The Storm 3
Zähme den Sturm
The Storm 3
Samantha Towle
© 2017 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt
Originalausgabe © 2014 Samantha Towle
© Übersetzung: Martina Campbell
© Umschlaggestaltung: Andrea Gunschera
ISBN Taschenbuch: 9783864436772
ISBN eBook-mobi: 9783864436789
ISBN eBook-epub: 9783864436796
www.sieben-verlag.de
Für Mally Towle
Der Himmel hat einen Plan für uns.
Für immer in unseren Herzen.
Prolog: Lyla
Tom
1 Lyla
2 Lyla
3 Lyla
4 Lyla
5 Lyla
6 Lyla
7 Lyla
8 Lyla
9 Lyla
10 Lyla
11 Lyla
12 Lyla
13 Lyla
14 Tom
15 Lyla
16 Lyla
17 Lyla
18 Tom
19 Tom
20 Lyla
21 Lyla
22 Tom
23 Lyla
24 Lyla
25 Lyla
26 Lyla
27 Tom
28 Lyla
29 Lyla
30 Lyla
31 Lyla
32 Lyla
33 Lyla
Danksagung
Zehn Monate zuvor – Backstage, Madison Square Garden. New York City
„Dex! Chad! Cale! Sonny! Wo zum Teufel seid ihr?“, rufe ich, während ich durch den leeren Flur wandere, und meine Stimme zu mir zurückhallt.
Ich wandere schon eine Weile herum – wo zur Hölle bin ich eigentlich? Irgendwo Backstage. Hier ist es wie in einem Labyrinth. Ich glaube, ich habe mich ein bisschen verlaufen.
Schulterzuckend hebe ich die halbleere Champagnerflasche, die ich mir vorhin gekrallt habe, an die Lippen, und trinke einen Schluck.
Ich könnte auch ein kleines bisschen betrunken sein.
Aber ich feiere.
Meine Band Vintage hat gerade The Mighty Storm im Madison Square Garden eröffnet! Und dort bin ich nun und habe mich verirrt.
Meine Band gewann einen Radiowettbewerb, und der Preis war, der The Mighty Storms Eröffnungsakt zu sein. Das war eine große Sache für uns! Ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass ich mir fast in die Hosen gemacht hätte, als ich herausfand, dass wir den Wettbewerb gewonnen hatten.
Also feiere ich jetzt – allein. Ich kann einfach keinen einzigen der Bandmitglieder finden oder meinen Freund. In der Aufregung und der Menge der Leute, habe ich es fertiggebracht, sie alle zu verlieren, als ich von der Bühne ging. Ich meine, mal ernsthaft jetzt, man hätte doch erwarten können, dass zumindest mein Freund oder mein Bruder auf mich warten würden.
Ich wette, Chad betrinkt sich mit Sonny und Cale, und Dex ist wahrscheinlich in diesem Moment auf der Zielgeraden, jemanden flachzulegen. Ich lege meine Hände zum rufen um meinen Mund. „Dex, ich weiß, du bis wahrscheinlich dabei, mit einem heißen Arsch rumzumachen, aber komm schon! Wir haben gerade The Mighty Storm eröffnet! The. Mighty. Fucking. Storm!” Ich betone die Worte extra, denn ich kann es immer noch nicht glauben.
Ich nehme noch einen Schluck Champagner und stolpere mit meinen Highheels. Ich stabilisiere mich mit einer Hand an der Wand, bevor ich weitergehe.
„Dex, ich will mit meinem großen Bruder feiern! Können deine Sexkapaden nicht bis später warten … bitte?“
Dex ist der Lead-Gittarist in unserer Band und eine totale Hure. Und wenn ich Hure sage, meine ich, dass er gern mit Männern rumhurt.
Ich liebe meinen Bruder mehr als irgendjemanden sonst in der Welt. Ich bin so froh, ihn zu haben. Er kümmert sich um mich und ich mich um ihn. Wir sind ein Team – das beste Team.
Hinter einer Kurve entdecke ich eine Tür zu meiner Rechten. Sieht aus, als könnte das ein Hausmeisterschrank sein. Dex hat eine Vorliebe für Sex in Schränken. Flur-, Kleider-, Hausmeister-, alle Arten von Schränken kommen infrage. Da ist er nicht wählerisch.
„Ich wette, du bist da dri-hin“, singe ich. „Dann mal hoch mit dem Reißverschluss, Bro, weil ich jetzt reinkomme!“ Die Champagnerflasche klongt gegen die Tür, als ich den Griff umfasse. „Ups.“ Ich kichere.
Ich reiße die Tür auf, aber der Schrank ist leer. Nur Wischmopp und Eimer. Kein Dex. Mit einem Seufzer schließe ich die Tür.
Bei dieser Geschwindigkeit werde ich nie jemanden finden. Seit einer ganzen Weile habe ich schon keine andere Person mehr gesehen. Das beginnt, gruselig zu werden, so wie in einem schlechten Horrorfilm gruselig. Alles hier hinten ist sehr Freddy Krüger mäßig. Nur endlose Flure.
Mich dem potenziellen Tod durch einen fiktionalen Serienkiller ergebend, gehe ich weiter durch den Flur, biege am Ende rechts ab, und hoffe auf ein Zeichen menschlichen Lebens. Ich nehme eine Hand vor den Mund und unterdrücke ein Kichern, als ich ein Pärchen weiter vorn rumknutschen sehe. Das Licht ist schlecht, sodass ich nicht viel sehen kann. Nicht, dass ich das will, aber es klingt, als ob sie viel Spaß haben.
Glückspilze.
Ich will wieder abbiegen und das dem Paar seinem Spaß überlassen, als einer von ihnen spricht.
„Genau so, Baby. Nimm ihn ganz! Du weißt, wie sehr du meinen großen Schwanz liebst.“
Mein Herz springt mir gegen die Rippen. Der Boden versinkt unter meinen Füßen.
Chad.
Nein, das kann nicht sein.
Bevor ich es merke, gehe ich auf ihn zu. Dann dreht er den Kopf und …
Chad.
Gott, nein.
Ich werde mich gleich übergeben.
In dem Moment, wo sein Blick auf meinen trifft, bleibe ich abrupt stehen. Ich beobachte mit einem unwirklichen Horror, wie der Schock meiner Anwesenheit auf seinem Gesicht nachhallt. Unbeweglich verharren wir in einem Zeitstillstand, wo keiner von uns etwas tut oder sagt.
Dann bricht Chad den Moment und bewegt sich. Er zieht sich von der Person zurück, die er gevögelt hat, rafft sich die Hosen hoch und versucht, sie zu schließen, bevor er auf mich zukommt. Und dann sehe ich, wen genau mein Freund da vögelt. Die Person dreht sich um und unsere Blicke treffen sich.
Es fühlt sich an, als ob mir ins Gesicht geschlagen wird. Hart.
Ich kann nicht atmen.
Ich stehe da und meine Welt zerbricht zum zweiten Mal in meinem Leben. Hilflos, irgendwas zu tun, starre ich in die reuevollen Augen meines Bruders.
Vor zwei Wochen – Krankenhauswartezimmer, Cedars-Sinai Medical Center. LA
Jake weinen zu sehen, ist nichts, von dem ich jemals dachte, es zu erleben. Ganz zu schweigen davon, derjenige zu sein, die ihn festhält, während er weint.
Er ist nie vor mir zusammengebrochen, als Jonny starb, und ich auch nie vor ihm. Keiner von uns.
