Bei Dao
Gezeiten
Ein Roman über Chinas verlorene Generation
Aus dem Chinesischen von Irmgard E. A. Wiesel
FISCHER Digital
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Helmut Martin
Bei Dao, 1949 im Gründungsjahr der Volksrepublik China als Sohn eines Versicherungsangestellten und einer Ärztin in Peking geboren, heißt mit bürgerlichem Namen Zhao Zhenkai. Unter seinem Pseudonym Bei Dao (»Insel im Norden«) ist er vor allem als Lyriker bekannt geworden.
Bei Dao war nach der Schule von 1969 bis 1980 Bauarbeiter. 1978–1980 Mitherausgeber der nichtoffiziellen Literaturzeitschrift Jintian (›Heute‹). 1980–1985 Redakteur u.a. von Chinas Esperanto-Zeitung. Seit 1985 freier Schriftsteller. 1987/88 visiting fellow an der University of Durham, England.
Während des Pekinger Frühlings 1978 bis 1980 gehörte Bei Dao zu den wichtigsten Vertretern der demokratischen Erneuerungsbewegung.
›Gezeiten‹, der erste Roman von Bei Dao, einem der meistbeachteten Autoren Chinas, spiegelt die verzweifelte Situation junger Intellektueller in der verworrenen End- und Auflösungsphase der Kulturrevolution.
Die schwierige Liebesgeschichte zwischen einer jungen Frau und einem aus Peking in ein ödes Provinznest strafversetzten Studenten zeigt den Verlust an Hoffnung und Vertrauen, den eine ganze Generation erlitten hat.
Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
Erschienen bei FISCHER Digital
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: buxdesign, München
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
Impressum der Reprint Vorlage
ISBN dieser E-Book-Ausgabe: 978-3-10-561285-9
Roman von Feng Deying aus dem Jahre 1958 (Anm. d. H.).
Zitiert nach Federico García Lorca, Zigeuner-Romanzen, in der Übersetzung von Enrique Beck.
Zit. nach Charles Baudelaire, ›Reise nach Cythera‹, in der Übersetzung von Wilhelm Hausenstein.
Jargon der Opiumhändler (Anm.d.Hg.).
Jargon der Opiumhändler (Anm.d.Hg.).
Jargon der Opiumhändler (Anm.d.Hg.).
Zu wichtigen Autoren der Gegenwartsliteratur vgl. z.B. die Sondernummer Akzente, 2, 1985 (hg. v.H. Martin u. K.-H.Pohl) u.Kölner Workshop 1984, Chinesische Gegenwartsliteratur, Köln 1986.
Vgl. Yo Luojin, Ein Wintermärchen, Roman, übers. M. Nerlich, Bonn 1985; ausführlich auch zu Yo Luoke Yo Luojin, Ai di huhuan, Taipei 1987.
I.Wiesels Übersetzung ist auch von W. Kubin durchgesehen worden; bei Wiesels Übersetzung haben mit Rat zur Seite gestanden Li Ding I, R. Krieg, A. Gerstlacher und M. Miosga.
