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N. Bernhardt

Buch XIX: Der Griff nach der Macht

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch XIX: Der Griff nach der Macht

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954187-99-7

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Eine gute Wahl

Zwei­tes Ka­pi­tel: Wie ge­hei­ßen

Drit­tes Ka­pi­tel: Eine fast per­fek­te Lö­sung?

Vier­tes Ka­pi­tel: Der un­wil­li­ge Rit­ter

Fünf­tes Ka­pi­tel: Der Kampf um die Burg

Sechs­tes Ka­pi­tel: Burg und Stadt in fes­tem Griff?

Sieb­tes Ka­pi­tel: Ge­gen­wind

Aus­blick

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Die Be­schwö­rung des Geis­tes ver­läuft zwar glimpf­li­cher als be­fürch­tet, wo­bei sich aus­ge­rech­net Pe­ryn­dor als hilf­reich er­weist. Aber viel schlau­er ist Nik­ko da­nach auch nicht.

Die Un­ter­stüt­zung des Rit­ters von Hy­gár ist Nik­ko hin­ge­gen bald si­cher. Mit des­sen Krie­gern kann er dann end­lich nach der Macht in Hy­mal grei­fen. Es fragt sich nur, wie groß die Ge­gen­wehr wirk­lich ist. Nicht nur in Sinál, son­dern im gan­zen Her­zog­tum.

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Eine gute Wahl

Als Nik­ko am fol­gen­den Mor­gen auf­wach­te, schi­en ihm der Traum mit dem Geist ir­gend­wie weit ent­fernt und auch nicht mehr ganz so klar. Of­fen­bar war er nicht di­rekt da­nach auf­ge­wacht, son­dern hat­te noch ei­ni­ge Stun­den weiter­schla­fen kön­nen.

So war er an­fangs auch kaum be­un­ru­higt über das, was der Ein­äu­gi­ge al­les von sich ge­ge­ben hat­te. Erst als Nik­ko sich or­dent­lich streck­te und reck­te, da­mit der Schlaf aus al­len Glie­dern wei­chen konn­te, ka­men ihm die Ein­zel­hei­ten nach und nach wie­der ins Be­wusst­sein.

Oh je, erst da er­kann­te der Zau­be­rer, wie bri­sant die Aus­sa­gen des Geis­tes ge­we­sen wa­ren! Im­mer­hin hat­te das We­sen ja be­haup­tet, dass Nik­ko all sei­ne Zau­be­rei auf des­sen Kos­ten be­trieb. Nun, je­den­falls ver­stand er die doch et­was wir­ren Wor­te des Ein­äu­gi­gen so.

Das hie­ße aber auch, dass der Geist ihm die­ses Pri­vi­leg je­der­zeit wie­der ent­zie­hen könn­te, oder? Auf je­den Fall hat­te das dä­mo­ni­sche We­sen da­mit ge­droht. Na ja, bes­ser ge­sagt, es hat­te eine Dro­hung aus­ge­sto­ßen, die Nik­ko so ver­stan­den hat­te. Wirk­lich si­cher war er sich des­sen je­doch nicht.

Was hat­te der Kerl sonst noch al­les ge­sagt? Ach ja, da war die Äu­ße­rung ge­fal­len, Nik­ko hure ei­ner Schwes­ter des Ge­fal­le­nen nach – oder so ähn­lich. Der Ma­gier hat­te je­doch kei­ne Ah­nung, wor­auf der Geist da­mit an­ge­spielt hat­te. Ob­wohl – könn­te er viel­leicht die­se Asra ge­meint ha­ben, mit de­ren Hil­fe der Zau­be­rer sich vor ei­ni­ger Zeit ge­gen einen ma­gi­schen An­griff Meis­ter Ni­be­gus ge­wehrt hat­te? War die­se De­mi­ur­gin etwa eine Schwes­ter des Ein­äu­gi­gen?

Dann war da noch die Sa­che mit den Kin­dern, die Nik­ko an­geb­lich ohne Er­laub­nis des Ein­äu­gi­gen ge­ru­fen hat­te. Ge­ru­fen? Hat­te der Geist sich wirk­lich so aus­ge­drückt oder er­in­ner­te sich der Zau­be­rer nur falsch? Doch, er war sich si­cher!

