Die Vereinigten Staaten im Dauerkrisen-Modus
F.A.Z.-eBook 47
Frankfurter Allgemeine Archiv
Herausgeber: Klaus-Dieter Frankenberger
Redaktion und Gestaltung: Hans Peter Trötscher
Zuständiger Bildredakteur: Henner Flohr
Projektleitung: Franz-Josef Gasterich und Olivera Kipcic
eBook-Produktion: rombach digitale manufaktur, Freiburg
Alle Rechte vorbehalten. Rechteerwerb und Vermarktung: Content@faz.de
© 2016 Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main
Titel-Grafik: © F.A.Z.-Grafik / Nina Hewelt
ISBN: 978-3-89843-448-5
Von Klaus-Dieter Frankenberger
Diese Entwicklung vollzieht sich auf vielen sozialen Feldern; sie hat auch die Politik, also das politische System, durchdrungen. Seit Jahren wird über die Polarisierung in Washington geklagt; jeder Präsident der jüngeren Geschichte hatte sich bei seinem Amtsantritt vorgenommen, das zu ändern und den parteipolitischen Streit zu entgiften. Und doch musste am Ende immer wieder festgestellt werden, dass es in den vorausgegangen Jahren noch schlimmer geworden ist. So wird es auch sein, wenn Präsident Barack Obama im Januar 2017 aus dem Amt scheidet: Unter ihm, vielleicht auch durch sein Zutun, ist der Graben zwischen den politischen Lagern tiefer und breiter geworden – und der Ton der politischen Auseinandersetzung ist unerbittlich bis rüpelhaft geworden. »Kompromiss« ist ein schmutziges Wort und ein politisches Delikt. Wer im Verdacht steht, für Kompromisse mit dem politischen Gegner offen zu sein, den erwartet das politische Standgericht.
In diesem Wahljahr sind die Amerikaner also alles andere als mit sich im Reinen, sondern auf ganz »unamerikanische« Weise abgrundtief pessimistisch. Viele sind beispiellos übergelaunt – der Wutbürger ist keine deutsches Phänomen. Vor allem viele weiße Amerikaner, die Soziologen der unteren Mittel- und der Arbeiterschicht zuordnen würden, sind verbittert und voller Wut: auf das »Establishment«, die Politik in Washington, auf die sogenannte politische Korrektheit. Sie fühlen sich als Verlierer der großen sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen; das Vertrauen in die Politik haben sie verloren, das politische System halten sie für durch und durch korrupt. Es ist diese Gemütsverfassung, die den Immobilienmilliardär Donald Trump bis zum finalen Kampf um das Weiße Haus getragen hat. Populismus und Protektionismus, Fremdenfeindlichkeit und Abschottung sind Elemente einer Agenda, die, gekleidet in eine Rhetorik der Vernichtung und der Verachtung, schon Trumps republikanische Vorwahlkonkurrenten überrollt hat.
Bemerkenswert, ja einzigartig an dieser Präsidentenwahl sind in der Tat die Unvorhersehbarkeit der Entwicklung, die Bösartigkeit des Duells und die naiven Einschätzungen der Kandidaten. Auch die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, tritt mit schwerem Gepäck an. Für unglaubwürdig, nicht authentisch und unehrlich halten viele Wähler die ehemalige Außenministerin und Senatorin, die als erste Frau von einer der großen Parteiendes Landes als Präsidentschaftskandidatin nominiert worden ist. Dieses Novum verdient zweifellos das Etikett »historisch«. Doch es verblasst gegen die große Skepsis, welche Clinton als vermeintlichem Symbol eines »korrupten Systems« entgegenschlägt. Sie profitiert freilich von dem Umstand, dass Donald Trump, der mit Mistgabeln bewaffnete Neonationalist, viele Wählergruppen gegen sich aufgebracht hat. Wer auch immer Barack Obama nachfolgen wird, der erbt eine zutiefst gespaltene Nation, deren Teile auseinanderstreben und sich nicht miteinander versöhnen lassen wollen.
