Jake Knapp mit John Zeratsky und Braden Kowitz
Sprint
Wie man in nur fünf Tagen neue Ideen testet
und Probleme löst
Übersetzung aus dem Englischen
von Almuth Braun
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
info@redline-verlag.de
5. Auflage 2021
© 2016 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
© der Originalausgabe 2016 by Jake Knapp, John Zeratsky und Braden Kowitz
Die englische Originalausgabe erschien 2016 bei Simon & Schuster unter dem Titel
Sprint: How to Solve Big Problems and Test New Ideas in Just Five Days.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Almuth Braun
Redaktion: Bärbel Knill, Landsberg am Lech
Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann, München, nach dem Original von Jessica Hische
Satz und E-Book: Helmut Schaffer, Hofheim a. Ts.
IISBN Print 978-3-86881-638-9
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-907-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-906-1
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter www.redline-verlag.de
Beachten Sie auch unsere weiteren Imprints unter www.m-vg.de
Jake:
Für meine Mutter, die mir dabei geholfen hat, Papierschlösser zu bauen,
und für Holly, die mich abholte, wenn ich den falschen Bus erwischt hatte.
John:
Für meinen Großvater Gib, der die ersten hundert Bücher gekauft hätte.
Braden:
Für meine Eltern, die mich angespornt haben, die Welt zu erkunden
und sie zu verbessern.
Meine Arbeitsweise funktionierte einfach nicht.
Im Jahr 2003 bekamen meine Frau und ich unser erstes Kind. Als ich anschließend in die Arbeit zurückkehrte, wollte ich, dass meine Arbeitszeit genauso sinnvoll wäre wie die Zeit, die ich mit meiner Familie verbrachte. Ich nahm meine Arbeitsgewohnheiten unter die Lupe und stellte fest, dass ich mich nicht auf die wichtigsten Aufgaben konzentrierte.
Also begann ich, meine Arbeitsweise zu optimieren. Ich las Bücher über Produktivitätssteigerung, erstellte Excel-Tabellen, um zu verfolgen, ob ich effizienter arbeitete, wenn ich morgens Sport trieb statt mittags, oder wenn ich Kaffee statt Tee trank. In einem Monat experimentierte ich mit fünf verschiedenen To-do-Listen. Ja, diese ganzen Analysen waren merkwürdig, aber ganz allmählich wurde ich fokussierter und organisierter.
Und dann, im Jahr 2007, fand ich einen Job bei Google, wo ich die perfekte Kultur für einen Prozessfreak wie mich vorfand. Google ermuntert seine Mitarbeiter zum Experimentieren, nicht nur im Zusammenhang mit Produkten, sondern auch im Hinblick auf die Methoden, die einzelne Mitarbeiter und Teams verwenden.
Teamprozesse zu optimieren, wurde für mich zur Besessenheit (ja, auch das ist merkwürdig). Meine ersten Versuche bestanden in Brainstorming-Workshops mit technischen Teams. Gruppen-Brainstormings, bei denen jeder seine Ideen einfach in die Runde ruft, machen großen Spaß. Nach einigen Stunden hatten wir einen Haufen Klebezettel und alle waren in Hochstimmung.
Doch eines Tages, inmitten eines Brainstormings, unterbrach ein Ingenieur den Prozess mit der Frage: »Woher wissen Sie eigentlich, dass Brainstorming funktioniert?« Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Die Wahrheit war ziemlich peinlich: Zwar hatte ich die Teilnehmer befragt, ob ihnen der Workshop gefiel, aber ich hatte versäumt, die Ergebnisse zu messen. Also prüfte ich die Ergebnisse meiner Workshops, und dabei fiel mir ein Problem auf. Die Ideen, die schließlich umgesetzt wurden und Erfolg hatten, kamen nicht von den Zwischenrufen beim Brainstorming. Die besten Ideen stammten aus einer anderen Quelle. Aber woher kamen sie?
Jeder Workshop-Teilnehmer kam auf seine Ideen genauso, wie er es immer getan hatte – während er oder sie am Schreibtisch saß, in einem Coffeeshop auf seine Bestellung wartete oder unter der Dusche stand. Diese von Einzelnen entwickelten Ideen waren den Gruppenideen fast immer überlegen. Nachdem sich die enthusiastische Stimmung der Workshops gelegt hatte, konnten die Brainstorming-Ideen nicht mit den individuell erarbeiteten Lösungsvorschlägen mithalten.
Vielleicht war in diesen Sitzungen nicht genug Zeit, um wirklich tief und umfassend über das Problem nachzudenken. Vielleicht lag es daran, dass die Brainstormings mit Lösungsansätzen endeten, die nichts weiter als Papierskizzen waren, anstatt mit irgendetwas Realistischem. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Schwächen fand ich in meinem Ansatz.
Ich verglich die Brainstorming-Sitzungen mit meiner eigenen täglichen Arbeit bei Google. Die besten Ergebnisse erzielte ich, wenn ich eine große Herausforderung bewältigen musste und unter Zeitdruck stand.
Eines dieser Projekte fand 2009 statt. Ein Gmail-Ingenieur namens Peter Balsiger hatte eine Idee, wie man E-Mails automatisch organisieren könnte. Ich war davon begeistert – die Methode ist heute unter der Bezeichnung „Priority Inbox“ bekannt – und holte uns eine weitere Ingenieurin, Annie Chen, zur Verstärkung ins Team. Annie war einverstanden, aber sie gab dem Projekt nur einen Monat. Wenn wir in dieser Zeit nicht beweisen konnten, dass die Idee machbar wäre, würde sie zu einem anderen Projekt wechseln. Ich war mir sicher, dass uns ein Monat nicht ausreichen würde, aber Annie ist eine herausragende Ingenieurin, also beschloss ich, mich ihrer Bedingung zu fügen.