Personen
aus deren Perspektive die Handlung des Romans sich entfaltet
Ort
Eine Provinzstadt, wahrscheinlich in Shanxi
*Xiao Ling (Lingling), 23
Hilfsarbeiterin mit belastender Rotgardistenvergangenheit, stammt aus einer Intellektuellenfamilie; beide Eltern wurden während der Kulturrevolution in den Tod getrieben
Xie Liming
Rotgardist, der Xiao Ling vor Jahren verlassen hat
*Yang Xun, etwa 25
ehemaliger Rotgardist, war als ›Politischer‹ im Gefängnis, wohl unehelicher Sohn von Lin Dongping
*Lin Dongping
Kader im Stadtparteikomitee, ehemaliger Propagandachef der Provinz, Vater von Yuanyuan
Tante Chen
führt den Haushalt von Direktor Lin
Ruohong
ehemalige Geliebte von Lin, Mutter von Yang Xun, jetzt in hoher Position in Peking
Xiao Zhang und Su Yumei
Mitarbeiterinnen von Direktor Lin
Dicker Wu
Chauffeur von Direktor Lin
*Lin Yuanyuan, 18
Tochter von Lin Dongping, damit jüngere Halbschwester von Yang Xun; ihre Mutter, ebenfalls Führungskader, ist in der Kulturrevolution umgekommen
Fafa
ihre Freundin, Tochter des Sicherheitschefs Liu, ein oberflächliches Kader-Töchterchen
Affen-Xu, das Mädchen Dickerchen Wang und andere ›Kaderkinder‹
Li Tiejun
verrohter Rotgardist
Wang Defa
Linker Aufsteiger aus der Armee, mit starkem Shandong-Akzent, Kollege von Lin
Wu Jiezhong
Zweiter Provinzsekretär
›Doppelkracher‹
Vorarbeiter von Xiao Ling
*Beschützer Bai Hua, etwa 25–30
auch ›die Ratte‹ und ›Großvater‹ genannt, Anführer einer Bande krimineller Jugendlicher
Xiao Si, die Wildkatze ›Kleine Nummer Vier‹
Freundin von Bai Hua
Manzi
Kumpan von Bai Hua
Lanzi
minderjährige Prostituierte, und Freundinnen
* Hauptfiguren, aus deren Perspektive der Leser Handlung und Gedanken wahrnimmt
Die im Chinesischen üblichen vertraulichen Namensvorsätze ›Xiao‹ und ›Lao‹ (›Kleine(r)‹ und ›Alte(r)‹) sind im Roman nicht ins Deutsche übertragen, sondern werden in dieser Form belassen.
Wir fuhren im Bahnhof ein; die Bremsen quietschten. Straßenlaternen, die Schatten von Bäumen und eine Reihe pulsierender Gitterstäbe blitzten vorbei. Der Schaffner öffnete die Türen, klappte die Trittbretter herunter und rief irgendwas. Ein Strom frischer Luft schlug mir entgegen, ich nahm einen tiefen Atemzug und stieg aus.
Der Bahnsteig lag verlassen da. Weit vorne stieß die Lokomotive Dampf aus, im aufsteigenden Nebel flimmerte das blasse Licht eines Scheinwerfers. Aus dem langgezogenen Zugschatten ertönte ein schwaches, gleichmäßiges Hämmern.
Eine sanfte Brise vertrieb die Nacht.
Der alte Fahrkartenkontrolleur döste an das Gittertor gelehnt vor sich hin. Ein halbabgerissener Knopf baumelte an seiner Jacke. Müde streckte er seinen Rücken und tastete nach seiner Taschenuhr. »Schon wieder Verspätung, faule Säcke.« Er nahm meine Karte, wendete sie hin und her und gab sie mir schließlich zurück. »Ich war auch mal in Peking, da am Tianqiao, Dazhalan, Huashi und … ach was soll’s.«
Ich bot ihm eine Zigarette an. »Wann waren Sie dort?«
»1934.« Er riß ein Streichholz an und schützte es mit einer Hand vor dem Wind. Die zwischen seinen Fingern aufblitzende Flamme huschte über seine Stirn. Gierig sog er an der Zigarette. »Damals hatte ich gerade meine Frau kennengelernt, wir haben buntbedruckten Stoff und alle möglichen anderen Sachen eingekauft.«
Ein süßlich-ranziger Geruch nach Vermodertem hing über dem kleinen Bahnhofsplatz. Unter der Laterne vor dem Eingang zum Wartesaal stand ein Fuhrwerk. Von Zeit zu Zeit schnaubte das Pferd an der Deichsel und schnupperte am Boden. Der Fuhrmann hatte sich bequem auf dem Wagen zurückgelehnt und ließ ein Bein hinunterbaumeln. Ich stellte meinen Koffer ab, zündete mir eine Zigarette an und warf das Streichholz in eine schwarze Pfütze.
Es gab weder Straßenlicht, noch schien der Mond in die Straße, nur die Halme vereinzelter Grasbüschel am Rand reflektierten ein wenig Licht. Auf einmal tauchte hinter raschelnden Sonnenblumen ein in einen Gemüsegarten geducktes, erleuchtetes Lehmhaus auf. Vor der Tür hing ein Bündel roter Paprika, das im Lichtschein besonders auffiel.
Ich wechselte meinen Koffer in die andere Hand und ging darauf zu.