Dieses eBook widmet sich dieser »gespaltenen Nation«, einem Amerika, das sich seit Jahren im Dauerkrisenmodus befindet. Anhand von Beiträgen, die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen sind, zeichnet es die historischen Gegensätze nach, sucht quasi nach dem übergreifend Trennenden in der amerikanischen Politik. Auf dieser Grundlage kommt ein aktuelles Bild zustande, das erklärt, warum sich die weiße Mittelschicht so bedrängt fühlt und warum Barack Obama nicht der Heiland war oder sein konnte, als den viele ihn 2008 sehen wollten. Das Buch fragt zudem im Kontext der Präsidentenwahl, wer tragfähige und attraktive Konzepte für die Zukunft eines Landes besitzt, das seiner traditionellen Rolle in der Welt überdrüssig geworden ist und im Innern fast verzweifelt nach Erneuerung strebt.
Amerika 2016 – das ist ein Land, an dessen Machtpotential nach wie vor kein Rivale heranreicht, dessen wichtigste Ressource aber abnimmt: der innere Zusammenhalt, der Grundkonsens über alle Grenzen hinweg.
Von Michael Zöller
Doch Lincolns berühmte »Zwanzig-Zeilen-Rede« zur Eröffnung eines Soldatenfriedhofes auf dem Schlachtfeld von Gettysburg 1863 ist nicht nur ein stilistisches Meisterstück, sie erinnert auch an die fortbestehenden Eigenarten der Vereinigten Staaten. Zunächst einmal daran, dass politische Essayistik und politische Rhetorik in dieser Republik stets eine besondere Rolle spielten. So hat Thomas Jefferson in der Unabhängigkeitserklärung die politische Glaubenslehre Amerikas formuliert, haben die Federalists und die Antifederalists in Serien von Zeitungsartikeln, die zu Klassikern der politischen Philosophie wurden, für ihre Verfassungskonzepte geworben, und nicht nur Lincoln, sondern auch Martin Luther King, Ronald Reagan, Barack Obama und viele andere verdanken ihren Reden Ruhm und Karriere. In diesem auf Sprache gegründeten Land schätzt man Wortwitz und Schlagfertigkeit. Ein guter Slogan wird bereitwillig aufgegriffen, aber auch prompt parodiert, doch verbindliche Texte, Charters, Covenants und Constitutions werden nicht nur ernst genommen, sondern geradezu religiös verehrt – und schließlich in einer Art Andachtsraum des Nationalarchivs auf einem Altar ausgestellt. Wo es keine verbindende Abstammung oder Überlieferung gibt, da erscheint es umso wichtiger, sich auf gemeinsame Absichten berufen zu können. Diese wiederum kurz und allgemeinverständlich zu formulieren verspricht außerdem einen egalitären Mehrwert: Vor den geheiligten Texten sind alle gleich, und sie bieten deshalb auch Schutz vor denen, die dem gemeinen Mann vorschreiben wollen, wie er sein Leben zu führen hat.
Die Kalkulierbarkeit der Mitmenschen und auch die Abwehr elitärer Bevormundung erscheinen jedoch nur gewährleistet, wenn die maßgeblichen Texte als sakrosankt gelten, also wortgetreu im Sinne der Urheber ausgelegt werden sollen. Diese Verfassungsfrömmigkeit zeigt sich gerade dann besonders deutlich, wenn eine Änderung unvermeidlich geworden ist. Erst nach dem Bürgerkrieg konnte Lincoln den ursprünglichen Kompromiss zwischen Gegnern und Verteidigern der Sklaverei auflösen, indem er den Geist der Verfassung gegen den Buchstaben kehrte. Das Verbot der Sklaverei erhält dabei die Form eines Verfassungszusatzes, des 13. Amendments. Die alte Kompromissformel dagegen wird keineswegs gestrichen. Als Schandfleck, wie auch als selbstquälerischer Beleg der Treue zum Original, bleibt sie an ihrer Stelle.