Wel­che Kin­der soll­te Nik­ko denn ge­ru­fen ha­ben? Was soll­te das dä­mo­ni­sche We­sen über­haupt für Kin­der ha­ben? Mo­ment mal! Dä­mo­nisch – war das viel­leicht die feh­len­de Ver­bin­dung? Oh je, wa­ren die Dä­mo­nen etwa die Kin­der des ein­äu­gi­gen Geis­tes?

In die­sem Au­gen­blick ver­fiel der Zau­be­rer in große Pa­nik! Hat­te er sich wirk­lich mit ei­nem We­sen von der Macht ei­ner Asra an­ge­legt, das über­dies auch noch der Kö­nig der Dä­mo­nen war? Dann wäre ja al­les schlim­mer als je­mals be­fürch­tet. Viel schlim­mer!

Ver­flucht! Schon die Dä­mo­nen flö­ßten Nik­ko al­ler­höchs­ten Re­spekt ein. Vor al­lem mit Sy­th’lar, ei­nem ih­rer höchs­ten Fürs­ten, war er in den Be­schwö­run­gen bis­her ja noch nie fer­tig ge­wor­den. Wenn die­ser Dä­mon Nik­ko nicht für sei­ne ei­ge­nen Plä­ne zur Ver­nich­tung des Ne­kro­man­ten ein­ge­spannt hät­te, wäre er wohl längst nicht mehr am Le­ben – oder bis in alle Ewig­keit sein Ge­fan­ge­ner. Der Zau­be­rer wuss­te nicht ein­mal, was schlim­mer wäre.

Na, we­nigs­tens war er nicht so dumm ge­we­sen, den ein­äu­gi­gen Kö­nig be­schwö­ren zu wol­len. Der Geist müss­te doch um ein Viel­fa­ches mäch­ti­ger als Sy­th’lar sein! Aber Mo­ment mal, hat­te er Nik­ko denn nicht so­gar be­foh­len, ihn in der kom­men­den Nacht zu … ru­fen?

Ja, so oder so ähn­lich hat­te er sich aus­ge­drückt. Nik­ko wüss­te ja, wie man ihn ruft, und hät­te da­für bis zur nächs­ten Mit­ter­nacht Zeit.

Bei die­ser Er­kennt­nis stei­ger­te sich Nik­kos Pa­nik noch mehr. Was soll­te er jetzt bloß tun? Soll­te er der Auf­for­de­rung etwa nach­kom­men? Hat­te er über­haupt die Wahl? Ver­dammt, warum hat­te ihn wäh­rend sei­ner Aus­bil­dung denn nie­mand auf die­ses We­sen vor­be­rei­tet?

Ja, der Geist hat­te doch auch et­was da­von er­zählt, dass die an­de­ren Meis­ter sich bei ihm um Blut ir­gend­ei­ne Gna­de er­kauf­ten. Sie muss­ten also von dem We­sen Kennt­nis ha­ben und es of­fen­bar so­gar im Ri­tu­al ru­fen, um sich eben­die­se Gna­de zu er­kau­fen.

Könn­te es sich da­bei um die Sa­che mit dem ver­län­ger­ten Le­ben han­deln? Pe­ryn­dor war bei die­sem The­ma ja stets recht aus­wei­chend ge­blie­ben. Aber hat­te Meis­ter Ni­be­gu nicht ein­mal er­wähnt, dass nur Le­ben Le­ben ver­län­gern kann? Nik­ko konn­te sich zwar nicht mehr an die Ein­zel­hei­ten des Ge­sprächs er­in­nern, aber so er­gä­be das al­les schon ir­gend­wie einen Sinn.

Das war ja wie­der ein­mal präch­tig! Of­fen­sicht­lich ver­kehr­ten alle Zau­be­rer mehr oder we­ni­ger re­gel­mä­ßig mit dem Ein­äu­gi­gen und er­kauf­ten sich bei ihm ein län­ge­res Le­ben oder sonst et­was. Nur Nik­ko hat­te na­tür­lich kei­ner ein­ge­weiht! Ver­mut­lich war er der ein­zi­ge Meis­ter, der über den Geist nichts Ge­nau­es wuss­te.

