ISBN: 978-3-95428-607-2
1. Auflage 2015
© 2015 Wellhöfer Verlag, Mannheim
info@wellhoefer-verlag.de
www.wellhoefer-verlag.de
Titelgestaltung: Uwe Schnieders, Fa. Pixelhall, Mühlhausen unter Verwendung eines Fotos von Carsten Steps
Die Erzählungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit wirklichen Personen oder tatsächlichen Ereignissen sind nicht beabsichtigt und somit rein zufällig.
Das vorliegende Buch einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig.
Bernd packt den Rucksack. Tut wieder mal so, als ob er das ganze Wochenende unterwegs wäre, um für den Reiseführer zu recherchieren. Bergrauf und bergrunter. Meistens mehr rauf als runter. Und dann schöne Fotos von den Ruinen und den ganzen Felsen und den Gipfeln mitten in die Landschaft hinein. Und alles genau beschrieben. Die landschaftlich schönste Strecke. Anforderungen für den ungeübten Wanderer. Kinderfreundlichkeit. Der Bernd tut so, als würde ihn das wirklich interessieren. Na ja, interessiert ihn schon irgendwie, seit er seine Projekte bei einem Verlag untergebracht hat. Zuerst Genussregion Oberfranken, dann Genussregion Oberpfalz, aktuell Genussregion Vogtland. Vor allem Genuss. Nicht nur im Biergarten. In der Wirtsstube. Der darf doch nicht ernsthaft glauben, dass ich das mit der Tussi nicht mitgekriegt hab. Natürlich weiß ich, dass mein Gatte nie allein unterwegs ist. Dass der immer die Schnallen dabei hat. Beim Wandern. Beim Sex im Freien. Beim dritten Bier. Beim Sex im Hotelbett. Beim Frühstück. Die größte Beleidigung ist nicht, dass er mit der unterwegs ist. Noch dazu mit so einer Hässlichen. Die größte Beleidigung ist, dass er mich für so blöd hält. So blöd wie ich nicht bin – und wie ich nicht ausschaue. Die andere ist dumm wie eine Kartoffel und so schaut sie auch aus. Nichts, womit man in Konkurrenz treten müsste, aber als Ehefrau hat man da wahrscheinlich eine Automatik-Funktion.
»Wann kommst du am Sonntag wieder?«
Bernd zuckt mit den Schultern. Wie ich das Schulterzucken hasse.
»Mal sehen. Vielleicht hänge ich noch ein Ausflugsziel auf dem Rückweg dran.«
Noch mehr Gipfel? Noch mehr Ruinen? Noch mehr Sex im Freien?
»Ich hab eine Überraschung für dich, wenn du am Sonntag wiederkommst.«
»Was denn?«
»Ich koche etwas, das du wirklich gern isst.«
»Ich habe eine ganze Reihe von Leibgerichten.«
»Aber das gibt es nur an besonderen Tagen.«
Er nimmt mich in den Arm und lächelt mich an. Ich glaube, er muss sich nicht mal verstellen. Essen und Sex. Männer sind so einfach gestrickt.
»Ach, komm schon: Verrat’s mir!«
Mit einem fetten Grinsen schüttle ich den Kopf.
»Lass dich überraschen.«
Es wird Schwaaß geben. Gebackenes Blut.
Typisch regionales Gericht.
Okay, viele meiner Freundinnen runzeln die Stirn, wenn sie von »Schwaaß« hören. Blut gehört für sie nicht in die Küche. Bei ihren Geburtstagsfeiern gibt es Spargelsalat mit Himbeeren. Kürbissuppe. Fleisch nur versteckt. Kalbfleisch in einer Kapern-Sardellen-Soße. Tatsächlich ist Schwaaß ein traditionelles Gericht aus der Zeit, als man zu Hause noch selber schlachtete. Man verwertete praktisch jedes Teil eines Schlachttiers. Auch das Blut wurde aufgefangen. Heute kann man an Schlachttagen das »Schwaaß« beim Metzger bestellen. Sehr schmackhaft, wenn man es mit gewürfeltem Speck, alten Brötchen und Zwiebeln zu einer Masse mischt, die man mit Majoran und Salz würzt – und 45 Minuten in einer Auflaufform bäckt, bis sich eine knusprige Kruste gebildet hat.
Manchmal kocht auch bei mir das Blut, aber ich lasse es mir nicht anmerken.
»Hast du auch genug warme Sachen?«
»Ja, klar.«
Bernd starrt in seinen Rucksack.