Das Beispiel zeigt aber auch, dass die so sorgsam gehegte Verfassung zu einer letztlich unaufhaltsamen Kraft der Veränderung wird, wenn die Gegebenheiten ihrem Sinn allzu deutlich widersprechen, und nur dies verleiht den großen Reden ihre Durchschlagskraft. Lincoln bietet das bekannteste und folgenreichste Beispiel, weshalb seine Wirkung als eine zweite Revolution beschrieben wurde, doch im gleichen Sinne konnte F. D. Roosevelt einen New Deal als Erneuerung der Tradition, Martin Luther King den Rassismus als unamerikanisch und Ronald Reagan die überbordende Staatstätigkeit als Teil des Problems, nicht der Lösung bezeichnen. Kurzum, der Glaube an die Verfassung verleiht der amerikanischen politischen Kultur den Charakter einer Erweckungsbewegung, die sich zur dauernden Rückbesinnung auf die Grundlagen verpflichtet hat.
Und dieser Geist ist lebendig. Wenn der republikanische Abgeordnete James Sensenbrenner, der im Jahr 2001 den Patriot Act eingebracht hatte, nun in amerikanischen Fernsehsendern und in dieser Zeitung beklagt, dass die Regierung unter Bush wie unter Obama darüber weit hinausgegangen sei, kann dies noch als der normale oppositionelle Instinkt eines routinierten Politikers abgetan werden. Dass aber zwei junge Lieblinge der Tea Party, wie der Senator Rand Paul oder der Abgeordnete Justin Amash, in diesem Jahr Initiativen ergriffen, um den Einsatz von Drohnen oder die Arbeit der NSA gesetzlich zu begrenzen, verweist darauf, dass die libertäre Tradition Amerikas auch dort ausgeprägt ist, wo die Europäer sie nicht vermuten. Amerika versteht seine Verfassung als Auftrag zur ständigen Selbstkorrektur und unterscheidet sich dadurch von denen, die sich auf keine Prinzipien festlegen lassen.
Michael Zöller lehrt als emeritierter Professor der Soziologie an der Hochschule für Politik in München und ist Präsident des deutsch-amerikanischen Council on Public Policy.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.11.2013
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Von Markus Günther
Was wie ein kurioser Einzelfall klingt, ist tatsächlich in den Vereinigten Staaten gang und gäbe. Auch die Abgeordneten Lois Capps und Doris Matsui haben die Mandate ihrer Männer übernommen, allerdings erst, nachdem diese gestorben waren – was hätte auch nähergelegen, als die Witwen die Parlamentsarbeit fortsetzen zu lassen? In Toledo hat die Frau des vor wenigen Wochen überraschend gestorbenen Bürgermeisters gerade unter Tränen angekündigt, dass sie das Lebenswerk ihres Mannes fortsetzen und nun selbst Bürgermeisterin werden will.
Außer den Witwen und Ehefrauen im Senat und Repräsentantenhaus gibt es natürlich noch die Söhne, Enkel, Töchter, Neffen, Nichten und Cousins. Politik in Amerika, das ist immer auch Family Business, und zwar nicht nur, wenn es um die Clintons, Bushs und Kennedys geht. Im Kongress in Washington haben Familien oft schon seit Generationen einen Sitz und können die Mandate wie Erbhöfe an Sohn oder Tochter weitergeben. Derzeit sind 13,5 Prozent aller Senatoren Verwandte ersten Grades eines früheren Senators. Rechnet man weitläufige Verwandtschaftsgrade hinzu, ergibt sich ein verblüffendes Bild verflochtener politischer Dynastien. Seit der Gründung der Vereinigten Staaten schafften es 167 Familien, einen Sitz über drei Generationen zu halten, 22 Familien sogar über vier Generationen. Noch gar nicht mitgerechnet sind dabei die regionalen politischen Dynastien wie etwa die Sullivans in Cambridge, die seit 80 Jahren führende politische Ämter in der Stadt und im Bundesstaat Massachusetts bekleiden. Gerade hat der jüngste Spross angekündigt, dass auch er in die Politik will. Er ist 15.