Pe­ryn­dor! Ver­flucht sei der Alte! Weil er sei­ne ei­ge­nen schmut­zi­gen Ma­chen­schaf­ten wie­der ein­mal ge­heim hal­ten woll­te, hat­te er Nik­ko ein­fach nicht über den Ein­äu­gi­gen auf­ge­klärt, ob­schon die­ser of­fen­bar die Quel­le al­ler Ma­gie war. Nur des­we­gen steck­te der jun­ge Meis­ter nun so in der Klem­me!

Das Schlimms­te dar­an war aber, dass Pe­ryn­dor der Ein­zi­ge war, der das Ver­säum­te nach­ho­len konn­te. Wen soll­te Nik­ko denn sonst bit­ten, ihm die gan­ze Wahr­heit über den Geist zu er­zäh­len? Vor Meis­ter Khon­dyr durf­te er sich eine sol­che Blö­ße nicht ge­ben, vor dem Fürst­ma­gier Ni­be­gu na­tür­lich noch viel we­ni­ger.

Al­ler­dings blieb jetzt oh­ne­hin nicht mehr ge­nug Zeit, um Pe­ryn­dor auf­zu­su­chen. Nik­ko hat­te den Groß­meis­ter vor Mo­na­ten das letz­te Mal ge­se­hen. Wer wuss­te schon, wie es dem Al­ten bei den Meis­tern des Sü­dens er­gan­gen war? Ob­wohl, der jun­ge Ma­gier könn­te ihn ja te­le­pa­thisch kon­tak­tie­ren.

Nur, lie­ße sich das al­les bis zur Mit­ter­nacht be­werk­stel­li­gen? Er könn­te Pe­ryn­dor zwar bit­ten, so­fort nach Hal­fuár zu kom­men, müss­te sich aber auch selbst dort­hin tele­por­tie­ren. Al­ler­dings wür­de es dann Wo­chen dau­ern, wie­der hier­her zu­rück­zu­kom­men. Hy­gár lag von Hal­fuár aus ge­se­hen schließ­lich ganz am an­de­ren Ende Hy­mals und ver­füg­te lei­der über kei­nen Tele­por­traum.

Ei­nen Au­gen­blick lang er­wog Nik­ko, mit dem Dra­chen nach Hal­fuár zu flie­gen, um Pe­ryn­dor dort zu tref­fen. Aber wie lan­ge wür­de der Flug dau­ern? Blie­be dann über­haupt noch ge­nug Zeit, mit Pe­ryn­dor zu spre­chen und letzt­lich auch noch der Auf­for­de­rung des Ein­äu­gi­gen nach­zu­kom­men?

Je län­ger Nik­ko über al­les nach­dach­te, de­sto mehr Zwei­fel ka­men ihm. Letzt­lich ging es ja auch noch dar­um, den Ein­äu­gi­gen zu ru­fen, so wie die­ser es ihn ge­hei­ßen hat­te. Aber wuss­te der Zau­be­rer denn wirk­lich, wie das zu be­werk­stel­li­gen war?

Die ein­zi­ge Nik­ko be­kann­te Art, den Geist zu ru­fen, war die Sta­tue in der stin­ken­den Ork­höh­le. Dort war das Sie­gel des Ein­äu­gi­gen über­all mit Blut an die Wän­de ge­schrie­ben. Au­ßer­dem hat­ten die Orks die dem Geist feh­len­den Or­ga­ne in ent­spre­chen­de Lö­cher der Sta­tue ge­stopft. Ob­wohl, der Zau­be­rer war sich nicht ein­mal si­cher, ob dies Teil der Be­schwö­rung war oder nur ihre Art der … Dank­sa­gung.

Al­ler­dings wür­de der Geist wohl er­war­ten, in der Ork­höh­le ge­ru­fen zu wer­den, oder? Durch sein ge­häs­si­ges La­chen hat­te er Nik­ko sei­ner­zeit ja ein­deu­tig wis­sen las­sen, dass er um sei­ne An­we­sen­heit ge­wusst hat­te. Hieß das aber wirk­lich, dass der Zau­be­rer das We­sen ge­nau dort und ge­nau so ru­fen soll­te wie die Orks?