»Hast du an die Aktiv-Unterwäsche gedacht, die ich dir zu Weihnachten geschenkt habe?«
»Ja, Mama.«
So abschätzig muss er mich wirklich nicht behandeln. Soll mal sehen, wo er landet, wenn sich keiner mehr um ihn kümmert. Na gut: Dann würde die andere für ihn da sein. Wenn sie dazu in der Lage wäre. Wenn ich es zuließe.
Bernd verschnürt den Rucksack und trägt ihn zum Auto. Seinem Auto. Gut, dass ich ein eigenes Auto habe. Großer Kofferraum. Damit kann man viel transportieren. Ich hab versucht, mich hineinzulegen – kein Problem.
Er küsst mich zum Abschied. Herzlich. Ich bin mir nicht sicher, ob er es ernst meint. Nachdem er abgefahren ist, gehe ich zum Basilikum, das ich im Discounter gekauft habe und reiße ein Blatt nach dem andern ab. Er liebt mich. Er liebt mich nicht. Er liebt mich. Er liebt mich nicht. Er liebt mich. Er liebt mich nicht.
Als Kind konnte ich mir nicht erklären, woher das Wort »Schwaaß« stammt. Blut und Körperschweiß waren in meinem Dialekt Synonyme für »Schwaaß«. Vielleicht, weil der Körper beide Flüssigkeiten gelegentlich unkontrolliert ausscheidet. Man ekelt sich ein wenig davor. Im besten Fall ist es peinlich, im schlimmsten Fall ist es lebensgefährlich. Schwaaß. So klingt ein Wort aus einer Zeit, als die Zivilisation noch nicht erfunden war.
Einmal war meine Klassenkameradin Jutta mit dem Rad gestürzt. Beide Knie offen.
»Des schwaaßt wie Sau«, heulte sie, während sie auf die Verletzungen starrte. Bluttropfen und Tränen liefen nebeneinander an den Beinen nach unten. Vermischten sich. Damals sagte man schon »Blut«, wenn man flüssiges Gewebe ohne persönliche Beteiligung meinte, aber wenn es bei einem selber blutete, dann sagte man: »Es schwaaßt wie Sau.« Wahrscheinlich kommen in so einem Moment die Urinstinkte durch.
Wie bei der Jagd. Irgendwann klärte mich ein befreundeter Jäger auf, dass »Schweiß« die waidmännische Bezeichnung für das Blut des Wildes ist, sobald es aus dem Körper austritt.
Irgendwann beschloss ich auch, auf die Jagd zu gehen. Um das Wild zu finden, genügte es, Bernds Handy zu checken. Der ganze Speicher zugemüllt mit Liebesgesäusel. Dirty Talk. Geheimen Verabredungen. Als ich in den vergangenen Tagen vor dem Haus der kleinen Schlampe he-rumlungerte, fühlte ich mich beschissen. Das Denken wird kleinlicher, als es sein sollte. Darauf achten, ob das Licht aus und an geht. Beobachten, welche Artikel die Hure im Supermarkt einkauft – und welches Outfit sie dabei anhat. Man verliert ja irgendwann jede Scham, wenn man verletzt genug ist. Blond ist die Fotze auch noch. Sogar, wenn sie die Einkaufstüten aus dem Auto auslädt, kann ich mir vorstellen, wie sie in Strapsen ausschaut. In meinem Hirn läuft der Porno mit ihr und meinem Mann ab. Oral. Anal. Oben. Unten. Ich will kein Opfer sein, sondern Beute machen: Aufsuchen, Nachstellen, Fangen, Erlegen, Aneignen. So funktioniert Jagd. Genaugenommen ist es eher Wilderei als Jagd. Etwas Unerlaubtes. Aber so einfach, dass frau einfach nicht widerstehen kann. Als Krankenschwester habe ich gelernt, wie ich jemanden betäuben kann. Töten, wenn es sein muss. Durch die SMS, die Bernd mit dem Miststück ausgetauscht hat, weiß ich, dass sie erst später nachkommen wird. Vielleicht muss sie sich erst noch die Beine rasieren. Oder den Intimbereich. Natürlich wird mich die kleine Nutte sofort erkennen, wenn ich an der Wohnungstür stehe. Trotzdem wird sie mich in die Wohnung lassen. Ihr Fehler. Sie wird die Hoffnung haben, dass ich ein Gespräch unter Frauen suche. Ihr Bernd überlasse, wenn sie mir ihre Liebe gesteht. Vielleicht ist sie ernsthaft romantisch, aber natürlich werde ich ihr Bernd nie kampflos überlassen. Nach allem, was ich in das Arschloch schon investiert habe. Ich bin eher der Typ Amazone. Ich will nicht mit ihr reden. Vielleicht kämpft sie. Für ein Mädchen schlage ich verdammt fest zu. Wenn sie auf