Aber wie genau funktioniert das? Warum sind gerade im Mutterland der modernen Demokratie, das mit großem Freiheitsfuror die europäische Adels- und Klassengesellschaft hinter sich gelassen hat, politische Dynastien so weit verbreitet? Und vor allem: Regt sich denn gar kein Widerstand gegen die politische Vetternwirtschaft?
Brian Feinstein, Politikwissenschaftler der Harvard-Universität, antwortet darauf trocken: »Name recognition«. Der Wiedererkennungseffekt beim Namen allein ist Gold wert. Zumal in einer politischen Kultur, in der es kaum um Parteien und immer um Personen geht, in der zudem viele Wahlen auf vielen Ebenen gleichzeitig stattfinden, so dass der Wähler sich auf dem Wahlzettel erst einmal zurechtfinden muss. Oft bewerben sich jeweils Dutzende von Kandidaten um Dutzende von Ämtern. Es geht um den Sheriff, den Richter, den Bezirksstaatsanwalt, den Schulrat und den Landtagsabgeordneten. »Wenn da irgendwo ein vertrauter Markenname auftaucht, ist das allein schon ein starker Vorteil gegenüber der Konkurrenz.« Wie im Supermarkt auch hat das neue Produkt aus bekanntem Hause einen entscheidenden Startvorteil. Die Wahlkampffinanzierung kommt hinzu: Neulinge wissen kaum, wie sie das Geld für die Vorwahlen aufbringen sollen; Politikersöhne haben dagegen die Adresskartei von Papas Wahlkampfspendern zur Hand.
So ging es auch Fred Durhal III. aus Detroit, der im Januar dieses Jahres das Kongressmandat seines Vaters Fred Durhal Jr. übernommen hat, der wiederum einen Vater namens Fred Durhal Sr. hatte, der auch schon im Kongress arbeitete. Brav sagt Fred Durhal III.: »Mir geht es aber nicht um eine Familientradition oder eine Dynastie oder so was. Ich will einfach gute Politik machen.«
Politische Dynastien gab es in Amerika immer schon. Doch die Massenmedien haben den Trend noch verstärkt: »Früher hat man die Familienmitglieder gern aus dem Rampenlicht herausgehalten«, sagt der Historiker Richard Baker, »heute ist das so ein Trend, die Söhne, Töchter und Ehefrauen bei jedem öffentlichen Auftritt an der Seite zu haben. Und irgendwann sind sie dann so prominent, dass sie auch selbst antreten können.« Besonders deutlich zeigt sich das bei den Kennedys, Bushs und Clintons, den berühmtesten Polit-Dynastien. Als First Lady wurde Hillary Clinton schon so berühmt, dass der Beginn der eigenen politischen Karriere danach ein Kinderspiel war. Und als Sohn und Bruder zweier früherer Präsidenten ist Jeb Bush ungleich bekannter als jeder parteiinterne Konkurrent. 32 Jahre lang, von 1980 bis 2012, bekleidete ein Mitglied einer der beiden Familien das Amt des Präsidenten, Vizepräsidenten oder Außenministers. Vieles spricht dafür, dass die fortgesetzt wird.
