
»Nun, wenn dem so ist, dann solltet Ihr natürlich lieber gleich fliegen«, riet Danuwil. »Falls das Wetter mitspielt, könntet Ihr es mit etwas Glück bis heute Abend nach Halfuár schaffen.«
»Ich werde einen Teleport wagen«, schüttelte Nikko den Kopf.
»Ich verstehe«, kraulte sich Danuwil den Bart. »Ja, so seid Ihr auf jeden Fall rechtzeitig dort. Den Drachen wollt Ihr also hier lassen?«
»Nein«, wiegelte Nikko ab. »Dann käme ich ja nicht mehr schnell genug zurück. Ich müsste ja von Eurem Lehen aus zu Fuß oder auf dem Rücken eines Pferdes reisen.«
»Stimmt«, lachte der Graf und wurde wieder ernst: »Ich muss allerdings zugeben, dass ich ein ungutes Gefühl dabei hätte, ohne Euch oder Euren Drachen hier bei unserem neuen … Freund als Gast zu weilen.«
»Ihr könnt mich natürlich gern begleiten«, bot Nikko mit einem Lächeln an.
»Das freut mich«, schien Danuwil erleichtert zu sein. »Allerdings sollten wir den Handel mit dem Ritter vorher noch abschließen. Wenn Ihr in Halfuár fertig seid, können wir gleich nach Holluár fliegen und dort … nun ja, Ihr wisst ja, was der Preis ist.«
»Da habt Ihr recht«, nickte der Zauberer. »Der Ritter braucht von der kleinen Unterbrechung eigentlich auch nichts zu erfahren, oder?«
»Wir sagen ihm besser, dass wir vorher noch ein paar Vorbereitungen treffen müssen«, mahnte der Graf. »Würden wir einfach so verschwinden, dann könnte es sein, dass er uns schon in wenigen Tagen mit guten Nachrichten aus Holluár zurückerwarten würde.«
»Stimmt«, pflichtete Nikko ihm bei. »Also gut, sagen wir ihm doch einfach, dass wir zunächst nach … Telgâr fliegen müssen und von dort aus den Angriff … ähm … also …«
»Werter Meister«, unterbrach Danuwil ihn sanft und lächelte: »Lasst besser mich mit ihm reden. Doch nun sollten wir unseren werten Gastgeber lieber nicht länger mit seinem Frühstück auf uns warten lassen.«
Das Morgenmahl mit Va’ar von Hygár war dann erstaunlich kurz ausgefallen. Dabei hatte es eher so gewirkt, als wollte sich der Ritter nur versichern, dass der Handel mit den beiden Grafen nun endlich stand. Nachdem er die Zusicherung von Danuwil erhalten hatte, war er schon nach ein paar flüchtigen Bissen satt und verabschiedete sich mit der Begründung, dass es für ihn nun viel vorzubereiten gäbe.
Wenig später waren Nikko und Danuwil dann für ihren Rücktransport nach Halfuár bereit. Einen Moment lang zögerte der Zauberer, da ihm plötzlich bewusst wurde, dass er Peryndor ja noch gar nicht kontaktiert hatte. Er konnte sich also nicht sicher sein, ob der Alte überhaupt so schnell nach Halfuár kommen konnte. Dann wurde ihm aber klar, dass er den Einäugigen in der kommenden Nacht so oder so rufen musste. Das allerdings wollte er am liebsten in der Orkhöhle machen, in der sich sicherlich nicht ohne Grund ein ganzer Tempel für den Geist befand.
»Ich frage mich, wie Ihr den Drachen in Euren Teleportraum quetschen wollt?«, rätselte Danuwil, als sie auf dem Eckturm neben der Echse standen, und zuckte mit den Schultern.
»Ganz einfach, ich verkleinere uns alle«, scherzte Nikko und überlegte einen Augenblick lang, ob das nicht sogar eine Möglichkeit war. »Ihr habt doch nichts dagegen, oder?«
»Keine Angst, das war nur ein Scherz«, grinste er, bevor der kreidebleiche Danuwil etwas erwidern konnte. »Ich muss aber trotzdem einen neuen Zauber ausprobieren. Ihr habt nämlich recht damit, dass der Drache für den Raum viel zu groß ist.«
»Ausprobieren?«, wurde der Graf noch nervöser. »Was meint Ihr damit?«
»Ich fürchte, das kann ich Euch nicht erklären«, log Nikko, der jetzt einfach keine Lust auf längere Ausführungen hatte. »Macht Euch aber keine Sorgen, ich passe schon auf, dass uns nichts passiert.«
Richtig überzeugt wirkte Danuwil zwar nicht, hatte scheinbar jedoch nicht den Mut, am Können des Magiers offen Zweifel zu äußern. Vermutlich erkannte er ohnehin, dass er keine andere Möglichkeit hatte, als sich auf die Sache einzulassen.
»Also gut«, lächelte Nikko indes. »Ich werde uns diesmal in der Luft teleportieren. Wenn Ihr dann so gut wärt und Euren Sitz einnehmen würdet.«
Wortlos kam Danuwil der Bitte nach und auch Nikko kletterte in seinen Sattel auf dem Kopf des Monsters. Kurz darauf stieg die Echse hoch in die Lüfte und zog einige Kreise über der Burg des Ritters. Zum Abschied ließ der Zauberer den Drachen noch einmal kräftig brüllen.