Wir teilten den Monat in vier Wochenabschnitte auf. Jede Woche entwickelten wir eine neue Version. Annie und Peter erstellten einen Prototyp und am Ende der Woche testeten wir die Version an einigen hundert Nutzern. Am Ende des Monats hatten wir eine Lösung gefunden, die verständlich war und die die Nutzer sicher gerne anwenden würden. Annie blieb und leitete das Priority-Inbox-Team. Und irgendwie gelang es uns, die Entwicklung in einem Bruchteil der sonst üblichen Zeit zu erledigen.
Einige Monate später besuchte ich Serge Lachapelle und Mikael Drugge, zwei »Googler«, die in Stockholm arbeiteten. Wir drei wollten eine Idee für eine browserbasierte Videokonferenz-Software testen. Ich war nur für wenige Tage nach Stockholm gekommen, daher arbeiteten wir so schnell, wie wir konnten. Am Ende meiner Stippvisite hatten wir einen funktionierenden Prototyp. Wir mailten ihn unseren Kollegen und begannen, ihn für unsere Konferenzen zu benutzen. Nach wenigen Monaten wurde er im gesamten Unternehmen verwendet. (Später wurde eine verbesserte und feinjustierte Version dieser webbasierten App unter dem Namen »Google Hangouts« auf den Markt gebracht.)
In beiden Fällen wurde mir klar, dass ich im Rahmen dieser Projekte weitaus effektiver gearbeitet hatte als in meiner täglichen Arbeitsroutine oder irgendeinem Brainstorming-Workshop. Worin lag der Unterschied?
Erstens hatte man Zeit, Ideen frei zu entwickeln, anders als bei den Zwischenrufen im Gruppen-Brainstorming. Andererseits hatte man aber auch nicht zu viel Zeit. Näherrückende Deadlines zwangen mich dazu, mich zu fokussieren. Ich konnte es mir nicht leisten, mich mit Details aufzuhalten oder mich von weniger wichtigen Dingen ablenken zu lassen, wie oft in meinem Arbeitsalltag. Ein weiteres Schlüsselelement waren die Leute. Ingenieure, Produktmanager und Designer, alle arbeiteten im selben Raum. Jeder löste seinen oder ihren Teil des Problems, und jeder war stets bereit und in der Lage, die Fragen der anderen zu beantworten.
Das ließ mich erneut über die Team-Workshops nachdenken. Was wäre, wenn ich die Workshops um diese anderen magischen Elemente ergänzen würde, die Zeit zur individuellen Problemlösung, die Zeit zur Entwicklung eines Prototyps und eine unverrückbare Deadline? Ich beschloss, diesen Prozess als Entwicklungs-»Sprint« zu bezeichnen.
Wieder einmal nahmen die Google-Teams das Experiment bereitwillig an. Ich führte Sprints für Chrome, Google Search, Gmail und andere Projekte durch – und war begeistert. Die Sprints funktionierten. Ideen wurden getestet, umgesetzt, eingeführt, und das Beste von allem war, dass sie in der echten Welt oft Erfolg hatten. Der Sprint-Prozess breitete sich wie ein Lauffeuer von Team zu Team und von Büro zu Büro aus. Eine Designerin von Google X interessierte sich für die Methode und führte einen Sprint für ein Team in Google Ads durch. Die Googler vom Ads-Sprint erzählten ihren Kollegen davon, und so weiter. Bald erfuhr ich von Sprints von Leuten, mit denen ich noch nie gesprochen hatte.
Ich machte natürlich auch Fehler. An meinem ersten Sprint nahmen vierzig Leute teil – das waren natürlich viel zu viele Teilnehmer, und es hätte den Sprint beinahe gesprengt, noch bevor er überhaupt begonnen hatte. Ich passte die Zeit für die Entwicklung von Ideen und Prototypen an. Ich fand heraus, was zu schnell, was zu langsam und schließlich, was genau die richtige Zeit war.
Einige Jahre später traf ich mich mit Bill Maris, um mit ihm über Sprints zu sprechen. Bill ist CEO von Google Ventures (GV), einer Risikokapitalgesellschaft, die Google gegründet hat, um in vielversprechende Start-ups zu investieren. Bill ist einer der einflussreichsten Menschen im Silicon Valley. Von seinem äußeren Erscheinungsbild her würde man das nicht vermuten. An jenem Nachmittag trug er sein typisches Outfit: eine Baseballkappe und ein T-Shirt, auf dem irgendetwas über Vermont stand.
Bill interessierte sich für die Idee, Sprints in den Start-ups des GV-Portfolios durchzuführen. Start-ups bekommen normalerweise nur eine einzige Chance, ein erfolgreiches Produkt zu entwickeln, bevor ihnen der Geldhahn zugedreht wird. Sprints boten diesen Unternehmen eine Methode, mit der sie in kurzer Zeit herausfanden, ob sie sich auf dem richtigen Weg befanden, bevor sie das Risiko eingingen, ihre Produktideen umzusetzen und zu vermarkten. Mit der Durchführung von Sprints ließ sich viel Geld sparen und gleichzeitig viel Geld verdienen.