dem Boden liegt, packe ich sie an den Haaren und wische mit ihr das Parkett ihrer Wohnung auf. Danach werde ich sie betäuben. Als Krankenschwester setze ich jeden Tag Spritzen. Fixiere Patienten. Bewege Körper. In meinem Kofferraum ist genug Platz. Am liebsten würde ich das Drecksweib zerhacken, aber vielleicht sauge ich es auch nur aus wie ein Vampir. Bernd soll sie finden. Seine Geliebte. Das, was von ihr übrig ist. Blutleer. Die blassen Überbleibsel seiner Drecksfantasien. Ich möchte ihn verloren sehen. Allein. An einem Ort, an den er sich aus freien Stücken nicht hin traut. Vielleicht weint er, wenn er die Überreste seines Seitensprungs findet. Seiner Lügen. Seiner Midlife-Crises. Ich weiß nicht, ob ich mir das wünschen soll: Dass er heult. Ich würde ihm in die Fresse hauen, wenn er heult. Mit der Axt den Schädel spalten. Oder dem Spaten. Mit jedem verfügbaren Werkzeug. Damit er mit ihr zusammensein kann. Endgültig. Und dann beseitige ich die Spuren und ich ziehe in eine andere Stadt. In ein anderes Land. Man stellt es sich sonnig vor. Mit netteren Jahreszeiten. Und Meer. Während ich ans Meer denke, merke ich, wie wichtig mir künftig meine Freiheit sein wird. Nein, so dumm bin ich nicht. Ich werde schön brav bleiben. Nichts tun, was mir die Aussicht auf einen Lebensabend am Mittelmeer raubt – nur weil mein Mann ein Fremdgänger, Lügner und Betrüger ist. Wenn du einen Job hast, bei dem du jeden Tag mit dem Tod konfrontiert bist, lernst du deine Emotionen zu zügeln. Ich werde niemanden ermorden. Die Aufklärungsrate bei Mord ist verdammt hoch. Ich habe keinen Bock auf eine Gefängniszelle. Die beste Rache ist ein gutes Leben. Da draußen wird es ja wohl irgendwo einen Mann geben, der es gut mit mir meint. Ich werde schon einen finden. Für mein Alter schau ich noch fickbar aus. Ich beruhige mich. Jetzt. Durchatmen. Ich bin ganz beruhigt.
»Und warum kommst du einen Tag früher zurück?«
Bernd schaut lange in seinen Rucksack, als könne er die Antwort auf meine Frage darin ablesen.
»Das Wetter war nicht so besonders.«
Ich gebe mir Mühe, besonders skeptisch zu schauen.
»Das Wetter hat dir doch noch nie etwas ausgemacht.«
Bernd zuckt mit den Schultern .
»Kommt vielleicht auf die Landschaft an. Und das Geläuf.«
»Ich habe mir im Internet den Wetterbericht für die Region angesehen. Klang gar nicht so schlecht. Nicht besonders warm, bedeckt – aber kein Regen. Eigentlich optimales Wanderwetter.«
»Der Wald saugt sich ja voll und konserviert den Regen.«
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben. Mit diesem Gesichtsausdruck schaue ich ungeheuer streng aus. Tatsächlich wird Bernd sofort nervös. Er ist so ein Weichei. Oder harmoniebedürftig. Oder einfach ein schlechter Lügner.
»Außerdem hat sich die Bandscheibe wieder gemeldet.«
»Vorhin als du den Rucksack abgesetzt hast, sah es nicht so aus, als hättest du Schmerzen.«
»Es sind nicht direkt Schmerzen, aber wenn man damit Erfahrung hat, dann spürt man, wann es losgeht. Besser, man ist vorsichtig.«
»Ja. Besser, man ist vorsichtig.«
Ich lächle ihn an. Aus vollem Herzen.
Bernd kann damit nicht besonders viel anfangen. Das Lächeln verunsichert ihn. Vielleicht fragt er sich, ob ich was geblickt hab. Dahintergekommen bin. Hinter seinen Verrat. Hinter seine Lügen. Auch nicht entspannter, immer Angst haben zu müssen.
»Ich mach uns das Essen fertig. Du siehst aus, als ob du Hunger hättest.«
Stimmt zwar nicht (er ist verdammt blass), aber so eine Fehleinschätzung wird ihn erst mal beruhigen. Bernd geht ins Bad und ich an seinen Rucksack. Das Handy ist in einer Seitentasche. Die hilflosen SMS, weil sein Flittchen nicht aufgetaucht ist.
Was ist los? Wo bleibst du?
Wie er sich langsam vortastet. Verunsichert, wie eine betrogene Frau.
Ich mache mir langsam Sorgen.
Alle zwanzig Minuten eine SMS. Alle fünfzehn Minuten. Alle zehn. Nie eine Antwort.