Oh je, das wür­de ja be­deu­ten, dass er doch nach Hal­fuár rei­sen müss­te, und zwar mög­lichst schnell. Die Höh­le war von der Burg aus mit dem Dra­chen in we­ni­gen Mi­nu­ten zu er­rei­chen, zu Fuß aber wä­ren es wohl meh­re­re Stun­den Weg. Ob er das Ork­loch vom Bo­den aus über­haupt wie­der­fin­den wür­de, war noch eine ganz an­de­re Fra­ge.

Na gut, wenn er oh­ne­hin nach Hal­fuár zu­rück­keh­ren muss­te, könn­te er im­mer­hin auch Pe­ryn­dor bit­ten, sich dort ein­zu­fin­den. Vi­el­leicht blie­be den bei­den vor dem Ri­tu­al ja noch ge­nug Zeit, um über al­les zu spre­chen. Aber soll­te Nik­ko wirk­lich einen Flug von hier aus ris­kie­ren? Selbst wenn er Da­nu­wil über­re­den könn­te, ihn zu be­glei­ten, be­stün­de noch im­mer die Ge­fahr, sich zu ver­flie­gen. Selbst wenn das nicht pas­sie­ren wür­de, gab es doch kei­ne Ga­ran­tie da­für, dass sie ihr Ziel recht­zei­tig er­reich­ten.

Mo­ment mal, könn­te Nik­ko sich nicht mit­samt dem Dra­chen tele­por­tie­ren? Das wäre na­tür­lich ein ge­wag­ter Zau­ber, da die Ech­se nicht ein­mal an­satz­wei­se in den Tele­por­traum pas­sen wür­de. Nein, da­für müss­te er einen Ziel­punkt in ei­ni­ger Ent­fer­nung vom Tele­port­stein wäh­len, was ein nicht ganz un­kom­pli­zier­tes Un­ter­fan­gen dar­stell­te.

Al­ler­dings war es durch­aus mög­lich, sich als Ziel einen Be­reich in der Luft aus­zu­su­chen. Dann müss­te er sich im­mer­hin kei­ne Sor­gen mehr dar­um ma­chen, dass beim Tele­port ir­gen­det­was schief­ge­hen könn­te – je­den­falls nicht, so­lan­ge der Dra­che voll­stän­dig im aus­zut­au­schen­den Be­reich wäre. Das Schlimms­te, was in der Luft pas­sie­ren dürf­te, wäre wohl ein Donner­grol­len, wenn die Luft­mas­sen die Un­ge­nau­ig­kei­ten in den aus­ge­tausch­ten Be­rei­chen aus­glei­chen wür­den.

Na ja, Nik­ko wür­de den Dra­chen und sich selbst wäh­rend des Tele­ports oh­ne­hin un­sicht­bar hal­ten müs­sen, denn in all­zu große Ent­fer­nung vom Tele­port­stein im Kel­ler der Burg woll­te er sich lie­ber nicht ver­set­zen. Das Gan­ze war auch so schon ein recht küh­nes Vor­ha­ben.

Also gut, freu­te sich der Zau­be­rer dar­über, jetzt end­lich einen fes­ten Plan ge­fasst zu ha­ben. So­gar die Idee, den Groß­meis­ter wie­der­zu­se­hen, ge­fiel ihm auf ein­mal. Ob­wohl, der Alte wür­de es si­cher­lich ziem­lich schnell schaf­fen, Nik­kos Freu­de wie­der in großen Über­druss, wenn nicht gar in schie­ren Är­ger zu ver­wan­deln.

»Gu­ten Mor­gen, Eure Er­laucht«, er­schreck­te ihn Da­nu­wils Stim­me. Er grins­te: »Ich wünsch­te ja, ich hät­te an­klop­fen kön­nen, doch klopft es sich ge­gen Tuch so schlecht.«

Nik­ko war so tief in sei­ne Ge­dan­ken ver­sun­ken, dass er sei­nem Nacht­la­ger bis­her kaum Auf­merk­sam­keit ge­schenkt hat­te. Es stimm­te aber, das klei­ne Zim­mer war an al­len Wän­den mit Tü­chern be­hängt und hat­te gar kei­ne rich­ti­ge Tür. Auch war der Bo­den mit Tü­chern und Tep­pi­chen be­legt, so­wie mit ei­ner Men­ge be­que­mer Kis­sen, was dem Raum eine durch­aus be­hag­li­che Note gab.