Zu diesem Zweck musste ich den Sprint-Prozess jedoch überarbeiten. Ich hatte mich jahrelang auf individuelle und Teamproduktivität konzentriert, wusste aber so gut wie nichts über Start-ups und ihre spezifischen Geschäftsprobleme. Dennoch überzeugte mich Bills Enthusiasmus davon, dass Google Ventures der richtige Ort für Sprints war – und der richtige Ort für mich. »Unsere Mission lautet, die besten Unternehmer auf dem Planeten zu finden und ihnen dabei zu helfen, die Welt zu verbessern«, sagte er. Der Faszination dieser Botschaft konnte ich mich nicht entziehen.
Bei Google Ventures schloss ich mich mit drei weiteren Entwicklungspartnern zusammen: Braden Kowitz, John Zeratsky und Michael Margolis. Gemeinsam begannen wir, mit den Start-ups Sprints durchzuführen, mit dem Prozess zu experimentieren und die Ergebnisse zu untersuchen, um den Prozess zu optimieren.
Die Ideen in diesem Buch stammen vom gesamten Team. Braden Kowitz ergänzte den Sprint-Prozess um Story-Centered Design, einen unkonventionellen Ansatz, der sich auf die gesamte Kundenerfahrung bezieht anstatt auf einzelne Komponenten oder Technologien. John Zeratsky half uns dabei, vom Ende her anzufangen – das heißt, dem langfristigen Ziel –, sodass jeder Sprint die Antworten auf die die wichtigsten Geschäftsfragen liefern würde. Braden und John hatten die Start-up- und Geschäftserfahrung, die mir fehlte, und sie gestalteten den Prozess um, um mit jedem Sprint besser zu fokussieren und zu entscheiden.
Michael Margolis brachte uns darauf, jeden Sprint mit Tests an echten Kunden abzuschließen. Er beschäftigt sich mit der Kundenforschung, deren Planung und Durchführung manchmal Wochen dauern kann, und er fand eine Methode, mit der wir an einem einzigen Tag klare Ergebnisse erhielten. Das war eine Offenbarung. Wir mussten uns nicht auf Spekulationen verlassen, ob unsere Lösungen gut waren oder nicht. Am Ende eines jeden Sprints hatten wir klare Antworten.
Und dann ist da noch Daniel Burka, ein Unternehmer, der selber zwei Start-ups gegründet hat, bevor er einen an Google verkaufte und zu Google Ventures wechselte. Als ich ihm den Sprint-Prozess zum ersten Mal erklärte, war er skeptisch. Wie er mir später verriet, »klang das nach einer Menge Management-Kauderwelsch«. Aber er war bereit, es auszuprobieren. »In diesem ersten Sprint konnten wir den ganzen Quatsch abkürzen und erreichten ein wirklich ehrgeiziges Ziel in nur einer Woche. Von da an war ich überzeugt.« Nachdem wir Daniel gewonnen hatten, half uns seine praktische Erfahrung als Unternehmensgründer und seine Null-Toleranz für Nonsens, den Prozess zu perfektionieren.
Seit dem ersten Sprint für Google Venture haben wir den Prozess weiter angepasst und mit ihm experimentiert. Zunächst dachten wir, Rapid Prototyping und Kundenforschung würde nur bei Produkten für den Massenmarkt funktionieren. Würden wir genauso schnell vorwärtskommen, wenn unsere Kunden Fachleute im Bereich Medizin oder Finanzen wären?
Zu unserer Überraschung bewährte sich der Fünf-Tage-Prozess bei den unterschiedlichsten Kunden, von Investoren bis zu Landwirten, von Onkologen bis zu Kleinunternehmern. Er bewährte sich für Websites, iPhone-Apps, medizinische Berichte und Hightech-Geräte. Und er bewährte sich nicht nur in der Produktentwicklung. Wir haben Sprints für Priorisierung, Marketingstrategien und sogar zur Namensfindung für Unternehmen verwendet. Jedes Mal bringt der Prozess kompetente Teams zusammen und haucht ihren Ideen Leben ein.
In den letzten Jahren hatte unser Team fantastische Chancen und Möglichkeiten, zu experimentieren und unsere Ideen über Arbeitsprozesse zu validieren. Wir haben mit den Start-ups in Google Ventures Portfolio mehr als hundert Sprints durchgeführt. Wir haben mit brillanten Unternehmern zusammengearbeitet und von ihnen gelernt, darunter Anne Wojcicki (Gründerin von 23andMe), Evan Williams (Gründer von Twitter, Blogger und Medium) sowie Chad Hurley und Steve Chen (Gründer von YouTube).
Zuerst wollte ich einfach nur meine Arbeitstage effizient und sinnvoll gestalten. Ich wollte mich auf die wirklich wichtigen Dinge fokussieren und dafür sorgen, dass meine Zeit sinnvoll eingesetzt wäre – für mich, für mein Team und für unsere Kunden. Nun, mehr als ein Jahrzehnt später, hat der Sprint-Prozess mir beständig dabei geholfen, dieses Ziel zu erreichen. Und ich bin begeistert, dass ich ihn mithilfe dieses Buches mit Ihnen teilen kann.