Ich weiß, warum ihn dies zerbrochen hat. Es ist wegen Tru, der Frau, die er sein ganzes Leben geliebt hat. Dass ihn das so schlimm gebrochen hat, macht mir eine Heidenangst.
Jake ist nicht so stark, wie er gern vorgibt. Das verstehe ich. Früher verließ er sich auf Koks, um über schlechte Zeiten hinweg zu kommen. Ich konnte ihn nie dafür maßregeln, denn wir alle haben unsere Wege, mit allem fertigzuwerden. Ich hatte – habe – meine, und er seine.
Aber er ist jetzt clean. Tru ist sein Ein- und Alles. Und wenn sie geht, dann fürchte ich, dass er …
„Was, wenn sie stirbt?“
Beim Klang seiner gebrochenen Stimme drehe ich den Kopf zu ihm. Ich sehe ihm in die Augen, bevor ich versuche, etwas zu sagen. Und da sehe ich ihn – den Blick.
Fuck, nein.
Ich habe diesen Blick bisher nur ein Mal gesehen – kurz bevor ich alles verlor, was mir wichtig war.
Nun ist er da, in Jakes Augen. Ein Blick der Angst und des Schmerzes, Verzweiflung und Verwirrung, alles zusammen, was eine derartig lähmende Dunkelheit erzeugt, dass die Person, die das fühlt, nichts weiter sehen kann. Der Schmerz ist so stark, dass man sich ihm ergibt. Und das ist wenn jemand Dinge tut, die er normalerweise nie tun würde.
Irrationale, verzweifelte, schlimme, lebensverändernde Dinge.
Diesen Blick hat Jake jetzt in den Augen.
Angst tritt mir hart in den Magen. Ich habe eine solche Angst nicht mehr gefühlt seit der einen Nacht.
Ich sehe nicht weg. Ich starre fest in seine Augen, denn er muss mir jetzt unbedingt zuhören. „Tru ist eine Kämpferin, Jake. Sie tritt mir täglich in den Hintern. Sie wird nirgendwo hingehen.“
„Aber was wenn …“
Nein, Jake, Hör zu. Hör mich an.
Ich schüttele den Kopf, breche den Augenkontakt keine Sekunde ab. Ich kann ihn jetzt nicht verlieren. „Kein Waswenn. Tu dir das nicht an.“
Seine Augen füllen sich mit Tränen, die aus der Dunkelheit strömen, die ihn im Moment im Griff hat.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, seine Stimme bricht, „was ich denken soll, was ich sagen soll.“ Er verbirgt sein Gesicht in den Händen.
Ihn so zu sehen, wie sein Körper vor Trauer zittert, wünschte ich, ich könnte es von ihm nehmen, alles wieder gut machen.
Als wir Jonny verloren, war es schlimm … entsetzlich. Niemand kann einen darauf vorbereiten, einen Menschen zu verlieren, den man mehr als alle anderen braucht. Tru ist dieser Mensch für Jake.
Manche haben die Stärke, um weiterzumachen, wenn sie diesen einen Menschen verlieren, den sie mehr lieben als alle anderen. So wie ich. Ich habe meinen Weg gefunden, weiterzumachen. Einige können das nicht. Das sind die Menschen, die diesen verzweifelten, dunklen Blick in ihren Augen haben, so wie Jake im Moment. Ich habe jemanden, den ich liebte, an die Dunkelheit verloren. Ich werde Jake nicht genauso verlieren.
Ich atme tief durch und sage: „Denke nicht an das Schlimme, Jake. Denke an das Gute. An den Moment, wo du deinen Jungen in den Armen halten kannst. Denke an den Moment, an dem du endlich diesen Ring an Trus Finger stecken kannst, wenn sie schließlich ihre Dummheit einsieht und deinen lahmen Hintern heiratet. Denke an all die fantastischen, verdammten Sachen, die ihr drei zusammen machen werdet. Und während du an all die tollen Sachen denkst, werde ich bei dem großen Boss da oben beten. Ich werde ihm versprechen, dass ich ein paar ernsthafte Veränderungen an meinem Lebensstil vornehmen werde, im Austausch dafür, dass du all das bekommst, was immer für dich bestimmt war.“
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal in einer Kirche war. Nicht, dass die Kapelle des Krankenhauses eine echte kirchige Kirche ist. Ich setze mich nach ganz vorne. Da ist es leer. Fuck sei Dank! Ich will kein Publikum solange ich hier bin. Ich lehne mich vor, lege meine Arme auf meine Schenkel und falte die Hände.
„Okay“, beginne ich, „Ich bete nie, wie du sicher weißt. Ich bin nicht wirklich das, was du religiös nennen würdest. Wieder etwas, das du schon weißt. Aber ich habe ein Versprechen gegeben und das muss ich auch einhalten. Deshalb bin ich hier und rede mit dir.“ Ich hole tief Luft. „Da ist eine Frau im Krankenhaus – Tru Bennett. Du musst sie retten. Neben der Tatsache, dass sie einfach toll ist, rettest du mit ihr auch noch jemand anderen. Wenn Tru stirbt, wird Jake das nicht überleben. Ich sah es in seinem Blick. Derselbe Blick wie mein …“
Emotionen, die ich seit Jahren nicht mehr gefühlt habe, krallen sich an die Oberfläche. Ich reibe mit den Händen über mein Gesicht.
„Hör zu, ich weiß wie der Scheiß funktioniert. Ich bitte um etwas, und muss dafür etwas geben, stimmt’s? Du magst wissen, was für ein Bastard ich bin. Ich bin nicht bedeutend. Um ehrlich gesagt, bin ich fucking furchtbar. Ich behandle Leute wie Dreck, hauptsächlich Frauen. Ich benutze sie wie leblose Objekte, die dafür gemacht sind, dass ich meinen Schwanz in sie stecke. Ich habe niemanden umgebracht, aber ich kann nicht ausschließen, das irgendwann in der Zukunft mal zu tun. Ich habe ein scheiß Temperament. Ich bin ein Scheißkerl von einem Mann. Typisches Beispiel, ich kann nicht mal aufhören zu fluchen, wenn ich mit dir rede. Ein Arschloch weniger auf diesem Planeten wäre dir nur recht, oder? Kannst einen mehr von deiner schwarzen Liste streichen. Was ich meine ist, wenn du Trus Leben rettest, ändere ich meins. Komplett. Ich werde mit dem Lotterleben aufhören. Kein Rumgevögel mit wahllosen Frauen an unangebrachten Orten mehr, wie als ich diese Krankenschwester in dem Medikamentenraum gepoppt habe, nachdem ich kranke Kinder besucht hatte. Keine verheirateten Frauen mehr. Keine Dreier oder Vierer oder Orgien mehr. Ich werde sogar aufhören, in Striplokale zu gehen. Ich werde Frauen nicht mehr auf sexuelle Art ansehen. Fuck, ich werde das Leben eines gottverdammten Mönches leben, wenn du Tru rettest. Ich schwöre, ich werde nur Sex haben, wenn mir die Frau wirklich etwas bedeutet.“
Habe ich das wirklich alles laut ausgesprochen?
Jesus Christ!
Bei dem Gedanken bricht mir der kalte Schweiß aus. Ich wische über meine Stirn und hole tief Luft.
„Ich verspreche dir all das, weil ich weiß, dass Jake es nicht überleben wird, Tru zu verlieren. Ich sah es in seinen Augen. Er sah genauso aus wie … ach, ich bin sicher, du weißt wen ich meine.“
Ich atme aus und lehne mich in der Bank zurück.