Bitte antworte.
Und dann:
Ich komme jetzt bei dir vorbei.
Hat die Kröte nicht getroffen. Sonst wäre er jetzt nicht hier bei mir.
Bernd nimmt am Esszimmertisch Platz. Frisch gewaschen.
»Es gibt eines deiner Lieblingsgerichte. Eines, das sogar schon seinen Platz in deinem Reiseführer gefunden hat. Schwaaß.«
Ich stelle einen Teller mit Kartoffelstampf und Sauerkraut vor Bernd. Eine Hälfte des Tellers habe ich freigelassen. Dann hole ich die Auflaufform aus dem Backofen und und gebe mir Mühe, freundlich auszusehen, während ich die dunkle Masse auf dem Esszimmertisch direkt unter seiner Nase platziere.
»Bedien dich.«
Bernd greift kräftig zu. Das gebackene Blut dampft vor ihm auf dem Teller. Weil es noch zu heiß ist, nimmt er erst eine Gabel vom Kartoffelstampf, dann vom Sauerkraut.
Nachdem er den ersten Bissen Schwaaß hinuntergeschluckt hat, frage ich: »Und, schmeckt’s?«
»Super. Wie immer. Du bist ein großartige Köchin.«
Er schiebt sich noch eine große Gabel in den Mund. Kaut. Langt wieder zu. Er isst gierig.
»Du bist hoffentlich nicht nur mit mir zusammen, weil ich eine gute Köchin bin.«
Bernd schaut mich entgeistert an.
»Natürlich nicht. Du bist überhaupt großartig.«
Ich beobachte Bernd noch kurz, während er isst, dann sage ich:
»Weißt du, ich hatte in letzter Zeit Zweifel.«
»Was denn für Zweifel?«
»Ob du dieses Reiseführer-Projekt nicht nur als Vorwand nimmst, um eine andere Frau zu treffen.«
Bernd legt die Gabel zur Seite. Er versucht zu lächeln, damit ich nicht bemerke, dass er erschrocken ist, aber natürlich ist es schon zu spät.
»Wie kommst du denn auf so was?«
»Du hast dich so anders verhalten in letzter Zeit.«
»Überhaupt nicht.«
»Vorhin dachte ich mir: Der kommt nur früher nach Hause, weil sein Flittchen keine Zeit für ihn hat.«
»So ein Quatsch.«
Er versucht wieder dämlich zu lächeln und dabei zu essen, aber beides gleichzeitig will nicht gelingen.
»Natürlich machst du so was nicht. Ich würde der Tante den Kopf abhacken.«
Bernd starrt mich entgeistert an.
»Aber jetzt bin ich natürlich froh, dass du da bist.«
Er steht auf.
»Entschuldige mich einen Augenblick.«
»Wo willst du hin?«
»In den Keller.«
Bernd rennt die Treppe nach unten. Öffnet die Tür zum Heizungskeller, zum Vorratskeller, zum Gästezimmer. Er will sichergehen, dass seine Schlampe nicht unten im Keller liegt. Dass ich nicht das Blut bei ihr abgezapft habe.
Bernd kommt zurück. Setzt sich wieder.
»Was wolltest du denn im Keller?«
»Ich hab Geräusche gehört.«
»Hast du vermutet, da wäre jemand unten?«
»Nein, ich dachte, mit der Heizung wäre was nicht in Ordnung.«
»Und? Alles okay mit der Heizung?«
»Ja.«
Ich schaue ihm tief in die Augen. Er hält meinem Blick nicht stand. Stattdessen glotzt er in schnellem Wechsel auf seinen Teller und die braune Masse in der Auflaufform.
»Dein Essen wird kalt.«
»Ich bin satt.«
»Schmeckt es dir etwa nicht?«
»Es schmeckt ausgezeichnet.«
»Oder wirst du krank? Du schaust blass aus. Und du schwitzt. Nimm es mir nicht übel, aber du schwitzt wie ein Schwein.«
Ich lasse eine Pause so lange mitten im Raum stehen, bis auch Bernd bemerkt, dass sie da ist.
»Wie ein Schwein«, wiederhole ich noch einmal eindringlich.
Jetzt beginnt er auch noch zu zittern. Erst die Hände, dann der ganze Kerl.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sagt Bernd. Er schaut gar nicht mehr wie ein Ehemann aus. Nicht, wie man sich einen Ehemann vorstellt. Einen mit breiten Schultern, an die man den Kopf lehnen kann und so. Alles an ihm ist eingefallen.
»Aber ich denk doch gar nichts«, sage ich und nehme eine seiner verschwitzten, zittrigen Hände in meine.