»He, Landsmann«, ich klopfte an die Tür, »hast du einen Schluck Wasser für mich?«
Nichts regte sich.
Ich klopfte stärker. »He, Landsmann – – –«
Ein scharrendes Geräusch. Ich merkte, daß jemand mit angehaltenem Atem hinter der Tür stand. Schließlich öffnete sich die Tür. Im Lichtschein tauchten die Konturen eines jungen Frauengesichts auf, um das die Haare wie ein schimmernder Strahlenkranz standen … ich traute meinen Augen nicht!
»Entschuldige, ich bin gerade mit dem Zug angekommen, und bis zur Fabrik ist es noch ein ganzes Stück. Ich komme fast um vor Durst …«, erklärte ich umständlich. Allmählich lichtete sich das Dunkel, und ich sah ein Paar großer, wachsamer Augen. Sie gab mir ein Zeichen. »Tritt ein.«
Das Haus war sehr einfach eingerichtet, an einigen Stellen hatte sich die Tapete von der Wand gelöst. Auf dem Tisch stand das eingerahmte Foto eines kleinen Mädchens, ein Federhalter und ein Notizbuch mit blauem Einband lagen daneben.
»Setz dich«, sie zeigte auf einen Stuhl neben der Tür, trat – eine Hand auf dem Rücken – ein paar Schritte zurück und ließ sich auf dem Bett gegenüber nieder. Als das Licht auf ihr Gesicht fiel, war ich verblüfft, wie schön sie war.
»Bedien dich, Thermoskanne und Becher stehen neben dir auf der Truhe.« Sie schlug das blaue Notizbuch auf, wobei sie noch immer die eine Hand auf dem Rücken hielt.
Das Wasser war kochendheiß. Ich pustete in den dampfenden Becher und fragte: »Lebst du allein hier?«
Sie sah auf und starrte mich an. Erst nach einer ganzen Weile nickte sie zerstreut.
»Bist du gerade erst von der Landverschickung zurückgekommen?«
»Was?«
Ich wiederholte meine Frage.
»Vor einem Jahr hat man mich zurückversetzt.«
»In was für einer Produktionsgruppe warst du?«
Sie hob erstaunt die Augenbrauen. »Willst du sonst noch was wissen?«
Einen Moment lang war ich verdutzt, dann lächelte ich. »Ja, zum Beispiel, was du da in der Hand hast?«
»Du bist wohl mit dem Buch ›Zehntausend Fragen‹ aufgewachsen.« Sie zog einen blitzenden Dolch hinter ihrem Rücken hervor und legte ihn auf den Tisch.
»Ganz im Gegenteil, als Kind war ich überhaupt nicht wißbegierig.«
Sie lächelte spöttisch: »Deshalb willst du jetzt wohl um so mehr wissen.«
»Genau.«
»Mach schon, trink dein Wasser aus.« Sie sah mich mißmutig an und winkte ungeduldig mit dem Dolch, der glänzende Kurven in die Luft schnitt.
Schweigen.
Leise klopfte sie mit dem Griff einen abwechselnd schnellen und langsamen Rhythmus auf dem Tisch. Dabei lauschte sie mit zur Seite geneigtem Kopf, als ob dieser Klang eine besondere Bedeutung für sie hätte. Offenbar hing sie einem vertrauten Gedanken nach … Plötzlich knallte sie den Dolch auf den Tisch, trat ans Fenster und öffnete es. Eine kleine Pappel streckte ein Bündel dreieckiger, funkelnder Blätter herein, die freudig um ihre Schultern tanzten, als wollten sie ihre langerwartete Herrin begrüßen.
Während ich ihren Rücken betrachtete, zitterte der Becher in meiner Hand. Uns trennten Geschlecht, unterschiedliche Erfahrungen und die Dunkelheit. Vielleicht hätte ich etwas sagen sollen, um das alles zu überwinden und die peinliche Stille zu unterbrechen. Uns konnte eine schicksalhafte Beziehung bevorstehen, aber wie empfindlich sind solche Beziehungen und wie leicht zu verfehlen.
Das kleine Mädchen auf dem Tisch lachte mich keck an und hielt stumme Zwiesprache mit mir.