Vielleicht gehören Sie zu den Glücklichen, die ihren Beruf gewählt haben, weil sie eine kühne Vision haben. Sie wollen der Welt diese Vision übermitteln, ob es eine Botschaft, eine Dienstleistung oder eine Erfahrung, eine Software, Hardware oder – wie im Falle dieses Buches – eine Geschichte oder eine Idee ist. Eine Vision umzusetzen ist jedoch sehr schwierig. Allzu leicht gerät man bei der Umsetzung in Turbulenzen: eine endlose Flut von E-Mails, verpasste Fristen, Meetings, die sich als Zeitfresser entpuppen und langfristige Projekte, die auf fragwürdigen Annahmen basieren.
Das muss nicht sein. Sprints bieten einen Weg, mit dem sich große Probleme lösen und neue Ideen testen lassen, mit dem sich generell mehr erledigen lässt, und das auch noch in wesentlich kürzerer Zeit als zuvor. Außerdem können Sie dabei auch noch Spaß haben. Mit anderen Worten: Sie müssen es selber ausprobieren. Machen wir uns an die Arbeit.
Jake Knapp
San Francisco, Februar 2019
Hinweis
Die Beispielabbildungen aus den Sprints und Storyboards wurden im Original belassen und nicht übersetzt.
An einem wolkenverhangenen Morgen im Mai 2014 betrat John Zeratsky ein beigefarbenes Gebäude in Sunnyvale, Kalifornien. John wollte mit jemandem bei Savioke Labs sprechen, einer der neuesten Investitionen von Google Venture. Er bahnte sich den Weg durch ein Labyrinth an Korridoren, gelangte über eine kurze Treppe zu einer einfachen Holztür, auf der »2B« stand, und trat ein.
Hightech-Unternehmen wirken auf diejenigen, die rotgeränderte Computeraugen, Star-Trek-ähnliche Holodecks oder Top-Secret-Entwürfe erwarten, ein wenig enttäuschend. Der größte Teil des Silicon Valley besteht im Wesentlichen aus einem Haufen Schreibtischen, Computern und Kaffeebechern. Doch hinter der Tür 2B türmten sich Leiterplatten, Sperrholzausschnitte und Plastikarmaturen, die frisch aus einem 3D-Drucker kamen, sowie Lötkolben, Bohrer und Entwürfe. Ja, tatsächlich streng geheime Entwürfe. »Dieser Ort sieht aus, wie ein Start-up aussehen sollte«, dachte John.
Und dann entdeckte er die Maschine. Es war ein gut einen Meter hoher Zylinder etwa von der Größe und Form eines Küchenabfalleimers. Sein glänzend weißer Körper hatte eine elegant taillierte, geschwungene Form, die sich nach oben und unten verbreiterte. Am oberen Ende war ein kleiner Computerbildschirm angebracht, der fast wie ein Gesicht wirkte. Und die Maschine konnte sich bewegen: Sie glitt aus eigener Kraft über den Boden.
»Das ist der Relay-Roboter«, erklärte Steve Cousins, Saviokes Gründer und CEO. Steve trug Jeans und ein dunkles T-Shirt und war begeistert wie ein Physiklehrer an einer Mittelschule. Stolz blickte er auf seine kleine Maschine. »Er wurde hier gebaut, und zwar aus Fertigteilen.«
Der Relay-Roboter, erklärte Steve, war für den Gästeservice von Hotels entwickelt worden. Er konnte automatisch navigieren, allein mit dem Aufzug fahren und Hotelgästen Dinge wie Zahnbürsten, Handtücher und Snacks bringen. Steve und John sahen zu, wie der kleine Roboter vorsichtig um einen Schreibtischstuhl fuhr und in der Nähe einer Steckdose anhielt.
Savioke (»Savvy Oak« ausgesprochen) verfügte über ein Team aus Weltklasse-Ingenieuren und Designern, von denen die meisten ehemalige Mitarbeiter von Willow Garage waren, einem renommierten privaten Robotik-Forschungslabor in Silicon Valley. Sie alle hatten eines gemeinsam: die Vision, den Alltag der Menschen mithilfe von Robotern als fleißigen Helfern zu erleichtern – in Restaurants, Krankenhäusern, Altersheimen und so weiter.
Steve hatte beschlossen, bei den Hotels zu beginnen, weil sie eine relativ einfache und gleichbleibende Umgebung mit einem konstanten Problem boten: Arbeitsspitzen am Morgen und am Abend, wenn die Rezeption durch Check-in, Check-out und Zimmerservice-Aufträge überlastet war. Das war der perfekte Einsatzort für einen Roboter. Im folgenden Monat ging der erste voll betriebsbereite Relay-Roboter in einem nahegelegenen Hotel in Betrieb, wo er bei echten Gästen echten Zimmerservice leistete. Hatte ein Gast seine Zahnbürste oder seinen Rasierapparat vergessen, kam der Roboter angesaust.
Aber es gab ein Problem. Steve und sein Team befürchteten, dass die Gäste den dienstbaren Roboter vielleicht nicht mögen würden. Womöglich fänden sie ihn lästig oder sie hätten sogar Angst vor ihm. Der Roboter war ein Wunderwerk der Technik, aber bei Savioke war man sich nicht sicher, wie sich die Maschine gegenüber Menschen verhalten sollte.
Das Risiko, dass es zu unpersönlich wirkte, Handtücher von einer Maschine bringen zu lassen, war zu groß, erklärte Steve. Saviokes Chefdesigner, Adrian Canoso, machte eine Menge Vorschläge, wie man das Äußere des Roboters freundlich gestalten könnte, aber das Team musste noch zahlreiche Entscheidungen treffen, bevor der Roboter wirklich publikumstauglich war. Wie sollte er mit den Gästen kommunizieren? Wie viel Persönlichkeit war zu viel des Guten? »Und dann war da noch der Aufzug«, sagte Steve.