»Mach dir keine Sorgen. Wir können die Essensreste morgen aufwärmen.«
Zutaten:
500 ml Blut (vom Schwein)
350 ml Milch
150 g durchwachsenen Speck
125 ml Fleischbrühe
2 altbackene Brötchen
2 große Zwiebeln
Salz, Pfeffer, Majoran
Zubereitung:
Speck würfeln und in einer Pfanne anbraten, dann die zerkleinerten Zwiebeln dazu geben. Die Brötchen ebenfalls in Würfel schneiden und im Bratfett goldbraun anrösten. Dann Blut und Milch dazu gießen. Schließlich kommen die Fleischbrühe und die Gewürze dazu. Alles noch einmal gut durchmischen. In eine Auflaufform geben und bei 180 Grad etwa 45 Minuten backen lassen. Die Masse geht auf wie ein Kuchen und soll eine Kruste haben.
Als Beilage werden Sauerkraut und Salzkartoffeln bzw. Karoffelstampf gereicht.
»Denk daran, die Fenster geschlossen zu halten und keinen Fremden ins Haus zu lassen!« Lara nickte automatisch. Das war jetzt schon das dritte Mal, dass ihr Mann sie darauf hinwies. Sie wagte nicht, sich vorzustellen, was sie täte, wenn er aus Sorge um ihre Sicherheit dem Nachtdienst fernbliebe. Das war zwar in den fünf Jahren ihrer Ehe noch nie vorgekommen. Aber einmal war immer das erste Mal. Schließlich lief nicht jeden Tag ein entflohener Frauenmörder durch die Stadt und machte die Gegend unsicher. Dabei gab es nun wirklich keinen Grund, sich Sorgen um ihre Sicherheit zu machen. Nur, dass ihr Mann das weder ahnen konnte noch durfte.
»Glaubst du, der kreuzt ausgerechnet dort auf, wo ein Polizist wohnt?«, versuchte sie ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen.
»Kannst du mir mal verraten, woher so einer das wissen soll?«, fragte er.
Statt etwas darauf zu erwidern drückte Lara ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und schob ihn zur Tür hinaus. »Ich pass schon auf mich auf«, versicherte sie ihrem Mann und dachte dabei an Pavel, der sich für zweiundzwanzig Uhr angesagt hatte.
Man könnte auch sagen, sie hatte ihn für diese Uhrzeit zu sich nach Hause bestellt. Ein Kärtchen mit ihrer Adresse, dem Datum und der Uhrzeit. Mehr war nicht nötig gewesen. Pavel hatte sofort verstanden. Auch wenn er kein Wort Deutsch konnte. Er kam aus Franzensbad. Sie hatten sich im »Aquaforum« kennengelernt. Lara hatte ihm nur einmal tief in die Augen schauen müssen, der Rest war ein Kinderspiel gewesen. Mit Ausnahme ihres eigenen gab es kaum einen Mann, der ihr nicht hinterherschaute. Ihr und ihrer kupferroten Haarmähne, die an in der Sonne glänzendes Herbstlaub erinnerte. Wen interessierte es, dass sie ein Vermögen beim Friseur ließ? Was zählte, war der Erfolg. Und der war ihr gewiss. Sie sah verstohlen auf ihre Armbanduhr. Noch zwei Stunden. Sie wäre ein Narr gewesen, die Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen. Ihr Liebesleben brauchte dringend frischen Wind. Nicht, dass ihr Mann sie nicht mehr lieben würde. Oh, nein. Aber er war nie da. War immerzu im Dienst für das Allgemeinwohl. Dabei hätte er sich besser um ihr Wohl sorgen sollen. Kein Wunder, dass seine ständige Abwesenheit sie in die Arme fremder Männer trieb. Lara seufzte. Hätte sie doch nur auf ihre Freundin gehört! Kripobeamte sind selten zu Hause, du wirst dich zu Tode langweilen, hatte sie orakelt, als Lara ihr von ihren Hochzeitsplänen berichtet hatte. Ihre Freundin sollte recht behalten.
»Sperr hinter mir ab«, riss sie die Stimme ihres Mannes aus ihren Überlegungen. »Und leg die Kette vor. Der Mann, von dem ich dir erzählt habe, hat eine Pistole.«
»Du wiederholst dich«, konnte Lara sich nicht verkneifen zu sagen. Statt etwas darauf zu erwidern, hatte er ihr einen durchdringenden Blick zugeworfen. Lara beschlich ein ungutes Gefühl. Hatte er etwa Lunte gerochen? Noch während sie darüber nachdachte, nahm ihr Mann seine Uniformjacke vom Haken und verließ die Wohnung. Endlich, dachte Lara und atmete befreit auf.