„Wenn Jake Tru verliert, verlieren wir ihn. Ich kann ihn nicht verlieren. Jake und Den sind alles, was ich in dieser Welt noch habe. Und du hast schon genug Leute da oben. Du hast uns schon genug weggenommen. Du brauchst sie nicht. Sie wird hier unten mehr gebraucht … also gebe ich dir dieses Versprechen. Du rettest Trus Leben, und ich ändere komplett die Art, wie ich meins lebe.“
Ich schaue an die Decke. „Was sagst du dazu?“
Gegenwart – Studio TMS Records, LA
„Dein Ton ist daneben.“
Äh, was?
Die Stimme in meinem Ohr stoppt meinen Gesang. Ich lege den Kopf schief und schaue an dem riesigen Mikrofon vor meinem Gesicht vorbei, um durch das Glas zu sehen. Ich starre in das Gesicht zu der Stimme – Zane Fox, Vizepräsident von TMS Records, das Label, bei dem meine Band unter Vertrag ist.
Totaler Hottie, wenn ich auf sowas stehen würde, was ich nicht tue. Ich mag keine Kerle. Nein, ich bin nicht lesbisch. Ich bin asexuell. Lebe im Zölibat. Zumindest die vergangenen zehn Monate. Mein Lebenslauf mit Männern ist nicht gut. Alle wichtigen in meinem Leben, abgesehen von ein paar wenigen, haben mich hängen lassen – immens. Was Beziehungen zu Männern angeht … sagen wir es so … bin ich eine kolossale Versagerin.
Freund Nummer eins betrog mich mit der einzigen engen Freundin, die ich je hatte.
Freund Nummer zwei stahl Geld von mir.
Freund Nummer drei war ein aufstrebender Sänger, und ich fand heraus, dass er sich nur mit mir traf, weil er wusste, wer mein Vater war. Ich habe es gehört, als er es seinen Freunden erzählte. Das war ein Tiefschlag, denn ich hasse meinen Vater.
Freund Nummer vier verließ mich, als ich mich weigerte, einem Dreier mit seinem besten Freund zuzustimmen. Wirklich, ich mache keine Scherze.
Freund Nummer fünf lieh sich mein Auto aus. Ich habe ihn und mein Auto bis heute nicht mehr gesehen.
Freund Nummer sechs – meine längste Beziehung mit einem Kerl, von dem ich dummerweise dachte, dass ich ihn liebe – vögelte meinen Bruder in der wichtigsten Nacht meines Lebens. Nachdem ich sie in flagranti ertappt hatte, fand ich heraus, dass er meinen Bruder schon einen von den acht Monaten vögelte, die wir zusammen waren.
Das war das Killererlebnis, der letzte Nagel zu meinem Sex-Sarg.
Danach begriff ich, dass ich mich anscheinend immer nur zu schwierigen Männern hingezogen fühle. Ich bin sicher, jeder gute Psychologe würde sagen, das ist wegen meinem Vater und meinen Problemen mit ihm, weil er einfach ein totaler Scheißvater ist. Im Prinzip war er nur der Samenspender, der bei meiner Erschaffung geholfen hat.
Also bleibe ich Männern fern. Ernsthaft, das Naheste was ich heute einem Mann komme, ist mit meinem besten Freund Cale einen trinken gehen.
Früher war ich immer der Beziehungs-Typ, allerdings ein erfolgloser. Zwangloser Sex war etwas, das ich nie tun konnte. Ich verbinde zu viele Emotionen mit Sex, um in der Lage zu sein, mit jemandem zu schlafen, und ihn dann nicht wiederzusehen.
Beziehungen von meinem Menü zu streichen, entfernte gleichzeitig die Nachtischkarte, was bedeutet, kein Sex mehr für Lyla. Das macht mir absolut nichts aus – zumindest in fünfundneunzig Prozent der Fälle. Okay, wenn ich brutal ehrlich bin sind es eher fünfundsiebzig Prozent und steigend mit Hilfe von ASBOF.
ASBOF: Asexueller Batterie-operierender Freund. Der ultimative G-Punkt-Finder, atemberaubender Orgasmusgeber, kann-alles-was-ein-Mann-kann, außer schmusen und mein Herz brechen, Vibrator.
ASBOF ist mein elektrischer Weg zu einem sehr benötigten Orgasmus. Ich benutze den Ausdruck asexuell für meinen Vibrator, damit ich nicht im männlichen Sinn an ihn denke. Ich möchte überhaupt nicht auf sexuelle Weise an Männer denken, außer bei dem Versuch, mit dem ASBOF einen Orgasmus zu erreichen. Natürlich brauche ich manchmal mentale Stimulation, also ja, ich stelle mir einen gesichtslosen Mann vor, oder vielleicht den heißen Kerl, der mir bei Starbucks Kaffee serviert. Aber ich lösche den Kerl sofort aus meinem Gedächtnis, sobald ich und mein O fertig sind.
Egal, zurück zum Jetzt … und den Umstand, dass ich Zane nun schon lächerlich lange anstarre, als hätte er drei Alien-Köpfe auf seinen Schultern.
„Tut mir leid, was hast du gesagt?“ Ich hoffe, der Ton ist im Eimer und ich habe mich verhört.
Zane lehnt sich vor und spricht wieder in das Mikro, wobei er jedes Wort einzeln betont. „Ich sagte, dein Ton ist daneben.“
Ich schätze, er ist angenervt, weil er sich wiederholen musste. Und nein, ich habe mich nicht verhört.
Ich strecke meinen Rücken. Mein Ton ist nicht daneben. Auf gar keinen Fall. Er ist so nicht daneben, dass er sich auf der anderen Seite der Daneben-Brücke befindet. Ich kenne meine Songs. Ich kenne diesen Song in- und auswendig. Auf keinen Fall habe ich schief gesungen.
Mit brennendem Gesicht starre ich auf meine Schuhe und versuche, meine Wut zu bändigen.
Ich nehme Kritik nicht so gut auf. Sie ist nicht mein Freund. Und diese Kritik von Zane zu hören, sticht umso mehr, denn ich respektiere seine Meinung.
Ich bin leidenschaftlich bei der Arbeit. Ich liebe meinen Job. Ich liebe singen. Ich lebe dafür. Meine Band, dieses Album – ist alles für mich. Meine ganze Welt.
Ich sang jahrelang in beschissenen Bars und Clubs, jagte meinen Traum. Schließlich wurde der Traum wahr und ich arbeitete Monate an dem Album, sieben Tage die Woche, Tag und Nacht, und habe kaum geschlafen. Ich wollte es so unbedingt perfekt haben, dass ich dachte, ich bekomme einen Nervenzusammenbruch.
Und jetzt hören, dass ich schief singe – ausgerechnet von Zane – ist nicht gut. Er hatte kein Problem mit meinem Gesang bei den anderen Aufnahmen. Und ausgerechnet heute könnte ich darauf verzichten, das zu hören.
Ich fühle mich, als ob ich soeben eine sechs bei einem Test von meinem Lieblingslehrer bekomme, und möchte wie ein Kind einen kolossalen Wutanfall haben.
Nicht erwachsen, aber das ist mir egal.
Atme tief durch, Lyla.