Warum reagieren amerikanische Wähler auf derlei Familienbande nicht mit gesundem demokratischen Misstrauen, sondern mit naiver, quasi-monarchistischer Bewunderung? Umfragen zeigen ein widersprüchliches Ergebnis: Fragen sie nach politischen Dynastien als Risiko für Demokratie und Chancengleichheit, reagieren die meisten Amerikaner durchaus mit Unbehagen. Sie wollen daran glauben, dass in den Vereinigten Staaten die soziale Herkunft keine Rolle spielt, dass jeder die gleichen Chancen hat, wenn er sich nur anstrengt. Und die Wähler beteuern in Umfragen gern, dass sie ihre Wahlentscheidung in keiner Weise von einem prominenten Namen abhängig machen, sondern jeden Kandidaten nach seinen eigenen Qualitäten und Standpunkten beurteilen. Doch das ist einfach nicht wahr. Sympathiebonus und Vertrauensvorschuss, berichten Meinungsforscher, sind bei den bekannten politischen Familiennamen enorm – auch wenn sich die Wähler sich das selbst nicht eingestehen wollen.
Studien über das Phänomen der politischen Dynastien haben ein weiteres Geheimnis des familiären Erfolges identifiziert: Nostalgie. Ein politischer Name weckt bei den Wählern Erinnerungen an einen früheren Lebensabschnitt und an alte Zeiten – woraus dann im Rückblick schnell die »guten alten Zeiten« werden. Zwar kann man sich kaum vorstellen, dass Jeb Bush einen solchen Effekt für sich verbuchen könnte, denn sein älterer Bruder schied 2009 als extrem unbeliebter Präsident aus dem Amt. Doch man täuscht sich: Auch die Sympathiewerte von George W. Bush sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Überhaupt werden die meisten Ex-Präsidenten mit steigendem Abstand in ein immer milderes Licht der politischen Erinnerung getaucht. Sie erreichen oft Beliebtheitswerte, von denen sie zu ihren Amtszeiten im Weißen Haus nur träumen konnten. Und bei Jeb Bush schwingt nicht nur die Erinnerung an den Bruder, sondern auch an den heute sehr beliebten Vater mit. Bei George H. W. Bush denken ältere Amerikaner vor allem an die Zeiten, als die Berliner Mauer fiel und der Kalte Krieg siegreich endete.
Natürlich garantiert ein ruhmreicher Name allein noch keinen Wahlsieg. Hillary Clinton unterlag in den Vorwahlen 2008 einem Mann mit dem gar nicht vertraut klingenden Nachnamen Obama. George W. Bush verlor seinen ersten Wahlkampf in Texas, sein Vater verlor als Präsident die Wiederwahl gegen den damals noch unbekannten Bill Clinton. Und gerade erst ist der Enkel Jimmy Carters bei den Gouverneurswahlen in Georgia gescheitert. Solche Niederlagen erklären sich aber meist aus den konkreten Umständen der Wahl. Gezielte Angriffe des politischen Gegners auf die prominente Herkunft eines Kandidaten sind seltene Ausnahmen, was auch daran liegt, dass es die mächtigen Dynastien in beiden großen Parteien gibt. Hillary Clinton und Jeb Bush können sich schlecht gegenseitig vorwerfen, aus ihrem Familiennamen politisches Kapital schlagen zu wollen.