»Gu­ten Mor­gen«, er­wi­der­te Nik­ko schließ­lich und über­leg­te, wie er dem Gra­fen die Neu­ig­kei­ten am bes­ten ver­mit­teln könn­te. Im­mer­hin be­deu­te­te die not­wen­dig ge­wor­de­ne Rei­se zu­rück nach Hal­fuár ja eine gra­vie­ren­de Än­de­rung al­ler Plä­ne. Über­haupt, soll­te er Da­nu­wil hier bei ih­rem ruch­lo­sen Gast­ge­ber zu­rück­las­sen oder lie­ber mit­neh­men?

»Der wer­te Rit­ter hat uns zum Mor­gen­mahl ge­be­ten«, lä­chel­te der Graf und be­deu­te­te Nik­ko, ihm zu fol­gen.

»War­tet«, bat der Zau­be­rer. »Ei­ni­ge Mi­nu­ten wird sich der Rit­ter wohl noch ge­dul­den kön­nen. Ich muss zu­vor ein paar Wor­te mit Euch wech­seln.«

»Na­tür­lich«, nick­te Da­nu­wil und frag­te be­sorgt: »Ihr habt Euch doch nicht etwa um­ent­schie­den?«

»Ument­schie­den?«, ver­stand Nik­ko zu­nächst nicht, wor­auf der Graf an­spiel­te. Dann fiel es ihm je­doch schnell wie­der ein: »Ach, Ihr meint un­se­ren klei­nen Han­del mit dem Rit­ter? Nein, nein, dar­um geht es nicht.«

»Es ist nur et­was … Wich­ti­ges da­zwi­schen ge­kom­men«, er­klär­te er. »Seht Ihr, ich muss wohl oder übel nach Hal­fuár zu­rück­keh­ren, und zwar … na ja, ei­gent­lich so­fort.«

»Was ist denn pas­siert?«, war Da­nu­wil ganz er­schro­cken.

»Kei­ne Angst«, be­ru­hig­te Nik­ko den Gra­fen. »Ich habe in der Nacht eine … ma­gi­sche Nach­richt er­hal­ten. Es gibt et­was, das ich noch heu­te in Hal­fuár er­le­di­gen muss. Da­nach kön­nen wir hier wei­ter­ma­chen.«

»Nun, wenn dem so ist, dann soll­tet Ihr na­tür­lich lie­ber gleich flie­gen«, riet Da­nu­wil. »Falls das Wet­ter mit­spielt, könn­tet Ihr es mit et­was Glück bis heu­te Abend nach Hal­fuár schaf­fen.«

»Ich wer­de einen Tele­port wa­gen«, schüt­tel­te Nik­ko den Kopf.

»Ich ver­ste­he«, kraul­te sich Da­nu­wil den Bart. »Ja, so seid Ihr auf je­den Fall recht­zei­tig dort. Den Dra­chen wollt Ihr also hier las­sen?«

»Nein«, wie­gel­te Nik­ko ab. »Dann käme ich ja nicht mehr schnell ge­nug zu­rück. Ich müss­te ja von Eu­rem Le­hen aus zu Fuß oder auf dem Rücken ei­nes Pfer­des rei­sen.«

»Stimmt«, lach­te der Graf und wur­de wie­der ernst: »Ich muss al­ler­dings zu­ge­ben, dass ich ein un­gu­tes Ge­fühl da­bei hät­te, ohne Euch oder Eu­ren Dra­chen hier bei un­se­rem neu­en … Freund als Gast zu wei­len.«

»Ihr könnt mich na­tür­lich gern be­glei­ten«, bot Nik­ko mit ei­nem Lä­cheln an.