Das ist Zane Fox. Er wird einen kreativen Wutanfall von einer unbedeutenden Sängerin, die eben erst den Vertrag mit ihm unterschrieben hat, nicht gut aufnehmen. Mit einem beruhigenden Durchatmen zwinge ich Nettigkeit in meine Stimme. „Okay, vielleicht war meine Tonlage ein winziges Bisschen daneben“, sage ich, obwohl ich das absolut nicht glaube, „aber …“
„Du warst nicht ein winziges Bisschen daneben“, unterbricht er mich. „Du warst total daneben. So verdammt daneben, dass es nicht mal witzig ist. Nichts hat gestimmt. Echt jetzt, du hast geklungen wie die Putzfrau, wenn sie mit ihren Kopfhörern auf mitsingt.“
Was zur Hölle? Okay, also was genau ist ihm heute in den Hintern gekrochen und darin gestorben?
Ich öffne meinen Mund zum sprechen, aber er ist schneller. Gott sei Dank ist seine Stimme ein bisschen weniger sauer.
„Deine sonst so tolle Stimme ist heute nicht da, Lyla. Der Ton, der deine Stimme so wiedererkennbar macht, so einzigartig, scheint verschwunden zu sein. Ich frage mich, was zur Hölle los ist. Also sag mir, gibt es irgendwas, das ich wissen sollte, bevor wir weitermachen?“
Er sieht mich erwartungsvoll an.
„Äh, was du wissen solltest? Zum Beispiel?“
„Keine Ahnung was, deshalb frage ich dich.“
„Nichts ist los.“
„Du bist nervös.“
„Ich bin nicht nervös.“
Okay, vielleicht bin ich nervös.
Ich hatte einen Anruf von Tante Steph bevor ich ins Studio kam, und der hat mich umgeworfen. Sie rief an, um mir zu erzählen, dass Dex bei einer neuen Band unterschrieben hat. Und diese Band lebt in LA. Er ist vor ein paar Tagen hergezogen.
Zu sagen, dass ich nervös bin, ist milde ausgedrückt.
Dex in New York und ich in LA hat wunderbar funktioniert. Tausende Meilen entfernt und keine Möglichkeit, dass ich ihn irgendwo treffen konnte, half gegen den magenumdrehenden, herzzerreißenden Schmerz, den ich fühlte, seid ich ihn mit Chad in flagranti erwischt hatte. Das Wissen, dass Dex jetzt in LA war, brachte alles mit voller Wucht zurück.
Ich bin froh, dass Tante Steph es mir gesagt hat. Ich meine, wenn ich ihn unvorbereitet getroffen hätte, wäre das der Killer für mich gewesen. Aber ich wünschte nur, er wäre nicht hier.
Als Tante Steph es mir erzählt hat, konnte ich mich noch zusammenreißen. Sie kennt den Grund nicht, warum Dex und ich nicht mehr miteinander reden. Dex hat es ihr nicht erzählt, und ich kann mich auch nicht dazu überwinden. Sie respektiert unsere Wünsche und fragt nicht, aber ich weiß, dass es ihr wehtut, dass Dex und ich nicht mehr kommunizieren, was nicht daran liegt, dass er es nicht versucht hätte.
Ich weiß, dass sie denkt, sie könnte uns helfen, wenn sie den Grund kannte. Aber das könnte sie nicht. Da ist nichts zu reparieren zwischen Dex und mir. Es war in dem Moment kaputt, als er anfing, meinen Freund zu vögeln. Ich spüre das vertraute Brennen in meiner Brust. Ich hebe eine Hand und reibe darüber.
„Du bist nervös, Lyla“, sagt Zane, unüberzeugt. „Wenn es was Persönliches ist und du es nicht sagen willst, ist das okay. Aber wir sind hier auf teurer Studio-Zeit, also musst du dein persönliches Leben an der Tür lassen, wenn du hier reinkommst.“ Er deutet zum Ausgang. „Und nun findest du einen Weg, diese aufgestauten Emotionen in deinen Song zu kanalisieren, und du singst ihn so gut, wie ich weiß, dass du es kannst.“
Er hat recht. Geschäftliches und Privates sollte man niemals vermischen.
Ich bin stärker als das.
Klar, ich habe einen Kloß in der Größe des Staates Texas in der Kehle, und ich leide unter den Nadelstichen des Schmerzes, wissend, dass Dex so nah ist. Aber ich bin stark. Ich weine nicht mal mehr. Nicht mehr seit zehn Monaten. Ich glaube, meine Tränendrüsen sind ausgetrocknet, als ich Flüsse wegen Dex und Chad weinte.
Ich erwidere Zanes Blick und sage mit Entschlossenheit in der Stimme: „Du hast recht. Das nächste Mal werde ich es richtig hinkriegen.“
Er sieht mich für einen langen Moment an, dann wird sein Blick weicher. „Brauchst du eine kurze Pause, bevor wir weitermachen?“
Seine Nettigkeit wirft mich für eine Sekunde aus der Bahn. Ich hebe mein Kinn und stecke das Gefühl weg. „Nein, ich bin soweit.“
„Okay.“ Er klatscht in die Hände. „Lasst es uns angehen.“ Zane geht vom Mikro und schlägt unserem Sound-Ingenieur auf die Schulter.
Ich sehe kurz auf Cale, Sonny und Van, die mit Zane im Studio sitzen. Sie legen die Musik von dem Stück von gestern auf. Für diesen Song wollte Zane die Musik und den Gesang separat aufgenommen haben, deshalb bin ich hier und singe ganz allein.
Cale ist unser Bassist und ich kenne ihn schon seit immer. Cale, Dex und ich sind zusammen aufgewachsen. Wir drei haben Vintage auf die Beine gestellt. Cale ist mein bester Freund, der einzige Mann, dem ich traue, und ich weiß, dass er mir den Rücken stärkt, denn er hat es schon mehr als ein Mal bewiesen.
Sonny ist unser Schlagzeuger. Er kam zur Band als wir gerade anfingen. Wir schrieben die Suche aus und er war der Einzige, der auftauchte. Glücklicherweise war er klasse. Er ist ein Dämon am Schlagzeug. Ich habe nie so etwas wie ihn gehört.
Van ist noch nicht lange bei uns. Er kam als Lead-Gitarrist dazu als Dex ging. Und wenn ich sage ging …
„Dex bleibt, ich gehe.“ Ich strecke meinen Rücken und mein Blick hebt sich, aber nicht zu Dex.
Ich kann mich nicht dazu bringen, ihn direkt anzusehen. Wenn ich das tue, fürchte ich, dass meine Entschlossenheit ins Wanken gerät. Sein Verlust in meinem Leben wird durchbrechen und ich werde zerbröckeln. Dex ist die Sonne und ich kann nicht direkt in seinen brennenden Blick sehen.
Cale steht auf und geht zu mir rüber. Er stellt sich neben mich und nimmt meine Hand. Ich muss Tränen schlucken, die ich in meiner Kehle brennen spüre. Ein paar Sekunden später stellt sich Sonny neben mich und legt einen Arm um meine Schultern.
Dex steht auf. „Passt auf sie auf, Jungs. Und Ly…“
Ich weiß, dass sein Blick auf mir ruht. Ich kann fühlen, wie er ein Loch in mich brennt.
„Ich weiß, das bedeutet einen Scheiß, und ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut.“
Ich höre seine Stimme brechen und beiße mir auf die Lippe.
„Ich liebe dich, Ly. Habe ich immer und werde ich immer. Und ich werde immer dein großer Bruder sein – ob du mich willst oder nicht.“
Danach habe ich Dex nicht mehr gesehen.
Cale fängt meinen Blick auf und macht die Mundbewegungen: „Alles in Ordnung?“
Ich nicke und zeige ihm mein bestes Lächeln.