Nur in Einzelfällen kommt es zu aggressiven Kampagnen wie der in Colorado im vorigen Herbst, als die Republikaner Millionen für einen Fernseh-Spot ausgaben, in dem der Vorspann der Fernsehserie »Dynasty« (Denver-Clan) auf den Senator Mark Udall gemünzt wurde. Zur Erkennungsmelodie der Serie sah man die Köpfe der weit verzweigten Politikerfamilie. Eine Stimme aus dem Off sagte dazu: »Reich und gut etabliert, vom wirklichen Leben keine Ahnung, aber besessen vom Willen, an der Macht zu bleiben: Die Saga der Mark-Udall-Familie.«
Aber vielleicht regt sich bei einer Neuauflage der alten Familienfehde Bush-Clinton doch einmal breiter Widerstand? Immerhin hat eine Gruppe linker Aktivisten, »RootsAction«, einiges Aufsehen erregt mit ihrer Internetseite »NoBushesorClintons«. Im Handumdrehen fanden sich 10 000 Unterzeichner eines Ausrufs, in dem rechtliche Beschränkungen für die politischen Kandidaturen von Familienmitgliedern gefordert werden. Der Gründer Jeff Cohen sagt: »Diese beiden Familien sind die sichtbaren Symbole unseres verkommenen politischen Systems, in dem eine herrschende Klasse die Macht unter sich aufteilt.« Konservative Kommentatoren wie Joe Scarborough geben ihm recht: »Unser Demokratie ist krank. Das sind Zustände wie in Südamerika.«
Solche Kritiker können sich sogar auf die frühere First Lady Barbara Bush berufen, der im vergangenen Jahr einmal die Wahrheit herausgerutscht ist: »Wir haben so viele gute Familien in diesem Land, da ist es doch lächerlich, wenn immer wieder zwei Familien den Präsidenten stellen. Wir hatten genug Bushs.« Nach Rücksprache mit ihrem Sohn Jeb teilte sie aber später mit, dass sie falsch verstanden worden sei und fest daran glaube, dass ihr Sohn ein großartiger Präsident wäre.
Dass mächtige Familien mit Anfeindungen rechnen müssen, weiß niemand so gut wie die Familie Frelinghuysen in New Jersey. Doch ihre Erfahrung zeigt auch, dass es möglich ist, Kritik und Spott an sich abprallen zu lassen. Keiner hat ein politisches Mandat so lange im Familienbesitz gehalten wie die Frelinghuysens, die derzeit vom republikanischen Abgeordneten Rodney Frelinghuysen im Kongress vertreten wird. Sein Ururururgroßvater saß schon 1787 im Kongress.
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 26.04.2015
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Von Matthias Rüb
Vom ersten bis zum letzten Tag seiner Präsidentschaft – Lincoln wurde kurz nach Beginn seiner zweiten Amtszeit am Karfreitag, dem 15. April 1865, im Washingtoner Ford-Theater von dem fanatischen Südstaatler John Wilkes Booth erschossen – war Lincoln Kriegspräsident. Aus dem in militärischen Dingen anfangs ganz unbeleckten Anwalt und Politiker aus Springfield in Illinois wurde im Weißen Haus dank immenser Lektüreleistung, analytischer Intelligenz und genauer Beobachtung des Kriegsgeschehens ein großer Stratege und Taktiker. Lincoln wusste den zähen, fast vier Jahre währenden Krieg mit mehr Sachverstand und Weitsicht zu führen als die meisten seiner Generäle.
Schon in den Wochen bis zum tatsächlichen Ausbruch des Krieges am 12. April 1861 bewies Lincoln jene Verbindung von Geduld und Entschlossenheit, Pragmatismus und Prinzipientreue, die ihn zum Retter der Union und zum wohl bedeutendsten Präsidenten der Geschichte werden ließ. In seiner Rede zum Amtsantritt vom 4. März 1861 bekräftigte Lincoln, dass er die Sklaverei – obschon er persönlich sie als falsch, unmoralisch und widerrechtlich betrachtete – in den Sklavenstaaten des Südens nicht abzuschaffen gedenke. Zudem hob Lincoln hervor: »Es muss kein Blutvergießen und keine Gewalt geben.« Mit Langmut wandte er sich an seine »unzufriedenen Landsleute« im Süden und versprach ihnen: »Die Regierung wird Sie nicht angreifen. Es wird keinen Konflikt geben, es sei denn, Sie sind der Aggressor.« Lincoln beharrte aber darauf, dass er das Eigentum der Washingtoner Regierung in den Sezessionsstaaten »weiter halten, besitzen und besetzen« werde. Damit waren vor allem die beiden letzten Forts gemeint, die weiter von Unionssoldaten im Süden gehalten wurden: Fort Sumter im Hafen von Charleston in South Carolina und Fort Pickens in Pensacola im »Pfannenstiel« Floridas.
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