»Das freut mich«, schi­en Da­nu­wil er­leich­tert zu sein. »Al­ler­dings soll­ten wir den Han­del mit dem Rit­ter vor­her noch ab­schlie­ßen. Wenn Ihr in Hal­fuár fer­tig seid, kön­nen wir gleich nach Hol­luár flie­gen und dort … nun ja, Ihr wisst ja, was der Preis ist.«

»Da habt Ihr recht«, nick­te der Zau­be­rer. »Der Rit­ter braucht von der klei­nen Un­ter­bre­chung ei­gent­lich auch nichts zu er­fah­ren, oder?«

»Wir sa­gen ihm bes­ser, dass wir vor­her noch ein paar Vor­be­rei­tun­gen tref­fen müs­sen«, mahn­te der Graf. »Wür­den wir ein­fach so ver­schwin­den, dann könn­te es sein, dass er uns schon in we­ni­gen Ta­gen mit gu­ten Nach­rich­ten aus Hol­luár zu­rück­er­war­ten wür­de.«

»Stimmt«, pflich­te­te Nik­ko ihm bei. »Also gut, sa­gen wir ihm doch ein­fach, dass wir zu­nächst nach … Tel­gâr flie­gen müs­sen und von dort aus den An­griff … ähm … also …«

»Wer­ter Meis­ter«, un­ter­brach Da­nu­wil ihn sanft und lä­chel­te: »Lasst bes­ser mich mit ihm re­den. Doch nun soll­ten wir un­se­ren wer­ten Gast­ge­ber lie­ber nicht län­ger mit sei­nem Früh­stück auf uns war­ten las­sen.«

Das Mor­gen­mahl mit Va’ar von Hy­gár war dann er­staun­lich kurz aus­ge­fal­len. Da­bei hat­te es eher so ge­wirkt, als woll­te sich der Rit­ter nur ver­si­chern, dass der Han­del mit den bei­den Gra­fen nun end­lich stand. Nach­dem er die Zu­si­che­rung von Da­nu­wil er­hal­ten hat­te, war er schon nach ein paar flüch­ti­gen Bis­sen satt und ver­ab­schie­de­te sich mit der Be­grün­dung, dass es für ihn nun viel vor­zu­be­rei­ten gäbe.

We­nig spä­ter wa­ren Nik­ko und Da­nu­wil dann für ih­ren Rück­trans­port nach Hal­fuár be­reit. Ei­nen Mo­ment lang zö­ger­te der Zau­be­rer, da ihm plötz­lich be­wusst wur­de, dass er Pe­ryn­dor ja noch gar nicht kon­tak­tiert hat­te. Er konn­te sich also nicht si­cher sein, ob der Alte über­haupt so schnell nach Hal­fuár kom­men konn­te. Dann wur­de ihm aber klar, dass er den Ein­äu­gi­gen in der kom­men­den Nacht so oder so ru­fen muss­te. Das al­ler­dings woll­te er am liebs­ten in der Ork­höh­le ma­chen, in der sich si­cher­lich nicht ohne Grund ein gan­zer Tem­pel für den Geist be­fand.

»Ich fra­ge mich, wie Ihr den Dra­chen in Eu­ren Tele­por­traum quet­schen wollt?«, rät­sel­te Da­nu­wil, als sie auf dem Eck­turm ne­ben der Ech­se stan­den, und zuck­te mit den Schul­tern.

»Ganz ein­fach, ich ver­klei­ne­re uns alle«, scherz­te Nik­ko und über­leg­te einen Au­gen­blick lang, ob das nicht so­gar eine Mög­lich­keit war. »Ihr habt doch nichts da­ge­gen, oder?«

»Kei­ne Angst, das war nur ein Scherz«, grins­te er, be­vor der krei­de­blei­che Da­nu­wil et­was er­wi­dern konn­te. »Ich muss aber trotz­dem einen neu­en Zau­ber aus­pro­bie­ren. Ihr habt näm­lich recht da­mit, dass der Dra­che für den Raum viel zu groß ist.«

»Aus­pro­bie­ren?«, wur­de der Graf noch ner­vö­ser. »Was meint Ihr da­mit?«

»Ich fürch­te, das kann ich Euch nicht er­klä­ren«, log Nik­ko, der jetzt ein­fach kei­ne Lust auf län­ge­re Aus­füh­run­gen hat­te. »Macht Euch aber kei­ne Sor­gen, ich pas­se schon auf, dass uns nichts pas­siert.«

Rich­tig über­zeugt wirk­te Da­nu­wil zwar nicht, hat­te schein­bar je­doch nicht den Mut, am Kön­nen des Ma­giers of­fen Zwei­fel zu äu­ßern. Ver­mut­lich er­kann­te er oh­ne­hin, dass er kei­ne an­de­re Mög­lich­keit hat­te, als sich auf die Sa­che ein­zu­las­sen.

