Träume, die auf
Reisen führen
Gedichte für Kinder
Mit Illustrationen von
Hildegard Müller
Herausgegeben von
Eva-Maria Prokop
Die Gedichte in diesem Buch sind in einer Zeit entstanden, in der die deutsche Rechtschreibung noch nicht reformiert war. Deshalb mussten wir uns fragen, soll man sie in die neue Rechtschreibung bringen oder so lassen, wie die Autorin sie verfasst hat. Lebt ein Dichter oder eine Dichterin noch, kann man fragen. Mascha Kaléko können wir nicht mehr fragen. Deshalb fanden wir es richtig, sie so zu schreiben, wie Mascha Kaléko sie verfasst hat.
Entnommen sind die Gedichte der Ausgabe »Sämtliche Werke und Briefe« in vier Bänden.
Tiere aus fernen Ländern
Es ist nicht nötig, daß du vor ihm bangst;
Denn sieh: sein Eisenkäfig ist vergittert.
– Ein Tiger hat vor Tigern keine Angst.
Doch scheint es möglich, daß vor dir er zittert.
Der Wüstenkönig wirkt zwar majestätisch,
– Doch sitz ich nicht gern neben ihm am Teetisch!
Reißt er das Maul nur auf, um schlicht zu gähnen,
Seh ich als »Sandwich« mich in seinen Zähnen!
… Zum Löwen fällt mir weiter nichts mehr ein,
Als, wenn er plötzlich näherkommt, zu schrein!
Es heult allnächtlich der Schakal
Von fern aus seinem Jammertal.
Aus tiefster Not hörst du es schrein:
»Bin-so-allein … Bin-so-allein …«
Und findet sich dann ’ne Schakalin,
Heult er mitsamt der Frau Gemahlin.
Und wie zuvor hört man es schrein:
»Bin-nun-zu-zweien-so-allein …«
Giraffen haben meistens sehr viel Hals,
Den sie in jede Himmelsrichtung lenken.
Das ist sehr praktisch. – Aber keinesfalls
Lohnt es sich, ihnen ein Kollier zu schenken.
Zunächst: Weil Schmuck die Tiere irri-tiert,
Und dann: Weil er sich im Terrain verliert …
Sein Taillenumfang ist bombastisch,
Geradezu elefantastisch!
Sein Habitat: zumeist Ostindien.
Doch auch im Zoo ist er zu find(i)en.
Von Temperament ein Pessimist,
Der Angetanes nie vergißt.
In alter Zeit die Fürsten sandten
Als Souvenir sich Elefanten.
Die großen Herrn im Fernen Osten
Von damals ließen sichs was kosten!
… Doch zogen sie sichs, nicht zu knapp,
Als »Wüste-Sonderspesen« ab.
Vielfältig sind der Liebe Sitten,
Auch, eh man zum Altar geschritten.
Lateiner küssen con amore,
Auf in den Kampf ziehn Toreadore.
Berliner vorher Kaffee trinken,
Seeleute nachher gerne winken …
Japaner Blumenverse schreiben,
Und Eskimos gern Nase reiben.
Ja, selbst die Liebste des Schimpansen
Krault ihm verzückt die Ponyfransen.
Und er? Was tut der Herr? Mir graust:
Es scheint, daß sie der Affe laust!
Bedenke: Selbst ein Stachelschwein
Hat seine Grundprinzipchen
Und ganz wie du ein Liebchen,
Das ihn mit Sticheleien rügt,
Weil er den Feind nicht schärfer piekt.
– Doch bleiben Stachelschweine
Trotzdem nicht gern alleine …
Das Zebra mag ein jeder leiden,
Zumal, da es die Streifen kleiden.
Ein Zebra, – selbst, wenn es intim –
Streift selten ab das Streifkostüm.
Und die Moral von der Geschicht?
Bedauernswert ist das Kamel!
– Das Tier muß es ertragen,
Daß seine Freunde, geht was fehl,
»Du Mensch!« verächtlich sagen.
Wird Känguruh Papa, so droht
Ihm selten nur die Wohnungsnot.
– Denn Känguruh-Mama hat immer
Ein eingebautes Kinderzimmer.
(mit Schlußgebet)
Der Eisbär, weil im Eis geboren,
Ist von Natur recht unverfroren.
Wird er von allen kaltgestellt,
Grinst er: »Mich kann die ganze Welt …«
Und legt sich auf die Bärenhaut.
– Ach wären wir doch so gebaut!
Statt nur neurotisch-schizoid.
… Herr: schüfst Du uns polaroid!
Ich traf einmal – in San Domingo
Am Meeresstrande ’nen Flamingo.
Gewiß, der Ort ist recht entlegen.
Doch war es dort! Des Reimes wegen.
Ein Pinguin aus besserm Haus
Spricht sich »Pän-guän« – französisch – aus.
Wie Paul Gauguin, der Maler weiland,
Haust er auf einem fernen Eiland.
– Ein eingeborner Parvenü,
Trägt er den Frack schon in der Früh!
Im Schaufenster das Krokodil
Hat Tränen viel verloren.
Umsonst: Es war am fernen Nil
Zur Brieftasche geboren.
Gott gab den Schild zum Schutz der armen Kröte,
Daß man sie nicht verwunde oder töte.
Genügsam und geduldig wie ein Lamm,
Freut sie sich ihres Lebens selbst im Schlamm.
… Ihr Dasein wäre recht beschaulich,
Wär sie nur nicht so leicht verdaulich!
Vor stummen Schlangen ist mir doppelt bange.
… Dann lieber schon ’ne Plapper-Klapperschlange.
Das aber denk ich mir zum Steinerweichen:
Als Schlange auch noch blind zu schleichen.
Den kühnentschlossnen Welterobra
Schreckt weder Natterngift noch Kobra.
Ertönt sein »Heil im Siegerkranz …«,
Folgt alles ihm im Schlangentanz.
Es gibt im Reiche der Chinesen
ein recht bewundernswertes Wesen:
– Ein Vogel, der sich im Geäst
still und bescheiden niederläßt
und, wenn ’nen zweiten er erblickt,
auf seinem Ast beiseiterückt.
Anmerkung:
Nein, ich erfand es nicht, dies Wesen!
Hab’s in nem alten Buch gelesen.
Es hat ein jeder Papagei
’ne angetraute Mamagei.
Doch geht er fremd, sagt sie: »Ich bitt dich!
… Und gar mit einem Wellensittich!«
Ein schwerverliebter Kakadu
Hat hier sein erstes Rendezvous
Mit einer grünen Kaka-Duse.
– Er nennt sie seine Pampel-Muse.
Sie ist nicht spröde, ihrerseits.
Man kakaduzt sich auch bereits.
Und übers Jahr wird ein Terzett
Aus diesem Kakadu-Duett.
Da! Sehnsemal: en Kranich!
– Sie, ärgernse den ja nich.
Heimische Tiere
Der Amsel (»… Drossel, Fink & Star«)
Wird manches angedichtet.
Vom treuen Schwalben-Ehepaar
Wird Gutes nur berichtet.
Die Lerche singt angeblich vom Scheiden
Und die Nachtigall
Mit lieblichem Schall
Vom Nachtigallenleiden.
Storch auf dem Dach bringt Glück ins Haus,
Und Möwen sehn wie Emma aus.
»Kiwitt, kiwitt« und »tirili …«
Heißt stets: »Madame, ich liebe Sie!«
– So spricht der Volksmund. Doch, ich glaube fast:
Die Vögel selber lachen sich ’nen Ast …
Ist so lebenstüchtig,