Inzwischen war es kurz nach acht. Lara hatte noch zwei Stunden Zeit, um sich und die Wohnung auf Vordermann zu bringen. Sie ging in die Küche und begann den Tisch abzuräumen, an dem sie und ihr Mann kurz zuvor noch zu Abend gegessen hatten. Es hatte Gulasch, Knödel und Sauerkraut gegeben. Letzteres nach einem Rezept ihrer Mutter. Von der hatte sie auch den Gärtopf geerbt, in dem das aus frischen Kohlköpfen hergestellte Kraut einlegt war. Das Fleisch hatte Lara beim Biobauern erstanden. Und sie hatte penibel darauf geachtet, dass es genauso gut schmeckte, wie das Gulasch, das sie ein paar Tage zuvor mit Pavel in Franzensbad gegessen hatte. Ihr Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an, als sie daran zurückdachte. Nachdem sie sich im Whirlpool des Bades dank Laras Verführungskünsten rasch näher gekommen waren, hatte Pavel sie zum Mittagessen eingeladen. Sie waren durch den Kurpark geschlendert, hatten dem Kurkonzert gelauscht, und sich dazu noch ofenwarme Oblaten schmecken lassen. Danach hatte er sie ins Goethe eingeladen, eines der vornehmsten Speisehäuser im Bäderdreieck. Das Gourmet-Restaurant befand sich im Franzensbader Casino und war im französischen Stil eingerichtet. Den Blickfang bildete das im Boden eingelassene Aquarium, in dem japanische Koi-Karpfen bei sanfter Klaviermusik ihre Bahnen zogen. Lara war begeistert. Nicht nur vom Ambiente, sondern auch von der Speisekarte. Obwohl Letztere mit auserlesenen Leckerbissen warb, hatte Lara sich für Pilsner Gulasch und böhmische Knödel entschieden. Ihr lief jetzt noch das Wasser im Mund zusammen, wenn sie daran zurückdachte. Lara musste neidlos zugeben, dass sich die Franzensbader Köche auf ihr Handwerk verstanden. Erst recht, wenn es sich dabei um eine böhmische Spezialität handelte. Als krönender Abschluss wurde Apfelstrudel mit Vanilleeis und Schlagsahne serviert. Lara hatte sowohl das Essen als auch Pavels Gegenwart in vollen Zügen genossen. Endlich einmal wieder ein Mann, der ihren Wert als Frau zu schätzen wusste. Wen störte es, dass er so gut wie kein Deutsch konnte. Für das, was sie beide verband, brauchte es keine großen Worte. Da reichte schon ein verliebter Blick, ein zarter Händedruck. Dabei war das erst das Vorspiel gewesen. Heute Abend würde sich zeigen, was Pavel tatsächlich als Liebhaber taugte.
Ein Blick auf die Uhr riss Lara aus ihrer Erinnerung und beschleunigte ihren Herzschlag. Schnell noch etwas Parfüm aufgelegt. Hoffentlich war Pavel pünktlich. Zufrieden musterte Lara ihr Spiegelbild. Sie trug nur ein hauchdünnes Negligé. Wozu sich mit langen Vorreden aufhalten. Das, was sie vorhatte, vertrug keine Worte, sondern verlangte nach Taten. Plötzlich musste sie an die Ermahnungen ihres Mannes denken. Daran, womit er ihr schon den ganzen Tag über in den Ohren gelegen hatte. Kein Wunder, dass sie kurz zögerte, als es an der Haustür klingelte. Aber dann siegte ihr Verlangen über ihre Angst.
Vor der Tür stand jedoch nicht Pavel, sondern ein ihr unbekannter Mann. Er hatte eine Pistole in der Hand, deren Lauf auf ihre Brust zielte. Eine Skimaske verdeckte den Großteil seines Gesichts. Ließ nur zwei schmale Streifen für Augen und Mund frei. Lara stieß einen spitzen Schrei aus.
»Halt’s Maul, wenn dir dein Leben lieb ist«, blaffte der Fremde sie an und versetzte ihr einen harten Stoß vor die Brust. Lara taumelte zurück, stieß mit dem Rücken gegen die angelehnte Küchentür. Der Fremde hinterher. Lara sah ihn mit der Mündung seiner Waffe auf einen der Küchenstühle deuten. »Hinsetzen!«
Sie tat wie ihr befohlen. Dabei fiel ihr Blick auf die Tätowierung auf seinem rechten Handrücken: eine sich um einen Dolch windende Schlange. Ihr Mann hatte sie auf dieses Detail hingewiesen. Plötzlich wusste Lara, mit wem sie es zu tun hatte. Und dieses Wissen steigerte ihr Grauen. Hätte sie doch nur auf ihren Mann gehört!