Er verengt die Augen. Ist nicht überzeugt. Ich sehe weg. Cale kennt mich besser als jeder andere und weiß, wann bei mir nicht alles in Ordnung ist. Ich freue mich nicht darauf, ihm zu sagen, dass Dex in LA ist. Das wird er nicht gut aufnehmen. Ich bin froh, dass wir in einer Woche hier wegkommen, um auf Tour zu gehen.
Diesmal ertönt Grays Stimme in meinem Ohr. „Wir starten wenn du fertig bist, Lyla.“
Ich justiere meine Kopfhörer, atme tief durch und schüttele meine Hände aus. „Ich bin soweit.“
Ich trete vor das Mikro, meine Lippen schweben über dem warmen Kissen. Ich schließe die Augen und tue, was Zane gesagt hat. Ich hole meine Emotionen hervor, die mich heute so belasten, und kanalisiere sie in meinen Song. Singen ist das Einzige, was für mich Sinn macht. Es ist mein Rückzugsort. Nichts und niemand kann mich verletzten, wenn ich in diesem Moment bin und das Herz aus einem Song heraushole. Die mir allzu bekannte Musik dringt in meine Ohren, der köstliche Sound vibriert durch meinen Körper, übernimmt meinen Verstand. Ich öffne die trockenen Lippen, lecke kurz darüber, und heraus fließt die erste Zeile des Liedes. Ich singe, bis meine Stimme steigt, ihre Höhe ausschöpft, und dann schmettere ich die Worte heraus, bis ich mich regelrecht trocken gewrungen habe bei der letzten Zeile.
Lied fertig, ich öffne die Augen.
Zane kann sich darüber nicht beschweren. Es war fehlerlos.
Ich setze die Kopfhörer ab und gehe um das Mikro herum, erwarte, einen vollen Raum zu sehen, aber ich sehe nur Gray.
Wo sind sie alle?
Gray lehnt sich zum Mikro vor. „Konferenzraum. Zane sagt, du sollst da hinkommen sobald du fertig bist.“
Mein Magen sinkt.
Hat er es gehasst? Jesus, ich hasse die Nervosität, die kommt, wenn man Studioleute beeindrucken will.
„Hat er gesagt warum?“
„Nein. Er nahm einen Anruf entgegen und klang total sauer. Dann sagte er den Jungs, sie sollen mit in den Konferenzraum gehen, und du sollst folgen, wenn du fertig bist.“
Verwirrt sage ich: „Okay.“
„Du warst super übrigens“, sagt Gray. „Perfekt. Ich kann den Track so ohne Probleme zusammenbauen. Komm später zurück, dann kannst du reinhören.“
„Danke, Gray. Bis später.“ Ich lasse mich selbst aus dem Aufnahmeraum raus und gehe durch das Studio die Tür hinaus. Ich gehe den kurzen Weg durch den Flur zum Konferenzraum. Drei Köpfe heben sich, als ich die Tür öffne. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern ist nicht berauschend, also gehe ich davon aus, dass sie bereits wissen, was los ist. Zane steht am Fenster. Sein Gesicht zeigt keine Emotionen, wie immer, und seine Arme sind über seiner Brust verschränkt. Seine angespannte Haltung macht mir spontan Sorgen.
„Ist alles in Ordnung?“ Ich versuche, meine Nervosität aus meiner Stimme herauszuhalten. Ich ziehe den Stuhl neben Sonny hervor und setze mich.
„Dina hat sich heute Morgen beim Skifahren ein Bein gebrochen.“ Zane richtet sich auf und geht zum Tisch, an dem wir alle sitzen. „Ich meine, echt jetzt, wer zum Geier fährt heutzutage noch Ski?“, murmelt er, als er einen Stuhl herauszerrt und sich setzt.
Ich würde wohl über diesen Kommentar lachen, wenn nicht gerade der Boden aus meiner Welt gefallen wäre. Dina ist unsere Managerin. Sie wollte mit uns auf Tour gehen. Ich habe von dieser Tour geträumt, seit ich meine erste Gitarre in die Hand genommen hatte.
Ich kenne TMS Records Regeln. Kein Tour-Manager, keine Tour.
Sie lassen ihre Acts nicht ohne Begleitung gehen, was auch vernünftig ist. Eine neue Band unterwegs ohne Begleitung ist keine gute Idee, bei der Menge von Haien in der Musikindustrie.
Ich schlucke den hausgroßen Stein in meiner Kehle. Dumme Frage, aber ich muss sie stellen. „Also wird Dina nicht mit uns auf Tour gehen?“
Zane trommelt mit den Fingern auf dem Tisch. „Nein. Sie hat zudem einen Kreuzbandriss und wird in den nächsten Tagen operiert.“
„Und wir können nicht touren ohne einen Tourmanager“, sagt Cale und sieht mich an.
Er kennt die Hausregeln genauso gut wie ich. Das hier ist ihm genauso wichtig wie mir. Wichtig für uns alle.
Ich schlucke. „Okay, also wie geht’s jetzt weiter?“ Ich versuche, meine Stimme gleichmäßig zu halten, aber sie zittert leicht.
Nicht die Tour aufschieben. Bitte, nicht die Tour aufschieben.
„Die Tour findet trotzdem statt. Jake versucht gerade, einen Ersatzmanager zu finden, der mitfährt.“
Jake Wethers, Besitzer von TMS Records und Leadsänger der größten Band der Welt, The Mighty Storm.
Erleichtert atme ich die Luft aus, die ich angehalten hatte.
Aber meine Hoffnungen schwinden schon wieder, als Van fragt: „Gut, aber wird es dir gelingen, in dieser kurzen Zeit jemanden zu finden?“
Scheiße.
Daran hatte ich nicht gedacht. Die Tour soll in einer Woche starten. Eine Woche, um einen guten Tourmanager zu finden. Ich hab kein gutes Gefühl dabei. Die meisten Tourmanager, besonders die guten, werden schon ausgebucht sein.
Zanes Blick schießt zu Van und seine Augen verengen sich. „Wir werden einen finden.“ Sein Ton ist barsch. Er erhebt sich. „Ich melde mich bald bei euch.“
Dann schlendert er aus dem Raum.
Ein paar Sekunden später – Studio TMS Records, LA
„Scheiße! Das ist verdammt nochmal nicht gut“, sagt Sonny eine Sekunde, nachdem die Tür hinter Zane zugefallen ist.
„Es wird schon klappen. Mach dir keine Sorgen.“ Ich tätschele Sonnys Hand und hoffe, überzeugter zu klingen als ich mich fühle.
„Aber wie zur Hölle will er einen Manager finden? Verdammt unmöglich, wenn du mich fragst“, feuert Sonny dagegen.
„Er wird uns einen finden“, sagt Cale voller Zuversicht.
Sonny schüttelt den Kopf. „Ich weiß nicht, Mann.“
„Cale und Ly haben recht.“ Van steht auf. „Er wird uns einen anderen Manager besorgen.“
Sonny wirft ihm einen verwirrten Blick zu. „Was? Du hast deine Meinung geändert. Vor ein paar Minuten warst du derjenige, der ihm dieselbe gottverdammte Frage gestellt hat.“
Van zuckt die Achseln. „Zane mag ein Wichser sein, aber er hat gesagt, er wird jemanden besorgen und wir müssen ihm vertrauen.“
Ich sehe Van an und dann Cale und wünschte, ich könnte genauso sicher sein, aber das bin ich nicht. Ich sorge mich genauso wie Sonny. Ich sage es nur nicht. Ich tue, was ich am besten kann, meine Gefühle verbergen und das Problem ignorieren.