»Ist das ein Kinderbild von dir?« konnte ich mich nicht enthalten zu fragen.
Sie schien nicht gehört zu haben. Wie zuvor stand sie mit verschränkten Armen am Fenster und blickte in die Ferne. Was konnte sie sehen, die Nacht, Felder, Bäume … oder war das nur Dunkelheit, endlose Dunkelheit? Ich fragte noch einmal, doch wurde mir in diesem Moment klar, wie unpassend meine Fragen waren.
Ihre mageren Schultern hoben und senkten sich leicht. Plötzlich drehte sie sich um und starrte mich kalt, sogar ein wenig feindselig an. »Wie kannst du nur so taktlos sein … Kannst du andere Leute nicht zufriedenlassen? Trink bitte aus und geh, ich möchte meine Ruhe haben.«
Ich stand auf. »Es tut mir leid, daß ich dich gestört habe. Danke für das Wasser.«
Sie nickte kurz, und in diesem Moment sah ich das Schimmern von Tränen.
Mama spielt die ›Mondscheinsonate‹.
Die Lampen im Zimmer sind aus. Wie eine kleine Katze sitze ich still neben dem Klavier mit meinen locker geflochtenen Zöpfen und verströme den Duft von Seife.
Das Mondlicht fällt auf den Boden und beginnt zur Musik zu tanzen wie ein Mädchen in einem weißen Seidengewand, und alles um es herum stimmt sacht mit ein.
»Mama, o Mama –«, weine ich plötzlich, ohne es zu wollen. Das Mondlicht erstarrt.
»Was ist los, Lingling?« Mama legt mir eine Hand auf die Stirn, »fühlst du dich nicht wohl?«
»Mama, ich habe Angst.«
»Wovor hast du Angst?«
»Ich weiß nicht.«
Ich weiß es wirklich nicht, ist es die Dunkelheit, das Mondlicht oder sind es diese geheimnisvollen Klänge.
Ich lege den Stift hin. Hat die Vergangenheit hier ihren Ausgang genommen? Manchmal ist die Erinnerung recht merkwürdig; was wir behalten, sind oft unwichtige Kleinigkeiten. Doch vielleicht sind es gerade diese kleinen Dinge, die insgeheim die Zeichen eines unabänderlichen Schicksals in sich tragen. Ich habe so lange nicht mehr geschrieben, daß es mir beinahe seltsam vorkommt, jetzt wieder damit anzufangen. Und außerdem: Was will ich eigentlich schreiben? Eine Autobiographie? Eine Skizze für eine Erzählung? Nein, keins von beiden, ich halte nur die Erinnerung an die Vergangenheit fest.
In der Ferne pfeift schrill eine Lokomotive. Manchmal bin ich wie ein erschöpfter, unterwegs an einer kleinen Station zurückgelassener Reisender, der weder an seinen Ausgangspunkt noch an seinen Bestimmungsort denkt, sondern nur an Frieden und die Aussicht dauernder Ruhe.
»Phantasie ist nur eine unerträglich dumme Idee. Sie verblendet die Menschen und bringt sie durcheinander, so daß sie Dinge versuchen, von denen sie nichts verstehen.« Der Physiklehrer geht in seiner zerknitterten Uniform auf dem Podium auf und ab und streicht mit der Hand über sein schlecht rasiertes Kinn. »Was ist Wissenschaft? Wissenschaft ist Vernunft, wie alles andere auch …«
Ich melde mich.
»Ja, bitte?«
»Und was ist Poesie, Herr Lehrer?«
»Hm, setz dich. Was ich gesagt habe, gilt für alle Gebiete. Natürlich mag auch ich Gedichte sehr gern. Ich greife sogar selbst hin und wieder zur Feder. Ein paar Gedichte habe ich auch an Zeitschriften geschickt, und die Genossen Redakteure haben immer die Schärfe meiner Logik besonders hervorgehoben.
Dieser Vierzeiler zum Beispiel:
Die Erde hat die Schwerkraft,
wir Menschen haben Muskelsaft,
so können wir mutig voranschauen,
ohne Angst, am Dach den Kopf zu hauen.«
Alles brüllt vor Lachen.