John nickte. »Ich persönlich fühle mich schon unwohl, wenn ich nur mit anderen Menschen in einem Aufzug fahren muss.« »Genau«, bestätigte Steve und gab dem Relay einen Klaps. »Und was passiert erst, wenn dann noch ein Roboter dazukommt?«
Savioke war erst wenige Monate im Geschäft. Das Unternehmen hatte sich auf Entwicklung und Technik konzentriert. Sie hatten mit Starwood, einer Hotelkette mit mehreren hundert Häusern, ein Pilotprojekt ausgehandelt. Aber es standen noch wichtige Fragen im Raum – erfolgsentscheidende Fragen, und es blieben nur wenige Wochen bis zum Beginn des Pilotprojekts. Das war der perfekte Zeitpunkt für einen Sprint.
Sprint ist Google Ventures einzigartiger Fünf-Tage-Prozess, mit dem sich erfolgsentscheidende Fragen durch die Erstellung von Prototypen und ihren anschließenden Test an echten Kunden beantworten lassen. Sprint ist eine Art Sammelwerk der »Greatest Hits« aus Geschäftsstrategie, Innovation, Verhaltenswissenschaften, Design und mehr – verpackt in einen Schritt-für-Schritt-Prozess, den jedes Team anwenden kann.
Das Team von Savioke erwog Dutzende von Ideen für seinen Roboter und wählte anschließend mithilfe eines strukturierten Entscheidungsprozesses die überzeugendsten Lösungen aus, und zwar ohne Gruppendenkprozesse. Innerhalb eines einzigen Tages entstand ein realistischer Prototyp, und zum Abschluss gewann das Team Zielkunden und richtete ein provisorisches Forschungslabor in einem nahegelegenen Hotel ein.
Wir würden Ihnen gerne erzählen, dass wir, die Autoren, die genialen Helden dieser Geschichte waren. Es wäre wunderbar, wenn wir in jedes mögliche Unternehmen hereinschneien und unsere brillanten Ideen ausbreiten können, die ihm zu einem durchschlagenden Erfolg verhelfen. Leider sind wir keine Genies. Der Sprint bei Savioke funktionierte, weil man dort mit echten Experten arbeitete: Die Beteiligten gehörten bereits zum Team. Wir haben ihnen nur den richtigen Prozess für ihre Arbeit geliefert.
Und hier der Ablauf des Savioke-Sprints. In Ihrem Unternehmen werden gar keine Roboter gebaut? Macht nichts. Wir verwenden exakt dieselbe Sprint-Struktur für Software, Dienstleistungen, Marketing und viele andere Bereiche.
Zunächst schaufelte sich das Team eine komplette Woche frei. Von Montag bis Freitag sagten sie alle Meetings ab, aktivierten die »Out of Office«-Antwortfunktion ihrer E-Mail-Konten und konzentrierten sich ausschließlich auf eine Frage: Wie sollte sich der Roboter in Gegenwart von Menschen verhalten?
Als Nächstes legten sie eine Frist fest. Savioke einigte sich mit dem Hotel, am Freitag der Sprint-Woche einen Live-Test durchzuführen. Nun lief der Countdown, und der Druck erhöhte sich deutlich. Es blieben lediglich vier Tage, um eine funktionierende Lösung zu entwerfen und einen Prototyp zu erstellen.
Am Montag analysierte und prüfte das Savioke-Team alles, was es über das Problem wusste. Steve betonte, wie wichtig die Zufriedenheit der Gäste sei, die in Hotels peinlich genau gemessen und verfolgt wird. Wenn der Relay-Roboter während des Pilotprogramms die Zufriedenheitswerte steigerte, würde das Hotel weitere Roboter bestellen. Würde der Wert stagnieren oder sinken und keine Bestellung erfolgen, würde das junge Start-up-Unternehmen in eine heikle Lage geraten.
Gemeinsam erstellten wir eine Art Übersichtsplan, ähnlich einer Landkarte, um die größten Risiken zu identifizieren. Stellen Sie sich diesen Plan wie ein Storyboard beim Film vor: Gast trifft Roboter, Roboter überreicht Gast die Zahnbürste, Gast ist vom Roboter begeistert. Auf diesem Storyboard gab es kritische Momente, in denen der Roboter und der Gast zum ersten Mal aufeinandertreffen: in der Lobby, im Aufzug, auf dem Hotelflur und so weiter. Auf welchen Punkt sollten wir uns konzentrieren? Wenn man nur fünf Tage für den Sprint hat, muss man sich auf genau definierte Ziele konzentrieren. Steve entschied sich für den Moment der Serviceerfüllung. Wenn das klappt, ist der Gast entzückt. Läuft es schief, muss das Rezeptionspersonal möglicherweise den ganzen Tag Fragen von verwirrten Gästen beantworten.
Eine große Sorge tauchte immer wieder auf: Das Team fürchtete, der Roboter könnte äußerlich zu intelligent wirken. »Wir sind alle von C-3PO und WALL-E verwöhnt«, erklärte Steve. »Wir erwarten, dass Roboter Gefühle und Pläne, Hoffnungen und Träume haben. Unsere Roboter sind aber nicht so raffiniert. Wenn ein Gast mit ihm spricht, wird er nicht antworten. Und wenn wir die Gäste enttäuschen, haben wir versagt.«
Am Dienstag wechselte das Team von der Problemstellung zu möglichen Lösungen. Anstatt eines polternden Brainstormings arbeitete jeder Teilnehmer seine eigene Lösung aus. Und zwar nicht nur die Designer. Tessa Lau, Technikvorstand und Chefingenieurin in Robotik, arbeitete daran, Izumi Yaskawa, verantwortlich für die Geschäftsentwicklung, und Steve, der CEO des Start-ups, grübelten ebenfalls über mögliche Lösungen.