Ihre Gedanken überschlugen sich auf der Suche nach einem Ausweg. Wie konnte sie den Raum verlassen, in dem es schon bald zum Schlimmsten kommen konnte? Wenn das stimmte, was ihr Mann ihr über den Tätowierten erzählt hatte, war ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert.
Vor Schreck ganz starr beobachtete Lara, wie der Fremde Block und Stift aus seiner Jackentasche nahm und vor ihr ablegte. »Ich schätze, dir ist klar, was gleich mit dir passiert. Aber zuvor gebe ich dir die Möglichkeit deine Sünden zu beichten. Du musst zugeben, dass das eine großzügige Geste ist. Ich hoffe, du enttäuschst mich nicht!«
»Was soll ich denn beichten?«, würgte Lara schreckensbleich hervor.
»Zum Beispiel, wie oft und mit wem du deinen Mann im letzten Jahr betrogen hast.« Während er das sagte, nahmen seine Augen einen Ausdruck an, den sie nicht zu deuten wusste. »Ich gebe dir die einmalige Möglichkeit, dein Gewissen zu erleichtern. Du brauchst dir deine Verfehlungen nur von der Seele zu schreiben.« Er tippte auf den vor ihr liegenden Block. »Wenn du tust, was ich von dir verlange, dann ...«
»Dann?«, hakte Lara hoffnungsvoll nach.
Statt etwas zu erwidern, drückte er ihr den Stift in die Hand. »Das wirst du dann schon sehen.« Der Anblick der noch immer auf ihre Brust gerichteten Pistole ließ keinen klaren Gedanken zu. Lara begann zu schreiben.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie all ihre Sünden zu Papier gebracht hatte.
Der Tätowierte wartete geduldig. »Fertig?«
Lara nickte.
Daraufhin entriss er ihr den Block und begann zu lesen. Lara konnte sehen, wie seine Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten. Es brauchte nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was gleich mit ihr geschehen würde. Sie begann um Gnade zu winseln wie ein kleines Kind. Der Tätowierte schien ihre Angst zu genießen.
In dieser angespannten Situation drang ein nur allzu vertrautes Geräusch an Laras Ohr. Jemand war an der Wohnungstür. Ohne über die Konsequenzen ihres Tuns nachzudenken, stürmte sie aus dem Raum und lief dabei direkt in die Arme ihres Mannes.
»Bodo!«, stieß sie zwischen zwei Schluchzern hervor. »Gottseidank, dass du da bist! Du hast mir das Leben gerettet! Was würde ich nur ohne dich tun?«
Doch Laras grenzenlose Erleichterung sollte nur von kurzer Dauer sein.
»Na, was wohl?«
Ihr Mann warf ihr einen unergründlichen Blick zu, nahm ihren Arm und führte sie in die Küche.
»Das da«, er deutete auf den Tätowierten, »ist übrigens Pavel.«
Entsetzt sah Lara, wie er ihm zur Unterstützung seiner Worte die Hand auf die Schulter legte. »Ein Kollege aus Tschechien. Aber das weißt du ja bereits. Immerhin hast du ihn für heute Abend zu uns eingeladen. Was du nicht weißt, ist, dass ich ihn auf dich angesetzt habe. Er sollte dich beschatten.«
Noch während er das sagte, griff ihr Mann nach der Skimaske und zog sie ihm vom Kopf. Darunter kam ein ihr wohlbekanntes Gesicht zum Vorschein. »Was sagst du nun?«
Sie starrten einander an. In Laras Gesicht spiegelte sich blankes Entsetzen. Ihr Blick irrlichterte zwischen Pavels Augen und seinem Handgelenk. Verweilte auf der Tätowierung. Und dann begriff sie. Erkannte ihren Irrtum. Deshalb also hatte Bodo ihr davon erzählt! Das Tattoo, oder besser gesagt das, was sich da auf Pavels Handrücken befand, war Teil eines fiesen Plans. Und sie war darauf hereingefallen! Jetzt, da sie das Ganze durchschaut hatte, genügte ein Blick, um zu erfassen, dass es gar kein echtes Tattoo, sondern lediglich ein billiges Fake war. Man brauchte dazu nicht mehr als etwas schwarze Wasserfarbe. Wie erbärmlich! Als hätte Pavel ihre Gedanken erraten können, senkte er peinlich berührt den Kopf. Für Lara das endgültige Eingeständnis seiner Schuld. Das war zu viel!
Mit einem spitzen Aufschrei schlug sie die Hände vors Gesicht. Diese Schmach! Ohne Pavel, diesen elenden Verräter, eines weiteren Blickes zu würdigen, wandte Lara sich ihrem Mann zu. »Dann hast du diesen Frauenmörder mitsamt seinem Tattoo also nur erfunden, um mir einen Denkzettel zu verpassen?«
»Und um dich zu einem Geständnis zu veranlassen«, fügte Bodo ungerührt hinzu.