»Also gut«, lä­chel­te Nik­ko in­des. »Ich wer­de uns dies­mal in der Luft tele­por­tie­ren. Wenn Ihr dann so gut wärt und Eu­ren Sitz ein­neh­men wür­det.«

Wort­los kam Da­nu­wil der Bit­te nach und auch Nik­ko klet­ter­te in sei­nen Sat­tel auf dem Kopf des Mons­ters. Kurz dar­auf stieg die Ech­se hoch in die Lüf­te und zog ei­ni­ge Krei­se über der Burg des Rit­ters. Zum Ab­schied ließ der Zau­be­rer den Dra­chen noch ein­mal kräf­tig brül­len.

Als sie nach ei­ni­gen Mi­nu­ten au­ßer­halb der Sicht­wei­te des rit­ter­li­chen Le­hens be­fan­den, wirk­te Nik­ko sei­nen Un­sicht­bar­keits­zau­ber um den Dra­chen her­um und ver­such­te, ihn in der Luft ste­hen zu las­sen. Das Mons­ter konn­te je­doch trotz der mäch­ti­gen Schlä­ge sei­ner Schwin­gen die Höhe nicht be­son­ders gut hal­ten.

Ver­dammt, zwi­schen den Schlä­gen der Schwin­gen sack­te der Dra­che je­weils meh­re­re Schrit­te nach un­ten, so­dass sie zwar in der Luft stan­den, da­bei aber auf und ab wipp­ten. Konn­te der Zau­be­rer un­ter die­sen Be­din­gun­gen einen Tele­port ris­kie­ren?

Nun ja, wenn Nik­ko den zu tele­por­tie­ren­den Be­reich um den Dra­chen her­um groß ge­nug wähl­te, soll­te es doch egal sein, wenn sich das Mons­ter dar­in et­was be­weg­te. Na­tür­lich könn­te er auch einen ge­wal­ti­gen Schwe­be­zau­ber wir­ken, um die Ech­se und ihre bei­den Rei­ter ganz ru­hig in der Luft zu hal­ten.

Die Idee, ne­ben der Un­sicht­bar­keit und der wohl nicht ganz ein­fa­chen Tele­por­ta­ti­on auch noch einen star­ken Schwe­be­zau­ber auf­recht­zu­er­hal­ten, be­hag­te Nik­ko über­haupt nicht. Also ent­schied er sich, es lie­ber mit dem ver­grö­ßer­ten Tele­por­ta­ti­ons­be­reich zu ver­su­chen.

Die stän­di­gen Auf- und Ab­be­we­gun­gen sei­nes Reit­tie­res hal­fen dem Meis­ter zwar nicht un­be­dingt da­bei, sich zu kon­zen­trie­ren. Schließ­lich ge­lang es ihm trotz die­ser Un­ru­he, alle für den Tele­port nö­ti­gen Zau­ber vor­zu­be­rei­ten. Als Ziel­ge­biet hat­te er sich da­bei einen großen Be­reich ober­halb des Berg­frieds von Hal­fuár aus­ge­sucht, auf dem er die Ech­se oh­ne­hin wie­der lan­den woll­te.

Noch ein­mal at­me­te Nik­ko tief ein und hoff­te, al­les wür­de auch so funk­tio­nie­ren, wie er es sich ge­dacht hat­te. Wenn nicht, könn­te der Ver­such näm­lich ziem­lich böse en­den. Soll­te er zur Si­cher­heit nicht doch noch einen Schwe­be­zau­ber wir­ken?

Un­sinn! Um die Sa­che jetzt ganz schnell hin­ter sich zu brin­gen, vollen­de­te der Zau­be­rer den Tele­port ohne wei­te­res Zö­gern. Und sie­he da, plötz­lich war der Dra­che mit­samt sei­nen Rei­tern über Hal­fuár, und zwar fast ganz ohne den be­fürch­te­ten Don­ner.

Nik­ko lan­de­te die Ech­se auf der Platt­form sei­nes Turms und pass­te das Un­sicht­bar­keits­feld an des­sen Form an. Dann stieg er durch die Luke nach un­ten und wies Da­nu­wil an, ihm zu fol­gen.