Am Mittwochmorgen waren alle Wände des Konferenzraums mit Skizzen und Notizen vollgepflastert. Einige Ideen waren neu, andere dagegen waren alte Ideen, die verworfen oder nie zu Ende gedacht worden waren. Alles in allem hatten wir 23 konkurrierende Lösungsvorschläge.
Wie konnten wir sie auf einige wenige kondensieren? In den meisten Organisationen würde die Entscheidung wochenlange Meetings und endlosen E-Mail-Verkehr erfordern. Wir hatten aber nur einen einzigen Tag zur Verfügung. Der Freitagstest schwebte wie ein Damoklesschwert über unseren Häuptern, und alle spürten den Druck. Mittels Abstimmungsverfahren und einer strukturierten Diskussion gelangten wir zu einer ruhigen, schnellen Entscheidung ohne Streit und Auseinandersetzungen.
Der Test würde eine Reihe der gewagtesten Ideen des Savioke-Designers Adrian Canoso enthalten: ein Gesicht für den Roboter und einen Soundtrack aus Piep- und Klingeltönen. Außerdem entschied sich das Team für eine der faszinierenden, aber umstrittenen Ideen der Lösungsskizzen: Wenn der Roboter zufrieden war, würde er einen kleinen Freudentanz aufführen. »Ich befürchte immer noch, dass wir ihm zu viel Persönlichkeit geben«, sagte Steve. »Aber das Risiko müssen wir eingehen.«
»Sollte er explodieren, können wir ihn immer noch zurückfahren«, sagte Tessa. Als sie den Ausdruck auf unseren Gesichtern sah, beschwichtigte sie: »War doch nur Spaß. Keine Angst, der Roboter kann gar nicht explodieren.«
Als der Donnerstag anbrach, blieben uns gerade einmal acht Stunden, um den Prototyp für den Live-Test am Freitag zu erstellen. Das war eigentlich zu knapp. Mit zwei Tricks gelang es uns, unseren Prototyp rechtzeitig fertigzustellen:
1. Ein Großteil der harten Arbeit war bereits erledigt. Am Mittwoch hatten wir uns auf die Ideen geeinigt, die wir testen wollten, und jede potenzielle Lösung im Detail dokumentiert. Es blieb nur die Ausführung.
2. Der Roboter musste nicht autonom funktionieren, wie er es am Ende im Hotel tun würde. Er musste lediglich eine einzige Aufgabe erledigen: einem Gast eine Zahnbürste aufs Zimmer bringen.
Tessa und ihre Ingenieurskollegin Allison Tse programmierten und justierten die Bewegungen des Roboters mithilfe eines alten Laptops und eines PlayStation-Controllers. Adrian setzte sich einen großen gepolsterten Kopfhörer auf und orchestrierte die Soundeffekte. Das »Gesicht« wurde auf einem iPad entworfen und auf den Roboter montiert. Um fünf Uhr nachmittags war er fertig.
Für den Test am Freitag hatte Savioke Interviews mit Gästen im Starwood-Hotel vor Ort in Cupertino, Kalifornien arrangiert. Um sieben Uhr morgens richteten wir in einem der Hotelzimmer ein provisorisches Forschungslabor ein, indem wir mit Isolierband Webcams an der Wand anbrachten. Und um 9.14 Uhr begann der erste weibliche Gast sein Interview.
Die junge Frau studierte die Dekoration des Hotelzimmers: helles Holz, neutrale Farbtöne, ein Fernseher der jüngsten Generation. Modern und angenehm, aber nicht ungewöhnlich. Was sollte das Interview also? Neben ihr stand Michael Margolis, Forschungspartner von Google Ventures. Einstweilen wollte Michael den Grund des Tests als Überraschung geheim halten. Er hatte das gesamte Interview vorausgeplant, um Antworten auf bestimmte Fragen des Savioke-Teams zu bekommen. Im Moment versuchte er, die Reisegewohnheiten seiner Interviewpartnerin in Erfahrung zu bringen und sie zu ermutigen, bei Erscheinen des Roboters ganz ehrlich zu reagieren.
Michael rückte seine Brille zurecht und stellte eine Reihe Fragen zu ihren Hotelgewohnheiten. Wo stellte sie ihren Koffer ab? Wann öffnete sie ihn? Und was würde sie tun, wenn sie ihre Zahnbürste vergessen hätte?
»Ich weiß nicht, vermutlich würde ich die Rezeption anrufen.«
Michael kritzelte Notizen auf ein Clipboard. »Okay.« Er deutete auf das Telefon auf dem Schreibtisch. »Bitte rufen Sie die Rezeption an.« Gesagt, getan. »Kein Problem«, antwortete die Rezeptionistin. »Ich lasse Ihnen sofort eine bringen.« Als die junge Frau den Hörer auflegte, setzte Michael seine Fragen fort. Reiste sie immer mit demselben Koffer? Wann hatte sie zum letzten Mal etwas zu Hause vergessen?