»Na, das war doch nicht schlecht, oder?« Bescheiden zupft der Lehrer seine Jacke zurecht. »Sonst noch Fragen?«
»He, du kletterst aber schnell.«
Ich drehe mich um. Ein Junge aus einer anderen Klasse kommt, auf einen Stock gestützt, hochgestiegen. Er gleicht mit seinen entblößten Armen und den um die Hüfte gebundenen Ärmeln einem Tibeter. Jetzt fällt es mir wieder ein, in den letzten Sommerferien habe ich ihm Nachhilfestunden gegeben.
»Ich fürchte, das ist ein großer Umweg«, sage ich.
»Nein, das ist sogar eine Abkürzung. Komm, ich gehe voraus.« Er hastet voran, mit seinem Stock die Brombeerbüsche zur Seite schlagend. »Schneller, bis zum Gipfel ist es nicht mehr weit.«
Dunkle Wolken türmen sich auf und rücken näher, der Wind verfängt sich in meinem Rock. Plötzlich gibt es einen Donnerschlag, der direkt neben meinem Ohr zu explodieren scheint. Der Rock wickelt sich um meine Beine, so daß ich kaum noch vorwärtskomme.
»Was ist los?« ruft der Junge und dreht sich um.
»Geh nur weiter.«
Behende wie eine Bergziege springt er zu mir und reicht mir seinen Stock. »Hier nimm, damit geht es leichter, du brauchst keine Angst zu haben. Guck mal, ein richtiger Sturm. Als ich klein war, bin ich hier oft ganz allein hochgeklettert, um wilde Jujuben zu pflücken. Und bei Regen, da wurde es erst richtig aufregend. Dann zog ich mir die Kleider aus«, er streicht sich über die Brust, »genau wie jetzt, ich stand auf dem Gipfel, unter mir die Wolken, die wallten und sich übereinanderschoben, dazu das Rollen des Donners, und ich schrie, so laut ich konnte, bis meine Stimme überall zu hören war. Rate mal, was ich gerufen habe?«
»Was denn?«
Er klettert auf einen steilen Felsvorsprung und schreit laut über das Tal: »Heejaa – – – hee – – jaa …«
Das Echo hallt im Tal und klingt noch lange nach.
Und dann kam dieser ungebetene Gast, der Erschöpfung, Kälte und einen ungewohnten Geruch mitbrachte.
Was ist los mit mir? Mein ganzer Körper fühlt sich unwohl, ich bin durcheinander, und alles nur wegen dieses verdammten Kerls. Was hat er überhaupt mit dir zu tun? Er ist doch nur wegen Wasser und weil er Licht gesehen hat hergekommen. Und dann? Geh deiner Wege, wie weit und wie lang sie auch sind …
Die schwarze Nacht und ich sehen uns an.
Leere, Undurchdringlichkeit, Ziellosigkeit, sind dies Gefühle, die ich der Nacht zuschreibe oder die die Nacht in mir weckt? Es ist schwer zu unterscheiden, was Nacht ist und was ich bin, wir scheinen eins zu werden. Es war schon immer so, daß es Harmonie und Ruhe nur dann geben kann, wenn Leben und Tod ineinander übergehen; dann erst gibt es keinen Streit und keine Wünsche mehr.
Kleine Pappel, was redest du da vor dich hin?
»Was siehst du, Lingling, guckst du den Möwen zu?«
»Ich schaue mir die Sonne an, Mama.«
»Mach keinen Unfug, du wirst dir die Augen verderben.«
»Das macht nichts.«
»Tu, was ich dir sage, Lingling.« Die Wassertropfen heben sich wie Diamanten auf Mamas sonnengebräunter Haut ab. »Willst du nicht schwimmen gehen?«
»Geh du zuerst, Mama, ich sonne mich noch ein wenig.«
Ich liege auf dem heißen Sand und starre ohne zu blinzeln in die Sonne. Das Dröhnen der Sonne ist ohrenbetäubend, es übertönt noch das Donnern der Wellen und den Lärm der Menschen. Ich schließe die Augen und öffne sie wieder, vor mir tanzen bunte Kreise.
Der Himmel wird so dunkel und schmal, wie ein schmutziger Stoffetzen, den eine Möwe hoch oben im Schnabel trägt. Die Sonne ist doch reich.
Die Flut kommt …