»Das hat doch al­les ganz gut funk­tio­niert«, freu­te sich der Zau­be­rer schließ­lich in der Biblio­thek des Turms und über­leg­te gleich­zei­tig, wie er Da­nu­wil nun am höf­lichs­ten los­wer­den könn­te. Es war ja höchs­te Zeit, den Groß­meis­ter zu kon­tak­tie­ren.

»Ich bin im­mer wie­der äu­ßerst be­ein­druckt, Eure Er­laucht und Meis­ter«, ver­beug­te sich der Graf und füg­te hin­zu: »Ich gehe da­von aus, dass Ihr nun Eu­ren ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten nach­zu­ge­hen habt, sonst hät­tet Ihr ja nicht so ei­lig hier­her kom­men müs­sen. Er­laubt mir also, mich in­des über den Zu­stand der Burg zu in­for­mie­ren.«

»Na­tür­lich«, war Nik­ko über­rascht und über­aus er­freut, dass Da­nu­wil sich ganz von selbst nütz­lich ma­chen woll­te. »Habt Dank für Eure Mü­hen.«

Mit ei­ner Ver­beu­gung ent­fern­te sich der Graf und stieg die Wen­del­trep­pe hin­ab. Als Nik­ko hör­te, wie sich un­ten die Tür öff­ne­te und wie­der schloss, setz­te er sich in einen Ses­sel, um zu­nächst et­was zur Ruhe zu kom­men, denn sehr viel Er­fah­rung mit der Te­le­pa­thie hat­te er bis­her noch nicht sam­meln kön­nen.

Nach ei­ni­gen ru­hi­gen Atem­zü­gen er­in­ner­te sich der Zau­be­rer an das Te­le­mus­ter des Al­ten und ver­such­te ihn da­mit zu ru­fen.

»Groß­meis­ter Pe­ryn­dor, kommt bit­te nach Hal­fuár«, sand­te er dem al­ten Meis­ter.

»Meis­ter Nik­ko, was gibt es denn so Drin­gen­des?«, dröhn­te es nur einen Au­gen­blick spä­ter ble­chern zu­rück.

»Ich brau­che schnell Eu­ren Rat«, er­wi­der­te Nik­ko. »Kommt bit­te so bald wie mög­lich. Wenn es geht, so­fort.«

»Ich bin in Kür­ze bei Euch«, kam die Ant­wort dies­mal erst nach ei­ner län­ge­ren Pau­se.

Nik­ko hat­te ver­sucht, sich das War­ten auf Pe­ryn­dor durch wei­te­re Lek­tü­re des Bu­ches mit dem Bild des Ein­äu­gi­gen zu ver­kür­zen, hat­te sich je­doch nicht rich­tig dar­auf kon­zen­trie­ren kön­nen. Umso mehr war er er­leich­tert, als ir­gend­wann die schwe­ren Schrit­te des al­ten Man­nes auf der Wen­del­trep­pe zu ver­neh­men wa­ren.

»Die­se Trep­pe«, keuch­te der Groß­meis­ter, als er schließ­lich in die Biblio­thek trat, und schüt­tel­te den Kopf. »Ver­flucht sei sie!«

»Seid mir will­kom­men, Groß­meis­ter«, lä­chel­te Nik­ko und freu­te sich tat­säch­lich, den Al­ten wie­der­zu­se­hen.

»Ich hof­fe doch sehr, dass die­ser Rat, den Ihr sucht, die Rei­se auch wert war«, maul­te Pe­ryn­dor und schi­en ganz all­ge­mein nicht bes­ter Lau­ne zu sein.

Soll­te der Zau­be­rer gleich Klar­text re­den oder lie­ber erst ein­mal mit ei­nem un­ver­fäng­li­chen Ge­spräch an­fan­gen? Wenn Nik­ko die Sa­che rich­tig ein­schätz­te, könn­te der Ein­äu­gi­ge für Pe­ryn­dor näm­lich ein ziem­li­ches Reiz­the­ma dar­stel­len.

»Also, was wollt Ihr denn so drin­gen wis­sen?«, frag­te der Groß­meis­ter und mach­te es sich be­quem.

Nik­ko sah kei­nen Sinn dar­in, den Al­ten erst in eine seich­te Kon­ver­sa­ti­on zu ver­wi­ckeln. Ver­mut­lich wür­­­­­­­­­­­­­­­­­