Drrrring. Das Telefon unterbrach sie. Sie nahm den Hörer ab und erhielt eine automatisierte Nachricht: »Ihre Zahnbürste ist da.« Ohne weiter nachzudenken, ging die Frau auf die Tür zu und öffnete sie. In der Unternehmenszentrale von Savioke hatten sich die Mitglieder des Sprint-Teams aufgeregt um die Videobildschirme versammelt und beobachteten angespannt ihre Reaktion.
»Oh, mein Gott«, sagte sie. »Das ist ja ein Roboter!«
Langsam öffnete sich seine glänzende Außenschale und im Inneren kam eine Zahnbürste zum Vorschein. Der Roboter gab ein paar Klingel- und Pieptöne von sich, als die junge Frau die Erfüllung des Zimmerservices auf dem Touchscreen bestätigte. Als sie dieses Erlebnis mit fünf Sternen bewertete, führte die kleine Maschine einen kurzen Freudentanz auf, indem sie vor- und zurückschwang.
»Das ist wirklich cool«, sagte die Frau. »Wenn das Hotel diesen Roboter einsetzt, dann komme ich immer hierher.« Was wirklich zählte, waren aber nicht ihre Worte; es war das begeisterte Lächeln, das wir per Videostream sehen konnten. Und es lag in dem, was sie nicht tat – keine verlegenen Pausen und keinerlei Frustration, während sie mit dem Roboter umging.
Als wir das erste Interview im Live-Video verfolgten, waren wir sehr nervös. Beim zweiten und dritten Interview lachten wir und jubelten sogar. Alle Gäste reagierten gleich. Sie waren begeistert, als sie den Roboter sahen, und niemand hatte Probleme, seine Zahnbürste in Empfang zu nehmen, den Erhalt auf dem Bildschirm zu bestätigen und den Roboter wieder auf den Weg zu schicken. Mehrere Gäste wollten sich eine zweite Zahnbürste bringen lassen, nur um ihn noch einmal in Aktion zu erleben. Sie machten sogar Selfies mit ihm. Aber niemand versuchte, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Am Ende des Tages war unser Whiteboard mit grünen Haken übersät. Die riskante Roboterpersönlichkeit – die blinkenden Augen, die Soundeffekte und, ja, sogar der »Happy Dance« – waren ein totaler Erfolg. Vor dem Sprint war Savioke besorgt, sie könnten zu viel versprechen, was die Fähigkeiten des Roboters betraf. Nun erkannten sie, dass die Ausstattung der kleinen Maschine mit begrenzten »menschlichen« Zügen möglicherweise das Geheimnis zur Steigerung der Kundenzufriedenheit war.
Natürlich waren nicht alle Details perfekt. Der Bildschirm reagierte langsam. Das Timing einiger Soundeffekte stimmte noch nicht, und eine Idee, nämlich Computerspiele in den Touchscreen zu integrieren, kam bei den Gästen überhaupt nicht an.
Saviokes Relay Roboter
Diese Mängel bedeuteten, dass wir einen Teil der technischen Arbeit neu priorisieren mussten, aber es war noch genug Zeit.
Drei Wochen später nahm der Roboter seinen Vollzeitjob im Hotel auf. Der Relay entpuppte sich als echter Hit. Geschichten über den charmanten Roboter erschienen in der New York Times und der Washington Post. Allein im ersten Monat erzielte Savioke mehr als eine Milliarde Presseerwähnungen. Am wichtigsten war jedoch, dass der Roboter bei den Gästen ankam. Am Ende des Sommers waren so viele Bestellungen bei Savioke eingegangen, dass das Unternehmen kaum mit der Produktion hinterherkam.
Bei Savioke war man ein Risiko eingegangen, indem man dem Roboter eine eigene Persönlichkeit verlieh. Aber das Team war zuversichtlich, weil es durch den Sprint die Möglichkeit hatte, die riskante Idee schnell zu testen.
Gute Ideen sind selten. Und selbst wenn eine Idee noch so gut ist, ist das noch keine Garantie dafür, dass sie sich in der echten Welt auch behaupten kann. Das gilt für jeden, ob er nun ein Start-up führt, in der Schule unterrichtet oder in einem großen Unternehmen arbeitet.
Die Umsetzung von Ideen ist bisweilen eine schwierige Sache. Was ist der wichtigste Punkt, auf den Sie Ihre gesamte Energie konzentrieren müssen? Und wie packen Sie das Ganze an? Wie wird Ihre Idee in der realen Umsetzung aussehen? Ist es besser, einen besonders cleveren Menschen daranzusetzen, all das auszutüfteln, oder sollten Sie lieber ein Team-Brainstorming durchführen? Und woher wissen Sie, dass Sie die richtige Lösung gefunden haben? Wie viele Meetings und Diskussionen sind nötig, um sich sicher zu sein? Und wenn das einmal erledigt ist, interessiert sich dann auch irgendjemand für Ihre Idee?
Als Partner von GV lautet unsere Mission, unseren Start-ups dabei zu helfen, diese erfolgsentscheidenden Fragen zu beantworten. Wir sind keine Berater, die nach Stundenaufwand bezahlt werden. Wir sind Investoren, die dann Erfolg haben, wenn die von uns betreuten Unternehmen erfolgreich sind. Um ihnen dabei zu helfen, eine schnelle Lösung für ihre Probleme zu finden und schnell auf eigenen Füßen zu stehen, haben wir unseren Sprint-Prozess so optimiert, dass er die besten Ergebnisse in der kürzestmöglichen Zeit hervorbringt. Das Beste von allem ist jedoch, dass der Prozess auf Menschen, Wissen und Instrumente zurückgreift, über die jedes Team bereits verfügt.