Das musste Lara erst einmal verkraften. »Wie hast du es herausgefunden?« Ihre Stimme glich nurmehr einem Hauch.
»Es hat eine Weile gedauert, bis ich dahintergekommen bin, was du in Franzensbad treibst. Von wegen Wellness«, setzte ihr Mann mit Blick auf die noch immer auf dem Küchentisch liegende Liste zu einer Erklärung an. Lara sah, wie sich seine Miene verfinsterte. Wie sie von Ungläubigkeit zur Wut wechselte, als er die Namen überflog.
»Ich hätte nie gedacht, dass du so schamlos sein könntest!« Lara erblasste. Das saß! »Wie lange wolltest du dieses Spiel eigentlich noch mit mir treiben? Etwa so lange, bis ich von selbst dahinterkomme?« Er ließ seine zur Faust geballte Hand auf den Küchentisch krachen.
»Oder hast du etwa geglaubt, es würde mir nicht auffallen, wenn du mich nur einmal im Monat mit deinen Kochkünsten beglückst? Hast wohl gedacht, damit dein schlechtes Gewissen besänftigen zu können, wie? Aber da irrst du dich. Nicht, dass ich das Essen nicht genossen hätte«, stellte er klar. »Wie auch, wenn es davor und danach über Wochen hinweg nur lieblos belegte Wurstbrote zum Abendessen gab.« Lara öffnete den Mund, um zu protestieren. Doch ihr Mann kam ihr zuvor. »Wage es ja nicht, mir zu widersprechen! Wenn ich lieblos sage, dann meine ich es auch so. Es war immer dasselbe triste Einerlei. Bis auf diese eine Ausnahme. Genau das hat mich am Ende stutzig gemacht. Ich begann mich über deine Kochkünste zu wundern. Erst recht, nachdem ich herausfand, dass sie immer mit einer meiner Nachtschichten zusammenfielen. Du bist schließlich nicht umsonst mit einem Kripobeamten verheiratet. Wobei sich das in Kürze ändern dürfte. Oder glaubst du wirklich, ich lasse mir von dir Hörner aufsetzen?« Er warf ihr einen provokanten Blick zu, der Lara verschämt zu Boden sehen ließ.
»Es tut mir leid«, begann sie reumütig. »Wirklich!«
»Deine Reue kannst du dir sparen!«
»Ich würde es trotzdem gerne wieder gutmachen«, fügte Lara hoffnungsvoll hinzu.
»Ich wüsste nicht wie.« Ihr Mann musterte sie nachdenklich. »Oder doch?« Er ließ sie einen Moment zappeln. »Vorausgesetzt, du meinst es ehrlich, könnte mich möglicherweise ein gutes Essen dazu bewegen, meine Scheidungspläne noch einmal zu überdenken. Liebe geht schließlich auch durch den Magen. Allerdings nicht nur zwölf Mal im Jahr. Wenn überhaupt, dann bestehe ich ab heute darauf, dass es jeden Tag ein Festmahl für mich gibt, wenn ich von der Arbeit komme. Das dürfte dich auf andere Gedanken bringen und dir deine Langeweile austreiben«, bemerkte er listig.
Man benötigt dafür einen 5 Liter fassenden Gärtopf.
Zutaten:
ca. 300 g Salz
ca. 300 g Senfkörner
3 mittelgroße Krautköpfe (ca. 4 kg)
3 bis 4 Zwiebeln
4 große Möhren
1 Stange Meerrettich
getrocknetes Dillkraut
Zubereitung:
Das Kraut mit dem Krauthobel zerkleinern, mit dem Salz, den Senfkörnern und den gleichfalls gehobelten Möhren und Zwiebeln vermengen. Danach den Grund des Gärtopfes mit getrocknetem Dillkraut (ca. zwei Hände voll) belegen. Anschließend drei Hände voll Kraut hinzugeben. Das Kraut so lange mit den Händen einstampfen, bis sich Saft bildet. Das Ganze so oft wiederholen, bis der Topf voll bzw. das Kraut aufgebraucht ist. Zum Abschluss eine Stange Meerrettich schälen, in dünne Scheiben hobeln und damit das Kraut vollständig bedecken. Nun den Gärtopf abdecken und die Rinne mit kaltem Wasser auffüllen. Den Topf ins Warme stellen, bis der Inhalt zu gären beginnt. Danach kann der Topf im Keller oder an einem anderen kühlen Ort gelagert werden. Sobald das Kraut ausgereift ist, kann es zu Sauerkraut weiterverarbeitet werden.