„Vergesst das Rumsitzen und auf Neuigkeiten warten. Ich nehme mir ein paar Bars vor.“ Van klopft mit den Knöcheln auf den Tisch. „Kommt ihr mit?“
„Bin dabei.“ Sonny erhebt sich. „Ich könnte ein Bier vertragen nach all dem hier. Und es ist Tage her, dass ich irgendeine Pussy gesehen habe.“
„Tage?“ Ich lehne mich vor. „Was ist mit der Frau, der ich heute morgen Frühstück gemacht habe? Du weißt schon, von der du abgehauen bist bevor sie aufgewacht ist.“
„Ah, yeah, die hab ich ganz vergessen.“
Hat er tatsächlich das Gedächtnis eines Goldfisches?
„Sorry, Ly.“ Er schenkt mir sein schönstes Lächeln mit seinen Hundewelpenaugen und sieht reuevoll aus, als er sich mit der Hand über den rasierten Schädel fährt.
Es ist schwer, lange auf Sonny sauer zu sein.
Und Frühstück machen für die Liebschaften der Jungs, besonders Sonnys, ist nichts Seltenes für mich. Wenn Sonny jemanden mit ins Apartment bringt, tendiert er dazu, auszubüchsen, bevor sie aufwachen. Das ist seine Spezialität. Dann habe ich Mitleid und mache ihnen Frühstück.
In vieler Hinsicht sehen meine Jungs zu gut aus für ihr eigenes Wohl. Aber ihr Aussehen funktioniert prima, wenn es darum geht, unsere weiblichen Fans zu faszinieren. Die Frauen schlecken sie geradezu ab, und sie lassen es zu.
Eine Bande männlicher Schlampen, aber ich liebe sie wie eine Familie.
Sonny ist der Schlimmste. Er besteht Zentimeter für Zentimeter aus muskulöser, dunkler Haut. Er ist total Fitnessverrückt. Frauen haben keine Chance. Sie lieben ihn und er lässt sie. Immer wieder.
Cale verkörpert die dumme Seite von Attraktivität. Das heißt, er lässt Frauen Dummheiten machen wegen ihm. Er ist nicht so ein Spieler wie Sonny, aber er kommt rum in der Frauenwelt. Die Vorteile dieses Jobs, nennt er es.
Als ich jünger war, vor vielen, vielen, Monden, und Cale nur Dex’ Freund war – bevor Cale mein bester Freund wurde – war ich kolossal verknallt in ihn. Es ist schwer, das zu vermeiden, bei seinem schönen Gesicht und dem dunkelbraunen Haar, das in seine schokobraunen Augen fällt. Und er hat das größte Herz von allen, die ich je gekannt habe. Aber meine Verknalltheit ließ bald nach und seitdem sind wir die besten Freunde.
Und Van hat den wunderschönen, grüblerischen Rockstar total drauf. Frauen fliegen ihm zu wie Vögel dem Brot. Er spricht wenig darüber, aber er hat mehr Kerben am Bettpfosten als Sonny. Ich weiß das, denn ich habe all diesen Frauen Frühstück gemacht. Van erinnert mich sehr an Jake Wethers – überall tätowiert, dunkles Haar, faszinierend blaue Augen. Ich hoffe nur, Van hat dasselbe magische Händchen in der Musikwelt wie Jake.
„Yeah, ich bin sicher, es tut dir ganz furchtbar leid.“ Ich sehe Sonny wenig überzeugt an.
„Ly, du weißt, dass es mir leidtut.“ Er grinst, zeigt mir seine perlweißen Zähne. „Hand aufs Herz.“
„Hast du überhaupt eins?“, scherze ich.
So ist das mit mir und Sonny. Wir necken uns immer.
„Oh Schmerz.“ Er wirft eine Hand auf seine Brust. „Ich zeige dir mein großes Herz, wenn ich morgen zu gottlos früher Stunde aufstehe und dir meine fantastischen Pfannkuchen mache.“
Sonny macht in der Tat die allerbesten Pfannkuchen.
Ich stütze mein Kinn auf meiner Hand ab. „Bedeutet das, du bringst deine nächtliche Eroberung diesmal nicht mit in unser Apartment?“
Er schenkt mir ein strahlendes Grinsen. „Also ich kann für nix garantieren, aber ich verspreche, ich mache dir die Pfannkuchen, egal ob meine Eroberung da ist oder nicht.“
Ich lache und schüttele den Kopf.
„Kommt ihr zwei jetzt mit oder nicht?“ Van fragt Cale und mich, und ist schon halb zur Tür raus.
„Klar.“ Ich erhebe mein Hinterteil vom Stuhl.
Cale zeigt mit dem Finger auf mich und sagt: „Du bleibst da.“
Ich halte in der Bewegung inne und runzele die Stirn. „Äh … was?“
„Wir müssen reden“, ist alles, was er sagt. Dann sieht er zu Van, der amüsiert wirkt bei unserer Unterhaltung. „Schick mir eine Textnachricht wo ihr seid, dann treffen wir uns da.“
Sobald die Tür hinter Sonny und Van geschlossen ist, wende ich mich an Cale. „Äh, was zur Hölle war das eben?“
„Das war ich, der weiß, dass etwas mit meiner besten Freundin nicht stimmt. Dir ging es noch gut, als wir uns auf den Weg ins Studio gemacht haben. Dann hast du einen Telefonanruf entgegen genommen und deine Laune sank auf den Nullpunkt. Wer hat angerufen, Ly? War er es? Ich weiß, dass er dich noch ständig anruft …“
Wie kann er das wissen?
Ich habe Cale nicht erzählt, dass er mich jeden Tag anruft, denn ich weiß, dass es ihn sauer machen würde.
„Warte mal.“ Ich hebe eine Hand und stoppe seine Rede. „Er ruft nicht jeden Tag an. Und selbst wenn, dann geh ich nicht ran.“
„Verarsch mich nicht. Er ruft dich jeden gottverdammten Tag an. Ich weiß es, denn du hast diesen depressiven Klingelton für ihn.“
Justin Timberlakes Cry me a River ist sein Klingelton, denn, na ja, ich will, dass er einen Fluss wegen mir weint.
„Ich kenne dich, Ly. Du bist dabei, bald nachzugeben und seine Anrufe anzunehmen, denn du fühlst immer noch was für ihn.“
Meine Augen richten sich auf ihn. Ich fühle nichts für ihn, nicht mehr. Ich bin nicht mehr dieses dumme, blinde, schwache Mädchen, das ich mal war.“
Er kommt zwei Stühle näher, sodass er direkt vor mir sitzt. Er nimmt meine Hände. „Du warst nie dumm, blind oder schwach. Du bist einer der stärksten Menschen, die ich kenne, aber du hast ein gutes Herz, ein liebevolles Herz. Ich weiß, was er dir bedeutet hat.“
Ich knirsche mit den Zähnen. „Es war nicht er, der angerufen hat.“
„Wer war es dann?“
Ich entziehe ihm meine Hände und kreuze die Arme vor der Brust. „Zählt Privatleben heutzutage nichts mehr?“ Ich benehme mich wie eine Zicke, und Cale ist der Letzte, den ich anzicken sollte, aber all mein angestauter Ärger von vorhin ist dabei, überzusprudeln.