Durch die Sprint-Arbeit mit unseren Start-ups kürzen wir endlose Debatten ab und komprimieren Monate zu einer einzigen Woche. Anstatt erst einmal ein minimales Produkt auf den Markt zu bringen, um zu verstehen, ob eine Idee wirklich taugt, erhalten unsere Unternehmen vorab klare Daten aus einem realistischen Prototyp.
Der Sprint stattet unsere Start-ups mit einer Art Superkraft aus: Sie können in die Zukunft »vorspulen« und vorwegnehmen, wie Kunden auf ihr fertiges Produkt reagieren werden, bevor sie teure Investitionen tätigen. Wenn sich eine riskante Idee in einem Sprint bewährt, ist das Ergebnis überwältigend. Die größte Investitionsrendite bieten jedoch die Misserfolge, auch wenn sie schmerzhaft sind. Nach nur fünf Tagen Arbeit erfolgsentscheidende Mängel zu identifizieren, ist das Maximum an Effizienz. Das ist zwar ein harter Lernprozess, aber er verhindert frühzeitig das teure Scheitern am Markt.
Bei GV haben wir Sprints mit Unternehmen wie Foundation Medicine (Entwickler von hochspeziellen Methoden zur Krebsdiagnostik), Nest (Hersteller intelligenter Haushalts-Elektrogeräte) und Blue Bottle Coffee (wie der Name schon sagt, Kaffeeproduzenten). Wir haben Sprints verwendet, um die Profitabilität neuer Geschäftszweige zu testen, um die erste Version neuer Apps zu erstellen, Massenprodukte zu verbessern, Marketingstrategien zu definieren und Berichte für medizinische Tests zu erstellen. Investmentbanker haben mithilfe von Sprints ihre nächste Strategie bestimmt; das Google-Team hat mithilfe von Sprints das selbstfahrende Auto gebaut und Highschool-Studenten haben mit diesem Prozess eine anspruchsvolle mathematische Aufgabe bewältigt.
Dieses Buch ist ein Do-it-yourself-Leitfaden, mit dem Sie Ihren eigenen Sprint durchführen und Ihre dringendsten Fragen für Ihr Unternehmen beantworten können. Am Montag analysieren Sie das Problem und bestimmen den wichtigsten Punkt, auf den Sie sich konzentrieren werden. Am Dienstag skizzieren Sie mögliche Lösungen auf Papier. Am Mittwoch treffen Sie schwierige Entscheidungen und verwandeln Ihre Ideen in eine testbare Hypothese. Am Donnerstag erstellen Sie einen realistischen Prototyp und am Freitag testen Sie ihn an echten Menschen.
Wir geben keine Ratschläge von oben herab, wir befassen uns mit konkreten Details. Wir helfen Ihnen dabei, das perfekte Sprint-Team aus Leuten zusammenzustellen, mit denen Sie jetzt schon zusammenarbeiten. Sie lernen hoch anspruchsvolle Dinge (zum Beispiel, wie Sie das meiste aus den unterschiedlichen Meinungen Ihrer Teammitglieder und der Vision einer Führungskraft herausholen), mittelschwere Dinge (zum Beispiel, warum Ihr Team drei Tage lang Telefone und Computer ausschalten sollte) und ganz simple Dinge (warum Sie um ein Uhr zu Mittag essen sollten). Am Ende haben Sie kein vollständiges, detailliertes, auslieferungsbereites Produkt, aber Sie werden schnell vorankommen, und Sie werden genau wissen, ob die Richtung stimmt, in die Sie gehen.
Sie werden einige Methoden entdecken, die Ihnen bereits bekannt sind, und andere, die für Sie neu sind. Wenn Sie mit Lean Development oder Design Thinking vertraut sind, werden Sie feststellen, dass der Sprint eine praktische Methode zur Anwendung dieser Richtlinien ist. Wenn Ihr Team sogenannte agile Prozesse verwendet, werden Sie feststellen, dass unsere Definition von »Sprint« anders, aber komplementär ist. Und wenn Sie noch nie von diesen Methoden gehört haben – keine Angst, Sie werden keine Probleme haben. Dieses Buch ist für Experten und Anfänger gleichermaßen geeignet; es ist für alle gemacht, die vor einer großen Chance oder Idee oder einem großen Problem stehen und irgendwie den Anfang finden müssen. Jeder Schritt wurde im Verlauf unserer mehr als hundert Sprints ausgetestet, modifiziert, erneut getestet und bewertet und auf Basis der Rückmeldungen, die wir aus unserer wachsenden Sprint-Gemeinde erhalten haben, feinjustiert. Sollte der Sprint nicht funktionieren, liegt es nicht an diesem Buch.
Am Ende finden Sie eine Reihe von Checklisten, einschließlich einer Einkaufsliste für notwendige Materialien, und eine Kurzübersicht über den jeweiligen Tagesablauf der Sprint-Woche. Sie müssen sich nicht alles auf einmal merken – die Checklisten warten auf Sie, sobald Sie bereit sind, Ihren eigenen Sprint durchzuführen. Bevor Sie jedoch damit beginnen, müssen Sie den Prozess sorgfältig planen, damit er ein voller Erfolg wird. In den folgenden Kapiteln zeigen wir Ihnen, was Sie dazu tun müssen.