Als sie nach einigen Minuten außerhalb der Sichtweite des ritterlichen Lehens befanden, wirkte Nikko seinen Unsichtbarkeitszauber um den Drachen herum und versuchte, ihn in der Luft stehen zu lassen. Das Monster konnte jedoch trotz der mächtigen Schläge seiner Schwingen die Höhe nicht besonders gut halten.
Verdammt, zwischen den Schlägen der Schwingen sackte der Drache jeweils mehrere Schritte nach unten, sodass sie zwar in der Luft standen, dabei aber auf und ab wippten. Konnte der Zauberer unter diesen Bedingungen einen Teleport riskieren?
Nun ja, wenn Nikko den zu teleportierenden Bereich um den Drachen herum groß genug wählte, sollte es doch egal sein, wenn sich das Monster darin etwas bewegte. Natürlich könnte er auch einen gewaltigen Schwebezauber wirken, um die Echse und ihre beiden Reiter ganz ruhig in der Luft zu halten.
Die Idee, neben der Unsichtbarkeit und der wohl nicht ganz einfachen Teleportation auch noch einen starken Schwebezauber aufrechtzuerhalten, behagte Nikko überhaupt nicht. Also entschied er sich, es lieber mit dem vergrößerten Teleportationsbereich zu versuchen.
Die ständigen Auf- und Abbewegungen seines Reittieres halfen dem Meister zwar nicht unbedingt dabei, sich zu konzentrieren. Schließlich gelang es ihm trotz dieser Unruhe, alle für den Teleport nötigen Zauber vorzubereiten. Als Zielgebiet hatte er sich dabei einen großen Bereich oberhalb des Bergfrieds von Halfuár ausgesucht, auf dem er die Echse ohnehin wieder landen wollte.
Noch einmal atmete Nikko tief ein und hoffte, alles würde auch so funktionieren, wie er es sich gedacht hatte. Wenn nicht, könnte der Versuch nämlich ziemlich böse enden. Sollte er zur Sicherheit nicht doch noch einen Schwebezauber wirken?
Unsinn! Um die Sache jetzt ganz schnell hinter sich zu bringen, vollendete der Zauberer den Teleport ohne weiteres Zögern. Und siehe da, plötzlich war der Drache mitsamt seinen Reitern über Halfuár, und zwar fast ganz ohne den befürchteten Donner.
Nikko landete die Echse auf der Plattform seines Turms und passte das Unsichtbarkeitsfeld an dessen Form an. Dann stieg er durch die Luke nach unten und wies Danuwil an, ihm zu folgen.
»Das hat doch alles ganz gut funktioniert«, freute sich der Zauberer schließlich in der Bibliothek des Turms und überlegte gleichzeitig, wie er Danuwil nun am höflichsten loswerden könnte. Es war ja höchste Zeit, den Großmeister zu kontaktieren.
»Ich bin immer wieder äußerst beeindruckt, Eure Erlaucht und Meister«, verbeugte sich der Graf und fügte hinzu: »Ich gehe davon aus, dass Ihr nun Euren eigenen Angelegenheiten nachzugehen habt, sonst hättet Ihr ja nicht so eilig hierher kommen müssen. Erlaubt mir also, mich indes über den Zustand der Burg zu informieren.«
»Natürlich«, war Nikko überrascht und überaus erfreut, dass Danuwil sich ganz von selbst nützlich machen wollte. »Habt Dank für Eure Mühen.«
Mit einer Verbeugung entfernte sich der Graf und stieg die Wendeltreppe hinab. Als Nikko hörte, wie sich unten die Tür öffnete und wieder schloss, setzte er sich in einen Sessel, um zunächst etwas zur Ruhe zu kommen, denn sehr viel Erfahrung mit der Telepathie hatte er bisher noch nicht sammeln können.
Nach einigen ruhigen Atemzügen erinnerte sich der Zauberer an das Telemuster des Alten und versuchte ihn damit zu rufen.
»Großmeister Peryndor, kommt bitte nach Halfuár«, sandte er dem alten Meister.
»Meister Nikko, was gibt es denn so Dringendes?«, dröhnte es nur einen Augenblick später blechern zurück.
»Ich brauche schnell Euren Rat«, erwiderte Nikko. »Kommt bitte so bald wie möglich. Wenn es geht, sofort.«
»Ich bin in Kürze bei Euch«, kam die Antwort diesmal erst nach einer längeren Pause.
Nikko hatte versucht, sich das Warten auf Peryndor durch weitere Lektüre des Buches mit dem Bild des Einäugigen zu verkürzen, hatte sich jedoch nicht richtig darauf konzentrieren können. Umso mehr war er erleichtert, als irgendwann die schweren Schritte des alten Mannes auf der Wendeltreppe zu vernehmen waren.
»Diese Treppe«, keuchte der Großmeister, als er schließlich in die Bibliothek trat, und schüttelte den Kopf. »Verflucht sei sie!«
»Seid mir willkommen, Großmeister«, lächelte Nikko und freute sich tatsächlich, den Alten wiederzusehen.
»Ich hoffe doch sehr, dass dieser Rat, den Ihr sucht, die Reise auch wert war«, maulte Peryndor und schien ganz allgemein nicht bester Laune zu sein.
Sollte der Zauberer gleich Klartext reden oder lieber erst einmal mit einem unverfänglichen Gespräch anfangen? Wenn Nikko die Sache richtig einschätzte, könnte der Einäugige für Peryndor nämlich ein ziemliches Reizthema darstellen.
»Also, was wollt Ihr denn so dringen wissen?«, fragte der Großmeister und machte es sich bequem.
Nikko sah keinen Sinn darin, den Alten erst in eine seichte Konversation zu verwickeln. Vermutlich wür