„Nicht, wenn es das Lächeln aus deinem Gesicht nimmt, das ich die vergangenen zehn Monate da wieder hinbekommen wollte.“
Das sitzt. Ich wende meinen Blick ab. „Wenn du es unbedingt wissen musst, es war Tante Steph. Sie rief an, um mir zu sagen, dass … Dex einer neuen Band beigetreten ist. Er ist in LA. Ist vor ein paar Tagen hierher gezogen.“
Ich höre, wie Cale scharf Luft einzieht. „Er ist hier? In LA?“
„Yep.“ Ich sehe in seine Augen und nicke.
Sein Kiefer arbeitet ärgerlich. Ich finde es schrecklich, dass er deswegen ärgerlich sein muss, ärgerlich für mich. Jetzt ist es an mir, seine Hand zu nehmen. Ich drücke sie sanft. „Cale, mir geht es gut.“
„Ja, klar.“ Er entzieht mir seine Hand und lehnt sich im Stuhl zurück. „Mistkerl! Er weiß, dass du in LA bist, Ly. Er weiß es, und er sollte dir zur Hölle fernbleiben, so wie ich ihn gewarnt habe.“
„Es ist keine große Sache.“ Es ist sowas von einer großen Sache. „Und wir gehen in einer Woche auf Tour.“ Hoffentlich. „Höchstwahrscheinlich werde ich ihn bis dahin gar nicht sehen.“
„Er hält sich besser zurück. Ich schwöre bei Gott, wenn er dir nahe kommt, vermöbele ich ihn, wie ich es schon hätte tun sollen, als er dir das Herz gebrochen hat.“
Cale ist überbesorgt was mich angeht. Er hatte bei mir schon immer dieses Großer-Bruder-Syndrom. Es steigerte sich um das Zehnfache, als Dex mich betrog. Und ich weiß, dass es auch Cale wehgetan hat. Dex ist sein längster Freund, sein bester. Er vermisst ihn. Er würde das nie zugeben, aber ich weiß, dass es so ist.
„Cale, werde nicht sauer, aber ich dachte, du solltest vielleicht mit Dex in Kontakt treten.“
„Was?“ Er zuckt zurück als hätte ich ihn geohrfeigt.
„Hör mich bitte an.“
„Klar. Nur zu.“ Er macht eine ärgerliche Geste mit der Hand. „Erleuchte mich mit deiner Weisheit.“
„Sei keine Zicke.“
Das bringt ihn zu einem kleinen Lächeln.
„Cale, Dex war dein bester Freund vor dieser Sache, und ich weiß, dass du ihn vermisst. Er hat nicht dich betrogen und ich habe dich dazu gebracht, dich zwischen uns zu entscheiden … mit der Band … das hätte ich nicht tun dürfen.“
Seine braunen Augen blitzen vor Wut. Er setzt sich aufrecht, lehnt sich vor, mit den Ellbogen auf den Knien, sein Gesicht nah an meinem. „Lass uns eine Sache klarstellen. Du hast mich nicht dazu gebracht, irgendwas zu wählen. In dem Moment, als Dex dich betrog, hat er auch mich betrogen, die Band, uns alle. Er brachte uns dazu, uns zu entscheiden. Und jetzt denkst du, ich sollte ihn kontaktieren … Jesus Christ.“ Er schüttelt den Kopf. „Ich kenne Dex nicht mal mehr. Ich bin nicht sicher, dass ich das je tat, und nenn mich verrückt, aber ich könnte niemals einen Kerl, der seine eigene Schwester betrügt, so wie Dex es getan hat, einen Freund nennen. So, sind wir jetzt hier fertig?“
Ich schlucke an meinen Emotionen vorbei und nicke.
Cale nimmt mein Gesicht in seine Hände. „Gut. Ich passe auf dich auf, Ly, immer. Ich werde nicht zulassen, dass dich noch mal jemand verletzt. Und ich weiß, du denkst, du hast keinen großen Bruder mehr, aber das hast du. Genau hier.“
Ich lege meine Hände über seine. „Danke, Cale.“
„Immer gern, Ly.“ Er küsst meine Stirn und lässt mich los. Im Aufstehen sagt er: „So, gehen wir jetzt in diese Bar, oder was?“
Kopfschüttelnd lache ich ihn an. „Absolut. Du voran, großer Bro.“
„Tom Carter?“
„Ja. Tom Carter.“
„Du meinst, Tom Carter, Bassist von The Mighty Storm. Dieser Tom Carter?”
„Ja, Lyla, dieser Tom Carter.” Dina klingt schon langsam frustriert über mich.
Was ich verstehe, denn ich höre mich an wie eine hängende Schallplatte. Es ist nur, weil mein Kopf ablehnt, was sie mir da erzählt, es nicht speichern will.
„Tom Carter … aber ich verstehe das nicht.“
„Was gibt’s da zu verstehen? Tom übernimmt meine Stelle als euer Tourmanager.“
Anscheinend hat Zane entschieden, uns nicht die News zu überbringen, da ich es von Dina höre. Aber Tom Carter! Totale Schlampe. Baggert mich jedes Mal an, wenn ich ihn sehe. Er ist der Inbegriff einer männlichen Schlampe.
„Also Tom wird unser Tourmanager sein. Er wird mit uns auf Tour gehen?“
Dina lacht, aber ich höre Verzweiflung darin. „Zum letzten Mal, Lyla. Ja! Tom ist jetzt euer Manager, und er wird für die nächsten sechs Wochen mit euch touren.“
Mistige Mistscheiße.
Tom Carter.
Gott helfe mir.
Ich wusste nicht mal, dass Tom für TMS Records arbeitet. Natürlich ist er ein Viertel von The Mighty Storm, aber ich dachte, da endet seine Verbindung. TMS Records ist Jakes Geschäft. Tom ist nur die Bass spielende Schlampe, der seinen Schwanz in alles steckt, das einen Puls und eine Vagina hat. Eigentlich glaube ich nicht, dass es ihn interessiert, ob es einen Puls hat.
Miau. Untertasse mit Milch wird gebraucht an Lylas Tisch.
„Halte mich für doof, aber ich verstehe nicht, wieso Tom unser Manager sein wird. Er ist keiner. Er ist Musiker.“
Am anderen Ende der Leitung atmet Dina tief aus. „Und Jake Wethers ist ein Sänger in einer Band. Er ist auch der Besitzer des geilen Labels, für das ich arbeite, dasselbe, bei dem deine Band ist.“ Ihr Tonfall wird geschäftlich. „Ich weiß, was du denkst, Lyla, aber das ist Jakes Ansage, und er macht selten einen Fehler. Er vertraut Tom, wir vertrauen Tom. Ich werde Jakes Entscheidung nicht infrage stellen. Er hat im Moment genug am Hals. Und Zane stärkt ihm den Rücken in der Sache.“
Sie hat recht. Jetzt fühle ich mich wie eine Megazicke, weil ich darüber jammere.
Jakes Verlobte, Tru, hatte vor ein paar Wochen zusammen mit ihrem Bodyguard und ihrer besten Freundin einen schlimmen Autounfall. Das Schlimmste daran ist, dass Tru schwanger war. Ihr kleiner Junge kam per Kaiserschnitt zu früh auf die Welt. Gott sei Dank geht es ihm gut. Aber Tru lag eine Woche im Koma. Es geht ihr wieder gut und sie erholt sich, und der kleine JJ entwickelt sich prächtig. Aber Jake hat Furchtbares hinter sich und ich werde ihn nicht mit meinen Bedenken belästigen, dass Tom unser Manager sein soll.
Ich muss es einfach schlucken.
„Es tut mir leid. Ich wollte nicht undankbar und jammernd klingen.“
„Das klang auch nicht so, Lyla. Ich verstehe deine Bedenken. Wirklich. Darüber habe ich auch nachgedacht, als Zane es mir sagte, aber Jake würde keine Entscheidung treffen, die eure Tour gefährdet. Er hält sehr viel von euch. Er möchte nur das Beste für euch, genau wie ich.“
Das wärmt mein Herz. „Du hast recht. Sechs Wochen mit Tom als Manager ist … okay. Ein Kinderspiel.“ Ich versuche, mich zuversichtlich anzuhören, obwohl ich mich nicht so fühle.
„Das schaffst du schon, Lyla. Und ich glaube nicht, dass Tom … äh, Tom sein wird. Nicht, während er mit euch arbeitet. Es steht eine Menge auf dem Spiel bei dieser Tour und Tom mag einiges sein, aber niemand, der Jake im Stich lassen würde.“
„Nein, das würde er nicht“, stimme ich zu.
Ich bin nicht sicher, dass ich dem wirklich zustimme. Ich kenne Tom nicht so gut, aber bei jeder Gelegenheit, wo ich ihn traf, baggerte er mich an. Ich habe ihn jedes Mal abblitzen lassen. Er schien das nicht so sehr zu mögen. Ich hatte den Eindruck, dass Frauen Tom nicht abblitzen lassen.
Naja, diese Frau hier schon.
Ich sehe zwar, dass Tom verdammt heiß ist, aber ich werde meine Ansichten bloß wegen einem verdammt heißen Typen nicht ändern. Besonders nicht für Tom, der größten Schlampe, die die Welt je gesehen hat.
Meine Virginia ist außer Betrieb. Virginia ist mein Spitzname für meine Vagina.
„So, alles klar also?“, fragt Dina.
„Alles klar.“ Ich lächle nur für mich selbst. „Ich sage es den Jungs. Sonny wird ausrasten. Tom ist sein Idol.“
Dina lacht. „Echt? Nun, ich hoffe, Sonny erreicht niemals Toms Statistik.“
Das bringt mich zum Lachen. „Ich weiß nicht, Dina. Sonny ist schon auf dem besten Weg dahin.“
Die Tür zum Apartment öffnet sich und die Jungs rollen ein, Pizza und Bier in den Händen.
„Die Jungs sind grade gekommen. Bis später?“
„Absolut. Ich melde mich bei dir, um zu sehen, wie die Dinge laufen.“
Nachdem ich aufgelegt habe, schiebe ich das Handy in meine Tasche. Ich warte, bis die Jungs alle auf dem Sofa um mich herum sitzen, bevor ich spreche. „Das war Dina am Telefon.“
Alle Augen richten sich auf mich.
Ich nehme die Bierflasche, die Sonny mir hinhält.
„Also, was ist los?“, fragt Cale.
Mir entgeht nicht der angespannte Ton in seiner Stimme. Die letzten Tage waren stressig.
Ich öffne mein Bier. „Jake hat einen Ersatzmanager gefunden.“
„Und? Wer ist es?“, drängt Sonny.
Ich nehme einen schnellen Schluck und behalte die Flasche auf dem Schoß. „Tom Carter.“
Sonnys Augen weiten sich. „Tom Carter … der Tom Carter von The Mighty Storm? Der Tom Carter?“
Das erinnert mich verdammt an meine Unterhaltung mit Dina, außer dass meine Reaktion eher die des Grauens war, bei dem Gedanken, dass Tom mit uns kommt, während es bei Sonny eine kaum beherrschbare Aufregung auslöst.
„Yep, genau der.“ Ich setze die Flasche wieder an meine Lippen. Mit leicht zurückgelegtem Kopf nehme ich dieses Mal einen größeren Schluck.
„Heilige Scheiße!“, ruft Van. „Tom Carter! Mit uns auf Tour! Mann, das wird geil! Weiber, Partys … Weiber! Das wird so verdammt wild! Der Mann ist eine verdammte Legende!“
Sonny sieht zutiefst erschüttert aus. Dann erwacht er zum Leben. „Du hast verdammt recht, er ist eine Legende! Eine Pussy-Legende! Wir touren mit dem Besten den es gibt! Denkt nur an all die Sachen, die er uns beibringen kann.“ Sein Gesicht nimmt einen verträumten Ausdruck an.
Echt jetzt, er macht mir langsam Angst.
„Was sagst du dazu, Cale?“ Van haut ihm auf den Rücken.
Cale grinst. „Ich sage, das ist verdammt nochmal fantastisch.“
„Amen!“ Sonny beugt sich vor und stößt mit Van mit seinem Bier an. Gleichzeitig gibt er Cale ein High-five.
Ich starre alle nur an, mit großen Augen und einem mulmigen Gefühl im Bauch.
Das ist genau das, was ich nicht wollte, aber ich wusste, das würde passieren, wenn ich ihnen sage, wer mit uns auf Tour geht. Ich bin kein Langweiler. Ich habe echt nichts dagegen, wenn die Jungs Spaß haben. Sie haben eine Menge Spaß und schlafen mit tonnenweise Frauen. Aber Tom Carters Verständnis von Spaß spielt in einer ganz anderen Liga als meine Jungs.
Er wird sie total verderben auf der Tour.
Es wird mehr um Tom gehen und dass die Jungs Frauen aufreißen als um Musik. Toms Fokus wird allein auf den Groupies liegen, anstatt darauf, dass die Shows auf der Tour glattlaufen.
Ich kenne seinen Ruf. Er ist ein Spieler, kein harter Arbeiter. Wir brauchen einen Manager, der die ganze Zeit uns im Auge hat, und nicht die nächste Tussi, die er poppen will.
Das wird das reinste Desaster!
Ich werde die Rolle des Managers übernehmen müssen, aufpassen, dass die Shows glatt über die Bühne gehen, und irgendwie meine Jungs bei der Stange halten, während sie unter Toms Einfluss stehen. Wenn ich Tom die Sache machen lasse, wird Vintage am Ende tot sein, und ich werde mit drei Klonen von Tom Carter dastehen.
Das erinnert mich an die Episode von Friends, wo Chandler und Joey anfangen, sich wie Monicas Freund Richard anzuziehen und zu benehmen, weil sie glauben, dass der wirklich cool ist, und sie so sein wollen wie er. Die beiden haben sich sogar denselben Bart wachsen lassen wie Richard.
Das ist es, was ich mir gerade vorstelle – drei Tom Carter Klone, vormals bekannt als Cale, Sonny und Van. Statt Zigarren und Bärten werden es Frauen sein, und noch mehr Frauen, bis ich meine Jungs unter Bergen von Weibern begraben wiederfinde. Vintage wird sterben bevor es begonnen hat, und ich werde für den Rest meines Lebens in trostlosen Bars auftreten.
Ich fange an, mein Bier abzubohren, es zu leeren und nach einem neuen zu greifen. Ich lausche dem verbalen Durchfall, der aus den Mündern meiner Jungs strömt, über all den verrückten Scheiß, den sie auf der Tour mit dem Gott der Frauen Tom Carter anstellen werden.
Ich mache grade ein neues Bier auf, als ich merke, wie sich das Sofa neben mir eindrückt.
„Du siehst nicht besonders glücklich darüber aus, dass Tom Carter unser neuer Manager ist“, sagt Cale mit leiser Stimme.